Entscheidungsstichwort (Thema)
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Hat eine KK wegen eines tödlichen Unfalls Familiensterbegeld in Ungewißheit darüber, ob es nach RVO § 205b um den Betrag eines zu erwartenden Sterbegeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu kürzen war, voll gewährt, so kann sie, auch wenn die Kürzung zu Unrecht unterblieben ist, von dem Träger der Unfallversicherung nicht Erstattung des zuviel gezahlten Familiensterbegeldes verlangen.
Leitsatz (redaktionell)
Zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch:
Kommt eine Krankenkasse im nachhinein zu der Auffassung, das von ihr gezahlte Familiensterbegeld sei zu Unrecht gewährt worden, weil auch gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Anspruch auf Sterbegeld besteht, so kann sie nicht verlangen, daß ihr der Unfallversicherungsträger nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs aus seinem Sterbegeld Ersatz leistet.
Normenkette
RVO § 205b S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 589 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 203 Fassung: 1924-12-15, § 1504 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 1510 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30; BGB § 667
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin, eine Allgemeine Krankenkasse (AOK), verlangt von der beklagten Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Ersatz eines Betrages von 280 DM, den sie dem Landwirt P (P.) als Familiensterbegeld gezahlt hat. P. ist bei der Klägerin gegen Krankheit freiwillig versichert. Am 26. August 1967 wurde sein im Jahre 1953 geborener Sohn M bei der Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten durch Blitzschlag getötet. Der Vater beantragte sowohl bei der Klägerin als auch bei der Beklagten die Gewährung von Sterbegeld.
Mit Schreiben vom 6. September 1967 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde das Familiensterbegeld in Höhe von 280 DM auszahlen; zugleich bat sie um Mitteilung, ob und in welcher Höhe die Beklagte Sterbegeld zu leisten habe, und meldete unter Hinweis auf § 205 b Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorsorglich einen Ersatzanspruch hierauf bis zur Höhe der von ihr erbrachten Leistung an. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben erteilte sie am 20. September 1967 der Beklagten eine formularmäßige "Ersatzleistungsrechnung nach §§ 1504, 1510 RVO" über das von ihr gezahlte Familiensterbegeld von 280 DM.
Am 2. Januar 1968 zahlte auch die Beklagte Sterbegeld in voller Höhe von 400 DM aus. Gleichzeitig teilte sie der Klägerin mit, daß deren Ersatzforderung nicht befriedigt werden könne. Nach § 205 b Satz 2 RVO sei das Familiensterbegeld zwar um den Betrag zu kürzen, der sich aus dem eigenen Anspruch des Versicherten auf Grund eines bestehenden Pflichtversicherungsverhältnisses ergebe; hierunter falle jedoch nur eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung (KrV), nicht aber in der gesetzlichen Unfallversicherung (UV). Da es im anschließenden Schriftwechsel zu keiner Einigung kam, erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Bayreuth. Sie machte geltend, sie habe trotz gewisser Bedenken das Familiensterbegeld am 18. September 1967 ausgezahlt, um eine gegenüber dem Versicherten unangebrachte Härte zu vermeiden. Es habe damals noch nicht festgestanden, ob die Beklagte für den Unfall entschädigungspflichtig sei; auch habe sie - die Klägerin - selbst gewisse Zweifel gehabt, ob das Sterbegeld aus der UV überhaupt nach § 205 b Satz 2 RVO anrechenbar sei. Sie sei schließlich der Meinung gewesen, die sofortige Auszahlung entspreche auch dem Willen der Beklagten, und habe demzufolge in Geschäftsführung ohne Auftrag gehandelt.
Mit Urteil vom 16. Dezember 1968 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin das verauslagte Sterbegeld in Höhe von 280 DM zurückzuerstatten. Zur Begründung wird ausgeführt, aus dem subsidiären Charakter der Familienhilfe in der KrV folge, daß das Familiensterbegeld um jedes Sterbegeld aus einer eigenen gesetzlichen Versicherung, also auch um das Unfallsterbegeld, zu kürzen sei; die Klägerin habe daher mit ihrer Sofortzahlung als Geschäftsführerin ohne Auftrag für die Beklagte gehandelt.
Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat einen Ersatzanspruch der Klägerin auf Grund folgender Erwägung verneint: § 1504 RVO, wonach die Berufsgenossenschaft dem Träger der KrV alle Kosten mit Ausnahme des Sterbegeldes zu erstatten habe, lasse erkennen, daß neben dem Sterbegeld aus der gesetzlichen KrV auch das Sterbegeld aus der gesetzlichen UV zu gewähren sei. Auch § 205 b Satz 2 RVO sehe die Anrechnung des Sterbegeldes aus der UV nicht vor. Das ergebe sich schon daraus, daß diese Kürzungsvorschrift lediglich in den gesetzlichen Bestimmungen über die KrV enthalten sei. Auch aus ihrem Wortlaut - "auf das der Verstorbene selbst versichert war" - sei zu entnehmen, daß es sich nur um Sterbegeld aus der KrV handeln könne. Während nämlich nach § 179 RVO die im Zweiten Buch der RVO vorgesehenen Kassenleistungen den Gegenstand der Versicherung bildeten, sei der Verstorbene selbst auf das Sterbegeld in der Unfallversicherung nicht versichert; der Sterbegeldanspruch sei dort lediglich eine Folge der Tatsache, daß durch einen Arbeitsunfall der Tod herbeigeführt worden sei. Auch deute das Wort "war" in § 205 b Satz 2 RVO darauf hin, daß die gesetzliche Versicherung schon vor dem zum Tode führenden Ereignis bestanden haben müsse. Ferner habe das Reichsversicherungsamt in einer grundsätzlichen Entscheidung Nr. 3116 vom 27. Oktober 1927 (AN 1928, 56) als gesetzlich versichert im Sinne des § 205 b Satz 2 RVO nur solche Personen angesehen, die im Gegensatz zu freiwillig Versicherten auf Grund der Versicherungspflicht gegen Krankheit versichert seien. Bestätigt werde diese Auffassung durch § 21 Abs. 1 Nr. 7 des Krankenversicherungsgesetzes - den Vorläufer des § 205 b Satz 2 RVO -, der es in der ursprünglichen Fassung den Krankenkassen ermöglicht habe, als Mehrleistung Familiensterbegeld zu gewähren, wenn der verstorbene Angehörige nicht selbst "dem Versicherungszwange" unterlegen habe.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt unrichtige Anwendung des § 205 b RVO. Dazu führt sie aus: Die in der gesetzlichen KrV vorgesehenen Leistungen der Familienhilfe, zu denen das Familiensterbegeld gehöre, trügen den Charakter einer besonderen sozialen Vergünstigung ohne zusätzliche Beitragszahlung. Um diese zusätzliche Belastung für die Versichertengemeinschaft nicht zu groß werden zu lassen, sehe das Gesetz den Fortfall (vgl. § 205 Abs. 1 Satz 1, § 205 a Abs. 1 Nr.2 RVO) bzw. die Beschränkung (vgl. § 205 b Satz 2 RVO) des Anspruchs auf Familienhilfe vor, sofern der Angehörige selbst einen gesetzlichen Anspruch auf die in der Familienhilfe vorgesehenen Leistungen habe. Da hiernach die gesamte Familienhilfe erst in letzter Linie eintreten könne, müsse das Familiensterbegeld um jedes Sterbegeld aus einer eigenen gesetzlichen Versicherung, also auch um das Unfallsterbegeld, gekürzt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe des von ihr gezahlten Familiensterbegeldes, das sie dem P. in Geschäftsführung ohne Auftrag gewährt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das verauslagte Sterbegeld in Höhe von 280 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Bei der von der AOK als Trägerin der gesetzlichen KrV gegen die Berufsgenossenschaft als für den tödlichen Unfall zuständige Trägerin der UV erhobenen reinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) auf Ersatz einer öffentlich-rechtlichen Leistung handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG, für die der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (BSG 16, 151, 152).
Der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch ist nicht begründet. Hierzu bedurfte es nach der Auffassung des Senats keiner Entscheidung der von den Beteiligten und den Vorinstanzen in den Vordergrund gestellten Rechtsfrage, ob nach § 205 b Satz 2 RVO das Familiensterbegeld aus der KrV um den Betrag eines Sterbegeldes aus der UV zu kürzen ist. Ist eine solche Kürzung nicht statthaft, sind also beide Sterbegelder nebeneinander zu gewähren, so kommt eine Ersatzleistung ohnehin nicht in Betracht, weil die Beklagte dann mit der Sterbegeldzahlung eine ihr selbst obliegende Leistung erbracht hat. Aber auch wenn die Auffassung der Klägerin und des SG zutreffen sollte, daß das Familiensterbegeld um den Betrag des Unfallsterbegeldes zu kürzen und demgemäß im vorliegenden Fall nicht zu zahlen gewesen sei, fehlt es hier an einer Rechtsgrundlage für einen Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte.
Zunächst bieten die Vorschriften, in denen die Beziehungen der Träger der KrV und der UV zueinander geregelt sind (§§ 1501 bis 1513 RVO), keine gesetzliche Grundlage für einen solchen Anspruch. Die in § 1504 RVO geregelte grundsätzliche Kostenerstattungspflicht des Trägers der UV gegenüber dem Träger der KrV in Fällen, in denen eine Krankheit die Folge eines Arbeitsunfalls ist, greift hier schon deshalb nicht ein, weil das Sterbegeld in dieser Vorschrift ausdrücklich von der Erstattung ausgenommen ist, so daß es dahinstehen kann, ob die Vorschrift für den vorliegenden Fall einer Leistung der Familienhilfe überhaupt Anwendung finden könnte. Nach § 1510 Abs. 2 RVO hat der Träger der UV der von ihm mit der Gewährung ihm obliegender Leistungen beauftragten Krankenkasse die aus dem Auftrag erwachsenen Aufwendungen zu ersetzen. Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Beklagte der Klägerin etwa einen solchen - speziellen oder generellen - Auftrag, für sie Unfallsterbegeld auszuzahlen, ausdrücklich oder stillschweigend erteilt hätte.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 23. März 1971 - 7 RAr 12/69 - (SozR Nr. 5 zu § 39 AVAVG) unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des BSG (BSG 6, 195, 197; 14, 59, 63; 16, 151 und 222, 225; 23, 213, 217) dargelegt hat, gilt indessen im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung allgemein der Grundsatz, daß Leistungen, die ein Träger des öffentlichen Rechts für einen anderen Träger der öffentlichen Verwaltung ohne Rechtsgrund, aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus einem gesetzlich normierten auftragsähnlichen Verhältnis erbracht hat, von dem primär verpflichteten Träger des öffentlichen Rechts zu ersetzen sind, wenn hierfür ein öffentliches Interesse gegeben ist. Es soll eine mit der Rechtslage im öffentlichen Recht nicht übereinstimmende Vermögenslage zwischen zwei Verwaltungsträgern ausgeglichen werden. Geht man einmal davon aus, daß - was im vorliegenden Fall offenbleiben kann - nach § 205 b Satz 2 RVO das Familiensterbegeld um den Betrag des - hier höheren - Unfallsterbegeldes zu kürzen war und damit ganz wegfiel, so hat die Klägerin allerdings ohne Rechtsgrund geleistet. Sie hat diese Leistung objektiv aber nicht für die Beklagte erbracht, weil diese durch die Gewährung des Familiensterbegeldes nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung des Unfallsterbegeldes befreit wurde. Von dem hier nicht in Betracht kommenden Sonderfall des § 589 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 203 Satz 3 RVO (beim Fehlen bezugsberechtigter Angehöriger verbleibender Überschuß über die Bestattungskosten) abgesehen, ist die Leistung von Sterbegeld aus der KrV ohne Einfluß auf die Leistungspflicht der UV. Es fehlt also im Verhältnis der beiden Versicherungsträger zueinander an einer durch die Leistung der Klägerin bewirkten Veränderung der beiderseitigen Vermögenslage, die durch den erhobenen Ersatzanspruch auszugleichen wäre; der Leistung der Klägerin steht keine Ersparnis der Beklagten gegenüber. Während nämlich bestimmte Sachleistungen (z.B. Krankenpflege, Heilbehandlung) oder die betragsmäßige Erstattung hierfür von dem Betroffenen selbst aufgewendeter Kosten ihrer Natur nach nur einmal gewährt oder erstattet werden können und daher zwangsläufig zur Entlastung anderer Verpflichteter führen, können pauschal berechnete Sterbegelder aus verschiedenen Quellen zusammentreffen; für Sterbegelder aus der KrV und der UV ist ein solches Zusammentreffen in § 1508 RVO sogar ausdrücklich vorgesehen. Sie stellen lediglich einen Beitrag zu den wirtschaftlichen Belastungen dar, die den bezugsberechtigten Angehörigen aus Anlaß eines Sterbefalles erwachsen, nicht eine betragsmäßige Erstattung der tatsächlich entstandenen Begräbniskosten.
Auch eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches) könnte aus diesem Grund zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen, so daß hier nicht erörtert zu werden braucht, ob und in welchem Umfang diese Regeln im öffentlichen Recht neben denen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruches anzuwenden sind. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nämlich schon deshalb kein Geschäft der Beklagten besorgt, weil - wie oben ausgeführt - die Zahlung des Sterbegeldes aus der KrV die Verpflichtung der Beklagten, Sterbegeld aus der UV zu zahlen, nicht aufgehoben oder gemindert hat. Indem die Klägerin auf den Antrag des Versicherten hin diesem - zu Recht oder zu Unrecht - das Familiensterbegeld in voller Höhe gezahlt hat, hat sie ihr eigenes Geschäft als Trägerin der KrV besorgt. Sie kann das damit verbundene Risiko, möglicherweise zu Unrecht geleistet zu haben, nicht dadurch auf die Beklagte abwälzen, daß sie dieser den Betrag als für sie in auftragsloser Geschäftsführung verauslagtes Unfallsterbegeld in Rechnung stellt.
Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen