Verfahrensgang
SG Dortmund (Urteil vom 20.12.1990) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Dezember 1990 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die dem Kläger zustehende Vergütung für im Krankenhaus erbrachte ambulante kassen- und vertragsärztliche Leistungen in den Quartalen I/1989 und II/1989 unmittelbar an den Kläger auszahlen mußte oder nur an den Krankenhausträger zur Weiterleitung an den Kläger leisten durfte.
Der Kläger ist seit 1980 Leitender Arzt der chirurgischen Abteilung am S. H. -H. … in G. … -B. und zur Teilnahme an der kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. In einer „Bescheinigung” vom 10. Juni 1989 bestätigte die Beigeladene zu 1) als Rechtsträgerin des S. H. … -H. … dem Kläger, daß er berechtigt sei, „die rein ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit Nebentätigkeiten zu liquidieren”, und ihm „nach wie vor das vertraglich vereinbarte Recht zur Honorareinziehung auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung gegeben” sei. Das Schriftstück ist lediglich für die Beigeladene zu 1) durch drei Personen unterzeichnet; eine Unterschrift des Klägers ist nicht beigefügt.
Unter Vorlage der Bescheinigung forderte der Kläger die Beklagte auf, die ihm zustehenden Honorare nach wie vor direkt an ihn zu überweisen. Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, daß die in § 120 Abs 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) getroffene Regelung über die Abrechnung der Vergütung durch den Krankenhausträger zwingend sei, und verfügte dementsprechend in ihren Honorarbescheiden vom 15. Juli und 15. Oktober 1989 für die Quartale I/1989 und II/1989 die Zahlungsabwicklung über das S. H. … -H. …. Die Widersprüche des Klägers gegen beide Bescheide blieben erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 1990).
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 20. Dezember 1990 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V regele die Krankenhausträgerabrechnung sowohl für den Krankenkassen-als auch für den Ersatzkassenbereich. Die Vorschrift widerspreche nicht dem Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Sie sei nicht in dem Sinne abdingbar, daß es der Krankenhausarzt in der Hand hätte, vertraglich mit seinem Krankenhausträger zu vereinbaren, daß auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) im Außenverhältnis allein der Arzt zur Geltendmachung der Honorarforderung berechtigt sei. § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V sei zwingendes Recht. Die Regelung diene nicht allein dem Interesse des Krankenhausträgers. Sie sei vielmehr auch im öffentlichen Interesse erfolgt, was aus den zur Begründung im Regierungsentwurf angesprochenen Gesichtspunkten der „Erleichterung der Abrechnung, Befreiung der Krankenhausärzte vom Verwaltungsaufwand und Erleichterung einer ordnungsgemäßen Kostenerstattung” abzuleiten sei.
Mit der vom SG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt er seinen vor dem SG vertretenen Rechtsstandpunkt erneut vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Dezember 1990 abzuändern, die Honorarbescheide der Beklagten vom 15. Juli und 15. Oktober 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 1990 aufzuheben, soweit darin die Zahlungsabwicklung über das St. Hedwig-Hospital verfügt ist, und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war, das Honorar an den Kläger direkt auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 4) vertritt denselben Standpunkt wie die Beklagte, stellt jedoch keinen Antrag.
Die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die in den angefochtenen Bescheiden verfügte Abwicklung der Zahlung des dem Kläger für die Quartale I und II/1989 zustehenden Honorars über das von der Beigeladenen zu 1) getragene S. H. … -H. … ist rechtmäßig. Die Beklagte ist zur Zahlung des Honorars unmittelbar an den Kläger nicht verpflichtet gewesen.
Nach § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V wird die den ermächtigten Krankenhausärzten zustehende Vergütung für diese vom Krankenhausträger mit der KÄV abgerechnet und nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus entstandenen Sachkosten an die berechtigten Krankenhausärzte weitergeleitet. Das gilt nicht nur für das Honorar des ermächtigten Krankenhausarztes für die ambulante kassenärztliche Versorgung. Die Regelung umfaßt vielmehr auch die dem Krankenhausarzt zustehende Vergütung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung der Versicherten der Ersatzkassen. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Mai 1991 – 6 RKa 25/90 – (BSGE 69, 1, 2 ff = SozR 3-2500 § 120 Nr 1 S 2 ff) entschieden (zustimmend Schmitt, SGb 1992, 227 ff; aA Plagemann, SGb 1992, 455). Daran hält er fest.
Der Senat hat (entgegen der Meinung von Andreas, ArztR 1991, 348) in dem Urteil allerdings ausdrücklich offen gelassen (aaO S 2 und 5), ob die Regelung des § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V durch eine Vereinbarung zwischen dem ermächtigten Krankenhausarzt und dem Krankenhausträger abbedungen werden kann (bejahend Baur, Arzt und Krankenhaus 1989, 69, 70; Hauck/Haines, SGB V, K § 120 Rz 8; KassKomm-Hess, § 120 RdNr 11; verneinend Jung, GK-SGB V, § 120 Rz 11; Quaas, Krankenhaus-Umschau 1989, 247; Tuschen, GKV-Komm, § 120 SGB V RdNr 3a; Vollmer, Das Krankenhaus, 1989, 260, 266; ders., Führen und Wirtschaften im Krankenhaus, 1989, 3, 11). Die Frage bedarf auch im vorliegenden Fall nicht der Entscheidung. Denn selbst dann, wenn eine von § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichende rechtsgeschäftliche Regelung grundsätzlich zulässig wäre, lag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) jedenfalls keine Vereinbarung vor, die den hierbei einzuhaltenden Formerfordernissen genügt hätte.
Nach § 56 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren -(SGB X) ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Eine Abmachung zwischen einem ermächtigten Krankenhausarzt und seinem Krankenhausträger, die inhaltlich die Abrechnungs- und Zahlungsweise des § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V betrifft und sie in spezifischem (abweichendem) Sinn regelt, unterfällt dieser Formvorschrift. Sie ist ihrer Rechtsnatur nach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag iS des § 53 Abs 1 SGB X, durch den ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, verändert oder aufgehoben wird.
Die Rechtsnatur eines Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (GmS-OGB SozR 1500 § 51 Nr 39 S 67; BSGE 35, 47, 50 = SozR Nr 1 zu § 239 RKG; BSG SozR 3-1200 § 53 Nr 2 S 10; BVerwGE 22, 138, 140; 30, 65, 67; 42, 331, 332; Bonk in Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl 1990, § 54 RdNr 35 mwN; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl 1991, § 54 RdNr 7). Die Honorierung des ermächtigten Krankenhausarztes für die von ihm erbrachten ambulanten kassen- und vertragsärztlichen Leistungen ist als Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzurechnen. Sie ist Teil der den Ärzten und Krankenkassen gemäß § 72 Abs 1, § 95 Abs 1 und 4 SGB V obliegenden Sicherstellung der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung, die nach § 72 Abs 2 und 3 SGB V auch bedeutet, daß die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Zusammen mit der Sonderregelung des § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V über die Abrechnungs- und Zahlungsmodalitäten bei Krankenhausärzten gehören §§ 72, 95 SGB V zum Vierten Kapitel (§§ 69 bis 140) des SGB V „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern”. Dieses Recht der Leistungserbringung ist sachnotwendige Ergänzung des Dritten Kapitels (§§ 11 bis 68) des SGB V „Leistungen der Krankenversicherung”, aus dem sich der Anspruch des einzelnen Versicherten auf Krankenbehandlung als Sach- und Dienstleistung gemäß § 2 Abs 2, § 11 Abs 1, § 15 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB V ableitet. Die Normierungen beider Kapitel sind elementare Bestandteile des öffentlich-rechtlichen Versicherungszweiges (§ 1 Abs 1 SGB IV) der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie können ihrer Rechtsnatur nach daher ebenfalls nur öffentlich-rechtlich sein.
Spezifische Einzelregelungen des Leistungsrechts iS des Dritten Kapitels und des Leistungserbringungsrechts iS des Vierten Kapitels machen davon keine Ausnahme. Nicht nur die kassen- und vertragsärztliche Versorgung im gesamten (zu ihrem Rechtscharakter als öffentlich-rechtlichem Leistungssystem (vgl BSGE 59, 172, 177 = SozR 2200 § 368 Nr 9 S 34; BSGE 61, 96, 98 = SozR 2200 § 368f Nr 13 S 42; BSG SozR 2200 § 368e Nr 10 S 18), sondern auch die Regelungen, die die Vergütung des zur kassen- und vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen oder zur Teilnahme daran ermächtigten Arztes betreffen, sind dem Bereich des öffentlichen Rechts zuzurechnen. Der Vergütungsanspruch des Arztes aus einer ärztlichen Behandlung gesetzlich Krankenversicherter wird nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag zwischen ihm und seinen Patienten begründet und löst nicht eine persönliche Zahlungsverpflichtung des Patienten aus. Im Bereich der kassenärztlichen Versorgung richtet er sich vielmehr als Recht auf Einbeziehung in die Verteilung der – gezahlten (§ 85 Abs 1 SGB V) – Gesamtvergütung unter Anwendung eines im Wege autonomer Rechtsetzung festgelegten Honorarverteilungsmaßstabes (§ 85 Abs 4 SGB V; vgl BSG SozR 2200 § 368f Nr 6 S 10; BSGE 46, 140, 144 = SozR 5533 Nr 45 Nr 1 S 4; BSG SozR 2200 § 368f Nr 14 S 47 und 52) gegen die KÄV als Körperschaft des öffentlichen Rechts (BSGE 61, 96, 98f = SozR 2200 § 368f Nr 13 S 42). Damit übereinstimmend sind die von der KÄV erteilten Honorarbescheide als Verwaltungsakte, dh als Entscheidungen zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts iS des § 31 Satz 1 SGB X anzusehen (vgl BSGE 68, 97, 98 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4 S 11; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 2 S 8). Die Abrechnung als Voraussetzung und Grundlage der Erteilung eines Honorarbescheids und die Zahlung gemäß dem erteilten Honorarbescheid sind nicht aus diesem Sachbezug herausgelöst und einem anderen Rechtsgebiet zugeordnet. Ihre spezielle Normierung für Krankenhausärzte in § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V kann nicht anders beurteilt werden. Gegenstand der Vorschrift ist auch hier ein öffentlich-rechtlich geregelter Sachverhalt.
Der Anwendung des § 56 SGB X auf den vorliegenden Fall steht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 16. Juni 1992 – 7 C 3/91 = NJW 1992, 2908 – zu der gleichlautenden Vorschrift des § 57 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nicht entgegen. Die vom BVerwG vertretene Ansicht, die Formvorschrift finde auf öffentlich-rechtliche Verträge unter Privaten keine unmittelbare Anwendung, betraf Vertragspartner, die in ihrer Eigenschaft als Privatpersonen eine Abmachung getroffen hatten, durch die ein öffentliches Nutzungsrecht übertragen werden sollte. Der rechtliche Status der Vertragschließenden unterschied sich damit grundlegend von der rechtlichen Stellung, die für den Kläger und die Beigeladene zu 1) Ausgangspunkt und Grundlage ihrer streitigen Abmachung war. Denn ermächtigter Krankenhausarzt und Krankenhausträger sind bei der Abwicklung der Arzthonorierung gemäß § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V in Erfüllung einer ihnen kraft Gesetzes übertragenen sozialversicherungsrechtlichen Aufgabe und in diesem Sinn als Beteiligte eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses tätig. Die Verabredung einer Abweichung vom gesetzlich formulierten Inhalt des Auftrages stellt sich demzufolge nicht als Ausübung zivilrechtlicher Privatautonomie, sondern als Konkretisierung verwaltungsrechtlicher Handlungskompetenz dar. Eine Divergenz zwischen dem Urteil des BVerwG und der jetzigen Entscheidung des Senats liegt mit Rücksicht auf diese Verschiedenheit nicht vor.
Die „Bescheinigung” vom 10. Juni 1989, die nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einziger tatsächlicher Anhalt für einen Vertrag im dargelegten Sinn sein könnte, genügt der in § 56 SGB X vorgeschriebenen Form nicht. Schriftform im Sinne dieser Vorschrift heißt nach dem gemäß § 61 Satz 2 SGB X entsprechend anzuwendenden § 126 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ≪BGB≫ (Hauck/Haines, SGB X, Stand: 1. Januar 1993, K § 56 Rz 4; Schroeder-Printzen/Engelmann, SGB X, Komm, 2. Aufl 1990, § 53 Anm 2) im Grundsatz, daß die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen ist. Bei einem Vertrag ist darüber hinaus nach § 126 Abs 2 BGB erforderlich, daß entweder beide Vertragsparteien auf derselben Urkunde unterzeichnen oder bei mehreren gleichlautenden Urkunden jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Eine Rechtsvorschrift, die für den Vertrag gemäß dem Vorbehalt in § 56 SGB X eine „andere Form” vorschreibt, ist nicht gegeben. Die „Bescheinigung” vom 10. Juni 1989 ist allein von drei Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1), nicht aber auch vom Kläger unterzeichnet worden. Daß mehrere gleichlautende und wechselseitig unterzeichnete Vertragsurkunden ausgestellt wurden, hat das SG nicht festgestellt. Damit ist den Anforderungen des § 56 SGB X nicht genügt. Nach § 125 Satz 1 BGB, der gemäß § 61 Satz 2 SGB X im gegebenen Zusammenhang ebenfalls entsprechend gilt, ist infolgedessen die vom Kläger zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens behauptete Abrede unabhängig davon, ob sie einen rechtlich zulässigen Inhalt hatte, nichtig.
Für die Abwicklung der Honorierung des Klägers ergibt sich daraus, daß sie der gesetzlich angeordneten Abrechnungs- und Zahlungsweise zu folgen hatte, die Beklagte also nicht anders, als in ihren angefochtenen Bescheiden verfügt, verfahren durfte.
Die Revision des Klägers ist nach alledem gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen