Leitsatz (redaktionell)
Als Untersuchung iS des BVG § 86 Abs 3 kann in der Regel nur eine Untersuchung angesehen werden, die nach dem Erlaß des "alten" (hier: KBLG) Bescheids durchgeführt worden ist, in dem der Rentenanspruch nach den bisherigen verwaltungsrechtlichen Vorschriften anerkannt worden ist.
Normenkette
BVG § 86 Abs. 3 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1959 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken vom 25. Februar 1949 wurden dem Kläger als Leistungsgrund nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) "Verwundungsfolgen an der linken und rechten Hand mit Verlust des linken Mittelfingers" ohne Rentenberechtigung anerkannt. Mit dem Erhöhungsantrag vom 20. November 1949, mit dem der Kläger wegen Herz- und Magenbeschwerden nach einer in der Kriegsgefangenschaft durchgemachten Ruhr sowie wegen nervöser Beschwerden eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. begehrte, legte er eine eidesstattliche Versicherung seines Kriegskameraden Konrad G vor, der ihm bescheinigte, daß er (der Kläger) in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft wegen einer schweren Ruhrerkrankung im Lazarett gewesen sei und später über Magenschmerzen und Herzbeschwerden geklagt habe. Das Versorgungsamt (VersorgA) holte daraufhin ein Gutachten von dem W.-Krankenhaus (Staatliches Versehrtenkrankenhaus) Bayreuth vom 27. August 1950 ein. Die Sachverständigen Prof. Dr. R und Dr. St stellten den Verlust des linken Mittelfingers und eine Weichteilwunde am linken Daumen fest; die intensive Beschwielung der Hohlhand spreche für einen nicht behinderten Gebrauch der verletzten Hand. Der Röntgenbefund des Magens habe eine mäßige Gastritis, die franktionierte Magenausheberung leichte subacide Verhältnisse des Magensekretes ergeben. Da der Kläger in der Gefangenschaft eine Ruhr durchgemacht habe, liege für das Magenleiden Wehrdienstbeschädigung i.S. der Entstehung bei einer MdE um 30 v.H. vor. Die nervösen Beschwerden (Kopfschmerzen und Schwindelzustände) seien Ausdruck einer vegetativen Dystonie und konstitutioneller Natur. Von Seiten des Herzens liege weder physikalisch noch röntgenologisch ein pathologischer Befund vor; auch das EKG habe keine krankhaften Veränderungen ergeben. Endlich sei ein akuter oder chronischer Gelenkrheumatismus nicht festzustellen. Auf Grund dieses Gutachtens erkannte das VersorgA Bayreuth durch Rentenänderungsbescheid vom 17. Januar 1951 nach dem KBLG nunmehr folgende Körperschäden i.S. der Entstehung bei einer MdE um 30 v.H. seit dem 1. November 1949 an: "Verwundungsfolgen an der linken und rechten Hand mit Verlust des linken Mittelfingers, subacide Gastritis mäßigen Grades." In diesem Bescheid wurde die Anerkennung von nervösen Beschwerden, Gelenkrheumatismus und krankhaften Erscheinungen am Herzen ausdrücklich abgelehnt. In dem Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 wurden die anerkannten Schädigungsfolgen und die Höhe der Rente ohne weitere Untersuchung übernommen.
Eine vom VersorgA von Amts wegen durchgeführte Nachuntersuchung ergab nach dem Gutachten des Dr. Sch vom 18. Februar 1953 einen Verlust des linken Mittelfingers im Grundgelenk, eine Narbe am linken Daumen, geringer Weichteilsubstanzverlust am rechten Kleinfingerendglied sowie eine Verminderung der Säurewerte des Magens. Nach Ansicht des Gutachters hat der Säuremangel keine Herabsetzung der allgemeinen Leistungsfähigkeit zur Folge, so daß eine rentenberechtigende MdE nicht vertretbar sei. Durch Bescheid des VersorgA Bayreuth vom 16. März 1953 wurden nunmehr unter Bezugnahme auf § 86 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) die Schädigungsfolgen dahin bezeichnet: "Verlust des linken Mittelfingers im Grundgelenk, Verminderung der Säurewerte des Magens, Narbe am linken Daumen, geringer Weichteilsubstanzverlust am rechten Kleinfingerendglied." Die bisher gewährte Rente nach einer MdE um 30 v.H. wurde mit Ablauf des Monats April 1953 entzogen, da bei der Nachuntersuchung vom 18. Februar 1953 eine Gastritis nicht mehr festzustellen gewesen sei.
Mit der Berufung (alten Rechts) zum Oberversicherungsamt Nürnberg, die nach § 215 Abs. 2 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht (SG) Bayreuth übergegangen ist, hat der Kläger geltend gemacht, daß eine Gastritis nach wie vor bestehe. Er habe bei Beginn der landwirtschaftlichen Frühjahrsarbeiten vermehrte Magenbeschwerden und Verdauungsstörungen gehabt; die Entziehung der Rente sei daher nicht berechtigt. Das SG hat den Facharzt für innere Medizin Dr. A in der mündlichen Verhandlung am 14. April 1955 als Sachverständigen gehört. In seinem Gutachten hat er ausgeführt, die Untersuchung des Magens habe röntgenologisch keinen pathologischen Befund, jedoch bei der fraktienierten Ausheberung ein fast völliges Fehlen der freien Säure ergeben; der Befund komme einer Anacidität gleich. Eine Gastritis sei zur Zeit röntgenologisch nicht nachweisbar. Der jetzige Befund könne nur dann die Folge einer durchgemachten Ruhr oder Dystrophie sein, wenn nicht bei der Untersuchung im W.-Krankenhaus Bayreuth im August 1950 völlig normale Säurewerte gefunden worden wären. Damals sei röntgenologisch eine Gastritis angenommen werden, obwohl die Röntgenbilder keine sichere gastritische Faltenschwellung oder eine Vergröberung der Schleimhaut erkennen ließen. Es sei nicht anzunehmen, daß die jetzt feststellbare Subacidität Folge der im Jahre 1945 während der Gefangenschaft durchgemachten Ruhr und Dystrophie sei. Dies ergebe sich daraus, daß zwei Jahre nach der Entlassung aus der Gefangenschaft (1950) noch normale Säurewerte festgestellt worden seien. Der zum Säuremangel führende Prozeß müsse später eingesetzt haben; denn erst im Jahre 1953 habe sich eine Herabminderung der freien Magensäure gefunden. Beim Vergleich der Röntgenaufnahme von 1950 mit denen von 1953 und 1955 zeige sich keine Befundänderung, dagegen habe sich die Störung der Säuresekretien eindeutig verschlechtert. Die Einschätzung der MdE im Jahre 1950 mit 30 v.H. dürfte zu wohlwollend gewesen sein. Die MdE durch die jetzt vorliegende Subacidität erheblichen Grades sei mit 20 v.H. zu bewerten. Die Schädigung der rechten Hand sei geringfügig; die Verletzung der linken Hand sei im allgemeinen Erwerbsleben mit 10 v.H. einzuschätzen.
Durch Urteil vom 14. April 1955 hat das SG Bayreuth den Bescheid des VersorgA Bayreuth vom 16. März 1953 aufgehoben. Es hat die Auffassung vertreten, daß § 86 Abs. 3 BVG im vorliegenden Falle keine Anwendung finden könne, weil der Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 auf Grund des Gutachtens des W.-Krankenhauses Bayreuth vom 27. August 1950 und des Prüfvermerks des Dr. R vom 9. Oktober 1950 ergangen sei. Der angefochtene Bescheid könne auch nicht auf § 62 BVG gestützt werden, da eine Besserung der Verhältnisse nach dem Gutachten des Dr. A nicht habe festgestellt werden können.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Nach Ansicht des LSG konnte der angefochtene Bescheid vom 16. März 1953 auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt werden, da der Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 ohne ärztliche Nachuntersuchung ergangen sei. Die letzte Untersuchung vor Erteilung des Umanerkennungsbescheides sei am 27. August 1950 im W.-Krankenhaus Bayreuth auf Grund eines Verschlimmerungsantrages des Klägers nach dem KBLG durchgeführt worden. Sie habe allein dem Zweck gedient, die Voraussetzungen für eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nach dem KBLG zu klären. Diese Untersuchung und der Prüfvermerk des Dr. R seien auch nicht erkennbar für die Umanerkennung nach dem BVG verwertet worden, zumal es sich bei dem Erlaß des Änderungsbescheides nach dem KBLG vom 17. Januar 1951 und dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides vom 15. März 1951 um zwei getrennt voneinander ablaufende Vorgänge gehandelt habe. Es sei nicht erkennbar, daß bei der formellen Umanerkennung die medizinische Beurteilung vom 27. August 1950, die lediglich zum Zwecke der Erteilung eines Rentenänderungsbescheides nach dem KBLG durchgeführt worden war, im Hinblick auf das BVG überprüft worden sei. Da der gerichtliche Sachverständige des SG, Dr. A, bei der Röntgenuntersuchung hinsichtlich des Magens keinen pathologischen Befund erhoben, sondern lediglich einen Säuremangel festgestellt habe, durch den die allgemeine Leistungsfähigkeit des Klägers nicht erheblich beeinträchtigt werde, sei nicht zu beanstanden, daß die bisher anerkannt gewesene Gastritis nicht in den angefochtenen Neufeststellungsbescheid vom 16. März 1953 übernommen worden sei; denn die Feststellung einer Schädigungsfolge könne dann unterbleiben, wenn diese zur Zeit der Neufeststellung der Versorgungsbezüge nicht mehr bestehe. Für die vorliegende Subacidität des Magensaftes als Schädigungsfolge sei eine höhere MdE als 10 bis 15 v.H. nicht gerechtfertigt, zumal ein chronischer Magenkatarrh ohne wesentliche Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen nur mit 10 bis 20 v.H. bewertet werde. Eine MdE rentenberechtigenden Grades liege auch nicht unter Berücksichtigung des Verlustes des linken Mittelfingers im Grundgelenk und der Narbe am linken Daumen sowie des geringen Weichteilsubstanzverlustes am rechten Kleinfingerendglied vor, da bei diesen geringen Schädigungsfolgen auch eine besondere berufliche Betroffenheit auszuschließen sei.
Gegen das am 7. Dezember 1959 zugestellte Urteil des Bayerischen LSG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Dezember 1959, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am gleichen Tage, Revision eingelegt; er beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 7. März 1960 hat der Kläger die Revision mit Schriftsatz vom 1. März 1960, beim BSG eingegangen am 4. März 1960, begründet. Er rügt zunächst eine Verletzung des § 86 Abs. 3 BVG mit der Begründung, das LSG habe verkannt, daß die Untersuchung im W.-Krankenhaus Bayreuth auch für die Umanerkennung nach dem BVG verwertet worden sei. Dies ergebe sich daraus, daß die Bescheide vom 17. Januar 1951 nach dem KBLG und vom 15. März 1951 nach dem BVG in engem zeitlichem Abstand voneinander erlassen worden seien. Ferner liege eine Verletzung des § 29 BVG vor, weil das Berufungsgericht dem Kläger eine Grundrente nicht zugebilligt habe, obwohl seine Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Gesundheitsstörungen mindestens um 25 v.H. gemindert sei. Das LSG habe bei seiner Feststellung, es liege keine rentenberechtigende MdE vor, die §§ 103, 128 SGG verletzt. Es habe gegen seine Sachaufklärungspflicht dadurch verstoßen, daß es kein weiteres ärztliches Gutachten zur Frage der Gesamt-MdE eingeholt habe. Eine Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung sei darin zu erblicken, daß das LSG die durch den Verlust des linken Mittelfingers zusätzlich bedingte MdE bei Bewertung der Gesamt-MdE überhaupt nicht berücksichtigt habe. Das LSG sei allerdings nicht gehalten gewesen, sich in der Frage der Bewertung der MdE hinsichtlich des Magenleidens der Auffassung des Sachverständigen Dr. A in seinem Gutachten vom 14. April 1955 anzuschließen. Es sei aber hinsichtlich des Grades der MdE nicht aus eigener Sachkunde in der Lage gewesen, insoweit den medizinischen Sachverhalt richtig zu beurteilen. Der Hinweis auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen genüge zur Begründung der abweichenden Auffassung des LSG hinsichtlich der MdE nicht, da es bei der Beurteilung der MdE, insbesondere bei inneren Leiden, auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles ankomme. Deren Berücksichtigung habe aber im vorliegenden Falle unter Zugrundelegung des von Dr. A erhobenen Befundes erfolgen müssen. Dieser Sachverständige habe festgestellt, daß ein fast völliges Fehlen der Magensäure vorliege, so daß der Befund einer Anacidität gleichkomme. Hinsichtlich des Säuremangels habe der Sachverständige ferner eine eindeutige Verschlimmerung festgestellt, die eine MdE um 20 v.H. bedinge. Die vom LSG insoweit vermißte "überzeugende Begründung" sei daher im Gutachten des Dr. A vom 14. April 1955 enthalten.
Der Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 29. Oktober 1959 als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist mit dem LSG der Auffassung, daß der angefochtene Bescheid vom 16. März 1953 auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt werden konnte, da die Untersuchung im W.-Krankenhaus Bayreuth im August 1950 nicht nachweislich bei der Umanerkennung nach dem BVG durch den Bescheid vom 15. März 1951 verwertet worden sei. Die von dem Kläger gegen die Feststellung des LSG, daß durch die anerkannten Schädigungsfolgen eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht verursacht werde, erhobenen Verfahrensrügen einer Verletzung der §§ 103, 128 SGG seien nicht begründet.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die sonach zulässige Revision ist aber nicht begründet.
Das LSG hat den angefochtenen Bescheid vom 16. März 1953, den der Beklagte auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt hat, als rechtmäßig angesehen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rüge, das LSG habe § 86 Abs. 3 BVG deswegen verletzt, weil nach dem im vorliegenden Falle gegebenen Sachverhalt diese Vorschrift keine Anwendung finden könne. Nach § 86 Abs. 3 BVG ist, soweit die Rente Beschädigter nach diesem Gesetz ohne ärztliche Nachuntersuchung unter Übernahme des bisher anerkannten Grades der MdE festgestellt wird, eine spätere Neufeststellung der Rente binnen vier Jahren nach Inkrafttreten des BVG nicht von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse i.S. des § 62 Abs. 1 BVG abhängig. Die Parteien streiten darüber, ob die Untersuchung des Klägers im W.-Krankenhaus Bayreuth vom 27. August 1950 als eine "Nachuntersuchung" i.S. dieser Vorschrift anzusehen ist. Das LSG hat hierzu in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, daß die Untersuchung im August 1950 auf Grund eines Verschlimmerungsantrages des Klägers nach dem KBLG durchgeführt worden sei und allein dem Zweck gedient habe, die Voraussetzungen für eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nach dem KBLG zu klären. Es sei nicht erkennbar, daß diese Untersuchung auch bei der Umanerkennung nach dem BVG verwertet worden sei, zumal es sich bei dem Erlaß des Änderungsbescheides nach dem KBLG vom 17. Januar 1951 und dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides vom 15. März 1951 um zwei getrennt voneinander ablaufende Vorgänge gehandelt habe. Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, daß die Bescheide vom 17. Januar 1951 nach dem KBLG und vom 15. März 1951 nach dem BVG in so engem zeitlichem Abstand voneinander erlassen worden seien, daß sich schon daraus "eine Verwertung" der Untersuchungsergebnisse des W.-Krankenhauses Bayreuth vom August 1950 bei Erlaß des Umanerkennungsbescheides ergebe.
Das BSG hat die zwischen den Parteien streitige Frage, was unter einer Nachuntersuchung i.S. des § 86 Abs. 3 BVG zu verstehen ist, bereits entschieden (BSG 13, 144; vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 24.4.1959 - 10 RV 571/58 -, veröffentlicht in SozSich 1959 Rechtspr. Nr. 1019 und in KOV 1959 Rechtspr. Nr. 997). Nach diesen Entscheidungen ist eine Rente auch dann unter Übernahme des bisher anerkannten Grades der MdE festgestellt (§ 86 Abs. 3 BVG), wenn die Feststellung auf einer "Anerkennung" des Grades der MdE nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften beruht, die nach dem Inkrafttreten des BVG erfolgt ist. Es ist daher ohne rechtliche Bedeutung, daß der dem Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vorausgehende Bescheid nach dem KBLG vom 17. Januar 1951 erst nach dem Inkrafttreten des BVG ergangen ist. Die Untersuchung des Klägers im W.-Krankenhaus Bayreuth im August 1950, die vor dem Abschluß des KBLG-Verfahrens stattgefunden hat, ist nach den Feststellungen des LSG lediglich die Grundlage des KBLG-Bescheides gewesen; sie ist nicht für die Festsetzung der Rente des Klägers nach dem BVG durchgeführt oder hierbei verwertet worden. Mithin ist schon nach den Feststellungen des LSG die Rente des Klägers im Umanerkennungsbescheid "ohne ärztliche Nachuntersuchung" erfolgt. Dieser Feststellung gegenüber hat der Kläger nur die Behauptung aufgestellt, die Untersuchung im W.-Krankenhaus Bayreuth sei auch für den Umanerkennungsbescheid verwertet worden. Für diese Behauptung hat der Kläger keine Tatsachen und Beweismittel bezeichnet.
Als Untersuchung i.S. des § 86 Abs. 3 BVG kann nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel nur eine Untersuchung angesehen werden, die nach dem Erlaß des KBLG-Bescheides, in dem der Rentenanspruch nach den bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften anerkannt worden ist, durchgeführt worden ist (vgl. BSG aaO). Eine solche ärztliche Nachuntersuchung hat im vorliegenden Falle vor dem BVG-Bescheid vom 15. März 1951 und nach dem KBLG-Bescheid vom 17. Januar 1951 nicht stattgefunden. Die Nachuntersuchung i.S. des § 86 Abs.3 BVG ist daher erst die Untersuchung durch Dr. Sch vom 18. Februar 1953 gewesen. Da hiernach der nach dem KBLG anerkannt gewesene Grad der MdE ohne ärztliche Nachuntersuchung in den Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 übernommen worden ist, hat das LSG zutreffend entschieden, daß der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 16. März 1953 auf § 86 Abs. 3 BVG stützen konnte. In diesem Bescheid hat der Beklagte die Schädigungsfolgen nach dem BVG dahin geändert, daß die in dem Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 anerkannt gewesene Gastritis mäßigen Grades weggefallen ist und statt dessen eine "Verminderung der Säurewerte des Magens" als Schädigungsfolge anerkannt wird. Auch hierzu war der Beklagte berechtigt, da nach den Gutachten des Dr. Sch vom 18. Februar 1953 und des Dr. A vom 14. April 1955 eine Gastritis nicht mehr vorliegt (vgl. BSG in SozR BVG § 86 Bl. Ca 3 Nr. 5). Im übrigen hat der Kläger insoweit keine Revisionsrüge erhoben.
Der Kläger wendet sich mit der Revision ferner gegen die Feststellung des LSG, daß durch die in dem Neufeststellungsbescheid vom 16. März 1953 anerkannten Schädigungsfolgen eine MdE rentenberechtigenden Grades nicht bedingt wird. Er rügt zunächst eine Verletzung des § 103 SGG mit dem Vorbringen, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es ohne weitere Feststellungen den Grad der durch den Verlust des linken Mittelfingers bedingten MdE als "gering" bezeichnet und die Gewährung einer Rente abgelehnt habe, ohne ein weiteres ärztliches Gutachten zur Frage der Gesamt-MdE einzuholen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Rüge dem Formerfordernis des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG entspricht, nach dem in der Revisionsbegründung die Tatsachen und Beweismittel zu bezeichnen sind, die den Verfahrensmangel ergeben. Selbst wenn man die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht im Hinblick auf die von dem Kläger zu einer Verletzung des § 128 SGG gemachten Ausführungen als hinreichend substantiiert ansehen wollte, könnte die Statthaftigkeit der Revision nicht aus einer Verletzung des § 103 SGG hergeleitet werden. Das LSG konnte ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht zu der Feststellung gelangen, daß der Grad der durch den Fingerverlust bedingten MdE als "gering" zu bezeichnen ist. Schon in dem Gutachten des W.-Krankenhauses Bayreuth vom 27. August 1950 haben die Sachverständigen (Prof. Dr. R und Dr. St) ausgeführt, daß der Faustschluß der linken Hand kräftig und unbehindert sowie die Hohlhand ordentlich verarbeitet und beschwielt ist. Ein meßbarer Muskelschwund war bei dieser Untersuchung nicht festzustellen. Die Sachverständigen haben im Hinblick auf die intensive Beschwielung der Hohlhand eine vollständige Gewöhnung an den Verlust des Mittelfingers angenommen und daraus auf einen nicht behinderten Gebrauch der verletzten Hand geschlossen. Die Höhe der MdE durch den Fingerverlust haben diese Sachverständigen auf O v.H. geschätzt. Auch Dr. Sch hat in seinem Gutachten vom 18. Februar 1953 festgestellt, daß alle Gelenke an der linken Hand aktiv und passiv frei beweglich sind. Endlich hat auch Dr. A in seinem Gutachten vom 14. April 1955 ausgeführt, daß der Faustschluß links gut möglich ist. Aus welchen Gründen er die durch die Verletzung der linken Hand bedingte MdE im allgemeinen Erwerbsleben mit 10 v.H. geschätzt hat, ist aus seinem Gutachten nicht ersichtlich. Wenn das LSG bei diesem Sachverhalt die Verletzungsfolgen an der linken Hand als "gering" bezeichnet hat, so konnte es dies im Hinblick auf die angeführten ärztlichen Beurteilungen tun, ohne sich gedrängt fühlen zu müssen, insoweit noch eine weitere Sachaufklärung vorzunehmen. Es brauchte auch nicht ein weiteres ärztliches Gutachten zur Frage der Gesamt-MdE einzuholen, da die Feststellung der Höhe der MdE nach Klärung des medizinischen Befundes in erster Linie dem Gericht obliegt (vgl. hierzu auch unten die Ausführungen zur Rüge einer Verletzung des § 128 SGG).
Der Kläger rügt ferner hinsichtlich der Feststellung des LSG, daß die in dem Neufeststellungsbescheid vom 16. März 1953 anerkannten Schädigungsfolgen keine MdE rentenberechtigenden Grades verursachen, eine Verletzung des § 128 SGG. Er trägt hierzu vor, daß zwar das LSG nicht gehalten gewesen sei, sich in der Frage der Bewertung der MdE hinsichtlich des Magenleidens der Auffassung des Sachverständigen Dr. A in seinem Gutachten vom 14. April 1955 anzuschließen, daß es aber auch hinsichtlich des Grades der MdE nicht aus eigener Sachkunde in der Lage gewesen sei, insoweit den medizinischen Sachverhalt richtig zu beurteilen. Der Hinweis auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen genüge zur Begründung der abweichenden Auffassung des LSG hinsichtlich der MdE nicht, da es insbesondere bei der Beurteilung der MdE bei inneren Leiden auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles ankomme.
Nach § 128 SGG entscheidet des Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; in dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Mangel des Verfahrens ist bei einer aus § 128 SGG hergeleiteten Rüge nur dann gegeben, wenn das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten hat. Insoweit kommt insbesondere ein Verstoß gegen die Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen die Denkgesetze in Betracht. Ein solcher Verstoß ist jedoch im vorliegenden Falle nicht erkennbar. Der Kläger beanstandet die durch das Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung deswegen, weil es bei der Schätzung des Grades der MdE nicht dem Gutachten des Dr. A vom 14. April 1955 gefolgt ist und eine rentenberechtigende MdE durch die Folgen der bei dem Kläger anerkannten Gesundheitsstörungen verneint hat. Die Schätzung der MdE durch eine Tatsacheninstanz beruht auf der Ausübung des Rechts, nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung zu entscheiden. Das Revisionsgericht kann eine solche Schätzung nur daraufhin nachprüfen, ob das LSG die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten hat (BSG 4, 147; BSG in SozR SGG § 128 Bl. Da 9 Nr. 25). Für die Entscheidung der Gradfrage bietet hiernach die ärztliche Auffassung lediglich einen Anhalt, da hierbei Erwägungen mitsprechen, die nicht in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichen Erfahrungen beruhen; denn es kommt darauf an, inwieweit durch die körperliche und seelische Beeinträchtigung des Beschädigten (vgl. § 30 BVG) seine Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, gemindert wird. Das Gericht hat bei der Feststellung des Grades der MdE alle Umstände in Betracht zu ziehen, die dafür bestimmend sind, wie sich die als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen auf die Fähigkeit des Beschädigten auswirken, seine Arbeitskraft im allgemeinen Arbeitsleben und gegebenenfalls im seinem Beruf nutzbringend zu verwerten (vgl. BSG aaO).
Im vorliegenden Falle hat das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Frage der MdE des Klägers nicht die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten. Es ist insbesondere nicht ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch ärztliche Sachverständige hinweggegangen (vgl. BSG in SozR SGG § 128 Bl. Da 1 Nr. 2), da es sich - wie oben dargelegt - hier nicht um rein medizinische Fragen handelt, die ohne die vermittelnde Hilfe eines ärztlichen Sachverständigen nicht beantwortet werden können. Das LSG hat die durch die anerkannte Schädigungsfolge "Verminderung der Säurewerte des Magens" bedingte MdE auf 10 bis 15 v.H. geschätzt. Es hat hierbei berücksichtigt, daß sogar ein chronischer Magenkatarrh, der keine wesentliche Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes verursacht, nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen mit einer MdE um 10 bis 20 v.H. zu bewerten ist. Diese Auffassung des LSG läßt weder eine Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung noch einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen. Auf Grund der vorliegenden Gutachten konnte das LSG ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung eine solche Bewertung der MdE für die als Schädigungsfolge anerkannte Minderung der Säurewerte des Magens vornehmen. Dr. Sch hat hierzu in seinem Gutachten vom 18. Februar 1953 ausgeführt, daß der Säuremangel sicher nicht mit einer Herabsetzung der allgemeinen Leistungsfähigkeit verbunden ist. Er hat deshalb - unter Berücksichtigung des Verlustes des linken Mittelfingers - eine rentenberechtigende MdE nicht für vertretbar gehalten. Auch Dr. A hat in seinem Gutachten vom 14. April 1955 dargelegt, daß kein Anhalt für eine Gastritis bestehe. Er hat allerdings gegenüber der Nachuntersuchung vom 18. Februar 1953 einen höheren Grad des Säuremangels festgestellt. Dr. A hat aber ferner ausgeführt, daß der zum Säuremangel führende Prozeß erst später eingesetzt haben müsse, weil noch im Jahre 1950, d.h. zwei Jahre nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, normale Säurewerte in dem Gutachten des W.-Krankenhauses Bayreuth vom 27. August 1950 festgestellt worden seien. Die erst im Jahre 1953 nachweisbare Herabminderung der freien Magensäure sei daher nicht mehr Folge der 1945 durchgemachten Ruhr und Dystrophie. Die von dem Kläger angegebenen Magenbeschwerden seien auch nur zum Teil durch die Störung der Sekretion der Säure verursacht, zum Teil seien sie nervöser Natur. Endlich hat Dr. A die Schätzung der MdE im Jahre 1950 auf 30 v.H. als zu wohlwollend bezeichnet, während er - in einem gewissen Widerspruch hierzu - nunmehr nach Wegfall der Gastritis die MdE allein für den Säuremangel mit 20 v.H. und für den Fingerverlust mit 10 v.H. bewertet hat. Bei den vorliegenden medizinischen Befunden konnte daher das LSG ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung die MdE für den Säuremangel auf 10 bis 15 v.H. schätzen und unter Berücksichtigung des Verlustes des linken Mittelfingers bei Bildung der Gesamt-MdE eine solche nicht rentenberechtigenden Grades annehmen. Wie bereits oben zu der Rüge unzureichender Sachaufklärung ausgeführt wurde, konnte das LSG die durch den Verlust des linken Mittelfingers bedingte MdE als gering bezeichnen. Wenn das LSG also hiervon und bei Bewertung des Säuremangels von einer MdE um 10 bis 15 v.H. ausgehen durfte, ist es nicht zu beanstanden, wenn es bei Festsetzung der Gesamt-MdE zu der Auffassung gelangt ist, daß dem Kläger eine Rente, die mindestens eine MdE um 25 v.H. voraussetzt, nicht zusteht. Der Grad der MdE entspricht im übrigen, wenn mehrere Leiden anerkannt werden, nicht der Summe der MdE, die jedes Leiden - für sich betrachtet - bedingt. Erst das Zusammenwirken der einzelnen Schädigungsfolgen auf den Gesundheitszustand ergibt die Höhe der Gesamt-MdE. Daher ist, wie schon das Reichsversorgungsgericht ausgesprochen hat, weder getrennt für jedes der mehreren anerkannten Leiden eine MdE festzustellen noch eine Gesamt-Rente zu bilden, die mechanisch durch Addition der durch die einzelnen Leiden verursachten MdE ermittel wird (so auch Urteil des 8. Senats vom 15.12.1961 - 8 RV 161/58 -; vgl. ferner RVG 1, 185; 7, 164, 168; 8, 229, 234).
Mit dem Vorbringen, das LSG habe die durch den Verlust des linken Mittelfingers zusätzlich bedingte MdE bei Bewertung der Gesamt-MdE überhaupt nicht berücksichtigt, rügt der Kläger ebenfalls eine Verletzung des § 128 SGG. Diese Rüge greift jedoch schon deswegen nicht durch, weil sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seite 9) eindeutig ergibt, daß das LSG den Verlust des linken Mittelfingers bei der Bewertung der MdE berücksichtigt hat. Daß es die hierdurch bedingte MdE nur als gering angesehen hat, ist - wie bereits oben ausgeführt wurde - jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung zu beanstanden. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen der Verlust des ganzen Mittelfingers mit 10 v.H. bewertet werden kann. Selbst wenn das LSG dies ausdrücklich getan hätte, konnte es bei der Bildung der Gesamt-MdE im Hinblick darauf, daß es die MdE für den Säuremangel des Magens ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung nur mit 10 bis 15 v.H. bewertet hat, zu dem Ergebnis kommen, daß durch alle Schädigungsfolgen insgesamt keine MdE rentenberechtigenden Grades verursacht wird. Da der Kläger hiernach die Feststellung des LSG, daß eine MdE rentenberechtigenden Grades nicht vorliegt, ohne Erfolg angegriffen hat, ist auch § 29 BVG a.F. nicht verletzt.
Die Revision des Klägers mußte hiernach als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen