Leitsatz (amtlich)
1. Für die Entscheidung darüber, ob einer BG für eine Beitragsforderung im Konkurs des Beitragspflichtigen das Vorrecht des KO § 61 Nr 1 zusteht, ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (Anschluß an BSG 1961-02-22 7 RKg 33/58 = BSGE 14, 40).
2. Für die Einordnung einer Beitragsforderung einer BG in die Rangordnung der KO § 61 Nr 1 kommt es nicht darauf an, wann die Beitragsforderung durch einen Heberollenauszug (Beitragsbescheid) festgestellt, sondern darauf, für welchen Zeitraum die Beitragsverpflichtung durch das Mitgliedschaftsverhältnis begründet worden ist.
Normenkette
SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 28 Abs. 3 Fassung: 1911-07-19; KO § 61 Nr. 1 Fassung: 1953-08-06
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Januar 1962 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Baugeschäftsinhaber W R war mit seinem Unternehmen Mitglied der klagenden Berufsgenossenschaft. Nachdem über sein Vermögen am 20. Januar 1954 der Konkurs eröffnet und der Beklagte als Konkursverwalter bestellt worden war, meldete die Klägerin mit Schreiben vom 4. Februar 1954 und 28. Juli 1954 folgende Beitragsforderungen als Konkursforderungen mit Vorrechtsanspruch nach § 61 Nr. 1 der Konkursordnung (KO) an:
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491,82 DM |
Beitragsrest 1952, entstanden am 14. Juli 1953, |
77,97 DM |
Gerichtskosten, entstanden im Laufe des Jahres 1953, |
990,99 DM |
Beitrag 1953, |
10,51 DM |
anteiliger Beitrag vom 1. Januar 1954 bis zum Tag der Konkurseröffnung. |
In dieser Höhe wurde die Forderung der Klägerin in die Konkurstabelle unter Nr. I 1 und I 7 als bevorrechtigt angemeldete Konkursforderung eingetragen und in den Prüfungsterminen vom 26. April 1954 und 17. November 1958 in voller Höhe mit Vorrecht festgestellt mit Ausnahme des Vorrechts für die Beitragsforderung 1952 in Höhe von 491,82 DM. Insoweit bestritt der beklagte Konkursverwalter das Vorrecht der Klägerin. Die 491,82 DM sind der Restbetrag der dem jetzigen Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung mit Heberollenauszug vom 30. Juni 1953 mitgeteilten, sich auf das Jahr 1952 beziehenden Beitragsfestsetzung, die vor Konkursbeginn bindend geworden war.
Die Klägerin hat am 21. Januar 1959 beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß ihr Anspruch gegen den Gemeinschuldner auf Zahlung von 491,82 DM Beitragsrest für 1952 nach § 28 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) das Vorzugsrecht des § 61 Nr. 1 KO genieße.
Das SG hat durch Urteil vom 29. April 1959 der Klage stattgegeben.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 12. Januar 1962 (veröffentlicht in Breithaupt 1962, 968) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG hat ua ausgeführt: Der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei gegeben. Der Klaganspruch sei jedoch nicht begründet. Während § 61 Nr. 2 KO den Vorrang von der Fälligkeit abhängig mache, seien nach § 61 Nr. 1 KO und § 28 RVO die für das letzte Jahr "rückständigen" Sozialversicherungsbeiträge ohne Rücksicht auf ihre Fälligkeit bevorrechtigt. Rückständig seien daher im Sinne des § 61 Nr. 1 KO alle Beiträge, die bis zur Konkurseröffnung im Laufe des letzten Jahres "begründet" worden seien. Es müsse der Rechtsgrund für die Entstehung des Anspruches gelegt sein. Hier sei das Mitgliedschaftsverhältnis die den Beitragsanspruch begründende Rechtsgrundlage. Die auf das letzte Jahr vor der Konkurseröffnung entfallende Umlage sei daher schon vor der nachträglichen Festsetzung im Sinne des § 3 KO "begründet" und im Sinne des § 61 Nr. 1 KO "rückständig".
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das ihr am 11. August 1962 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. September 1962 Revision eingelegt und sie am 29. September 1962 begründet.
Sie führt aus: Das Konkursvorrecht des Trägers der Unfallversicherung bestehe für alle Beitragsforderungen ohne zeitliche Beschränkung auf die für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens rückständigen Beiträge. Dessen ungeachtet habe das LSG den Begriff der Rückstände falsch ausgelegt. Rückständig könne nur eine fällige Forderung sein. Vorschüsse würden lediglich auf noch nicht festgestellte Beitragsforderungen geleistet.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision ist zulässig; sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Bei einer zugelassenen Revision ist das angefochtene Urteil von Amts wegen daraufhin nachzuprüfen, ob ein in der Revisionsinstanz fortwirkender Verstoß gegen verfahrensrechtliche Grundsätze vorliegt, die im öffentlichen Interesse zu beachten sind und deren Befolgung der Disposition der Beteiligten entzogen ist. Dabei sind Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozeßvoraussetzungen, und zwar auch schon des Klageverfahrens ergeben (vgl. BSG 2, 225, 227; 10, 218, 219). Zu den unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen gehört die Zulässigkeit des Rechtsweges vor dem angerufenen Gericht (vgl. BSG 2, 23, 26; 3, 180, 183; 15, 169, 172; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 6. Aufl., S. 242 c).
Das LSG hat sich mit zutreffenden Erwägungen mit der Frage auseinandergesetzt, ob für die Feststellung des bestrittenen Konkursvorrechts einer Forderung der Rechtsweg stets vor den ordentlichen Gerichten (so BGHZ 19, 163, 164; BGH LM Nr. 2, 3 zu § 61 KO; BGH LM Nr. 2 zu § 13 UStG; BFH 82, 678, 684; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl., § 61 Anm. 19 e; Böhle-Stamschräder, KO, 8. Aufl., § 61 Anm. 4 e; siehe auch die Nachweise für diese Ansicht bei Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 146 Anm. 20, und bei Brackmann aaO S. 194 x), oder vorbehaltlich einer abweichenden Sonderregelung jeweils vor den Gerichten gegeben ist, die einen Rechtsstreit über Grund und Höhe der Forderung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu entscheiden hätten (so BSG 14, 40; BAG 10, 310, 313; LSG NRW Breith. 1965, 382; SG Münster Breith. 1963, 593, 594; Jaeger/Weber aaO § 146 Anm. 20 und Brackmann aaO S. 194 y jeweils mit weiteren Nachweisen; Allinger, Arbeiterversorgung 1960, 59, 60; Kleff, SV 1960, 248).
Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 KO ist zwar auf die Feststellung streitig gebliebener Forderungen im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. Diese Vorschrift findet jedoch auf Forderungen, für deren Feststellung ein besonderes Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht zuständig ist, keine entsprechende Anwendung (s. § 146 Abs. 5 KO). Für die Feststellung einer im Konkursverfahren nach Grund und Höhe bestrittenen Forderung wird deshalb in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend angenommen, daß nach § 146 Abs. 5 KO der Rechtsweg jeweils vor den Gerichten eröffnet ist, die einen Rechtsstreit über Grund und Höhe der Forderung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu entscheiden hätten (vgl. BSG 14, 40, 41; BGHZ 13, 73, 74; BAG 10, 310, 312; BFH 82, 678, 683; Jaeger/Weber aaO § 146 Anm. 19, 20 und Brackmann aaO S. 194 y jeweils mit weiteren Nachweisen). Dies gilt nach der Auffassung des erkennenden Senats auch für die Feststellung des Konkursvorrechts einer Forderung.
Die Zulässigkeit des Rechtsweges richtet sich nach dem anspruchsbegründenden Rechtsverhältnis (vgl. BSG 1, 174, 176; 3, 180, 183; 11, 63, 64; Brackmann aaO S. 190 h III; Bayer. ObLG MDR 1966, 935). Ebenso hat der Bundesgerichtshof (BGH) wiederholt ausgeführt, der Rechtsweg bestimme sich nach der Natur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt ergebe (BGHZ 29, 187, 189; 34, 349, 353; 35, 175, 177; 37, 160, 163; 41, 194, 197; 41, 264, 265; 43, 245, 247). Das Konkursvorrecht entspringt jedoch demselben anspruchsbegründenden Rechtsverhältnis wie die Forderung selbst; es beruht auf dem Entstehungsgrund der Forderung und haftet dieser als ihr selbst innewohnende Kraft an. Diese Auffassung, der sich der erkennende Senat anschließt, wird in Übereinstimmung mit dem Schrifttum vom Reichsgericht (RG), BGH und Bundesarbeitsgericht (BAG) vertreten (RGZ 135, 25, 32; BGHZ 13, 73, 77; 34, 293, 298; BGH LM Nr. 2, 3 zu §61 KO; BAG 10, 310, 313; Jaeger/Weber aaO Anm. 20; Brackmann aaO S. 194 y; a.A. Lorenz, NJW 1961, 813, 814). Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat seiner Entscheidung vom 6. März 1958 (BFH 66, 527, 529) diese Auffassung zugrunde gelegt. Im Urteil vom 29. Juni 1965 (BFH 82, 678, 684) hat der BFH jedoch demgegenüber die Erwägung in den Vordergrund gestellt, daß der Streit über das Konkursvorrecht überwiegend konkursrechtliche Fragen zum Gegenstand habe. Bereits Jaeger (KO, 6./7. Aufl., § 146 Anm. 16) hat aber überzeugend dargelegt, daß es sich auch beim Vorrechtsstreit um Merkmale des Tatbestandes handelt, die für den Grund und den Betrag der Forderung maßgebend sind, weil die Vorrechte des § 61 Nr. 1 bis 5 KO ausschließlich von der Natur der Forderung und davon abhängig sind, wann die Forderung entstanden bzw. fällig geworden ist (ebenso BAG 10, 310, 314; Jaeger/Weber aaO Anm. 20). Der Auffassung, daß das Konkursvorrecht auf dem Entstehungsgrund der Forderung beruht und dieser als ihr innewohnende Kraft anhaftet, steht auch nicht, wie der BFH meint (BFH 82, 678, 684), entgegen, daß der Vorrang die Interessen der gleichrangigen und nachrangigen Gläubiger unmittelbar berühre. Diese Auswirkungen haben auch die Entscheidungen über Grund und Höhe der Forderungen, und sie würden auch einem nur nach dem Zeitpunkt der Entstehung oder Anmeldung der Forderung bestimmten Konkursvorrecht eigen sein; sie lassen deshalb keine Rückschlüsse auf die Natur des Vorrechts zu.
Beruht hiernach das Konkursvorrecht auf dem Entstehungsgrund der Forderung, so ist - vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Sonderregelung - ebenso wie für die Feststellung der Forderung nach Grund und Höhe auch für die Feststellung des aus demselben anspruchsbegründenden Rechtsverhältnis hervorgehenden Konkursvorrechts der Rechtsweg jeweils vor den Gerichten eröffnet, die einen Rechtsstreit über Grund und Höhe der Forderung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu entscheiden hätten.
Der BGH hat für seine gegenteilige Ansicht, nämlich daß für Streitigkeiten über das Konkursvorrecht der Rechtsweg stets vor den ordentlichen Gerichten gegeben sei, zunächst zum Konkursvorrecht von Steuerforderungen (vgl. BGH LM Nr. 2, 3 zu § 61 KO und Nr. 2 zu § 13 UStG) ausgeführt, die Abgabenordnung (AO) habe solchen Fällen, in denen bei der Festsetzung von Steueransprüchen gewisse Kollisionen mit unbeteiligten dritten Personen eingetreten seien, ausdrücklich nicht steuerrechtlichen Charakter beigemessen und sie der Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte vorbehalten (vgl. §§ 120, 328, 346, 360, 370 AO). Daraus lasse sich, wie der BGH in den bereits angeführten Entscheidungen weiter ausgeführt hat, der Schluß ziehen, daß derartige Streitigkeiten, wenn dabei öffentliche und private Rechte miteinander konkurrieren, jedenfalls im Bereich der AO allgemein im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit entschieden werden sollen. Im Urteil vom 16. Februar 1961 hat der BGH die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch für die Feststellung des Konkursvorrechts von Beitragsforderungen der Allgemeinen Ortskrankenkassen für entsprechend anwendbar erachtet (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 34, 293, s. aber WzS 1962, 272, 273). Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat für das Konkursvorrecht von Beitragsforderungen der Berufsgenossenschaften nicht anzuschließen. Bis auf § 120 AO beziehen sich die vom BGH angeführten Vorschriften der AO auf das Pfändungspfandrecht für Steuerforderungen und die aus Anlaß der Pfändungen entstandenen Streitigkeiten. Anders als das Konkursvorrecht beruht aber, wie wiederum bereits Jaeger (KO, 6./7. Aufl., § 146 Anm. 16) dargelegt hat, das Pfändungspfandrecht nicht auf dem Entstehungsgrund der zu sichernden Forderung, sondern steht neben ihr (vgl. ebenso Jaeger/Weber aaO Anm. 20). Die Rangordnung mehrerer Pfändungspfandrechte richtet sich ebenfalls nicht nach dem Entstehungsgrund der gesicherten Forderungen, sondern nach der zeitlichen Reihenfolge der Pfändungen (§ 804 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Den Regelungen der angeführten Vorschriften der AO entnimmt der BGH jedoch den allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß Streitigkeiten über die Durchsetzung von Ansprüchen im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit entschieden werden sollen, wenn "dabei öffentliche und private Rechte miteinander konkurrieren" (BGH LM Nr. 2, 3 zu § 61 KO und Nr. 2 zu § 13 UStG; ebenso BFH 82, 678, 684). Auch insoweit vermag der erkennende Senat der Auffassung des BGH nicht zu folgen; denn während bei einem Streit über das Pfändungspfandrecht das Verhältnis der Forderung zu den Drittrechten Gegenstand der begehrten Entscheidung ist, gehören die Auswirkungen der Vorrechtsstellung nach § 147 Satz 1 KO nicht zum Streit- und Entscheidungsgegenstand des Feststellungsstreits (s. Jaeger/Weber aaO § 146 Anm. 13, 20; a.A. Böhle-Stamschräder aaO § 61 Anm. 4 e). Die tatsächlichen Auswirkungen des Vorrechts gegenüber den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern können hier gleichfalls nicht entscheidend sein; denn auch eine nicht bevorrechtigte, nach Grund und Höhe bestrittene öffentlich-rechtliche Forderung "konkurriert" mit den im Konkurs angemeldeten privatrechtlichen Forderungen; die Feststellung der Forderung hat zur Folge, daß sich die Konkursquote mindert. Dennoch wird, wie oben dargelegt, auch vom BGH für diese Feststellung der Rechtsweg vor den Gerichten für gegeben erachtet, die über einen Streit über Grund und Höhe der Forderung zwischen Gläubiger und Schuldner zu entscheiden hätten. Die KO selbst enthält ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, daß die in der AO für die Einzelzwangsvollstreckung getroffene Regelung auf das von dem Pfändungspfandrecht wesensverschiedene Konkursrecht analog anzuwenden wäre. Nach § 141 Abs. 1 KO werden im Prüfungstermin die angemeldeten Forderungen "ihrem Betrage und ihrem Vorrecht nach einzeln erörtert". Bleiben die angemeldeten Forderungen streitig, so ist es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen die Bestreitenden zu betreiben (§ 146 Abs. 1 Satz 1 KO). Bei der Feststellung nach § 146 KO wird nicht unterschieden, ob die Forderung dem Grund oder der Höhe oder dem Vorrecht nach bestritten ist (vgl. BGH LM Nr. 2, 3 zu § 61 KO; Jaeger/Weber aaO § 146 Anm. 13). Auch § 146 Abs. 5 KO enthält keine derartige Unterscheidung. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine analoge Anwendung der für die Feststellung des Konkursvorrechts von Steuerforderungen vom BGH entwickelten Grundsätze auf das Konkursvorrecht der Forderungen einer Berufsgenossenschaft nicht außerdem bereits deshalb ausscheidet, weil das Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder nach seinem Inkrafttreten ergangene Gesetze den §§ 120, 328, 346, 360, 370 AO ähnliche Vorschriften nicht enthalten (vgl. vielmehr §§ 748, 28 RVO, § 754 a RVO idF bis zum Inkrafttreten des UVNG vom 30. April 1963 - BGBl I 241; s. auch BSG 3, 204, 208). Soweit frühere Gesetze und Verordnungen Vorschriften enthalten, die für die Zulässigkeit des Rechtswegs vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von Bedeutung sein könnten, sind sie nach § 224 Abs. 3 SGG mit Wirkung vom 1. Januar 1954 außer Kraft getreten. Ebenso sind nunmehr insoweit die entsprechenden Vorschriften anderer Gesetze nicht mehr analog anwendbar.
Für die vom erkennenden Senat vertretene Ansicht, daß - vorbehaltlich einer abweichenden Sonderregelung - für die Feststellung des Konkursvorrechts einer Forderung der Rechtsweg jeweils vor den Gerichten gegeben ist, die einen Rechtsstreit über Grund und Höhe der Forderung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu entscheiden hätten, sprechen außerdem prozeßökonomische Erwägungen. Die Gegenmeinung führt dazu, daß bei Forderungen, die sowohl dem Grund und der Höhe nach als auch hinsichtlich des Vorrechts bestritten sind, gegebenenfalls zwei verschiedene Gerichte mit doppeltem Arbeits- und Kostenaufwand entscheiden müßten (vgl. Jaeger/Weber aaO § 146 Anm. 20). Wie bereits aufgezeigt, stehen bei der Feststellung einer dem Grund, der Höhe oder dem Vorrecht nach bestrittenen Forderung nicht konkursrechtliche Fragen im Vordergrund, sondern Merkmale des Tatbestandes, der für die Forderung mitbestimmend ist. Entgegen der Ansicht des BFH (82, 618, 684) sind diese prozeßökonomischen Erwägungen nicht nur für den Gesetzgeber bei künftigen Gesetzesänderungen bedeutsam, sondern bereits bei der Auslegung des geltenden Rechts zu berücksichtigen (vgl. auch BGHZ 17, 266, 276; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., § 56 III). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier auch der BFH annimmt (BFH 82, 678, 681) - zwei Auffassungen "mit guten juristischen Gründen" zu vertreten sind. Auch der Gesetzgeber hat diese prozeßökonomischen Gesichtspunkte neuerdings berücksichtigt. Nach dem durch § 162 Nr. 39 des Gesetzes vom 6. Oktober 1965 (BGBl I 1477) eingefügten § 226 a AO hat das Finanzamt "das Bestehen der Forderung und den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit durch schriftlichen Bescheid festzustellen", wenn eine Steuerforderung im Konkursverfahren geltend gemacht wird. Die Bundesregierung meint in der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. IV./1446 S. 62), der Entwurf kläre die umstrittene Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges dahin, daß die - dem Steuerrecht angehörende - Entscheidung über das Bestehen der Steuerforderung und über den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit dem Finanzgericht, die auf Grund dieser Feststellungen ergehende Entscheidung über das Bestehen bzw. Nichtbestehen des steuerrechtlichen Konkursvorrechts dagegen dem ordentlichen Gericht zustehe. Demgegenüber ist aber zu bedenken, daß, wenn die Forderung dem Grund, der Höhe und der Fälligkeit nach festgestellt ist, für einen vor den ordentlichen Gerichten auszutragenden Streit über das Konkursvorrecht kaum Raum bleibt, da damit alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale eines Konkursvorrechts nach § 61 Nr. 2 KO bereits festgestellt sind. Ob § 226 a AO entsprechend der Auffassung der Bundesregierung auszulegen ist, kann hier jedoch dahinstehen, da die RVO und das SGG, wie bereits erwähnt, keine ähnliche Regelung enthalten und außerdem § 226 a AO zu entnehmen ist, daß die Merkmale des Tatbestandes, der für Grund, Höhe und Konkursvorrecht der Forderung maßgebend ist, von den Gerichten festzustellen sind, die einen Rechtsstreit über die Forderung zwischen Gläubiger und Schuldner zu entscheiden hätten.
Die Berücksichtigung prozeßökonomischer Erwägungen steht nicht im Widerspruch zu den Grundgedanken der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. November 1959 (BSG 11, 63). In diesem Urteil hat der 1. Senat des BSG entschieden, daß gegen den Bescheid, mit dem eine Versorgungsdienststelle (Pensionsfestsetzungsbehörde) eine Bescheinigung über die dienstrechtlichen Voraussetzungen der fiktiven Nachversicherung (§ 72 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen - G 131 -) abgelehnt hat, der Rechtsweg vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben ist. Diese Bescheinigung betrifft Fragen, die ihrer Natur nach nicht dem Recht der Sozialversicherung, sondern dem öffentlichen Dienstrecht angehören, und somit greifen Merkmale des Tatbestandes, der für die Bescheinigung maßgebend ist, nicht in den Tatbestand hinein, der die sozialversicherungsrechtlichen Fragen der Nachversicherung nach § 72 G 131 bestimmt. In einem Rechtsstreit über die Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung der Versorgungsdienststelle vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten sind deshalb ausschließlich dienstrechtliche Fragen zu entscheiden, während die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dann nur über die von anderen Tatbestandsmerkmalen abhängigen sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Nachversicherung zu befinden haben.
Das LSG hat demnach mit Recht entschieden, daß für die Feststellung des Konkursvorrechts der Beitragsforderungen der Klägerin der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist; der Streit über den Grund und die Höhe der Beitragsforderung und damit auch über das auf dem Entstehungsgrund der Forderung beruhende Konkursvorrecht ist nach dem die Forderung begründenden Rechtsverhältnis eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung i.S. des § 51 SGG.
Das LSG hat ebenso frei von Rechtsirrtum entschieden, daß die Beitragsforderung der Klägerin für das Jahr 1952 im Konkurs über das Vermögen ihres Mitgliedes des Baugeschäftsinhabers W P, nicht das Vorrecht des § 61 Nr. 1 KO i.V.m. § 28 Abs. 3 RVO genießt.
Die Ansicht der Revision, das Konkursvorrecht der Beitragsforderung einer Berufsgenossenschaft beziehe sich nicht nur auf die für das letzte Jahr, sondern ohne zeitliche Begrenzung auf alle bei Eröffnung des Konkursverfahrens rückständigen Forderungen, ist bereits nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut unzutreffend. Nach § 28 Abs. 3 RVO genießen die Rückstände "das Vorzugsrecht des § 61 Nr. 1 der KO", und dieses Vorzugsrecht ist auf die für das letzte Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens oder dem Ableben des Gemeinschuldners rückständigen Forderungen beschränkt (vgl. BGHZ 34, 293, 295; RGZ 102, 70, 71; LSG NRW, Breithaupt 1965, 382, 383; Brackmann aaO S. 194 w, Jaeger/Lent aaO § 61 Anm. 18 und Lindigkeit, BG 1963, 506, jeweils mit weiteren Nachweisen; ebenso außerdem Böhle-Stamschräder aaO § 61 Anm. 4 d; Hanow, Komm. zur RVO, 1. Bd., Gemeinsame Vorschriften, 5. Aufl., § 28 Anm. 7; Krohn/Zschimmer/Knoll/Sauerborn, RVO, § 28 Anm. 8; Koch, Arbeiterversorgung 1916, 697, 700; Quentin, BG 1928, Sp. 81, 82; Hörnig, DOK 1956, 540; Allinger, Arbeiterversorgung 1960, 59, 60).
Das LSG hat auch zutreffend entschieden, daß es für die Einordnung einer Beitragsforderung in die Rangordnung der Nr. 1 des § 61 KO nicht darauf ankommt, wann die Beitragsforderung durch einen Heberollenauszug (Beitragsbescheid) festgestellt, sondern für welchen Zeitraum die Beitragsverpflichtung durch das Mitgliedschaftsverhältnis begründet worden ist.
Im Rahmen der Nr. 1 des § 61 KO ist nicht, wie die Revision meint, die Fälligkeit der Beitragsforderung entscheidend. Dies ergibt schon ein Vergleich mit der Nr. 2 dieser Vorschrift; denn die Unterscheidung zwischen rückständigen (Nr. 1 aaO) und fälligen (Nr. 2 aaO) Forderungen wäre sonst unverständlich. Es sind auch keine zwingenden Gründe ersichtlich, den Begriff der rückständigen Forderung i.S. des § 61 Nr. 1 KO und den der Rückstände i.S. des § 28 Abs. 3 RVO unterschiedlich auszulegen. Auf das Urteil des 7. Senats des BSG vom 21. Februar 1962 (BSG 16, 207, 209) über die Verjährung von Beitragsforderungen der Familienausgleichskasse kann die Revision ihre gegenteilige Ansicht nicht stützen; denn die Verjährung dieser Beitragsforderungen begann nach § 35 Abs. 1 des Kindergeldgesetzes idF bis zum Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964 (BGBl I 265) zwei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der "Fälligkeit". Soweit Berger (BG 1963, 510, 511) zur zeitlichen Begrenzung der bevorrechtigten Rückstände hervorhebt, der 7. Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 22. Februar 1961 (BSG 14, 40, 41) ausgeführt, § 28 Abs. 3 RVO verweise nicht lediglich auf die KO, sondern lege selbst den Rang fest, berücksichtigt er schon nicht, daß diese Ausführungen die Frage des Rechtsweges und nicht den Umfang des Konkursvorrechts einer Beitragsforderung betreffen.
Rückstände i.S. des § 28 Abs. 3 RVO i.V.m. § 61 Nr. 1 KO sind vielmehr die innerhalb des letzten Jahres vor Eröffnung des Konkursverfahrens oder des Ablebens des Gemeinschuldners begründeten (entstandenen) Beitragsforderungen (vgl. RGZ 22, 139, 140; 102, 70, 74; LSG NRW, Breithaupt 1965, 382, 383; Hanow aaO § 28 Anm.7; Allinger, SV 1960, 59, 60; Lindigkeit, BG 1963, 506, 507 mit weiteren Nachweisen; a.A. Levin, BG 1930, Sp. 363 364; Krohn/Zschimmer/Knoll/Sauerborn, aaO § 28 Anm. 8). Begründet ist die Verpflichtung des Unternehmers zur Leistung von Beiträgen in dem Mitgliedschaftsverhältnis des Unternehmens zur Berufsgenossenschaft (vgl. Lindigkeit aaO S. 509; a.A. Berger, SV 1963, 45; 1964, 121) Eine Beitragsforderung der Berufsgenossenschaft entsteht somit dadurch, daß der Unternehmer ein bei dem Versicherungsträger versichertes Unternehmen eröffnet oder betreibt und entweder versicherte Personen beschäftigt oder selbst versichert ist.
Das LSG hat demnach mit Recht die Klage auf Feststellung des Konkursvorrechts für die Beitragsforderung für das Jahr 1952 abgelehnt; diese Beitragsverpflichtung des Gemeinschuldners wurde nicht im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens am 20. Januar 1954 begründet.
Die Revision ist somit unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen