Beteiligte
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung |
Bundesrepublik Deutschland |
Bundesministerium für Gesundheit |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. November 1995 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die klagende Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) begehrt die Genehmigung einer Änderung ihrer Satzung durch das Bundesministerium für Gesundheit als Aufsichtsbehörde. Umstritten ist nur noch die Genehmigungsfähigkeit einer Satzungsregelung, wonach die Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung ruht, solange ein Mitglied der Vertreterversammlung dem Vorstand angehört.
In § 7 Abs 4 Buchst b der Satzung der Klägerin war bestimmt, daß das Amt eines Mitglieds der Vertreterversammlung und eines Ersatzmannes durch Annahme des Amtes eines Vorstandsmitglieds endet. Ergänzend bestimmte § 7 Abs 5, daß Mitglieder des Vorstands nicht Mitglieder der Vertreterversammlung sein können. Die Vertreterversammlung der Klägerin beschloß am 1./2. Oktober 1992, diese Vorschriften in der Weise zu ändern, daß § 7 Abs 4 Buchst b gestrichen wurde und Abs 5 folgende neue Fassung erhielt: „Wird ein Mitglied der Vertreterversammlung Mitglied des Vorstands, so ruht seine Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung für die Dauer seiner Zugehörigkeit zum Vorstand. Lebt die Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung wieder auf, so scheidet der Ersatzmann aus”. Das Bundesministerium für Gesundheit lehnte die Genehmigung dieser Satzungsänderung mit der Begründung ab, die Einführung des sog ruhenden Mandats eines Vorstandsmitglieds in der Vertreterversammlung verstoße gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, der in § 80 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Wahl der Mitglieder der Vertreterversammlung vorgeschrieben sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Erteilung der Genehmigung der Änderung des § 7 Abs 4 und 5 der Satzung gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die Satzungsänderung verstoße gegen das von der Klägerin selbst gesetzte Recht. Die Klägerin habe sich dafür entschieden, weiterhin die Inkompatibilität einer Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung und im Vorstand vorzuschreiben, halte an dieser Entscheidung mit der Einführung des ruhenden Mandats aber nicht konsequent fest. Das Institut des ruhenden Mandats gebe dem Vorstand die Gelegenheit, die politische Ausrichtung der Klägerin maßgeblich zu bestimmen, was originäre Aufgabe der Vertreterversammlung sei (Urteil vom 22. November 1995).
Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung ihrer Satzungsautonomie. Sie sei – wie das SG nicht in Abrede gestellt habe – frei in ihrer Entscheidung, ob sie die gleichzeitige Mitgliedschaft in Vertreterversammlung und Vorstand für kompatibel oder für inkompatibel erkläre. Da beide Regelungen mit höherrangigem Recht vereinbar seien, könne ihr nicht verwehrt sein, sich aus praktischen Gründen für einen Mittelweg zu entscheiden, der grundsätzlich eine gleichzeitige Mitgliedschaft in Vorstand und Vertreterversammlung ausschließe, dem aus der Vertreterversammlung in den Vorstand gewählten Mitglied aber erlaube, nach Beendigung seines Vorstandsamtes seine Mitarbeit in der Vertreterversammlung fortzusetzen. Für diese Regelung bestehe ein praktisches Bedürfnis, weil es Situationen geben könne, in denen ein in der zahnärztlichen Berufspolitik engagiertes Mitglied der Vertreterversammlung aus persönlichen – zB gesundheitlichen – Gründen das Amt eines Vorstandsmitglieds nicht mehr ausüben, seine Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung aber weiter wahrnehmen wolle. Die vom SG in diesem Zusammenhang befürchteten Manipulationsmöglichkeiten in der Form, daß ein Vorstandsmitglied in der gezielten Absicht, durch das Wiederaufleben seiner Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung das Ausscheiden des für ihn nachgerückten Ersatzmanns aus der Vertreterversammlung zu erreichen, sein Vorstandsamt aufgebe, seien lebensfremd und entsprächen in keiner Weise der tatsächlichen Situation in ihrem Bereich. Satzungsbestimmungen über das ruhende Mandat von Vorstandsmitgliedern existierten im übrigen in zahlreichen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZÄVen) und seien selbst unter Geltung des § 368l Abs 1 Satz 5 Reichsversicherungsordnung (RVO), der die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in Vorstand und Vertreterversammlung zwingend vorgeschrieben habe, von den Aufsichtsbehörden zB in Bremen, Bayern und Berlin für rechtmäßig gehalten worden. Entgegen der Auffassung der beklagten Bundesrepublik Deutschland sei auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl der Mitglieder der Vertreterversammlung nicht tangiert, weil das Nachrücken eines Ersatzmanns für ein aus der Vertreterversammlung ausscheidendes Mitglied seit jeher als unbedenklich bewertet werde und weil im Fall der wiederauflebenden Mitgliedschaft des ursprünglich gewählten Mitglieds der Vertreterversammlung nur der Zustand wiederhergestellt werde, der unmittelbare Folge des Wählerwillens sei. Die Erwägungen, mit denen in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung das ruhende Mandat des zum Minister ernannten Abgeordneten beanstandet worden sei, könnten im Bereich der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung nicht Platz greifen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. November 1995 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 1993 zu § 7 der Satzungsänderung der Klägerin gemäß deren Beschluß vom 1./2. Oktober 1992 insoweit aufzuheben, als Änderungen in § 7 nicht genehmigt worden sind, und die Beklagte zu verurteilen, folgende Änderungen des § 7 der Satzung der Klägerin zu genehmigen:
§ 7 Abs 4 Buchst b wird gestrichen § 7 Abs 5 „Wird ein Mitglied der Vertreterversammlung Mitglied des Vorstandes, so ruht seine Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung für die Dauer seiner Zugehörigkeit zum Vorstand.
Lebt die Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung wieder auf, so scheidet der Ersatzmann aus”.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Änderungen in § 7 der Satzung der Klägerin seien nicht genehmigungsfähig, weil die Regelung über das ruhende Mandat mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht vereinbar sei. Ob das ruhende Mandat des in den Vorstand gewählten Mitglieds der Vertreterversammlung wiederauflebe, hänge nicht vom Wählerwillen ab, sondern allein von der Entscheidung des Vorstandsmitglieds, sein Amt aufzugeben und wieder das Mandat in der Vertreterversammlung zu übernehmen. Auf diese Weise könne das aus dem Vorstand ausscheidende Mitglied die Zusammensetzung der Vertreterversammlung nach eigenem Ermessen beeinflussen. Im übrigen führe die Regelung über das ruhende Mandat dazu, daß die für Vorstandsmitglieder nachrückenden Ersatzpersonen Mitglieder zweiter Klasse der Vertreterversammlung seien, weil sie jederzeit damit rechnen müßten, ihr Amt in der Vertreterversammlung wieder zu verlieren.
II
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Kassenzahnärzte, weil es sich bei dem Streit um die Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung von Satzungsänderungen einer KZÄV bzw der KZBV um eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte iS des § 12 Abs 3 Satz 2 iVm § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beurteilt sich die Frage, ob eine Streitigkeit eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG oder eine Angelegenheit der Kassenzahnärzte iS des Satzes 2 dieser Vorschrift darstellt, danach, ob nach den maßgebenden rechtlichen Vorschriften die Verwaltungsstelle, die über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden hat, mit Vertretern von Krankenkassen und Kassenzahnärzten oder nur mit Kassenzahnärzten besetzt ist (BSGE 67, 256, 257 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 1 S 3; BSGE 70, 246, 249 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 46 f; Senatsurteil vom 8. Mai 1996 – 6 RKa 90/95 – SozR 3-1500 § 12 Nr 9). Aus diesem Rechtsgrundsatz läßt sich nicht unmittelbar ableiten, in welcher gerichtlichen Besetzung zu entscheiden ist, wenn Gegenstand des Rechtsstreits eine Maßnahme der Aufsichtsbehörde ist, die ein Organ der unmittelbaren Staatsverwaltung ist und bei deren Entscheidung Vertreter weder der Krankenkassen noch der Kassen- bzw Vertragszahnärzte mitwirken. Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. Oktober 1981 – 6 RKa 2/80 -(insoweit in BSGE 52, 193 = SozR 2200 § 368n Nr 21 nicht abgedruckt) die Abgrenzung gemäß § 12 Abs 3 SGG in aufsichtsrechtlichen Streitigkeiten danach vorgenommen, ob Gegenstand der streitbefangenen aufsichtlichen Maßnahmen eine Entscheidung ist, die allein von Mitgliedern einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) bzw einer KZÄV getroffen worden ist, und in einem solchen Fall den Rechtsstreit den Angelegenheiten der Kassen(zahn)ärzte iS des § 12 Abs 3 Satz 2 SGG zugeordnet. Daran hält der Senat fest (vgl auch das Senatsurteil 6 RKa 41/95 vom heutigen Tage betreffend die Klage einer KZÄV gegen die Beanstandung eines Gesamtvertrages). Bei der Anwendung von Besetzungsvorschriften steht der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit im Vordergrund, weil schon bei der Ladung der ehrenamtlichen Richter Klarheit über die Besetzung der Richterbank bestehen muß und die Feststellung, welches im konkreten Fall der gesetzliche Richter ist, möglichst ohne Schwierigkeiten soll getroffen werden können (BSGE 70, 285, 287 = SozR 3-2500 § 122 Nr 3). Deshalb kann weder generell noch im Rahmen aufsichtsrechtlicher Streitigkeiten die Abgrenzung gemäß § 12 Abs 3 SGG danach vorgenommen werden, ob der Streitgegenstand nur die (Zahn)Ärzte oder auch die Krankenkassen betrifft bzw wer am Verfahrensausgang ein eigenes Interesse hat. Auch in aufsichtsrechtlichen Streitigkeiten kann insoweit nur auf formale Kriterien abgestellt werden, ob nämlich die Maßnahme bzw Entscheidung, die von der Aufsichtsbehörde beanstandet oder deren Genehmigung begehrt wird, von einem Gremium, das nur mit (Zahn)Ärzten besetzt ist, oder aber von (Zahn)Ärzten und Krankenkassen gemeinsam bzw durch ein mit Vertretern beider Seiten besetztes Gremium getroffen worden ist. An der hier streitbefangenen Entscheidung über die Änderung der Satzung der Klägerin haben nur Kassenzahnärzte mitgewirkt, weil nur diese Mitglieder der Vertreterversammlung der KZBV sein können (§ 80 Abs 1 Satz 3 iVm Satz 1 SGB V), die die Satzung beschließt (§ 81 Abs 1 Satz 1 SGB V).
Die Revision hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht für zulässig, aber unbegründet gehalten.
Zutreffend hat die Klägerin ihre Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und nicht gegen den Bundesminister für Gesundheit als für sie zuständige Aufsichtsbehörde gerichtet. Nach § 70 Nr 3 SGG sind Behörden nur fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, soweit das Landesrecht dies bestimmt. Für Bundesbehörden gilt grundsätzlich das Rechtsträgerprinzip, wonach am Verfahren diejenige Gebietskörperschaft beteiligt ist, deren Behörde zuständig ist bzw tatsächlich gehandelt hat (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, § 70 RdNr 4).
Mit ihrer am 20. April 1994 erhobenen Klage hat die Klägerin die Klagefrist gewahrt, obwohl ihr der Bescheid vom 3. Mai 1993 über die Versagung der Genehmigung schon am 6. Mai 1993 zugestellt worden war. Da hierbei eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist, war die Klageerhebung nach § 66 Abs 2 Satz 1 SGG binnen Jahresfrist zulässig, und diese Frist hat die Klägerin gewahrt. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nicht erforderlich, weil die Versagung der Genehmigung von einer obersten Bundesbehörde iS des § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGG verfügt worden ist.
Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil das Bundesministerium für Gesundheit als nach § 78 Abs 1 SGB V zuständige Aufsichtsbehörde die erforderliche (§ 81 Abs 1 Satz 2 SGB V) Genehmigung der von der Vertreterversammlung der Klägerin beschlossenen Änderung des § 7 Abs 4 und 5 ihrer Satzung zu Recht versagt hat. Er hat seine Entscheidung, ob die Genehmigung einer Satzungsänderung nach § 81 Abs 1 Satz 2 SGB V zu erteilen ist, am Maßstab des § 78 Abs 3 Satz 1 SGB V auszurichten, wonach sich die Aufsicht über die K(Z)ÄVen und K(Z)BVen auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht zu erstrecken hat. Die Satzung der Klägerin als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs 5 SGB V) muß ebenso wie ihr Handeln mit Gesetz und Recht in Einklang stehen. Das hat das Bundesministerium für Gesundheit hinsichtlich der Einführung des ruhenden Mandats eines in den Vorstand gewählten Mitglieds der Vertreterversammlung der Klägerin zu Recht verneint.
Keine rechtlichen Bedenken bestehen allerdings dagegen, daß die Satzung der Klägerin in der am 1./2. Oktober 1992 beschlossenen Fassung daran festhält, daß das Mandat in der Vertreterversammlung und das Amt eines Vorstandsmitglieds nicht gleichzeitig ausgeübt werden können. Das entspricht der Regelung des § 7 Ziff 4b und Ziff 5 der früheren Fassung der Satzung der Klägerin, in der im Sinne strikter Inkompatibilität bestimmt war, daß Mitglieder des Vorstands nicht Mitglieder der Vertreterversammlung sein können. Eine solche Inkompatibilität schreibt § 80 SGB V im Unterschied zur Regelung des § 368e Abs 1 Satz 5 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung nicht mehr vor. In § 80 Abs 2 Satz 2 SGB V ist nur angeordnet, daß der Vorsitzende der Vertreterversammlung und sein Stellvertreter nicht zugleich Vorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender des Vorstands sein dürfen. Diese Vorschrift hat der Senat jedoch nicht als abschließende Regelung der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat im Bereich der kassen(zahn)ärztlichen Selbstverwaltung verstanden, aufgrund derer eine Satzungsregelung unzulässig wäre, in der weitergehende Inkompatibilitäten festgelegt werden. Er hat vielmehr im Urteil vom 28. Oktober 1992 (BSGE 71, 187, 191 ff = SozR 3-2500 § 80 Nr 1) entschieden, daß § 80 Abs 2 Satz 2 SGB V den Mindeststandard der Unvereinbarkeiten bestimmt und weitergehende Unvereinbarkeiten – auch zwischen der Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung und dem Amt eines Vorstandsmitglieds – nicht ausschließt. Obwohl die Klägerin danach berechtigt ist, in ihrer Satzung die Kompatibilität oder die Inkompatibilität der Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung mit derjenigen im Vorstand vorzusehen, ist sie nicht berechtigt, eine Regelung zu schaffen, wonach das Mandat eines in den Vorstand gewählten Mitglieds der Vertreterversammlung für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Vorstand ruht. Eine solche Regelung stellt entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Mittelweg zwischen zwei jeweils zulässigen Extrempositionen, sondern eine rechtlich unzulässige Gestaltungsform dar.
Die von der Vertreterversammlung der Klägerin am 1./2. Oktober 1992 beschlossene Fassung des § 7 Abs 5 ihrer Satzung ist mit dem auch für die Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der K(Z)ÄVen geltenden Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht vereinbar. In § 80 Abs 1 Sätze 3 und 4 SGB V ist bestimmt, daß die Vertreter der ordentlichen Mitglieder jeder Vertreterversammlung aus dem Kreis der ordentlichen Mitglieder ihrer K(Z)ÄV in unmittelbarer und geheimer Wahl die ihr zustehenden Mitglieder der Vertreterversammlung der K(Z)BV wählen und daß für die außerordentlichen Mitglieder entsprechendes gilt. Im Hinblick auf diese Regelung und im Anschluß an Äußerungen in Rechtsprechung und Schrifttum im staatsrechtlichen Bereich hat der Senat im Urteil vom 28. Oktober 1992 (BSGE 71, 187, 190 f = SozR 3-2500 § 80 Nr 1) Zweifel daran geäußert, daß im Bereich einer KÄV Satzungsregelungen zulässig sind, nach denen die Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung für die Dauer der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Vorstand ruht und für diesen Zeitraum ein Ersatzmitglied in die Vertreterversammlung nachrückt. In Fortführung dieser Entscheidung, in der die angesprochene Rechtsfrage nicht unmittelbar entscheidungserheblich war, gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß die Satzungsautonomie der K(Z)ÄVen die Einführung eines ruhenden Mandats für Mitglieder der Vertreterversammlung, die in den Vorstand gewählt worden sind, nicht gestattet (so auch Hess, Kasseler Komm, § 80 SGB V RdNr 10; Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, Stand September 1995, § 79 SGB V RdNr C79-9; offengelassen bei Peters/Hencke, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 79 RdNr 7a). Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, der für die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Art 38 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) formuliert ist, schließt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für parlamentarische Wahlen eine indirekte Wahl durch Wahlmänner aus und steht jedem Wahlverfahren entgegen, bei dem sich zwischen Wähler und Wahlbewerber nach der Wahlhandlung eine Instanz einschiebt, die nach ihrem Ermessen in der Lage ist, die Vertreter auszuwählen, und damit den Wählern die Möglichkeit nimmt, die zukünftigen Vertreter durch die Stimmabgabe selbsttätig zu bestimmen. Nur wenn die Wähler das letzte Wort haben, haben sie das entscheidende Wort; nur dann wählen sie unmittelbar (BVerfGE 3, 45, 50; 7, 63, 68; 7, 77, 85). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Bestimmung der gewählten Kandidaten unmittelbar nach der Wahlhandlung, sondern ebenso bei der späteren Nachfolge für ausgeschiedene Abgeordnete (BVerfGE 3, 45, 51). In Übereinstimmung mit der Staatspraxis billigt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung als Ausnahme von dem Grundsatz, daß vom Beginn der Stimmabgabe an das Wahlergebnis nur noch von der Willensentscheidung des Wählers abhängen darf, eine Einflußnahme des Gewählten selbst durch Nichtannahme der Wahl, späteren Rücktritt vom Mandat oder ähnliche Handlungen als verfassungskonform (BVerfGE 3, 45, 50; 47, 253, 281). Diese Grundsätze gelten über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus auch bei den Wahlen zu den Selbstverwaltungskörperschaften im Bereich der Sozialversicherungsträger und der K(Z)ÄVen. Die Unmittelbarkeit der Wahl ist dort ausdrücklich vorgeschrieben (§ 80 Abs 1 Sätze 1 und 3 SGB V), und es ist kein Grund dafür erkennbar, diese Vorschrift für Wahlen zu den Selbstverwaltungskörperschaften anders auszulegen, als dies von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für die wortgleichen Bestimmungen des GG und der Länderverfassungen für parlamentarische Wahlen geschieht. Für den ebenfalls in Art 38 Abs 1 Satz 1 GG niedergelegten Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit hat das BVerfG ausdrücklich entschieden, daß er auch bei Sozialwahlen zu beachten ist (BVerfGE 30, 227, 246; vgl auch § 49 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB IV≫ sowie Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S 159); für den Wahlrechtsgrundsatz der Unmittelbarkeit, dessen Geltung ausdrücklich vom Gesetz vorgeschrieben ist, kann nichts anderes angenommen werden.
Daraus ist zunächst abzuleiten, daß Regelungen in der Satzung der Selbstverwaltungskörperschaften, nach denen bei dem Ausscheiden von gewählten Mitgliedern der Vertreterversammlung die nächstberufenen Ersatzpersonen nachrücken bzw ggf Ersatzwahlen durch diejenige Vertreterversammlung einer K(Z)ÄV zu erfolgen haben, aus der das ausscheidende Mitglied der Vertreterversammlung der K(Z)BV gewählt worden ist, rechtlich unbedenklich sind. Die Satzung der Klägerin könnte demnach bestimmen, daß dann, wenn ein Mitglied der Vertreterversammlung in den Vorstand gewählt wird, seine Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung endet und eine Ersatzperson nachrückt. Die in die Vertreterversammlung nachrükende Ersatzperson ist ebenso wie alle anderen Mitglieder der Vertreterversammlung durch die Wahlhandlung legitimiert und iS des § 80 Abs 1 SGB V unmittelbar gewählt. Ihr Status unterscheidet sich in nichts von demjenigen Mitglied der Vertreterversammlung, das ursprünglich als Ergebnis der Wahl innerhalb der einzelnen K(Z)ÄVen gewählt worden war (vgl für den staatsrechtlichen Bereich Nell, JZ 1975, S 519, 520). Das aus dem Wahlrechtsgrundsatz der Unmittelbarkeit abzuleitende Gebot, daß andere Personen als die Wähler keinen Einfluß auf die Zusammensetzung der zu wählenden Körperschaft nehmen dürfen, wird jedoch verletzt, wenn das in den Vorstand gewählte Mitglied der Vertreterversammlung aus dem Vorstand ausscheidet und damit – wie dies in § 7 Abs 5 der Neufassung der Satzung der Klägerin ausdrücklich vorgesehen ist – seine Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung wieder aufleben läßt. Die Entscheidung darüber, ob wieder das ursprünglich in die Vertreterversammlung gewählte und dann durch die Wahl in den Vorstand vorübergehend aus ihr ausgeschiedene Mitglied oder weiterhin die an seine Stelle nachgerückte Ersatzperson Mitglieder der Vertreterversammlung mit allen Rechten und Pflichten sind, liegt in dieser Situation nicht mehr bei den Wählern, sondern allein bei dem Vorstandsmitglied. Für den staatsrechtlichen Bereich hat der Hessische Staatsgerichtshof eine unzulässige Durchbrechung des Einflusses der Wähler auf die Zusammensetzung des Parlaments in der Situation angenommen, daß der ehemalige Abgeordnete, der nach seiner Ernennung zum Minister das unwiderrufliche Ruhen seines Parlamentsmandates erklärt hatte, aus der Landesregierung ausscheidet und wieder in das Parlament eintreten will (ESVGH 27, 193 ff = NJW 1977, 2065 ff). Für Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der K(Z)ÄVen kann nichts anderes gelten, weil die bestehenden Unterschiede zwischen parlamentarischen Wahlen und Wahlen zu Selbstverwaltungsorganen eine unterschiedliche Handhabung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Wahl insoweit nicht rechtfertigen können. In diesem Zusammenhang ist es ohne rechtliche Bedeutung, daß nach der Regelung des § 7 Abs 5 der neugefaßten Satzung der Klägerin das Wiederaufleben des Mandats in der Vertreterversammlung die automatische Rechtsfolge des Ausscheidens aus dem Vorstand ist, während nach der vom Hessischen Staatsgerichtshof beanstandeten Regelung das Landtagsmandat des aus dem Amt geschiedenen Ministers erst dann wieder aufleben sollte, wenn dieser sich schriftlich zur (erneuten) Annahme des Mandats bereiterklärt hat. In beiden Konstellationen beruht die Beendigung des Mandats des Nachrückers auf einer freien Entscheidung dessen, der sein Mandat hat ruhen lassen: Der Minister, der nach der Landesverfassung sein Amt in der Regierung auch gegen seinen Willen verlieren kann, sollte nach eigenem Gutdünken entscheiden können, ob er sein Mandat im Landtag wiederaufnehmen will oder nicht, und das in den Vorstand gewählte Mitglied der Vertreterversammlung der Klägerin entscheidet nach eigenem Ermessen darüber, ob es sein Vorstandsamt beenden und damit automatisch seine Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung wiederaufnehmen will. Eine Abwahl von Vorstandsmitgliedern während der laufenden Amtsperiode (§ 80 Abs 3 SGB V) sieht die Satzung der Klägerin nämlich nicht vor. Ob die Rechtsfolge des Ausscheidens des nachgerückten Mitglieds der Vertreterversammlung eintritt und wie sich infolgedessen die Vertreterversammlung zusammensetzt, ist nicht mehr unmittelbar auf den Wählerwillen, sondern auf eine willentliche Entscheidung des Vorstandsmitglieds zurückzuführen. Dieses gehört zu dem Zeitpunkt, in dem es seine Entscheidung trifft, der Vertreterversammlung nicht mehr an und ist deshalb als „Dritter” anzusehen, von dessen Entscheidungen die Zusammensetzung der zu wählenden Körperschaft gerade nicht abhängen darf (vgl Hessischer Staatsgerichtshof, ESVHG 27,193 ff = NJW 1977, S 2065, 2067). Der für die Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Wahl erforderliche permanente Legitimationszusammenhang zwischen der Entscheidung der Wähler und der Zusammensetzung der Vertreterversammlung ist somit durch den Mandatswechsel bei Beendigung des Ruhens der Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung unterbrochen (vgl zur staatsrechtlichen Situation Dress, Das ruhende Mandat, Dissertation, Hamburg 1985, S 84 ff).
Die Regelung über das Ruhen der Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung gemäß § 7 Abs 5 der Satzung der Klägerin idF der Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 1./2. Oktober 1992 verstößt weiterhin gegen den durch Freiheit und streng formale Gleichheit geprägten Status der Mitglieder der Vertreterversammlung. Aus Art 38 Abs 1 Satz 2 GG, wonach die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind, hat das BVerfG den parlamentsbezogenen Rechtsgrundsatz entwickelt, daß alle Mitglieder des Parlaments einander formal gleichgestellt sind, weil das GG im Wahlrecht und im Parlamentsrecht keine für den Status des Abgeordneten erheblichen besonderen, in seiner Person liegenden Umstände kennt, die eine Differenzierung innerhalb des Status rechtfertigen können. Das Prinzip dieser formalisierten Gleichbehandlung ist verfassungsrechtlich im egalitären Gleichheitssatz ausgeprägt (BVerfGE 40, 296, 317 f; vgl auch BVerfGE 84, 304, 325). Dieser Grundsatz gilt auch für die gewählten Mitglieder von Selbstverwaltungskörperschaften ungeachtet der Tatsache, daß ihr Status nicht in gleicher Weise wie derjenige der Abgeordneten des Deutschen Bundestages verfassungsrechtlich gesichert ist. Zu den Funktionsbedingungen demokratisch legitimierter Selbstverwaltungsorgane gehört, daß alle gewählten Vertreter ihr Amt unter gleichen Bedingungen ausüben können und nicht einzelne oder Gruppen von ihnen unter bestimmten Gesichtspunkten privilegiert bzw diskriminiert werden. Wenn das BVerfG die Beachtung des Grundsatzes der streng formalen Wahlrechtsgleichheit auch für die Ausübung des aktiven Wahlrechts im Rahmen von Sozialwahlen fordert (vgl BVerfGE 30, 227, 246), muß der durch strikte, egalitäre Gleichheit geprägte Status auch für die Mandatsausübung der gewählten Vertreter im Bereich der Selbstverwaltung von Sozialversicherungsträgern und K(Z)ÄVen gelten. Mit diesem durch die Unabhängigkeit von Weisungen anderer und durch differenzierungsfeindliche Gleichbehandlung bei der Ausübung des Mandats geprägten Status ist die Rechtsstellung unvereinbar, die nach der Neufassung der Satzung der Klägerin der für ein Vorstandsmitglied nachgerückten Ersatzperson zukommt. Grundsätzlich hat zwar der Nachrücker für die Zeit seiner Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung dieselben Rechte wie jedes andere gewählte Mitglied der Vertreterversammlung; doch ist seine Mandatsausübung stets dadurch beeinflußt, daß der Fortbestand seines Mandates von der freien Entscheidung des Vorstandsmitglieds, für das er in die Vertreterversammlung nachgerückt oder nachgewählt worden ist, abhängt, sein Mandat in der Vertreterversammlung nicht um den Preis eines Verzichts auf eine Fortsetzung der Vorstandstätigkeit wieder ausüben zu wollen. Diese Abhängigkeit des Bestands des eigenen Mandats von der freien Entschließung eines Vorstandsmitglieds hat zur Folge, daß die Ersatzperson ihr Mandat in der Vertreterversammlung nicht in gleicher Weise wie die unmittelbar gewählten Mitglieder wahrnehmen und ausnutzen kann. Zwar müssen sich alle von den Vertreterversammlungen der einzelnen KZÄVen in die Vertreterversammlung der KZBV gewählten Vertreter für ihre Tätigkeit bei der Klägerin gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern rechtfertigen, doch bleibt der Bestand ihres Mandates für die Dauer ihrer Amtsperiode unabhängig davon, ob ihre Entscheidungen von der Mehrheit ihrer Wähler mitgetragen werden oder nicht. Das gilt für die nachgerückte Ersatzperson nicht in gleicher Weise, weil das Vorstandsmitglied, für das sie nachgerückt ist, auf ein bestimmtes Verhalten „seines” Nachrückers damit reagieren kann, daß es – und sei es nur für eine begrenzte Zeit – sein Vorstandsmandat aufgibt, um wieder selbst in der Vertreterversammlung mitwirken zu können und vor allem das Mandat des Nachrückers zum Erlöschen zu bringen. Ob davon in der Praxis Gebrauch gemacht wird oder ob die Annahme, ein Vorstandsmitglied werde den – politisch möglicherweise hohen – Preis eines Verzichts auf dieses Amt zahlen, nur um das Mandat „seines” Nachrückers in der Vertreterversammlung zu beenden, eher fernliegt, kann auf sich beruhen. Da entsprechende Möglichkeiten zumindest theoretisch bestehen und die von der Vertreterversammlung der Klägerin am 1./2. Oktober 1992 beschlossene Satzung keinerlei Handhabe dafür liefert, einem solchen Vorgehen entgegenzutreten, ist der Status des Nachrückers von vornherein ein solcher minderen Rechts und minderer Freiheit beim eigenen Abstimmungsverhalten; ein solcher Status minderen Rechts ist mit der strikt egalitären Gleichheit aller Mandatsträger unvereinbar. Die Regelung in § 7 Abs 5 der Satzung der Klägerin hat im übrigen zur Folge, daß innerhalb der für ein Nachrücken bzw eine Nachwahl in die Vertreterversammlung in Frage kommenden Ersatzpersonen danach zu differenzieren ist, ob das Nachrücken bedingt (im Falle des ruhenden Mandats) oder unbedingt (im Falle etwa des Todes eines Mitglieds der Vertreterversammlung) erfolgt. Insoweit kann es von Zufällen abhängen, ob der als erster berufene Nachrücker den vollen Status eines Mitglieds der Vertreterversammlung oder nur den minderen Status als Ersatzperson für ein Vorstandsmitglied erhält.
Die Beachtung der strikten Gleichheit des Status aller Mitglieder der Vertreterversammlung beansprucht Vorrang vor den Interessen der Klägerin, durch die beschlossene Regelung des § 7 Abs 5 der Satzung größere Flexibilität für die Ausübung von ehrenamtlichen Funktionen in ihren Organen zu gewinnen und zugleich die Trennung von Vorstandsamt und Mandat in der Vertreterversammlung zu verwirklichen. Diese Gesichtspunkte entbehren nicht jeder Berechtigung, doch kommt ihnen nicht ein solches Gewicht zu, daß sie eine Durchbrechung des verfassungsrechtlich gebotenen, durch egalitäre Gleichheit geprägten Status aller Mitglieder einer Vertretungskörperschaft legitimieren könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 651692 |
BSGE, 105 |
NJW 1997, 2476 |
AusR 1998, 28 |
SozSi 1997, 397 |
SozSi 1997, 399 |