Leitsatz (amtlich)

Kann ein Arbeitsloser sowohl wegen rechtlicher oder tatsächlicher Bindungen (AVAVG § 76 Abs 1 Nr 3) als auch wegen seines Leistungsvermögens (AVAVG § 76 Abs 1 Nr 7) keine volle Arbeitsstelle, aber immerhin eine solche von mehr als wöchentlich 24 Stunden (AVAVG § 66 Abs 2 Nr 2) wahrnehmen, so steht er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, ohne daß zu prüfen wäre, ob solche Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Durch AVAVG § 76 Abs 1 Nr 3 werden nur solche Personen begünstigt, bei denen Umstände iS dieser Vorschrift tatsächlich vorliegen. Hier braucht nur ein Leistungsvermögen gegeben zu sein, das ausreicht, um die Arbeitszeit einzuhalten, die mit Rücksicht auf die sonstigen Umstände iS des AVAVG § 76 Abs 1 Nr 3 noch möglich ist.

 

Normenkette

AVAVG § 76 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-04-03, Nr. 2 Fassung: 1957-04-03, § 66 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1957-04-03

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. März 1962 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Die 1908 geborene, seit 1950 verwitwete Klägerin bewohnt in Celle in nächster Nähe des Allgemeinen Krankenhauses eine Zweizimmerwohnung. Ihr Sohn war während seiner Schulzeit ein Jahr als Austauschschüler in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er legte im März 1959 seine Reifeprüfung ab, erfüllte anschließend seine Wehrpflicht und studiert seit dem Sommersemester 1961 Psychologie.

Die Klägerin arbeitet seit 1924 als Apothekenhelferin. Sie war vom 1. Februar 1952 bis zum 31. März 1957 in der Apotheke des Allgemeinen Krankenhauses in C voll beschäftigt. Vom 1. bis zum 30. April 1957 arbeitete sie fünf Stunden täglich (30 Wochenstunden) und seit 1. Mai 1957 drei Stunden täglich. Vom 19. August 1957 an war sie zehn Tage lang wieder voll, danach als Vertretung teils voll, teils fünf, teils drei Stunden tätig.

Am 25. Mai 1957 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie gab an, wegen der Betreuung ihres Sohnes könne sie eine ganztägige Beschäftigung nicht mehr ausüben. Außerdem sei sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, länger als fünf Stunden täglich zu arbeiten. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung stehe. Zuvor hatte der Vertragsarzt des Arbeitsamts festgestellt, daß sie wegen Herzkranzgefäßdurchblutungsstörungen und anderen Leiden im Beruf nur fünf Stunden täglich arbeiten könne. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Auf Klage hob das Sozialgericht die Bescheide des Arbeitsamts auf und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin über die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28. Mai bis zum 18. August 1957 einen neuen Bescheid zu erteilen; Berufung wurde zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Klage ab und die Anschlußberufung der Klägerin zurück, weil die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. In ihrem Leistungsantrag habe sie geltend gemacht, sie könne eine ganztägige Beschäftigung nicht ausüben, weil sie ihren Sohn versorgen müsse. Sie habe aber von 1952 bis 1957 und vom 19. August 1957 an und später bei Vertretungen, zuletzt im März 1962, trotz höheren Alters auf der gleichen Arbeitsstelle voll gearbeitet. Es erscheine deshalb zweifelhaft, ob sie bei ihrer Arbeitslosmeldung am 25. Mai 1957 sich ernstlich von ihrem langjährigen Arbeitsvertrag habe lösen wollen und willens gewesen sei, sich in eine andere Beschäftigung vermitteln zu lassen. Gemäß den ärztlichen Feststellungen sei ihr Leistungsvermögen auf eine tägliche Arbeitszeit von fünf Stunden beschränkt. Damit werde ihre Verfügbarkeit zeitlich so eingeengt, daß sie eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr ausüben könne. Tatsächliche Bindungen dagegen hätten die Klägerin nicht gehindert, eine Vollbeschäftigung in ihrem Beruf auszuüben. Das ergebe sich einmal aus dem Umstand, daß sie eine solche bis zum 31. März 1957 und nach dem 19. August 1957 ausgeübt habe. In Wirklichkeit sei sie auch nicht durch die Betreuung ihres Sohnes gebunden gewesen; denn im Zeitpunkt ihrer Arbeitslosmeldung habe er ihr keinerlei erzieherische Schwierigkeiten bereitet. Sie führe auch keine Gründe dafür an, daß sie ihn im Jahre 1957 in besondere Obhut nehmen mußte, weil er etwa in seelisch-charakterlicher Beziehung gefährdet gewesen sei. Im Jahre 1957 habe weiterhin nach den eingeholten Auskünften im Stadt- und Landkreis Celle außer der Klägerin keine Apothekenhelferin in ihrem Beruf eine Teilzeitarbeit ausgeübt. Im Jahre 1959 sei nur von der Apotheke W eine solche teilzeitbeschäftigt worden. Daraus ergebe sich, daß Teilzeitarbeit für Apothekenhelferinnen auf dem für die Klägerin erreichbaren Arbeitsmarkt nicht üblich gewesen sei. Dasselbe besage die Auskunft der Apothekenkammer Niedersachsen. Auch die von Behörden und Industrieunternehmen in Celle erteilten Auskünfte hätten ergeben, daß es Teilzeitarbeit im Jahre 1957 in Celle nicht oder nicht in nennenswertem Umfang gab. Die Klägerin habe auch im überbezirklichen Ausgleich für eine Teilzeitbeschäftigung von fünf Stunden nicht vermittelt werden können. Eine Beschäftigung außerhalb ihres Berufs sei ihr im Hinblick auf ihr Alter und den bei ihr vorliegenden Beschwerden nicht zuzumuten und auch nicht möglich gewesen.

Die Klägerin legte gegen das ihr am 23. Mai 1962 zugestellte Urteil am 19. Juni 1962 Revision ein und begründete sie nach Fristverlängerung am 11. August 1962. Sie trägt vor: Da ihr Leistungsvermögen außer Zweifel stehe, sei allein strittig, ob häusliche Bindungen vorlägen, die sie an der Annahme einer Beschäftigung mehr als geringfügigen Umfanges hinderten. Das LSG habe dies zu Unrecht verneint. Seine Feststellungen seien unrichtig, da das LSG bei der Prüfung, ob in dem betreffenden Zeitraum eine Bindung durch die Führung des Haushaltes und die Betreuung des Sohnes vorgelegen habe, nicht auf die konkreten Verhältnisse abgestellt, sondern aus anderen Zeiträumen unrichtige Schlüsse gezogen habe. Gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sei bei tatsächlichen oder rechtlichen Bindungen Verfügbarkeit gegeben, wenn eine mehr als geringfügige Beschäftigung ausgeübt werden könne; es komme nicht darauf an, ob eine solche Arbeitszeit auch üblich sei. Nicht durch vermindertes Leistungsvermögen sei die Klägerin gehindert gewesen, eine ganztägige Beschäftigung auszuüben - das habe sie von 1952 bis 1957 und sogar noch 1962 durch die Ausübung einer solchen bewiesen -, sondern allein durch ihre häuslichen Bindungen. Da sie der Arbeitsvermittlung in der Woche 30 Stunden für eine Beschäftigung zur Verfügung gestanden habe, sei sie anspruchsberechtigt. Eine Prüfung, ob Teilarbeitsverhältnisse üblich seien, dürfe auch dann nicht vorgenommen werden, wenn jemand wegen verminderten Leistungsvermögens keine Vollarbeit, sondern nur eine solche mehr als geringfügigen Umfanges annehmen könne.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. März 1962 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. Mai 1958 zurückzuweisen,

ferner,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. Mai 1958 und die Bescheide der Beklagten vom 7. Juni und 18. Juli 1958 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28. Mai bis 18. August 1957 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig und begründet.

Der erkennende Senat hat bereits in mehreren Urteilen (BSG 11, 16 und 12, 226; SozR AVAVG § 76 Ba 7) ausgesprochen, daß der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht, wer infolge Minderung seines Leistungsvermögens zwar in mehr als geringfügigem Umfange, nicht aber für die übliche Dauer der Arbeitszeit beschäftigt werden kann (§ 76 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG), sofern derartige Beschäftigungen nicht als üblich angesehen werden können. Des weiteren hat er in einem Urteil vom 3. Juli 1962 (BSG 17, 164) entschieden, daß ein Arbeitsloser, der wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen sowie sonstiger Umstände keine volle Beschäftigung ausüben könne, wohl aber eine solche von mehr als geringfügigem Umfange (§ 76 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG), der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, ohne daß zu prüfen wäre, ob Beschäftigungsverhältnisse dieser Art und Dauer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind. Diese unterschiedliche Behandlung der in § 76 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 aufgeführten Tatbestände hat der Senat u. a. damit begründet, daß Nr. 2 im Gegensatz zu Nr. 3 nicht auf die Geringfügigkeitsgrenze des § 66 AVAVG Bezug nimmt. Es könne daher nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber beide Arbeitslosengruppen gleich behandelt wissen wollte. Die Bevorzugung nach Nr. 3 rechtfertige sich aus der Erwägung, daß der durch Nr. 2 erfaßte Personenkreis in der Regel anderweit Rente oder soziale Leistungen beziehe und infolgedessen eines besonderen Schutzes im Falle der Arbeitslosigkeit nicht bedürfe, während die in Nr. 3 genannten Arbeitslosen meist keine solchen Bezüge hätten, sondern von den Einkünften aus einer Arbeitnehmertätigkeit abhängig blieben; sie seien daher im Falle der Arbeitslosigkeit in erheblich größerem Umfange als die anderen auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe angewiesen. Bei den unter Nr. 3 Genannten, die eine Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfange auszuüben vermögen, falle die Normaldauer der Arbeitszeit nicht unter die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der äußeren Form der Vorschrift nach könne es zwar den Anschein haben, als ob die Voraussetzung einer "Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" sich ohne jede Ausnahme auf alle drei Nummern des § 76 Abs. 1 beziehe. Eine solche Schlußfolgerung rechtfertige aber weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes. Vielmehr habe der Gesetzgeber diejenigen für verfügbar erklärt, die zwar durch sonstige Umstände gehindert seien, Vollarbeit zu verrichten, aber noch eine mehr als geringfügige Beschäftigung ausüben könnten. Diese tatbestandsmäßige Fixierung der Verfügbarkeit für einen bestimmten Bereich könne nicht dadurch wieder ausgeräumt werden, daß die unterhalb der Vollarbeit liegende, aber mehr als geringfügige Beschäftigung andererseits durch die Bezugnahme auf die übliche Arbeitszeit zum Merkmal der Nichtverfügbarkeit gemacht werde.

An dieser Auffassung hält der Senat bei nochmaliger Prüfung auch unter Würdigung der Bedenken von Schmalz (Soziale Sicherheit 1963, 174) fest. Zwar ist nicht zu leugnen, daß Fälle vorkommen, in denen auch der Personenkreis der Nr. 2 schutzbedürftig ist, weil er keine Sozialleistungen erhält, während umgekehrt durch Nr. 3 erfaßte Personen ausreichend gesichert sein können, z. B. wenn sie als Ehefrauen durch den Gatten unterhalten werden und dadurch nicht auf eigenes Arbeitseinkommen angewiesen sind. Dies schließt aber nicht aus, daß in der überwiegenden Zahl der Fälle die vom Gesetzgeber für diese unterschiedliche Regelung als maßgebend angesehenen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen. Damit stellt es aber keine sachfremde Überlegung dar, wenn - wie auch schon früher - der Personenkreis der Nr. 3 besser gestellt ist als die unter Nr. 2 fallenden Arbeitslosen. Weiter ist zwar nicht zu verkennen, daß es unbefriedigend ist, einen Arbeitnehmer, der mehr als geringfügig, insbesondere über 24 Stunden wöchentlich beschäftigt ist (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 AVAVG), als arbeitslosenversicherungspflichtig anzusehen, ihm aber im Falle der Arbeitslosigkeit keine Versicherungsleistungen zukommen zu lassen, wenn er die gleiche Arbeit wie bisher sucht. Der Senat hat jedoch bereits ausgeführt (SozR AVAVG § 76 Ba 7), daß auch sonst nicht notwendigerweise in jedem Falle von Beitragspflicht auch ein Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung besteht (vgl. § 75 Abs. 3 - 5 AVAVG bezüglich der Selbständigen). Es muß daher in den Fällen der Nr. 2 an der Prüfung festgehalten werden, ob derartige Beschäftigungsverhältnisse üblich sind, auch wenn diese Prüfung bisweilen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß in der seit 1. April 1957 geltenden Fassung des AVAVG die Voraussetzungen für den Leistungsbezug durch den Begriff der Verfügbarkeit in § 76 anders geregelt worden sind als früher in § 88 AVAVG aF. Es sind daher Fälle denkbar, in denen jemand nach früherem Recht Arbeitslosenunterstützung bezogen hätte, während er jetzt bei den gleichen tatsächlichen Voraussetzungen kein Arbeitslosengeld erhält.

