Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. April 1989 sowie das des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Mai 1987 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1985 wird insgesamt aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen.
Tatbestand
I
Der Streit der Beteiligten betrifft die Rückzahlung von Leistungen, die der Kläger 1980 bis 1981 für seine Umschulung zum Tischler erhalten hat. Der 1956 geborene Kläger hatte von 1975 bis 1980 ohne Abschluß studiert. Die Beklagte förderte seine Umschulung aufgrund der vom Kläger eingegangenen Verpflichtung, innerhalb von vier Jahren nach Abschluß der Umschulung mindestens drei Jahre beitragspflichtig beschäftigt zu sein. Der Kläger hat diese Verpflichtung nicht erfüllt. Er war kurze Zeit Bauwerker und wenige Tage als Zimmermann beschäftigt, leistete Zivildienst und bezog schließlich von Oktober 1983 bis Januar 1984 Arbeitslosengeld (Alg). Der Anspruch war noch nicht erschöpft, als er sich ohne Angabe von Gründen im Januar 1984 aus dem Bezug abmeldete. Er begann im März 1984 erneut mit einem Studiengang. Der Kläger behauptet, infolge von Allergien den Tischlerberuf nicht ausüben zu können.
Die Beklagte forderte ihre Aufwendungen von insgesamt mehr als 40.000,– DM zurück (Bescheid vom 28. Oktober 1985 und Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1985). Die Klage war ohne Erfolg, weil das Sozialgericht (SG) nach Beweiserhebung die behauptete Allergie nicht als ausreichenden Entschuldigungsgrund für die Nichterfüllung der Verpflichtung angesehen hat (Urteil vom 20. Mai 1987). Die Berufung hatte hinsichtlich der Beitragsanteile Erfolg; im übrigen ist sie zurückgewiesen worden (Urteil vom 11. April 1989). Das Landessozialgericht (LSG) hat festgestellt, daß im Anschluß an die Maßnahme durch Beschäftigung, Zivildienst und anerkannte Arbeitslosigkeits- und Arbeitsunfähigkeitszeiten höchstens 28 Monate und 14 Tage belegt seien. In den fehlenden 7 1/2 Monaten habe der Kläger ohne wichtigen Grund keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt, weil er sich weder privat um einen Arbeitsplatz bemüht noch beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet habe. Die Aufnahme des Studiums sei kein wichtiger Grund.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und eine Verletzung materiellen Rechts gerügt. Er habe nur einen geringen Teil seiner Verpflichtung nicht erfüllt und dies im wesentlichen aus gesundheitlichen Gründen. Die Rückforderung sei unverhältnismäßig und verstoße gegen das Übermaßverbot.
Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidungen abzuändern und den Bescheid vom 28. Oktober 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1985 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet.
Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen hat der Kläger die Kosten seiner Umschulung nicht nach § 46 Abs 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG- (idF durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes -HStuktG-AFG- vom 18. Dezember 1975 – BGBl I S 3113 –, jetzt § 46 Abs 3 Satz 2 idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1985 – BGBl I 2484 –) an die Beklagte zurückzuzahlen.
Die Beklagte hatte die Umschulungskosten des Klägers, der die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 46 Abs 1 AFG nicht erfüllt hatte, nur unter der Voraussetzung zu übernehmen, daß sich der Kläger zu einer mindestens dreijährigen Nachbeschäftigung innerhalb von vier Jahren im Anschluß an die Umschulung verpflichtete (§ 46 Abs 2 Satz 1 AFG). Der Kläger hat diese Verpflichtung nicht erfüllt. Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger in dem Vierjahreszeitraum lediglich zweimal zehn Tage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden und insgesamt 15 Monate beitragspflichtigen (die Voraussetzung von § 168 Abs 2 AFG waren erfüllt) Zivildienst geleistet. Weitere 13 Monate hat der Kläger im wesentlichen Alg bezogen. In dieser Zeit war er schuldlos gehindert, seine Verpflichtung zu erfüllen. Das steht, wie auch die Beklagte annimmt, einer Rückzahlungspflicht entgegen (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Senats vom 28. März 1990 – 9b/11 RAr 91/88 –).
Nach Abmeldung aus dem Leistungsbezug und mit Beginn eines neuen Studiums war der Kläger gehindert, die restliche notwendige Beschäftigung auszuüben. Entgegen der Meinung des LSG, das den Kläger für verpflichtet gehalten hat, zur Vermeidung der Rückzahlungsverpflichtung beitragspflichtig in jedwedem Beruf zu arbeiten, hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits die Beschäftigungsverpflichtung auf die der Umschulung entsprechenden Berufsfelder beschränkt. Dennoch bedarf es keiner Sachaufklärung dazu, ob der Kläger noch als Zimmermann oder Holzfachverkäufer hätte arbeiten können, oder ob ihn seine Allergie oder die Arbeitsmarktlage daran gehindert hätten. Denn der Klage ist unabhängig davon stattzugeben. Der Kläger ist so zu behandeln, als habe ihn ein wichtiger Grund iS des § 46 Abs 2 Satz 2 AFG an der Erfüllung seiner Verpflichtung gehindert, weil ihn die Beklagte weder nach Abschluß der Umschulung noch bei der Abmeldung aus dem Leistungsbezug hinlänglich über die Folgen seines Verhaltens belehrt hat. Daß eine solche Belehrung verhaltenssteuernd wirkt, entspricht allgemeiner Erfahrung und ist im vorliegenden Fall vom LSG ausdrücklich festgestellt worden. Der Kläger hätte mit der Aufnahme des Studiums noch gewartet, wenn ihm die Konsequenzen klargewesen wären. Diese Feststellung ist umso überzeugender, als der Kläger noch für längere Zeit Anspruch auf Alg gehabt hat.
Zu Recht hat das LSG die Aufnahme des Studiums nicht als wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes gewertet (vgl das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 23. Mai 1990 – 9b/11 RAr 65/88 –). Auch die schon vier Monate andauernde Arbeitslosigkeit stellte keinen wichtigen Grund dafür dar, die Bemühung aufzugeben, die Beschäftigungsverpflichtung zu erfüllen; in dieser Zeit ist dem Verpflichteten die Erfüllung seiner Beschäftigungsverpflichtung lediglich unmöglich gewesen. Aber auch dieser Hinderungsgrund läßt sich – ebenso wie die grundsätzliche Arbeitsbereitschaft – nur nachweisen, wenn sich der Umgeschulte beim Arbeitsamt meldet, damit diesem die Möglichkeit verbleibt, ihn entsprechend zu vermitteln (§§ 13 f AFG). Nur dann können die Voraussetzungen für die Unmöglichkeit der Beschäftigung oder den wichtigen Grund unter Einbeziehung des damaligen Arbeitsmarktes festgestellt werden (so das schon genannte Urteil in der Sache – 9b/11 RAr 91/88 –).
Diese Nebenpflicht oder Obliegenheit hat der Kläger infolge seiner Abmeldung aus dem Leistungsbezug nicht mehr erfüllt. Das ist ihm aber nicht mit der Folge anzulasten, daß er die Umschulungsaufwendungen deshalb zurückzahlen müßte, weil das Fehlen einer umschulungsgerechten Beschäftigungsmöglichkeit oder ein sonstiger wichtiger Grund nicht erwiesen ist; denn mangels Belehrung wird die Beweislast umgekehrt. Vom Kläger, der im Sozialrecht nicht rechtskundig ist, war ohne eine gezielte Belehrung nicht zu erwarten, daß er die Bedeutung der Arbeitslosmeldung für die Rückzahlungsverpflichtung erkannte. Jedenfalls das Abmeldungsschreiben, mit dem der Kläger die Beklagte sogar aufforderte mitzuteilen, ob für die Abmeldung aus dem Leistungsbezug eine weitergehende Begründung erwartet werde, hätte die Beklagte veranlassen müssen, den Kläger – über die allgemeine Belehrungspflicht nach einer Umschulung hinaus (vgl dazu Urteil in der Sache – 9b/11 RAr 91/88 –) – in dieser besonderen Lage gezielt zu belehren. Nur weil die Beklagte den Kläger nicht ausreichend beraten und belehrt hat, läßt sich im nachhinein nicht mehr feststellen, ob der Kläger seine Pflicht zur Ausübung einer Nachbeschäftigung in zumutbarer Weise hätte erfüllen können oder nicht.
Zwar liegt es grundsätzlich im Risikobereich des Verpflichteten, ob er zu Unrecht einen wichtigen Grund bejaht und sich zur Lösung von der eingegangenen Verpflichtung für berechtigt hält (vgl – 9b/11 RAr 65/88 –). Das Gesetz verlangt den objektiven Tatbestand des wichtigen Grundes und läßt nicht die schuldlose Annahme eines solchen Grundes genügen. Grundsätzlich geht es auch zu Lasten des Verpflichteten, wenn die Tatsachen, die einen wichtigen Grund darstellen oder die Unmöglichkeit begründen, nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden können. Von diesem Grundsatz ist jedoch nach der Rechtsprechung des Senats dann abzuweichen, wenn dem Verpflichteten nach seiner Vorstellung ohnedies die Erfüllung unmöglich erscheint, weil er keinen Arbeitsplatz hat oder findet. Welche Vorkehrungen zu treffen sind, damit diese Unmöglichkeit nach Ausschöpfung aller Vermittlungsmöglichkeiten durch das Arbeitsamt festzustellen ist, kann dem einzelnen nur durch ausreichende Belehrung mit besonderem Hinweis auf die Meldepflicht vermittelt werden. Der mangels Belehrung entschuldbare Irrtum des Klägers betrifft nicht den wichtigen Grund, sondern den Weg der Beweissicherung (vgl dazu näher die Entscheidung – 9b/11 RAr 65/88 –).
Die Notwendigkeit solcher Belehrung macht der vorliegende Fall besonders deutlich; denn im Verlauf des Verfahrens haben sich hinsichtlich der Fristberechnung und der Abgrenzung wichtiger Gründe von der Unmöglichkeit erhebliche Auslegungsdifferenzen ergeben:
Als sich der Kläger aus dem Leistungsbezug abmeldete, stand fest, daß er eine volle dreijährige Beschäftigungszeit innerhalb der vierjährigen Rahmenfrist ohnedies nicht mehr erfüllen konnte, selbst wenn er fortan ohne Unterbrechung beitragspflichtig gearbeitet hätte. Diese objektive Unerfüllbarkeit der Gesamtverpflichtung stellt den Umgeschulten jedoch nicht frei, weil nach Sinn und Zweck der Verpflichtung (vgl dazu 9b/11 RAr 97/89) auch – und zwar in größtmöglichem Umfang – Teilleistungen zu erbringen sind. Sollte sich also der Kläger wegen objektiver Unmöglichkeit der Erfüllung der Gesamtverpflichtung für frei gehalten haben, wäre dies unrichtig; die Beklagte muß dies in ihrer Belehrung klarstellen.
Auch das LSG hat die bestehende Verpflichtung im Wege der Auslegung so vermindert, wie das der Gesetzeszweck nicht erlaubt. Nach weiteren 7 1/2 Monaten beitragspflichtiger Beschäftigung hätte das LSG den Kläger freigestellt, obwohl dieser damit erst lediglich 24 Monate und sieben Tage beitragspflichtig gearbeitet hätte, ohne daß die Rahmenfrist bereits verstrichen gewesen wäre; er hätte also den Erfüllungsanteil durchaus noch erhöhen können, wäre er hieran nicht durch Arbeitslosigkeit gehindert worden. Das angefochtene Urteil setzt damit Zeiten der Unerfüllbarkeit der
Verpflichtung den Zeiten der Erfüllung der Verpflichtung gleich und entläßt den Umschüler noch vor Ablauf des Vierjahreszeitraums aus seiner Gesamtverpflichtung. Dem stimmt der Senat nicht zu. Während der vollen vier Jahre erwartet das Gesetz bis zur Dauer von drei Jahren die beitragspflichtige Beschäftigung. Zeitweise Unmöglichkeit (zB Arbeitslosigkeit oder Krankheit) oder wichtige Gründe für eine zeitweise Nichterfüllung entschuldigen lediglich, gelten jedoch nicht als Erfüllungssurrogat. Entweder wird im Vierjahreszeitraum die Gesamtzeit von drei Jahren beitragspflichtiger Beschäftigung erreicht und damit der Verpflichtete für die Zukunft freigestellt oder es muß – wenn die Gesamtzeit nicht mehr erreicht werden kann – im Verlauf der vier Jahre fortlaufend ein ausreichender Grund für die Nichterfüllung – in Form objektiver Unmöglichkeit oder wegen wichtiger Gründe – vorhanden sein (teilweise aA Gagel, Komm z AFG, § 46 RdNr 8; Hennig in Hennig/Kühl/Heuer, Komm z AFG, Stand April 1986, § 46 Anm 8; Knigge in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm z AFG, 2. Aufl, § 46 Anm 13 und 14). Schon die Möglichkeit unterschiedlicher Auslegung verdeutlicht, daß nur mittels einer den Anforderungen des Sozialrechtsverhältnisses genügenden Belehrung nachteilige Entschlüsse vermieden werden können.
Im übrigen zeigt der vorliegende Fall, daß die Beratung auch wegen der Höhe der Rückzahlungssumme von besonderer Bedeutung ist. Das LSG hat ausgeführt, daß in der Summe ua mehr als 13.000,– DM an Lehrgangsgebühren enthalten sind, deren Höhe dem Umzuschulenden bei unmittelbarer Abrechnung mit dem Maßnahmeträger verborgen bleibt. Erst die entsprechende Belehrung mit einer Auflistung der Zahlbeträge füllt die zwei bis drei Jahre zuvor abgegebene Verpflichtungserklärung mit einem konkreten Inhalt und verleiht ihr so das Gewicht, das in eine Abwägung eingehen muß, wenn der Betreffende bei einer beabsichtigten Lösung von der Verpflichtung die Bedeutung seiner Gründe ins Verhältnis zu den sich ihm bietenden Lebenschancen setzen will.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen