Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. kein Recht auf freiwillige Weiterversicherung nach § 26 Abs 2 S 1 SGB 11 für Rentner mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Spanien) bei Vorliegen einer Pflichtversicherung am Aufenthaltsort. Vorrang des Gemeinschaftsrechts
Leitsatz (amtlich)
Einem Rentner mit Wohnsitz in Spanien, der sowohl eine Rente des deutschen als auch eine Rente eines spanischen Rentenversicherungsträgers bezieht, steht ein Recht auf Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung nicht zu.
Normenkette
SGB 4 § 3 Nr. 2; SGB 11 § 26 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 1 Nr. 1; EWGV 1408/71 Art. 13 Abs. 2 Buchst. f, Art. 15 Abs. 2, Art. 27; EGV 883/2004 Art. 1 Buchst. c
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger, der neben einer Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung eine solche eines spanischen Rentenversicherungsträgers bezieht, nach seinem Umzug nach Spanien in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) weiterversichert ist.
Der im März 1933 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger. Er bezieht seit April 1998 eine Rente vom beigeladenen Rentenversicherungsträger. Daneben erhält er seit März 1998 eine Rente des spanischen Rentenversicherungsträgers. Der Kläger verlegte seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt am 31.8.1998 nach Spanien. Solange er in Deutschland wohnte, war er als Rentner bei der Innungskrankenkasse Baden-Württemberg in der gesetzlichen Krankenversicherung und bei der beklagten Pflegekasse in der SPV pflichtversichert. Seit seiner Wohnsitzverlegung ist er wegen des Bezuges der spanischen Rente nach spanischem Recht krankenversicherungspflichtig und hat Anspruch auf Leistungen bei Krankheit gegen den spanischen Versicherungsträger.
Mit Schreiben vom 16.9.1998 teilte der Kläger der Beigeladenen mit, dass er wegen seines Rentenbezuges in Spanien über die spanische Krankenversicherung versichert sei, und bat um die "Aufhebung seiner Mitgliedschaft" in der deutschen Krankenversicherung. Gleichzeitig erklärte er, seine Pflegeversicherung weiterhin "beibehalten" zu wollen. Nachdem die Beigeladene den Vorgang an die Beklagte abgegeben hatte, stellte diese mit Bescheid vom 22.12.1998 fest, dass der Krankenversicherungsschutz des Klägers mit dem Umzug am 31.8.1998 geendet habe und damit auch die Versicherungspflicht in der SPV beendet sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.7.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Hinweis darauf zurück, dass auch eine freiwillige Weiterversicherung in der SPV nicht möglich sei.
Der Kläger hat Klage erhoben. Mit Urteil vom 21.9.2005 hat das Sozialgericht (SG) Reutlingen die Klage abgewiesen und ua ausgeführt, dass der Kläger eine Weiterversicherung in der SPV nach § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI im Hinblick auf die Regelungen der Verordnung (EWGV) 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- oder abwandern (EWGV 1408/71), nicht beanspruchen könne, weil er der Krankenversicherungspflicht in Spanien unterliege. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 23.6.2006 abgeändert und festgestellt, dass der Kläger ab 1.9.1998 bei der Beklagten nach § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI freiwillig weiterversichert ist. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung zur Frage der Weiterversicherung unter Hinweis auf sein Urteil vom 27.6.2003 (L 4 P 38/01) wie folgt begründet: Der Kläger könne sich für sein Begehren auf § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI stützen. Er sei gerade durch die Verlegung seines Wohnsitzes nach Spanien aus der Versicherungspflicht in der SPV ausgeschieden. Europarechtliche Vorschriften ständen der Weiterversicherung nicht entgegen. Ohne Bedeutung sei insbesondere, dass der Kläger ab 1.9.1998 in der spanischen Krankenversicherung versicherungspflichtig sei. Auch habe er in der Frist des § 26 Abs 2 Satz 2 SGB XI einen Antrag gestellt.
Die Beklagte hat die vom LSG hinsichtlich der Frage der Weiterversicherung zugelassene Revision eingelegt. Die Zuerkennung eines Rechts auf Weiterversicherung in der SPV sei mit den Vorschriften der EWGV 1408/71 nicht vereinbar. Insbesondere bestimme Art 15 Abs 2 EWGV 1408/71 für das Zusammentreffen einer Pflichtversicherung mit einer freiwilligen Weiterversicherung bei Anwendung der Vorschriften beider Mitgliedstaaten unmissverständlich, dass der Versicherte nur der Pflichtversicherung unterliege. Eine Parallelversicherungsmöglichkeit habe die Verordnung in Art 15 Abs 3 nur in bestimmten Risikobereichen zugelassen. Hierzu gehöre der Risikobereich Pflege nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23.6.2006 aufzuheben, soweit darin über die Weiterversicherung des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung entschieden worden ist, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.9.2005 auch insoweit zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil insoweit für zutreffend und regt an, den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der beklagten Pflegekasse ist begründet.
Im Revisionsverfahren war über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nur zu entscheiden, soweit die Beklagte darin die Weiterversicherung des Klägers in der SPV verneint hat. Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens war das Begehren des Klägers, das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der SPV bei der Beklagten festzustellen. Insoweit hatte das LSG die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 30.5.2007 (B 12 P 7/06 B) als unzulässig verworfen.
Soweit die Beklagte in ihren Bescheiden die Weiterversicherung des Klägers in der SPV verneint hat, hat das SG seine Klage zutreffend abgewiesen. Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG und die Bescheide insoweit geändert und dem Begehren des Klägers, in der SPV weiterversichert zu sein, stattgegeben. Der Kläger ist nach Verlegung seines Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes nach Spanien am 31.8.1998 bei der Beklagten in der SPV nicht weiterversichert. Einer Aussetzung des Revisionsverfahrens zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedurfte es nicht.
1. Die mit einer Anfechtungsklage verbundene Feststellungsklage des Klägers ist gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig. Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Weiterversicherung bei der Beklagten unter Aufhebung der insoweit entgegenstehenden Bescheide. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, weil das Bestehen einer Weiterversicherung allgemein Voraussetzung für die Erfüllung von Vorversicherungszeiten für den Leistungsfall und die Verpflichtung zur Beitragszahlung ist.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 22.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.7.1999 ist auch, soweit darin das Bestehen einer Weiterversicherung verneint wird, rechtmäßig.
a) Auch wenn in den Bescheiden die beklagte Pflegekasse als erlassende Körperschaft nicht mit der geforderten Deutlichkeit bezeichnet ist, sind die Bescheide aus diesem Grund nicht zu beanstanden. Die beklagte Pflegekasse war für die angefochtenen Bescheide sachlich zuständig (vgl Urteil des Senats vom 6.11.1997, 12 RP 1/96, BSGE 81, 168, 169 = SozR 3-3300 § 20 Nr 2 S 2) . Zwischen der in den Bescheiden allein benannten Krankenkasse und der Pflegekasse besteht Organidentität. Der Senat hat deshalb für eine Übergangszeit entschieden, dass derartige Bescheide als Bescheide der Pflegekasse noch erkennbar sind (vgl ua Urteil des Senats vom 6.11.1997, 12 RP 4/96, SozR 3-3300 § 55 Nr 1 S 2; ferner Urteil vom 26.1.2005, B 12 P 4/02 R, SozR 4-2400 § 3 Nr 1 RdNr 11) . Er hält an dieser Rechtsprechung für die hier zu beurteilenden 1998 und 1999 erlassenen Bescheide fest, da diese kurz nach den damaligen Entscheidungen ergangen sind. Er geht jedoch für die Zukunft davon aus, dass Bescheide grundsätzlich nur dann der Pflegekasse zuzurechnen sind, wenn diese eindeutig als Urheber erkennbar ist.
b) Dem Kläger steht, nachdem er im August 1998 nach Spanien umgezogen ist, ab 1.9.1998 ein Recht zur Weiterversicherung nach § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI, der nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt als Sonderregelung allein heranzuziehen ist, nicht zu. Zwar sind die Voraussetzungen für ein Weiterversicherungsrecht nach dem Wortlaut dieser Vorschrift erfüllt (dazu aa). § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI ist jedoch im Hinblick auf vorrangiges Recht der Europäischen Gemeinschaften einschränkend dahin auszulegen, dass er Personen wie dem Kläger nicht gestattet, die in der SPV ursprünglich bestehende Pflichtversicherung nach Verlegung seines Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland freiwillig fortzusetzen (dazu bb).
aa) Zutreffend hat das LSG die Anwendbarkeit des § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI auf den Kläger unter Berücksichtigung des Wortlauts dieser Vorschrift bejaht.
Nach dem seit dem 1.1.1995 unverändert geltenden § 26 Abs 2 Satz 1 des SGB XI (eingeführt durch Art 1 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014) können sich Personen, die wegen der Verlegung ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland aus der Versicherungspflicht ausscheiden, auf Antrag weiterversichern. § 26 Abs 2 Satz 2 SGB XI fordert in diesem Zusammenhang, dass der Antrag bis spätestens einen Monat nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht bei der Pflegekasse gestellt wird, bei der die Versicherung zuletzt bestand. § 26 Abs 2 SGB XI ermöglicht den dort genannten Personen auf diese Weise die Weiterführung des Versicherungsverhältnisses zu einem verminderten Beitrag (vgl § 57 Abs 5 SGB XI). Zwar werden auch bei der Weiterversicherung nach § 26 Abs 2 SGB XI Leistungen der SPV grundsätzlich nicht ins Ausland erbracht (vgl § 34 Abs 1 Nr 1 SGB XI) . Eine Weiterversicherung hat jedoch Bedeutung für die Erfüllung der in § 33 Abs 2 SGB XI geregelten Vorversicherungszeiten für die Leistungsinanspruchnahme und damit eine anwartschaftserhaltende Funktion (vgl im einzelnen BT-Drucks 12/5262 S 82, 107, 110) .
Nach den Feststellungen und dem insoweit bereits rechtskräftigen Urteil des LSG sind die Voraussetzungen des Rechts zur Weiterversicherung nach § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI, der allein das Ausscheiden aus der Versicherungspflicht in der SPV wegen der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland verlangt, gegeben. Danach gehörte der Kläger bis zu seinem Umzug im August 1998 aufgrund des Rentenbezugs in Deutschland gemäß § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 11 SGB XI iVm § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V zum Kreis der in der SPV Versicherungspflichtigen. Infolge der Verlegung seines Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes nach Spanien fand das deutsche Sozialversicherungsrecht gemäß der nationalen Kollisionsnorm des § 3 Nr 2 SGB IV nach dem 31.8.1998 auf den Kläger keine Anwendung mehr, sodass er aus diesem Grund und zu diesem Zeitpunkt aus der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und infolgedessen in der SPV ausschied.
bb) Entgegen der vom Berufungsgericht und vom Kläger vertretenen Auffassung stehen einer Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI auf den vom Kläger repräsentierten Personenkreis aber europarechtliche Vorschriften entgegen. Insoweit ist § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI hinsichtlich seines personellen und territorialen Anwendungsbereichs wegen deren Vorrangs einschränkend auszulegen.
Die Einräumung eines Rechts zur Weiterversicherung in der SPV, wenn der Versicherte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt, stellt der Sache nach bereits eine Abweichung von nationalem Kollisionsrecht dar. Sie widerspricht nämlich dem in § 3 Nr 2 SGB IV normierten Territorialitätsgrundsatz, wonach die Vorschriften über die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit nicht voraussetzen, nur für solche Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (ebenso Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Oktober 2007, § 26 SGB XI RdNr 14; Wagner in: Hauck/Noftz, SGB XI, Stand November 2007, § 26 RdNr 22). Die Gewährung eines solchen Weiterversicherungsrechts steht aber auch im Widerspruch zu den Kollisionsnormen der EWGV 1408/71, in deren personellen Anwendungsbereich der Kläger fällt. Insoweit hat der EuGH entschieden, dass diese Vorrang vor widersprechenden nationalen Bestimmungen haben, weil dem nationalen Gesetzgeber nicht die Befugnis zukomme, im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Staatsgebiet sie ihre Wirkung entfalten sollen (vgl Urteil vom 12.6.1986, 302/84 "Ten Holder", EuGHE I 1986-III, 1827, 1834 RdNr 21 = SozR 6050 Art 13 Nr 8 S 13) .
Nach Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 unterliegt "eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ... den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften". Die Bestimmung legt lediglich fest, welche nationalen Rechtsvorschriften für diese Person gelten, nicht aber, unter welchen Voraussetzungen sie einem System der sozialen Sicherheit oder einem bestimmten Zweig eines solchen Systems zugehört. Denn es ist Sache jedes Mitgliedstaats, diese Voraussetzungen, einschließlich der Voraussetzungen für die Beendigung der Versicherungszugehörigkeit, festzulegen (vgl Urteil des EuGH vom 3.5.1990, C-2/89 "Kits van Heijningen", EuGHE I 1990-II, 1769, 1775 RdNr 19 = SozR 3-6050 Art 13 Nr 1 S 5; Urteil vom 11.6.1998, C-275/96 "Kuusijärvi", EuGHE I 1998-IV, 3443, 3454 RdNr 29). Soweit Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 anordnet, dass allein die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates gelten, entspricht das der Grundentscheidung des Absatzes 1 dieser Bestimmung, nach der kollisionsrechtlich sichergestellt werden soll, dass die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats anwendbar sein und Doppelversicherungen durch das Zusammentreffen von Leistungen mit gleicher Zielrichtung aufgrund der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten vermieden werden sollen. Nach Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 sind Personen unter den dort genannten Voraussetzungen den Rechtsvorschriften ihres Wohnsitzstaates jedoch nur unterstellt, wenn keine andere allgemeine Kollisionsregel des Art 13 EWGV 1408/71 oder Sonderregelung der Art 14 bis 17 EWGV 1408/71 der insoweit subsidiären Bestimmung vorgeht. Eine solche besondere Kollisionsregel enthält Art 15 Abs 2 EWGV 1408/71. Weil die Koordinierungsvorschriften der EWGV 1408/71 regelmäßig nur die obligatorischen Pflichtversicherungen betreffen und die freiwillige Weiterversicherung danach von deren sachlichen Anwendungsbereich grundsätzlich nicht erfasst ist, sieht Art 15 Abs 1 EWGV 1408/71 vor, dass Art 13 EWGV 1408/71 für die freiwillige Weiterversicherung in der Regel nicht gilt. Die Frage, ob nationales Recht auf einen bestimmten Sachverhalt anzuwenden ist, beantwortet im Fall der freiwilligen Weiterversicherung damit nicht Titel II der EWGV 1408/71, sondern allein das nationale Recht. Soweit es infolge der danach zugelassenen Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu einem Zusammentreffen von Pflichtversicherung und freiwilliger Weiterversicherung kommt, bestimmt Art 15 Abs 2, erster Spiegelstrich EWGV 1408/71, dass der Versicherte ausschließlich der Pflichtversicherung unterliegt. Insoweit tritt an die Stelle der Rangfolge der unterschiedlichen Anknüpfungskriterien der Vorrang der Pflichtversicherung vor der freiwilligen Weiterversicherung, und der Grundsatz der Anwendung nur einer Rechtsordnung, hier der für die Pflichtversicherung zuständigen Rechtsordnung, bleibt gewahrt (vgl Steinmeyer, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl, Art 15 RdNr 3) .
In Anwendung dieser Bestimmungen ist für den Kläger ausschließlich das spanische Sozialrechtsstatut maßgebend. Ein Sachverhalt iS von Art 13 Abs 2 Buchst a bis e EWGV 1408/71 bzw eine fortwirkende Verknüpfung mit einem solchen Sachverhalt, der die Anwendbarkeit der deutschen Rechtsordnung auslösen könnte, ist seit der Verlegung des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers nach Spanien nicht mehr gegeben. Ebensowenig unterliegt er aber nach seinem Umzug aufgrund eines dieser Sachverhalte der Rechtsordnung des spanischen Staates. Damit gelten für den Kläger nach der Auffangregelung des Absatzes 2 Buchst f des Art 13 EWGV 1408/71, der nach der Systematik der Kollisionsnormen der EWGV 1408/71 vor einer Anwendung der besonderen Anknüpfungsregeln der Art 14 bis 17 EWGV 1408/71 zu prüfen ist (vgl - zu einer besonderen Anknüpfungsregel in Titel III der EWGV 1408/71 - Urteil des EuGH vom 11.11.2004, C-372/02 "Adanez-Vega", EuGH I 2004-IX, 10796, 10808 = SozR 4-6050 Art 71 Nr 4, jeweils RdNr 19 f, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 29.6.1988, 58/87 "Rebmann", EuGHE I 1988-III, 3482, 3487 RdNr 13 = SozR 6050 Art 1 Nr 9 S 28), die Rechtsvorschriften seines Wohnsitzstaates Spanien. Gegen das so gefundene Ergebnis spricht nicht, dass die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit nicht, wie es Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 aber verlangt (vgl Urteil des EuGH vom 3.5.2001, C-347/98 "Kommission/Belgien", EuGHE I 2001-V, 3348, 3363 RdNr 28, 29) , "insgesamt" nicht mehr anwendbar wären, etwa weil Gebietsfremde in bestimmten Zweigen der sozialen Sicherheit in Deutschland ungeachtet ihres Wohnortes pflichtversichert blieben (vgl hierzu EuGH, Urteil vom 7.7.2005, C-227/03 "van Pommeren-Bourgondien", EuGHE I 2005-I, 6115, 6131 RdNr 35, 6133 RdNr 45). Nach deutschem Sozialversicherungsrecht bleibt eine Person in keinem Zweig der sozialen Sicherheit pflichtversichert, wenn sie ihren Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt. Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 bildet damit ein Hindernis für die weitere Anwendung des deutschen Sozialrechtsstatuts.
Die besondere Anknüpfungsregel des Art 15 Abs 2 EWGV 1408/71 führt als Sondervorschrift zu Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 ebenso wie diese allgemeine Anknüpfungsregel zu einer Anwendung nur der spanischen Rechtsvorschriften. Die Voraussetzungen des Art 15 Abs 2, erster Spiegelstrich EWGV 1408/71, liegen vor, weil die Anwendung des spanischen und - hinsichtlich der freiwilligen Weiterversicherung - des deutschen Sozialversicherungsrechts zu einem Zusammentreffen von Pflichtversicherung und freiwilliger Weiterversicherung im Sinne dieser Bestimmung führt. Für den Senat bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass es für die Beantwortung der Frage, ob eine Pflichtversicherung mit einer freiwilligen Weiterversicherung "zusammentrifft", maßgeblich auf eine Zuordnung der Versicherungen nach leistungsrechtlichen Gesichtspunkten ankommt. Denn Art 15 Abs 2 EWGV 1408/71 soll wie die allgemeinen Kollisionsregeln und die anderen besonderen Kollisionsregeln auch eine Doppelversicherung verhindern. Die Bestimmung soll den Konflikt vermeiden, der entstünde, wenn bei einer Anwendung des Sozialrechtsstatuts mehrerer Mitgliedstaaten additiv Leistungen mit gleicher Zielrichtung gewährt und infolgedessen doppelte Beitragslasten ausgelöst würden. Bei dieser Auslegung des Art 15 Abs 2, erster Spiegelstrich EWGV 1408/71 treffen spanische Krankenpflichtversicherung und deutsche freiwillige Weiterversicherung in der SPV zusammen. Denn wie der EuGH in der Rechtssache Molenaar entschieden hat (Urteil vom 5.3.1998, C-160/96, EuGHE I 1998-III, 880, 887 RdNr 25 = SozR 3-3300 § 34 Nr 2 S 15) und seit dem in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl Urteil vom 8.7.2004, C-502/01 und C-31/02, "Gaumain-Cerri und Barth", EuGHE I 2004-VII, 6514, 6526 = SozR 4-3300 § 44 Nr 2, jeweils RdNr 19; Urteil vom 8.3.2001, C-215/99 "Jauch", EuGHE I 2001-III, 1933, 1943 RdNr 24 = SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 S 6 zum Pflegegeld nach österreichischem Recht; siehe nunmehr auch Art 3 Abs 1 Buchst a, Art 34 EWGV 883/2004), stellen Leistungen der SPV bei Pflegebedürftigkeit ungeachtet gewisser Besonderheiten Leistungen bei Krankheit iS von Art 4 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71 dar.
Ist es dem Kläger damit bereits in Anwendung der Kollisionsregeln des Titels II der EWGV 1408/71 versagt, sich nach Verlegung seines Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes nach Spanien in der deutschen SPV weiterzuversichern, so kann offen bleiben, ob einer Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI auf den Kläger auch Art 27 EWGV 1408/71 entgegensteht. Die Revision meint, dass diese Vorschrift über die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung zweier Träger hinaus "inzident" auch eine "Kollisionsregelung versicherungsrechtlicher Art" beinhalte. Ob Art 27 EWGV 1408/71 in diesem Sinne auszulegen ist, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit bereits entschieden, dass sich aus den besonderen Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten der EWGV 1408/71 eine Versicherungspflicht von Mehrfachrentnern in der SPV nicht ergibt (SozR 4-2400 § 3 Nr 1 RdNr 16) . Er hat insoweit darauf hingewiesen, dass die Koodinierungs- und Kollisionsvorschriften in Titel III Kapitel 1 Abschnitt 5 EWGV 1408/71 bei Krankheit bzw Pflegebedürftigkeit von Rentenberechtigten das anzuwendende Recht lediglich hinsichtlich der Leistungen bestimmen und im Übrigen die Regelung von Leistungsansprüchen und Kostentragungspflichten zum Gegenstand haben.
Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung widerspricht die vom Senat vorgenommene einschränkende Auslegung des § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Molenaar offenkundig nicht. Dass eine bestimmte Leistung der SPV europarechtlich nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Versicherte seinen ständigen Aufenthalt in Deutschland behält, also im Versicherungsfall auch in einen anderen Mitgliedstaat zu erbringen ist, besagt für die vorliegende Frage nichts. Eine Aussage dahingehend, dass es europarechtlich auch geboten sei, dem Versicherten mit dem Ziel des Erhalts dieser Leistung die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen - hier der Vorversicherungszeiten - aus dem Ausland heraus, etwa durch Gewährung eines Rechts zur Weiterversicherung, zu ermöglichen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass ein Versicherter wegen der Lockerung des in § 34 Abs 1 Nr 1 SGB XI umfassend angeordneten Transferverbots durch den EuGH nunmehr ein gesteigertes Interesse an einer Fortführung seiner Mitgliedschaft in der deutschen SPV haben kann, dem durch Einräumung eines Rechts zur Weiterversicherung Rechnung getragen werden müsste.
Zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art 234 Abs 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) ist der Senat nicht verpflichtet. Zwar muss der Senat als nationales Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen Entscheidung den EuGH anrufen, wenn er sich entscheidungserheblich auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützt, an dessen Auslegung Zweifel bestehen. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, weil zu den hier maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Fragen gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt und auch die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und der EuGH an der hier vorgenommenen Auslegung keine Zweifel hätten. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf zwei Punkte hin: Soweit der EuGH mit Urteil vom 20.5.2008 in der Rechtssache Bosmann (C-352/06) zu Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71 unter Rückgriff auf Primärrecht (Art 39 iVm Art 42 EGV) entschieden hat, dass der Wohnmitgliedstaat trotz der an den Beschäftigungsort anknüpfenden allgemeinen Kollisionsregel des Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71 nicht gehindert ist, nach seinem Recht Familienleistungen an Wanderarbeitnehmer zu erbringen, ist dieses Urteil in seinem Kontext zu betrachten und auf den hier zu entscheidenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil es vorliegend nicht um die Gewährung von Leistungen, sondern um Fragen des Versichertenstatus geht, für dessen Bestimmung Art 15 Abs 2 EWGV 1408/71 eine besondere Kollisionsregel enthält. Soweit der Senat die Zuordnung der Versicherungen iS des Art 15 Abs 2 EWGV 1408/71 nach leistungsrechtlichen Kriterien vornimmt, sieht er sich hierin durch Art 1 Buchst c der neuen Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit (ABl 2004 L 166/1) bestätigt, wonach auch die Eigenschaft einer Person als Versicherter in Bezug auf die von Titel III Kapitel 1 dieser Verordnung erfassten Zweige der sozialen Sicherheit, also die Systeme, die Leistungen bei Krankheit im Sinne der Verordnung erbringen, (nunmehr) danach bestimmt wird, ob sie die "… für einen Leistungsanspruch … vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
FA 2009, 31 |
NZS 2009, 284 |
SGb 2008, 401 |