Nach dem Urteil des LSG kann die Klägerin wegen ihres Gesundheitszustandes täglich nur noch fünf Stunden arbeiten. Gegen diese tatsächliche Feststellung hat die Revision keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben, so daß der Senat laut § 163 SGG daran gebunden ist. Gegenüber der weiteren Feststellung, die Klägerin sei durch die Führung ihres Haushalts und durch die Betreuung ihres Sohnes nicht gehindert gewesen, eine Vollarbeit anzunehmen, hat die Revision dagegen mit Recht geltend gemacht, das LSG habe gegen die §§ 103, 128 SGG verstoßen. Denn es hat diese Schlußfolgerung lediglich darauf gegründet, daß der Sohn keine Erziehungsschwierigkeiten gemacht und daß die Klägerin vor und nach dem hier streitigen Zeitraum eine Vollarbeitsstelle ausgefüllt habe. Diese Folgerung ist aber nicht zwingend, da es nicht auf die Zeit vorher und nachher, sondern auf den maßgebenden Zeitraum selber ankommt und da nicht gesagt ist, daß die Verhältnisse vorher und nachher auch für die streitige Zeit zutreffen. Das LSG hätte prüfen müssen, wie die Verhältnisse damals tatsächlich waren.

Das Urteil des LSG war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Bei der neuen Beurteilung wird das LSG zu berücksichtigen haben, daß die Bindungen des § 76 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG objektiv vorhanden sein müssen. Es genügt nicht, wenn die Klägerin sie nur behauptet; denn durch Nr. 3 soll nur der Personenkreis begünstigt werden, bei dem diese Bindungen tatsächlich vorliegen. Auch bei Ehefrauen kann nichts anderes gelten. Zwar darf im allgemeinen davon ausgegangen werden, daß bei einer Ehefrau, die einen Haushalt und Kinder zu versorgen hat, diese Bindungen bestehen und daß deshalb keine besondere Prüfung mehr erforderlich ist. Der Senat vermag aber dem Präsidenten der beklagten Bundesanstalt nicht zu folgen, wenn er in Abschnitt IV seines Runderlasses Nr. 152/63 vom 1. April 1963 (Dienstblatt A S. 235) anordnet, daß behauptete Bindungen - anscheinend in jedem Falle - als objektiv vorhanden anzusehen seien. Sofern Zweifel bestehen, muß das Arbeitsamt vielmehr - unter verständiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles - Ermittlungen anstellen.

Sollte sich bei der erneuten Verhandlung herausstellen, daß die Klägerin sowohl wegen ihres Gesundheitszustandes als auch wegen der Betreuung ihres Sohnes und des Haushaltes nicht voll, jedoch mehr als geringfügig arbeiten kann, so wäre noch die Frage zu beantworten, ob auch dann noch die Üblichkeit derartiger Beschäftigungen geprüft werden muß. Diese Frage ist nach Auffassung des erkennenden Senats zu verneinen. Wie bereits dargelegt, stellt Nr. 3 eine besondere Begünstigung für den dortigen Personenkreis dar. Dieser vom AVAVG schon seit langer Zeit statuierten Privilegierung kann, obwohl an sich Verfügbarkeit nur beim Vorliegen aller drei - getrennt zu beurteilenden - Merkmale des § 76 Abs. 1 gegeben ist, ein solches Übergewicht zuerkannt werden, daß sie in den betreffenden Fällen auch auf das Leistungsvermögen der Nr. 2 (nicht allerdings auch auf die restliche Arbeitsbereitschaft gemäß Nr. 1; vgl. unten) ausstrahlt und durch den Hinzutritt von vermindertem Leistungsvermögen (Nr. 2) nicht wieder verlorengeht. Sowohl die Bindungen als auch die Leistungsminderung müssen allerdings zumindest eine Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfange gestatten. Nur wenn dies der Fall ist, greift Nr. 3 Platz und ist nicht mehr zu prüfen, ob solche Beschäftigungen auf dem für den Arbeitslosen erreichbaren Arbeitsmarkt auch üblich sind.

Das LSG hat in seinem Urteil dahinstehen lassen, ob die Klägerin ernstlich bereit war, eine Arbeitnehmertätigkeit anzunehmen, weil es, von seinem Rechtsstandpunkt aus gesehen, darauf nicht mehr ankam. Sofern jedoch die neue Verhandlung das Gegenteil ergibt, muß auch eine entsprechende ernstliche Arbeitsbereitschaft vorhanden sein, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu begründen. Die Arbeitsbereitschaft kann zwar nicht für Vollarbeit verlangt werden, muß sich aber auf Beschäftigungen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze erstrecken.

In diesem Zusammenhang wird das LSG schließlich noch zu erwägen haben, ob die Klägerin wirklich nur noch als Apothekenhelferin beschäftigt werden kann oder nicht vielmehr in der Lage ist, auch eine andere, ähnliche Anforderungen stellende Tätigkeit auszuüben. Es ist nicht recht ersichtlich, warum sie lediglich in den engen Grenzen ihres bisherigen Berufs verwendbar sein soll.

Dem LSG bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.

 

Fundstellen

BSGE, 226

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