Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungspflicht des Versicherungsträgers. Auskunfts-, Beratungs- und Aufklärungspflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht der Rentenversicherungsträger (AVG § 103 S 1 aF) kann nicht im Wege der Popularklage geltend gemacht werden.

2. Zur Aufklärung von Tatsachen, die nicht für die vom Versicherten beantragte Leistung bedeutsam sind, ist der Rentenversicherungsträger auch nach dem Amtsermittlungsprinzip nicht verpflichtet.

 

Orientierungssatz

Ein Rentenversicherungsträger - sei es vor, sei es nach dem Inkrafttreten des SGB 1 - ist zur Belehrung und Beratung eines Versicherten nur dann verpflichtet, wenn dieser sich mit einem entsprechenden Ersuchen an den Versicherungsträger gewandt hat.

 

Normenkette

AVG § 103 S. 1 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1324 S. 1 Fassung: 1960-02-25; SGB 1 § 13 Fassung: 1975-12-11, § 14 Fassung: 1975-12-11, § 15 Abs. 2 Fassung: 1975-12-11

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 13. August 1975 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 1974 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob die Beklagte befugt war, gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Beitragszuschuß die Einrede der - unstreitig eingetretenen - Verjährung zu erheben.

Im April 1962 beantragte der in Israel lebende Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit. Diese wurde ihm aufgrund eines Anerkenntnisses in einem gerichtlichen Verfahren im Jahre 1965 rückwirkend von April 1962 an bewilligt. Im April 1972 beantragte er einen Beitragszuschuß zu seiner privaten Krankenversicherung.

Mit Bescheid vom 18. Juni 1973 - ergänzt durch Bescheid vom 6. Dezember 1973 - bewilligte ihm die Beklagte den Beitragszuschuß von Mai 1968 an. Hinsichtlich der Zeit vorher berief sie sich in dem Bescheid vom 18. Juni 1973 und dem Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1973 auf Verjährung nach § 29 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zahlung des Beitragszuschusses auch für die Zeit von April 1962 bis April 1968 gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat hingegen der Klage stattgegeben: Es lägen Umstände vor, die die Beklagte zwängen, nach Treu und Glauben auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Sie habe nämlich gegen ihre Informationspflicht (§ 103 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -, § 1324 RVO) verstoßen, indem sie es unterlassen habe, die Auslandsrentner über ihren Anspruch auf Beitragszuschuß aufzuklären. Durch ihr Verhalten bei Rentenbewilligung habe sogar der Eindruck entstehen können, als werde die Möglichkeit, Beitragszuschüsse ins Ausland zu zahlen, ausdrücklich verneint. Daß und unter welchen Voraussetzungen ins Ausland gezahlt werden könne, sei zwar erst allmählich durch die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 1967 (BSG 27, 129), vom 28. August 1970 (BSG 31, 288) und vom 20. Oktober 1972 (BSG 35, 15) klargestellt worden. Die Rechtsunklarheit gehe aber nicht zu Lasten der Rentner. Daß eine allgemeine Informationspflicht bestehe, habe die Beklagte selbst durch ständige Information der Inlandsrentner mit Hilfe von Erläuterungen und Hinweisen zum Rentenbescheid und seit August 1972 auch durch Hinweise für Auslandsrentner mit Hilfe eines Stempelaufdrucks auf den Rentenbescheid anerkannt. Mit diesem auf dem Urteil des BSG vom 28. Oktober 1970 aaO beruhenden Hinweis hätte die Beklagte nicht annähernd zwei Jahre warten dürfen. Die Unkenntnis der wahren Rechtslage könne den Auslandsrentnern nicht vor dem Zeitpunkt zur Last gelegt werden, in dem die Beklagte mit ihrer Belehrung auch der Auslandsrentner begonnen habe. Der Kläger habe aber schon vorher seinen Antrag auf Beitragszuschuß gestellt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision. Sie habe sich zwar im Rahmen ihres Ermessens angesichts der langjährigen Rechtsunklarheit dazu entschlossen, den Auslandsrentnern in gewissem Umfang Rechnung zu tragen. Das sei aber ausreichend dadurch geschehen, daß sie nach dem Urteil des BSG vom 28. Oktober 1970 ein Jahr lang auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe. Die Auffassung des LSG, sie habe vor August 1972 ihre Aufklärungspflicht gegenüber den Auslandsrentnern verletzt, treffe nicht zu. Da sie keine Fehlinformation erteilt habe, komme nur eine pflichtwidrige Unterlassung in Betracht. Zu einer Information der einzelnen Rentner über konkrete Rechtsfragen sei sie aber nicht verpflichtet. Aber selbst wenn man dies unterstellen wolle, könne diese Unterlassung nur dann zu der von dem LSG vertretenen Rechtsfolge führen, wenn dieses Versäumnis für die Nichtstellung des Antrags auf Beitragszuschuß ursächlich gewesen sei. Das habe aber das LSG selbst nicht angenommen und auch nicht annehmen können. Die Information, die sie seit 1972 den Auslandsrentnern erteile, hätte, selbst wenn sie früher erfolgt wäre, den Kläger nicht erreicht, weil sie in Verbindung mit dem Rentenbescheid geschehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 13. August 1975 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 14. Mai 1974 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Verletzung der Aufklärungspflicht sei ohne weitere Ermittlung als ursächlich für die Unterlassung der rechtzeitigen Antragstellung anzunehmen. Wenn die Beklagte mit ihren jährlich übersandten Formularen für die Lebens- und Staatsangehörigkeitsbescheinigungen ein Merkblatt über die Voraussetzungen der Zahlungen von Beitragszuschüssen in das Ausland beigefügt hätte, wäre der Antrag selbstverständlich rechtzeitig gestellt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Beklagte konnte sich für die Zeit vor dem 1. Mai 1968 auf die Verjährung des Anspruchs auf Beitragszuschuß berufen.

Das LSG meint, der Beklagten sei eine Verletzung der allgemeinen Informationspflicht gegenüber Auslandsrentnern über die Möglichkeiten des Beitragszuschusses vorzuwerfen, hingegen komme es nicht darauf an, wie sich die Beklagte dem Versicherten gegenüber verhalten habe. In dem für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutsamen Zeitraum war die Aufklärungspflicht der Beklagten in § 103 AVG aF - übereinstimmend mit § 1324 RVO aF - geregelt. Nach dieser Vorschrift obliegt der Beklagten die allgemeine Aufklärung der versicherten Bevölkerung und der Rentner über ihre Rechte und Pflichten (§ 103 Satz 1 AVG aF). Des weiteren statuiert § 103 Satz 2 AVG aF eine Pflicht der Versicherungsämter zur Erteilung von Auskünften, auf die die Beklagte in geeigneter Weise hinzuweisen hat (§ 103 Satz 3 AVG aF). Offensichtlich hat das LSG im vorliegenden Fall einen Verstoß der Beklagten gegen die allgemeine Informationspflicht nach § 103 Satz 1 AVG aF für gegeben gehalten. Es bedarf im Rahmen dieses Rechtsstreits keiner Untersuchung, ob aus dieser Vorschrift für die Beklagte die Verpflichtung erwachsen wäre, Merkblätter über den Beitragszuschuß für Auslandsrentner bereits zu einem früheren Zeitpunkt oder mit einem anderen Inhalt herauszugeben, weil jedenfalls der Kläger daraus keine Rechte herleiten könnte.

Bei der Verpflichtung zur Aufklärung ist zu unterscheiden, zwischen der Pflicht zur generellen Information, die der Rentenversicherungsträger der gesamten Bevölkerung und insbesondere der Versichertengemeinschaft gegenüber zu erfüllen hat, und seiner Pflicht zur individuellen Information einem bestimmten Versicherten gegenüber. Die allgemeine Informationspflicht bezweckt, die Rentenversicherung der Bevölkerung nahezubringen, und ist ein Ausfluß der grundgesetzlich garantierten Verpflichtung zur Sozialstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes). Diese generelle Verpflichtung zur Aufklärung macht zwar dem Versicherungsträger die Durchführung von Aufklärungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Herausgabe von Merkblättern oder ähnliches, zur Pflicht, aber sie verleiht dem einzelnen Versicherten kein subjektives Recht gegenüber dem Versicherungsträger. Er kann weder den Versicherungsträger zu bestimmten Maßnahmen zwingen noch kann er für sich daraus Rechte herleiten, wenn der Versicherungsträger Aufklärungsmaßnahmen nicht in der von ihm für richtig gehaltenen Weise oder nicht in dem von ihm als zutreffend befundenen Zeitpunkt durchführt (vgl. Gesamtkomm. zur RVO von Dersch u. a., Stand: Dezember 1975, § 1324 Anm. 1; Verbandskomm. zur RVO, Stand: Januar 1975, § 1324 Anm. 2; Koch/Hartmann, AVG, 2. und 3. Aufl., Stand: April 1973, § 103 Anm. A; Etmer, AVG, Stand: März 1976, § 103, Anm. 1; Jantz/Zweng, 1. Aufl., Anm. zu § 1315 RVO). Entsprechendes gilt ab 1. Januar 1976 nach der Streichung des § 103 AVG aF (Art. II § 5 i. V. m. § 23 des Sozialgesetzbuchs, Allgemeiner Teil - SGB-AT -) für die an dessen Stelle getretene allgemeine Informationspflicht nach § 13 SGB-AT (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl., SGB-AT, § 13 Anm. 2 und 3; Gesamtkomm., SGB-AT, Stand: Mai 1976, § 13 Anm. 5). Daraus folgt, daß eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungsverpflichtung, sofern überhaupt eine solche vorgelegen hätte, zwar möglicherweise zwischen dem Versicherungsträger und der Aufsichtsbehörde oder auch zwischen Geschäftsführung und Selbstverwaltungsorganen streitig werden könnte, daß aber der einzelne Versicherte für sich daraus keine Rechte herleiten und nicht mit der (Popular-) Klage geltend machen kann.

Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der Einwand der Verjährung etwa dann unzulässig wäre, wenn die Beklagte Anfang und Mitte der sechziger Jahre ausdrücklich allgemein erklärt hätte, Beitragszuschüsse dürften nicht ins Ausland gezahlt werden und den Kläger dadurch abgehalten hätte, einen Antrag zu stellen. Denn eine solche Erklärung konnte aus dem Vorgehen der Beklagten im Zusammenhang mit der Rentenbewilligung nicht entnommen werden. Sie hat die für Inlandsrentner bestimmten Belehrungen über die Krankenversicherung der Rentner mit dem Stempelaufdruck "ungültig" versehen, und damit die Frage der Zahlung von Beitragszuschüssen ins Ausland offengelassen und nicht negativ beantwortet.

Unabhängig von der allgemeinen Informationspflicht trifft den Rentenversicherungsträger eine Verpflichtung, den einzelnen Versicherten zu beraten und ihm Auskünfte zu erteilen. Diese Verpflichtung ist seit dem 1. Januar 1976 gesetzlich festgelegt und hat ihren Niederschlag in den §§ 14 und 15 SGB-AT gefunden. Es kann schon zweifelhaft sein, ob auch vor dem Inkrafttreten des SGB-AT eine Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zur Beratung und Auskunftserteilung an den einzelnen Versicherten i. S. einer erzwingbaren Rechtspflicht bestanden hat. Dagegen spricht vor allem die Entstehungsgeschichte der früheren Vorschrift über die Aufklärung (§ 103 AVG aF = § 1324 RVO aF). Sie ist durch die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze als § 1315 in die RVO eingefügt worden. Die spätere Veränderung der Paragraphenbezeichnung in § 1324 RVO durch Art. 2 Nr. 6 FANG vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) hat an dem Inhalt der Vorschrift nichts geändert. Bei ihrer Beratung wurde der Antrag gestellt, die allgemeine Aufklärungspflicht durch eine individuelle Beratungspflicht zu ersetzen. Dieser Antrag wurde jedoch bereits in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik abgelehnt (Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, zu Drucks. 3080, S. 19, zu § 1319 des Entwurfs eines Rentenversicherungsgesetzes) mit der Begründung, daß sich eine Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zur Beratung der Versicherten bereits aus ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts ergebe und eine weitere Konkretisierung untunlich sei. Auch im Bundestag verfiel er der Ablehnung (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 186. Sitzung, S. 10420). In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß selbst der abgelehnte Änderungsantrag keine unbeschränkte Beratungspflicht vorgesehen hätte, sondern den Rentenversicherungsträger nur verpflichten wollte, "bei Kenntnis von Umständen, die Leistungsansprüche begründen, den Berechtigten auf das Recht zur Antragstellung hinzuweisen" (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 186. Sitzung, Anl. 5 (Umdruck 893), Ziff. 87 und 88, Nr. 1 S. 10481). Unter Beachtung dieser Entwicklung ist für die Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB-AT davon auszugehen, daß die Rentenversicherungsträger auf Grund der aus dem jeweiligen einzelnen Versicherungsverhältnis erwachsenden Betreuungspflicht heraus zwar gehalten waren, den Versicherten zu belehren, zu beraten und ihm Auskünfte zu erteilen - wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine solche Verpflichtung hätte erzwungen werden können -, daß aber der Versicherungsträger eine solche individuelle Information jedenfalls nur dann zu geben brauchte, wenn der Versicherte sich mit einem entsprechenden Ersuchen an ihn gewandt hatte. In dieser Weise ist auch von den Rentenversicherungsträgern verfahren worden. Eine Verpflichtung des Versicherungsträgers, den einzelnen Versicherten von Amts wegen - ohne daß dieser darum ersucht oder es vielleicht überhaupt gewünscht hatte - über ihm möglicherweise zustehende Rechte zu beraten, ist hingegen weder durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen angeordnet gewesen noch hätte sich eine solche Verpflichtung aus der Betreuungspflicht des Rentenversicherungsträgers ableiten lassen. Sie stünde überdies selbst im Widerspruch zu der neuerdings im SGB-AT normierten Beratungs- und Auskunftspflicht, denn diese setzt ebenfalls ein Verlangen des Berechtigten voraus (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen aaO § 14 Anm. 2). In diesem Zusammenhang darf nicht unbeachtet bleiben, daß eine Beratungspflicht von Amts wegen, wie sie das LSG annimmt, ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt verwaltungsmäßig durchführbar wäre, auch eine laufende Überwachung des Versicherten durch den Versicherungsträger erfordern würde. Denn nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung wäre der Versicherungsträger über die jeweilige versicherungsmäßige und wirtschaftliche Situation des Versicherten im Bilde und könnte demgemäß eine zutreffende Beratung erteilen, zu der er verpflichtet wäre.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß ein Rentenversicherungsträger - sei es vor, sei es nach dem Inkrafttreten des SGB-AT - zur Belehrung und Beratung eines Versicherten nur dann als verpflichtet angesehen werden konnte, wenn dieser sich mit einem entsprechenden Ersuchen an den Versicherungsträger gewandt hatte. Das LSG hat jedoch festgestellt, daß der Versicherte nicht mit einer Bitte um Belehrung an die Beklagte herangetreten ist. Da es an einem individuellen Begehren fehlt, ist der Beklagten keine Verletzung von Beratungspflichten vorwerfbar.

Steht damit fest, daß die Beklagte keine ihr dem Versicherten gegenüber obliegende Verpflichtung verletzt hat, so ist auch kein sonstiger Grund ersichtlich, ihr Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren. Der Gesetzgeber hat dem Rentenversicherungsträger in den Vorschriften der RVO ausdrücklich das Recht der Verjährung vorbehalten. Zwar kann diesem Leistungsverweigerungsrecht, wie jedem Recht, der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden, allein dafür bedürfte es des Vorliegens besonderer Tatsachen, die einen derartigen Einwand begründen könnten. Das LSG hat solche nicht festgestellt. Der Kläger hat keine vorgetragen und auch keine mangelnden Feststellungen gerügt. Das bloße Gebrauchmachen von der Verjährungseinrede, zu der der Versicherungsträger schon im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung gehalten sein kann (vgl. BSG 20, 262, 265; 34, 1, 12), stellt keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Damit ist auch die Frage des Ermessensgebrauchs beantwortet.

Dem Gericht steht, soweit der Versicherungsträger nach Ermessen zu handeln befugt ist, nicht die Prüfung zu, ob er sein Ermessen in der richtigen Weise angewandt hat. Das Gericht hat vielmehr lediglich nachzuprüfen, ob er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, weil nur dann Rechtswidrigkeit besteht (§ 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Ist aber festzustellen, daß sein Verhalten nicht gegen Treu und Glauben verstößt, dann werden dadurch auch die Grenzen der Rechtswidrigkeit nicht verletzt.

Wie der erkennende Senat in den Urteilen vom heutigen Tage zu den Aktenzeichen 3 RK 97/75 und 3 RK 81/75 entschieden hat, verjährten Ansprüche auf Beitragszuschuß in der streitigen Zeit nach dem Ablauf von vier Jahren seit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung. Bei Stellung des Antrags auf Beitragszuschuß - im April 1972 - war mithin die Verjährungsfrist für alle die Einzelansprüche abgelaufen, die bis April 1968 entstanden waren. Da der Beklagten die Berufung auf die Verjährung dieser Ansprüche nicht verwehrt war, steht dem Kläger der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch nicht zu. Auf die Revision der Beklagten hin war daher das Urteil des SG wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648956

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