Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.12.1991) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die als Allgemeinärztin an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen die Kürzung ihrer Honorare für Leistungen nach den Gebührennummern 10 und 60 des seit 1. Oktober 1987 geltenden Bewertungsmaßstabs für kassenärztliche Leistungen (BMÄ). Nach den Feststellungen des beklagten Beschwerdeausschusses rechnete sie die Nr 60 BMÄ (Untersuchung zur Erhebung des vollständigen Status) im 4. Quartal 1987 achtmal und im 1. Quartal 1988 zwölfmal so häufig ab wie ihre Fachkollegen (Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um 707 % bzw 1.083 %). Die Nr 10 BMÄ (Erörterung und Planung gezielter therapeutischer Maßnahmen zur Beeinflussung chronischer Erkrankungen oder von Erkrankungen mehrerer Organsysteme) setzte sie im 1. Quartal 1988 2,6mal so oft an wie der Durchschnitt der praktischen Ärzte und Allgemeinärzte (Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 158 %).
Die Prüfungseinrichtungen werteten die genannten Überschreitungen als Beleg für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise und kürzten das Honorar für eingehende Untersuchungen im Quartal IV/1987 um 6.378,07 DM und im Quartal I/1988 um 10.818,11 DM sowie das Honorar für Beratungen im Quartal I/1988 um 216,89 DM. Sie gingen dabei in der Weise vor, daß der Klägerin bei den Leistungen nach Nrn 10 und 60 BMÄ Aufwendungen in Höhe des 2,5fachen des Fachgruppendurchschnitts belassen und die darüber hinausgehenden Beträge abgesetzt wurden. Zur Begründung führte der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23. April 1990 aus, die festgestellten Abweichungen lägen weit im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses und rechtfertigten an sich noch weitergehende Kürzungen. Wegen der mit der Umstellung auf den neuen Bewertungsmaßstab verbundenen Unsicherheiten seien jedoch in den Quartalen IV/1987 und I/1988 bei den neu definierten Grundleistungen Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts bis zu 150 % toleriert und die Kürzungsmaßnahmen entsprechend begrenzt worden.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Einwand der Klägerin, die überhöhte Abrechnung der streitigen Leistungen beruhe vorwiegend auf Irrtümern bei der Anwendung der neuen Gebührenordnung, nicht gelten lassen. Ob und inwieweit dies zutreffe, lasse sich nachträglich nicht feststellen, so daß für die Wirtschaftlichkeitsprüfung davon ausgegangen werden müsse, daß die Klägerin die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht habe. Da sie den Vergleichsgruppendurchschnitt bei den beanstandeten Gebührenpositionen um mehr als 50 % überschritten habe, sei mit Recht eine Unwirtschaftlichkeit angenommen worden. Weiterer Feststellungen hierzu, insbesondere zur Höhe des unwirtschaftlichen Mehraufwandes, habe es nicht bedurft. Ermessensfehler bei der Festlegung des Kürzungsumfangs seien nicht ersichtlich. Die Kürzung sei auch nicht deshalb unzulässig, weil durch sie der Gesamtfallwert geringfügig unter den Vergleichsgruppendurchschnitt absinke.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verstöße gegen Grundsätze der Wirtschaftlichkeitsprüfung und eine Verletzung des § 35 Abs 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Das Berufungsgericht habe nicht ausreichend beachtet, daß für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlung die kassenärztliche Tätigkeit als Ganzes ausschlaggebend sei. Angesichts der Tatsache, daß sie beim Gesamtfallwert den Durchschnitt ihrer Fachgruppe im Quartal IV/1987 lediglich um 9 % und im Quartal I/1988 um 21 % überschritten habe, hätten sich die Prüfungseinrichtungen nicht auf eine isolierte Betrachtung der auffälligen Einzelleistungen beschränken, sondern von sich aus etwaigen Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen nachgehen und jedenfalls eine begründete Schätzung des als unwirtschaftlich angesehenen Mehraufwandes vornehmen müssen. Des weiteren fehle eine nachvollziehbare Begründung für den Umfang der vorgenommenen Kürzungen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1991 und des Sozialgerichts Mainz vom 6. März 1991 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. April 1990 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 1. Juni 1988 und vom 24. August 1988 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Maßgebend für die rechtliche Beurteilung der Honorarkürzungen sind hier noch die früheren, am 31. Dezember 1988 außer Kraft getretenen Bestimmungen der §§ 368e, 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO aF) und die dazu vom Bundessozialgericht (BSG) für die kassenärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Rechtsgrundsätze. Diese Grundsätze, die auch für die jetzige Regelung in § 106 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ihre Bedeutung behalten haben, sind von den Vorinstanzen im wesentlichen zutreffend angewandt worden.
Die Feststellung der Prüfgremien, daß die Klägerin bei der Erbringung der umstrittenen Leistungen das ihr durch § 368e Satz 2 RVO aF auferlegte Wirtschaftlichkeitsgebot nicht beachtet hat, gründet sich auf das Ergebnis eines statistischen Kostenvergleichs. Das wird entgegen der Ansicht der Revision nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Beklagte ergänzend zu der Vergleichsbetrachtung auch die Behandlungsunterlagen überprüft und sich auf diese Weise Erkenntnisse über Ursachen und Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit verschafft hat. Der erkennende Senat hat allerdings wiederholt darauf hingewiesen, daß die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Betracht kommenden Beweismethoden – Einzelfallprüfung oder statistische Vergleichsprüfung – nicht miteinander vermengt werden dürfen, weil jede von ihnen nur dann zu rechtlich tragbaren Ergebnissen führt, wenn die ihr ei-genen Gesetzmäßigkeiten beachtet werden. Er hat deshalb verlangt, die Prüfungseinrichtungen müßten sich für eine der genannten Beweismethoden entscheiden und die gewählte Methode im Bescheid eindeutig benennen (vgl zuletzt BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 mwN). Die Forderung nach methodischer Klarheit ist aber nicht dahin zu verstehen, daß außerhalb der jeweiligen Prüfmethode liegende Erkenntnisquellen für die Beweisführung nicht genutzt werden dürften. Wird die gewählte Prüfungs-Grundmethode konsequent angewandt, so bestehen keine Einwände, wenn bei der Wahl des statistischen Vergleichs auch beispielhafte Einzelfallprüfungen und bei der Methode der Einzelfallprüfung auch statistische Erkenntnisse zur Beurteilung mit herangezogen werden (so ausdrücklich bereits BSGE 55, 110, 112 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 82). Dies kann im Einzelfall sogar notwendig sein, wenn etwa die statistischen Abweichungen allein eine definitive Beurteilung noch nicht zulassen und deshalb die Unwirtschaftlichkeit nur unter Zuhilfenahme einer die Behandlungs- oder Verordnungsweise des Kassenarztes „genügend beleuchtenden Zahl von Beispielen” nachgewiesen werden kann (BSGE 19, 123, 128 f). Erst recht ist es unbedenklich, wenn bei statistisch nachgewiesener Unwirtschaftlichkeit die Durchsicht der Behandlungsscheine lediglich dazu genutzt wird, das Behandlungsverhalten des Arztes genauer zu analysieren und die Gründe für das Entstehen des Mehraufwandes im Bescheid zu verdeutlichen.
Auch ansonsten hält sich das methodische Vorgehen der Prüfgremien im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Das betrifft einmal die Beschränkung der statistischen Vergleichsprüfung auf die beiden Leistungen nach Nr 10 und Nr 60 BMÄ. Die angefochtenen Entscheidungen gehen zu Recht davon aus, daß die Methode des statistischen Vergleichs in geeigneten Fällen auch zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Abrechnung einzelner Leistungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) herangezogen werden kann. Das BSG hat dies schon bisher verschiedentlich als zulässig angesehen (BSGE 69, 138, 143 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 26; SozR 3-2500 § 106 Nr 13; im Ergebnis auch schon BSGE 50, 84, 86 f = SozR 2200 § 368e Nr 4); der Senat hält daran im Grundsatz fest. Voraussetzung ist, daß es sich um Leistungen handelt, die für die betreffende Arztgruppe typisch sind, also von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden und damit eine ausreichende Vergleichsgrundlage abgeben. Bei einem Einzelleistungsvergleich muß deshalb geprüft werden, ob die zur Verfügung stehenden Daten (Zahl der die Leistung ausführenden Ärzte im Verhältnis zur Fachgruppe insgesamt; Anwendungshäufigkeit beim geprüften Arzt einerseits und den übrigen ausführenden Ärzten andererseits) einen statistischen Vergleich überhaupt zulassen und, wenn ja, ob und unter welchen Voraussetzungen sich daraus verläßliche Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung ableiten lassen. Besonders letzteres kann nicht allein nach statistischen Gesichtspunkten entschieden werden, sondern hängt von der Art und dem Anwendungsbereich der jeweiligen Leistung sowie dem Behandlungsverhalten innerhalb der betreffenden Arztgruppe, also von Faktoren ab, die sich nur aufgrund medizinischer Kenntnisse und ärztlichen Erfahrungswissens beurteilen lassen. Die Prüfungsorgane haben deshalb bei der Beantwortung dieser Frage, wie allgemein in bezug auf die Art und Weise der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Bewertung, einen Beurteilungsspielraum. Ihre Entscheidungen sind rechtmäßig, wenn alle für die jeweilige Fragestellung erheblichen Tatsachen berücksichtigt wurden und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen sachlich vertretbar sind. Damit dies nachgeprüft werden kann, müssen die Beurteilungsgrundlagen im Bescheid genannt und, soweit erforderlich, erläutert werden. Diesen Anforderungen ist hier Rechnung getragen.
Die streitigen Leistungen nach den Gebührennummern 10 und 60 BMÄ gehören zu den ärztlichen Grundleistungen. Das bedeutet, daß sie nicht einer bestimmten fachlichen Ausrichtung oder Behandlungsweise zuzuordnen sind, sondern weitgehend unabhängig vom individuellen diagnostischen und therapeutischen Konzept des jeweiligen Arztes bei bestimmten Krankheitszuständen eingesetzt werden müssen. Wenn beide Leistungen auch von ihren Voraussetzungen her nur für eine begrenzte Gruppe von Behandlungsfällen in Betracht kommen, handelt es sich andererseits doch um Standardleistungen, die in der allgemeinärztlichen Praxis regelmäßig in nicht unbedeutender Zahl anfallen. Aus den Prüfentscheidungen und den als Anlage beigefügten Statistiken ergibt sich, daß die Nr 10 BMÄ im Quartal I/1988 von 90 % und die Nr 60 BMÄ im Quartal IV/1987 von 85 % und im Quartal I/1988 von 80 % der praktischen Ärzte und Allgemeinärzte abgerechnet worden ist. Die Nr 10 BMÄ wurde dabei in 26 %, die Nr 60 BMÄ immerhin noch in 6 % aller Behandlungsfälle angesetzt. Angesichts dieser Gegebenheiten konnten die Prüfgremien ohne Verletzung ihres Beurteilungsspielraums davon ausgehen, daß sich mit Hilfe der statistischen Vergleichsprüfung hinreichend genaue Anhaltspunkte für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der in Rede stehenden Leistungen gewinnen lassen.
Ebensowenig ist es zu beanstanden, daß der Beklagte die festgestellten Überschreitungen des Vergleichsgruppendurchschnitts um 158 % bei der Leistung nach Nr 10 BMÄ und um 707 % bzw 1.083 % bei der Leistung nach Nr 60 BMÄ als Beweis für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise gewertet hat. Ein solcher Schluß ist, wie das LSG näher ausgeführt hat, gerechtfertigt, wenn der Fallwert des geprüften Arztes so erheblich über dem Durchschnittsfallwert seiner Fachgruppe liegt, daß zwischen beiden ein offensichtliches Mißverhältnis besteht. Soweit allerdings das Berufungsurteil den Eindruck erweckt, die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis sei generell und unabhängig vom jeweiligen Prüfungsgegenstand bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % zu ziehen, bedarf es einer Klarstellung. Der Senat hat im Urteil vom 8. April 1992 – 6 RKa 34/90 – (SozR 3-2500 § 106 Nr 11) dargelegt, daß eine dahingehende Einschätzung zwar bei einem Gesamtleistungsvergleich im allgemeinen ohne weitere Begründung akzeptiert werden kann, daß aber in Fällen, in denen nur die Werte einer bestimmten Leistungssparte oder – wie vorliegend – nur Ansätze bestimmter Leistungspositionen miteinander verglichen werden, eine genauere Untersuchung der Vergleichsgrundlagen erfolgen muß, damit der Aussagewert der Statistik und darauf aufbauend die Plausibilität der von den Prüfgremien vorgenommenen Grenzziehung beurteilt werden können. Speziell bei einem Vergleich einzelner Leistungspositionen können aus der isolierten Angabe von Überschreitungsprozentsätzen in der Regel keine oder nur unzureichende Schlußfolgerungen abgeleitet werden. Die Zahlen können dadurch beeinflußt sein, daß nicht alle Ärzte der Vergleichsgruppe die betreffende Leistung abrechnen (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 13) oder daß diese zwar allgemein, aber regelmäßig nur in geringem Umfang erbracht wird und deshalb bereits – in absoluten Zahlen gesehen – geringfügige Abweichungen hohe prozentuale Überschreitungen zur Folge haben. Schließlich kann eine auffällige Überhöhung bei bestimmten Gebührenpositionen Ausdruck einer speziellen Diagnose- oder Behandlungsmethode oder auch nur der individuellen Behandlungsweise des betreffenden Kassenarztes sein, die als solche nicht unwirtschaftlich sein muß, zumal wenn durch sie an anderer Stelle Kosten eingespart werden.
Bei den gekürzten Leistungspositionen konnte der Beklagte indessen, ohne sich auf einen exakten Grenzwert festzulegen, davon ausgehen, daß jedenfalls bei einer im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt mehr als doppelt so hohen Abrechnungshäufigkeit die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis überschritten ist. Im Hinblick auf die Eigenart der Leistungen nach Nrn 10 und 60 BMÄ kann für deren weit überhöhten Ansatz nicht der Grundsatz der Therapiefreiheit ins Feld geführt werden. Die in den Abschnitten B I und B IV des BMÄ aufgeführten Beratungs- und Untersuchungsleistungen sind einerseits als medizinische Grundleistungen von der jeweiligen Behandlungsausrichtung unabhängig und andererseits vom Leistungsinhalt her so gegeneinander abgegrenzt, daß jede von ihnen eine spezifische Indikation voraussetzt und bei deren Vorliegen in der Regel nicht durch eine andere Leistung ersetzt werden kann. Dem Arzt, der sich an den vorgegebenen Behandlungsnotwendigkeiten orientieren muß, bleibt deshalb für ihren Einsatz allenfalls ein geringer Spielraum. Da außerdem in die Vergleichsprüfung nur diejenigen Ärzte einbezogen worden sind, die die betreffenden Leistungen in dem jeweiligen Quartal tatsächlich erbracht haben, können aus den festgestellten statistischen Abweichungen relativ zuverlässige Schlüsse gezogen werden. Wird bei dieser Sachlage eine qualifizierte Beratung nach Nr 10 BMÄ oder eine umfassende Untersuchung nach Nr 60 BMÄ mehr als doppelt oder gar – wie im Fall der Klägerin bei der Nr 60 BMÄ – bis zu zwölfmal so häufig abgerechnet wie vom Durchschnitt der Fachgruppenmitglieder, so begegnet es keinen Bedenken, hierin den Beweis einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise zu sehen.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Klägerin, der Beklagte habe bei der Bewertung der festgestellten Überschreitungen ihre Gesamtbehandlungstätigkeit nicht ausreichend gewürdigt, ist unbegründet. Die Revision bezieht sich damit auf das Urteil des Senats vom 31. Juli 1991 – 6 RKa 12/89 – (BSGE 69, 138 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6), in dem den Prüfungsinstanzen vorgeschrieben worden ist, bei einer Einzelleistungsprüfung stets auch den Gesamtfallwert im Bescheid zu dokumentieren und bei der Beweiswürdigung in Rechnung zu stellen. Durch diese Maßnahmen soll sichergestellt werden, daß aus statistischen Auffälligkeiten in Teilbereichen der ärztlichen Tätigkeit keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden. Namentlich dann, wenn die Gesamtfallkosten des Arztes im Durchschnitt der Fachgruppe oder nur wenig darüber liegen, soll sorgfältig geprüft werden, ob sich der aus den Vergleichszahlen abgeleitete Anschein der Unwirtschaftlichkeit gleichwohl bestätigen läßt. Das ist indessen im vorliegenden Fall beachtet worden. Der Beklagte hat nicht nur den Gesamtfallwert, sondern zusätzlich auch den Fallwert für die beiden zugehörigen Leistungssparten ausgewiesen und darüber hinaus auch die Auswirkung der Kürzungen auf diese Werte berechnet. Er hat auch der Forderung des Senats entsprochen, angesichts der nur mäßigen Überschreitungen beim Gesamtfallwert von Amts wegen zu prüfen, ob durch die erhöhte Abrechnung der Nrn 10 und 60 BMÄ etwa an anderer Stelle Leistungen eingespart worden sind. Seine Feststellung, derartige Einsparungen seien nicht erkennbar, bedurfte entgegen der Auffassung der Revision keiner weiteren Begründung, solange es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Kompensation gab und auch die Klägerin selbst dazu nichts vorgetragen hatte.
Daraus, daß die Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen nicht losgelöst von der Gesamttätigkeit des Kassenarztes beurteilt werden darf, folgt nicht, daß bei einem im Vergleich zur Fachgruppe unauffälligen Gesamtkostendurchschnitt eine unwirtschaftliche Erbringung von Einzelleistungen ausgeschlossen wäre oder nicht beanstandet werden dürfte. Die Annahme, ein vom Fachgruppendurchschnitt nicht wesentlich abweichender Gesamtfallwert lasse darauf schließen, daß die Behandlungstätigkeit des geprüften Arztes insgesamt, also auch in den Einzelleistungen, dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen habe, mag bei einer statistischen Durchschnittspraxis ihre Berechtigung haben. Sie trifft aber dann nicht zu, wenn sich in der Patientenstruktur oder im Leistungsangebot des Arztes Besonderheiten ergeben, die niedrigere Behandlungskosten erwarten lassen. So kann etwa ein Arzt, der ein im Vergleich zu seinen Fachkollegen stark eingeschränktes Leistungsspektrum erbringt, unauffällige Gesamtfallkosten aufweisen, obwohl er in Teilbereichen oder bei einzelnen Leistungen extrem unwirtschaftlich behandelt. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß in derartigen Fällen dem Gesamtfallwert des Arztes keine Aussagekraft für die Gesamtwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise zukommt. Gleiches gilt bei anderen Praxisbesonderheiten, die geeignet sind, den Gesamtfallwert zu senken und dadurch eine möglicherweise bestehende Unwirtschaftlichkeit in Teilbereichen der Behandlungstätigkeit zu verdecken. Eine solche Besonderheit kann im vorliegenden Fall beispielsweise darin gesehen werden, daß die Praxis der Klägerin nach den Feststellungen des LSG mit einem Rentneranteil von 22 bzw 23 % gegenüber 32 % im Fachgruppendurchschnitt in den geprüften Quartalen eine deutlich günstigere Altersstruktur aufweist als das Gros der allgemeinärztlichen Praxen, so daß von daher an sich mit geringeren Behandlungskosten zu rechnen gewesen wäre.
Der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise scheitert schließlich, wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, nicht daran, daß der Mehraufwand bei den umstrittenen Leistungen möglicherweise zu einem Teil durch Gebührenfehlansätze verursacht worden ist. Ob und in welchem Umfang solche Fehlabrechnungen vorgekommen sind, kann im nachhinein nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand festgestellt werden. Anders als in den Fällen der Unvereinbarkeit bestimmter Gebührenansätze oder anderer formaler Abrechnungshindernisse, in denen die Fehlabrechnung erkennbar ist und im Wege der Richtigstellung korrigiert werden kann, läßt sich die Frage, ob der Arzt in einem konkreten Behandlungsfall die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht oder nur eine geringer bewertete Leistung überhöht abgerechnet hat, anhand der Behandlungsausweise nicht beantworten. Eine nachträgliche Befragung des Arztes und des behandelten Patienten scheidet wegen der großen Zahl der Behandlungsfälle und der gleichwohl verbleibenden Ungewißheit aus. Für derartige Nachforschungen besteht auch kein Anlaß, weil es der Arzt in der Hand hat, durch sorgfältige Lektüre der Gebührenordnung und gegebenenfalls Rückfrage bei seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) fehlerhafte Honoraransätze zu vermeiden. Die Prüfungseinrichtungen dürfen deshalb bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung davon ausgehen, daß der Kassenarzt die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, und diese Leistungen ihrer Beurteilung zugrunde legen. Was im übrigen die Gebührennummern 10 und 60 BMÄ angeht, so unterscheidet sich deren Leistungsinhalt von dem der übrigen Beratungs- und Untersuchungsleistungen so grundlegend, daß eine auf Irrtümern oder Mißverständnissen beruhende Fehlabrechnung von vornherein ausgeschlossen erscheint.
Der Einwand der Klägerin gab freilich Anlaß zu der Prüfung, ob durch den ungerechtfertigt häufigen und damit unwirtschaftlichen Ansatz der Leistungen nach Nrn 10 und 60 BMÄ in einem Teil der Behandlungsfälle andere, geringer bewertete Beratungs- und Untersuchungsleistungen eingespart worden sind. Besteht ein solcher Zusammenhang, so ändert das zwar nichts an der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise; der durch sie verursachte Mehraufwand ist dann aber geringer, als es bei isolierter Betrachtung der überhöht abgerechneten Leistungen den Anschein hat. Dem kann durch eine teilweise Umwandlung der beanstandeten in die geringer bewerteten Gebührenziffern oder, wenn sich die Zahl der betroffenen Fälle nicht genauer eingrenzen läßt, auch durch eine Schätzung der auf diese Weise eingesparten Kosten Rechnung getragen werden. Indessen ist es nicht Aufgabe der Prüfungsorgane, hierzu weitreichende hypothetische Überlegungen anzustellen oder gar die einzelnen Behandlungsausweise auf konkrete Kompensationsmöglichkeiten hin durchzusehen. Einsparungen sind nur zu berücksichtigen, wenn sie sich anhand der Abrechnungsstatistik eindeutig belegen lassen oder aus anderen Gründen auf der Hand liegen. Daß dies hier der Fall wäre, hat der Beklagte nicht festgestellt und ist auch von der Klägerin selbst nicht dargetan worden.
Zu Unrecht beanstandet die Revision, der Kürzungsbescheid enthalte keine Angaben zur Höhe des unwirtschaftlichen Mehraufwandes. Zu dieser Frage hat der Senat bereits entschieden, daß die Prüfgremien das genaue Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit nicht feststellen müssen, wenn sie sich mit einer Kürzung begnügen,
die sich zweifelsfrei noch im Rahmen des unwirtschaftlichen Mehrbetrages hält (Urteil vom 3. Juni 1987 – 6 RKa 24/86 –, SozR 2200 § 368n Nr 49 S 166 ua). Wird dem Arzt nach der Kürzung ein Honorarbetrag belassen, der – gemessen am Fachgruppendurchschnitt – weiterhin im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses liegt, so besteht kein Anlaß, die Grenze, bis zu der das Honorar bei voller Abschöpfung des unwirtschaftlichen Behandlungsaufwandes hätte gekürzt werden können, gesondert festzulegen. Soweit der Senat im Urteil vom 31. Juli 1991 – 6 RKa 12/89 – (BSGE 69, 138, 145 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 6) für die Fälle einer Kürzung bei einzelnen Leistungspositionen von dieser Rechtsprechung abgewichen ist, wird daran nicht festgehalten. Das Anliegen, die Prüfgremien bei Einzelleistungsprüfungen durch eine Verschärfung der Begründungsanforderungen zu einer Berücksichtigung der Gesamtbehandlungstätigkeit des Arztes zu zwingen, muß im wesentlichen bereits auf der ersten Prüfungsstufe, dh bei der Durchführung des statistischen Vergleichs, verwirklicht werden. Wird auf dieser Stufe eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit als erwiesen angesehen, so kann die Kürzung im Regelfall nicht rechtswidrig sein, wenn sie die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis nicht unterschreitet. Einer gesonderten Schätzung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes bedarf es dann nicht mehr.
Der angefochtene Bescheid läßt schließlich auch hinsichtlich des Umfangs der vorgenommenen Kürzungen keinen Rechtsverstoß erkennen. Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß durch die Abstriche bei den Gebührennummern 10 und 60 BMÄ das Gesamthonorar der Klägerin pro Behandlungsfall geringfügig (um 5 % im Quartal IV/1987 und um 3 % im Quartal I/1988) unter den Fachgruppendurchschnitt gesunken ist. Da der Gesamtfallwert, wie zuvor dargelegt, nicht zwangsläufig etwas über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungstätigkeit in Einzelbereichen aussagt, gibt es keinen sachlichen Grund, ihn etwa als nicht unterschreitbare Untergrenze für Kürzungen überhaupt anzusehen. Die Kürzungshöhe ist entgegen dem Revisionsvorbringen ausreichend begründet worden. Von seinem insoweit eingeräumten Ermessen hat der Beklagte in der Weise Gebrauch gemacht, daß er nicht den vollen durch das offensichtliche Mißverhältnis als unwirtschaftlich ausgewiesenen Betrag abgesetzt, sondern der Klägerin in Anbetracht der Schwierigkeiten bei der Umstellung auf den am 1. Oktober 1987 in Kraft getretenen neuen Bewertungsmaßstab einen Mehrbetrag in Höhe des 2,5fachen des Fachgruppendurchschnitts belassen hat. Er hat sich dabei an einer Empfehlung des Vorstandes der KÄV im Sinne einer Ermessensrichtlinie orientiert, die auch in Prüfungsfällen anderer Ärzte zur Anwendung gekommen ist. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen