Leitsatz (amtlich)

Eine Streitigkeit darüber, welches Bemessungsentgelt der Errechnung der Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe (Alhi) zugrunde zu legen ist, betrifft regelmäßig die Höhe der Leistung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Vermag das SG der Neuberechnung einer dem Arbeitslosen an sich weiter bewilligten Leistung nicht zu folgen, so hat es sich auf die Aufhebung der Neuberechnung zu beschränken und darf zur Vermeidung der Rüge eines Verfahrensmangels nicht durch Leistungsurteil entschieden.

 

Normenkette

SGG § 147 Fassung: 1953-09-03; AVAVG §§ 141d, 148 Fassung: 1957-04-03

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 1958 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I Der im Jahre 1895 geborene Kläger, von Beruf Nieter, stand zuletzt vom 22. Mai 1948 bis zum 31. März 1949 als Büroangestellter in einem ununterbrochenen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Danach bewilligte ihm auf seinen Antrag das Arbeitsamt H vom 4. April 1949 an Arbeitslosenunterstützung (Alu) nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 70,- DM. Nach Erschöpfung seines Alu-Anspruchs erhielt der Kläger vom 22. August 1949 an Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu). Zunächst wurden hierfür die nach Maßgabe der Militärregierungsverordnung Nr. 117 (MRVO Nr. 117) für die (ehemalige) britische Besatzungszone höchstzulässigen Sätze angewendet. Vom 7. April 1951 an wurde das Bemessungsentgelt wieder auf 70,- DM und dann wegen eingetretener Lohnerhöhungen auf Antrag des Klägers ab 12. Mai 1951 auf 79,- DM wöchentlich festgesetzt. Bei Umstellung der Alfu auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) ging das Arbeitsamt für die vom 2. April 1956 an bewilligte Unterstützung ebenfalls von einem Bemessungsentgelt von 79,- DM wöchentlich aus (Verfügung vom 11. Mai 1956).

Da die Beklagte späterhin zu der Auffassung gelangte, daß der Kläger wegen Minderung seines persönlichen Leistungsvermögens (Sehschwäche, Nervenleiden) nur noch für eine Vermittlung als Pförtner oder Wächter in Frage komme, in einer solchen Beschäftigung aber einen höheren wöchentlichen Arbeitsverdienst als 56,- DM nicht erzielen könne, setzte sie das Berechnungsentgelt ab 27. Oktober 1956 auf 57,- DM wöchentlich fest und teilte ihm den herabgesetzten Unterstützungssatz durch Bescheid vom 3. November 1956 mit. Seine Einwendungen, daß er bereit und im Stande sei, auch künftig noch höherqualifizierte Arbeiten zu verrichten, wurden durch Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1956 zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Kläger gegen die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Klage und beantragte, sie zu verurteilen, seine Unterstützung aus der Alhi nach dem früher für ihn geltenden Satz weiterhin zu berechnen. In dem sozialgerichtlichen Verfahren wurde durch Beschluß vom 27. Februar 1957 auf ihren Antrag hin die Freie und Hansestadt H beigeladen, da der Kläger von der Sozialbehörde der Stadt H zusätzlich zur Alhi unterstützt wurde.

Das Sozialgericht Hamburg hob durch Urteil vom 8. April 1957 die Bescheide des Arbeitsamts H vom 3. November und vom 22. Dezember 1956 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger auch ab 27. Oktober 1956 die Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von 59,- DM weiterzuzahlen. Die Beklagte habe den § 141 d des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) a.F. zu Unrecht auf die laufende Unterstützung des Klägers angewendet. Diese Vorschrift könne nur herangezogen werden, wenn es zu entscheiden gelte, welche Unterstützung einem Arbeitslosen bei seiner Arbeitslosmeldung zustehe. Es sei nicht angängig, während des Unterstützungsbezugs nochmals eine Bemessung vorzunehmen. Davon abgesehen, sei aber auch nichts dafür festzustellen, daß der Kläger nicht mehr für solche Beschäftigungen in Frage kommen sollte, die er in den Jahren 1947 bis 1949 ausgeübt habe. Die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Sozialgerichts lautet: "Die Berufungsmöglichkeit ergibt sich aus § 143 SGG".

II Die Beklagte, vertreten durch den Präsidenten des Landesarbeitsamts H, legte Berufung ein. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beantragte am 15. Juli 1957 seinerseits, die Akte des Sozialgerichts Hamburg zwecks Einsichtnahme an das Sozialgericht Nürnberg zu übersenden. Durch Entscheidung des Senatsvorsitzenden beim Landessozialgericht Hamburg wurde dieser Antrag abgelehnt, weil die Prozeßführung und damit auch die Akteneinsicht zur Kompetenz des Präsidenten des Landesarbeitsamts H gehöre. Die Gegenvorstellungen der Beklagten wurden durch förmlichen Beschluß des Landessozialgerichts vom 18. Juni 1958 zurückgewiesen.

In der Begründung ihrer Berufung trug die beklagte Bundesanstalt vor, dieses Rechtsmittel sei zulässig, weil es sich nicht um einen Höhenstreit handele und somit § 147 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht zur Anwendung komme. Im übrigen sei das erstinstanzliche Verfahren fehlerhaft, weil das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung künftiger Leistungen verurteilt habe; hierin liege ein wesentlicher Verfahrensmangel nach § 150 Nr. 2 SGG. In der Sache selbst vertrat die Beklagte wiederum den Standpunkt, daß § 141 d AVAVG auch auf laufende Unterstützungen anzuwenden sei.

Das Landessozialgericht Hamburg verwarf durch Urteil vom 2. Oktober 1958 die Berufung. Sie sei unzulässig, da sowohl das angefochtene Urteil die Höhe der Unterstützung als auch die Berufung der Beklagten die Höhe der Leistung betreffe. Der Streit, welches Bemessungsentgelt der Unterstützung zugrunde zu legen sei, betreffe sachlich einen Streit um die Höhe der zu zahlenden Unterstützung, weil sich der Hauptunterstützungsbetrag nach dem Bemessungsentgelt richte und ein höheres Bemessungsentgelt stets auch einen höheren Hauptbetrag zur Folge habe. Somit liege ein Berufungsausschließungsgrund nach § 147 SGG vor. Da ferner eine wirksame Zulassung der Berufung in dem bloßen Hinweis des Sozialgerichts auf § 143 SGG nicht erblickt werden könne, ein Verfahrensmangel im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG aber nicht feststellbar gewesen sei, bleibe das Rechtsmittel ausgeschlossen. Revision wurde nicht zugelassen.

III Gegen das am 27. Oktober 1958 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 21. November 1958 Revision ein und begründete diese am 23. Dezember 1958. Die Revision sei statthaft. Der Streit gehe nicht um die Höhe der Unterstützung im Sinne einer "reinen Höhenstreitigkeit" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, sondern darum, welches Bemessungsentgelt für die Berechnung der Unterstützung zugrunde zu legen sei. Hauptinhalt der vom Kläger angefochtenen Verfügung vom 3. November 1956 sei die Herabsetzung des Bemessungsentgelts. § 147 SGG sei also nicht anwendbar. Darüber hinaus wäre die Berufung aber auch statthaft, weil das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung künftiger Leistungen verurteilt habe. Hierin liege ein Verfahrensmangel, der - da von ihr im Berufungsverfahren gerügt - die Zulässigkeit der Berufung nach § 150 Nr. 2 SGG bewirke. Die Verkennung dieses Umstandes durch das Landessozialgericht führe wiederum zur Zulässigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Schließlich sei das Berufungsverfahren auch deshalb fehlerhaft, weil dem Präsidenten der Bundesanstalt die Akteneinsicht zu Unrecht verweigert und damit der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verletzt worden sei. In der Sache selbst hält die Beklagte an der Auffassung fest, daß § 141 d AVAVG auch während des Unterstützungslaufs anwendbar sei. Sie beantragte,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. April 1957 aufzuheben und den Kläger mit der Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger stellte keine Anträge; er hat einen Prozeßbevollmächtigten nicht bestellt. Auch die Beigeladene hat weder Erklärungen abgegeben noch Anträge gestellt.

IV Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 164 SGG). Sie ist auch statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG); die Beklagte rügt zu Recht, das Verfahren des Landessozialgerichts leide an einem wesentlichen Mangel, insofern es die Berufung als unzulässig verwarf, obwohl es eine Sachentscheidung hätte treffen müssen.

Zunächst ist dem Landessozialgericht darin zuzustimmen, daß der vom Sozialgericht den Schluß der Urteilsgründe angefügte Satz "Die Berufungsmöglichkeit ergibt sich aus § 143 SGG", eine wirksame Zulassung dieses Rechtsmittels mangels ausdrücklichen Ausspruchs des Gerichts auf Grund von § 150 Nr. 1 SGG nicht darstellt. Hierin liegt vielmehr lediglich der Hinweis auf die im Gesetz enthaltene allgemeine Berufungsmöglichkeit nach § 143 SGG (vgl. BSG. 2 S. 121 ff. mit weiteren Zitaten).

Beizupflichten ist dem Landessozialgericht ferner darin, daß dahingestellt bleiben kann, ob für die Frage der Zulässigkeit der Berufung § 147 i.d.F. vor oder nach dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (2. ÄndG z. SGG) vom 25. Juni 1958 (BGBl. I S. 409) anzuwenden war. Für den vorliegenden Fall führen beide Fassungen dieser Vorschrift zu demselben Ergebnis, weil der Inhalt der Entscheidung des Sozialgerichts und der Beschwerdegegenstand der Berufung sich sachlich decken. Während das sozialgerichtliche Urteil nämlich die Beklagte - unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsakte - verurteilt, dem Kläger die Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von 79,- DM weiterzuzahlen, macht die Beklagte mit der Berufung geltend, die von ihr vorgenommene Herabsetzung des Bemessungsentgelts sei rechtmäßig erfolgt. Abzustellen war vielmehr auf Begriff und Wesen des "Bemessungsentgelts" in seiner Bedeutung sowohl für den Urteilsinhalt wie auch für den Berufungsgegenstand. Zutreffend hat das Landessozialgericht bejaht, daß die Frage, welches Bemessungsentgelt der Unterstützung zugrunde zu legen ist, einen Streit um die Höhe der Unterstützung und Leistung betrifft. Der Begriff "Bemessungsentgelt" ist durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. April 1956 (BGBl. I S. 243) in die Gesetzessprache neu eingeführt worden (§ 141 d AVAVG; vgl. Schmidt "Die Arbeitslosenhilfe" Anm. 3 hierzu). Es ist nicht Bestandteil der Anspruchsvoraussetzungen noch eine solche selbst, sondern lediglich ein Maßstab (Berechnungshilfe), nach dem sich unmittelbar die Höhe des Hauptbetrags der Unterstützung richtet (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 1, § 141 d Abs. 1 Satz 1 AVAVG a.F.). Das Bemessungsentgelt, d.h. das durchschnittliche Arbeitsentgelt innerhalb einer bestimmten Lohnperiode, kann sachlich sogar erst dann festgestellt werden, wenn sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Unterstützung dem Grunde nach vorliegen. Sein Zweck ist es dann, die Höhe der auszuzahlenden Unterstützungsleistung zu bestimmen. Dies ergibt sich auch aus den dem AVAVG beigefügten Tabellen über die Höhe der Unterstützungssätze. Wenn aber eine solche unmittelbare Wechselwirkung zwischen der Höhe des Bemessungsentgelts und der Höhe der Unterstützungsleistung besteht, so macht der Unterstützungsempfänger mit der Bemängelung des zu niedrig angesetzten Bemessungsentgelts gleichzeitig jeweils auch die zu geringe Höhe des bewilligten Unterstützungssatzes geltend. Infolgedessen handelt es sich bei Streitigkeiten über die Höhe des Bemessungsentgelts regelmäßig zugleich um Streitigkeiten über die Höhe der Unterstützung oder Leistung selbst (so auch Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 3 zu § 147 SGG). Mithin hat das Landessozialgericht zu Recht die Zulässigkeit der Berufung gemäß § 147 SGG verneint. Der von der Beklagten diesbezüglich gerügte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor, jedenfalls nicht insoweit, als die Entscheidung des Landessozialgerichts auf § 147 SGG beruht.

V Dagegen ist in der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer Alhi-Leistungen in bestimmter Höhe ohne zeitliche Begrenzung durch das Sozialgericht ein wesentlicher Verfahrensmangel nach § 150 Nr. 2 SGG zu erblicken. Das Landessozialgericht hätte aus diesem Grunde die Zulässigkeit der Berufung bejahen und durch Sachurteil entscheiden müssen.

Der prozessuale Anspruch des Klägers im sozialgerichtlichen Verfahren war und ist darauf gerichtet, daß seine Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe nach dem für ihn zuständigen Berechnungsentgelt bemessen wird. Gleichviel ob man neben der Anfechtungsklage, mit der der Kläger die Herabsetzung seiner Unterstützung beseitigen wollte, als weiteren Bestandteil eine Leistungs- oder eine Verpflichtungsklage annimmt, fehlt für letztere das Rechtsschutzbedürfnis. Dessen Vorhandensein als Prozeßvoraussetzung (vgl. RGZ. Bd. 160 S. 209) ist aber bei derartigen Verbundklagen (Klagekombinationen) ebenso wie bei der objektiven Klagehäufung für jede einzelne Klageart gesondert zu prüfen, wie überhaupt jedes einzelne Merkmal der Zulässigkeit und Begründetheit (vgl. BSG. 1 S. 252 ff.; Peters-Sautter-Wolff a.a.O. Anm. 1 zu § 53 SGG, Anm. 2 zu § 56 SGG).

Für den Antrag des Klägers vor dem Sozialgericht, die Beklagte zu verurteilen, seine Unterstützung "nach dem früher für ihn geltenden Satz weiterhin zu berechnen", bestand in Richtung eines Leistungs- oder Verpflichtungsanspruchs deswegen kein schutzwürdiges Interesse, weil er dieses Ziel bereits durch die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 3. November und 22. Dezember 1956 erreichen konnte und erreicht hat. Hierdurch trat als Folge des Richterspruchs die bisherige Bewilligung (zuletzt: Verfügung vom 11. Mai 1956) wieder in Kraft, die dem Kläger einen Unterstützungssatz nach dem Bemessungsentgelt von 79,- DM zuerkannte und die nur im Rechenwerk (Berechnungsgrundlage) durch die angefochtenen Bescheide abgewandelt, nicht aber aufgehoben oder ersetzt war. Ein "Mehr" als jene im Verwaltungswege entstandene "Beschwer" auszuräumen, strebte der Kläger auch nicht an, wie sich aus dem Wortlaut seines Antrags ergibt. Über den Antrag auf Arbeitslosengeld - das gleiche gilt für die Arbeitslosenhilfe - entscheidet kraft Gesetzes der Direktor des Arbeitsamts (§ 172 a.F.; § 177 n.F. AVAVG). Da dessen ursprüngliche Bewilligungsverfügung (vom 11. Mai 1956) nicht außer Kraft getreten war und da zudem die Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe der Zeit nach grundsätzlich unbeschränkt ist (§ 147 n.F. AVAVG), war das Sozialgericht nicht befugt, in die Sphäre der Leistungsverwaltung einzugreifen; der Grundsatz der Teilung der Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) steht dem entgegen. Das Sozialgericht durfte also die Beklagte nicht zusätzlich zu Zahlungen in einer bestimmten Höhe auf unbegrenzte Dauer für die Zukunft verurteilen. Nach Sach- und Rechtslage hätte es einen neben der Anfechtungsklage erhobenen Leistungs- oder Verpflichtungsanspruch des Klägers wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verwerfen müssen, was eine Teilabweisung der Klage beinhaltet hätte. In der Tatsache, daß das Sozialgericht insoweit unter Überschreitung seiner Zuständigkeit und in Verkennung einer Prozeßvoraussetzung statt durch Prozeßurteil durch Sachurteil entschieden hat, liegt aber ein wesentlicher Verfahrensmangel nach § 150 Nr. 2 SGG (BSG. 2 S. 229 ff.; 3 S. 293 ff.). Diesen Mangel hat die Beklagte im Berufungsverfahren auch wirksam gerügt (BSG. im SozR. zu § 150 SGG Bl. Da 2 Nr. 9); sie ist durch das Urteil des Sozialgerichts beschwert.

Somit ist auch das Urteil des Landessozialgerichts fehlerhaft; es hätte wegen des Mangels im erstinstanzlichen Verfahren die Zulässigkeit der Berufung bejahen, seinerseits eine materiell-rechtliche Würdigung vornehmer und eine Entscheidung zur Sache treffen müssen. Hieraus folgt ein wesentlicher Mangel im Verfahren des Berufungsgerichts nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, der von der Beklagten, die durch die angefochtene Entscheidung ebenfalls beschwert ist, mit der Revision zutreffend gerügt wurde. Der erkennende Senat braucht daher die weiteren Revisionsrügen der Beklagten nicht mehr zu untersuchen, weil die Revision bereits wegen der zu Unrecht getroffenen Prozeß-Entscheidung des Landessozialgerichts statthaft und damit zulässig ist. Deshalb kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die Beklagte etwa vor dem Landessozialgericht im rechtlichen Gehör (§ 62 SGG) beschränkt wurde.

VI Die Revision ist auch begründet; das angefochtene Urteil beruht auf der unrichtigen Anwendung des § 150 Nr. 2 SGG (§ 162 Abs. 2 SGG). Hätte das Landessozialgericht, wie von Rechts wegen geboten, die Zulässigkeit der Berufung bejaht, so hätte es nicht nur sachlich entscheiden müssen, sondern es ist auch nicht auszuschließen, daß es im Sinne der Berufung erkannt hätte. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.

Der erkennende Senat kann jedoch in der Sache selbst jetzt nicht entscheiden, da für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sowie für die sachliche Begründetheit der erhobenen Einwendungen ausreichende tatsächliche Feststellungen vom Vorderrichter nicht getroffen worden sind. Die Sache war deshalb zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2325874

BSGE, 221

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge