Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Vermerk im Umanerkennungsbescheid "Nachuntersuchung von Amts wegen nicht mehr vorgesehen" hindert zwar eine Nachuntersuchung nach BVG § 86 Abs 3, nicht aber eine solche unter anderen Gesichtspunkten, etwa im Hinblick auf BVG § 62 Abs 1. In einem solchen Falle muß die Versorgungsbehörde dem Versorgungsberechtigten jedoch zu erkennen geben, aus welchem Grunde eine Nachuntersuchung angeordnet wird.

2. Eine Untersuchungsaufforderung nach BVG § 86 Abs 3 kann nachträglich nicht auf BVG § 62 gestützt werden; es würde sich hierbei um eine schlechthin unzulässige Änderung des tatsächlichen Sachverhalts anstatt lediglich um eine andere rechtliche Begründung bzw Änderung der Rechtsgrundlage handeln.

 

Normenkette

BVG § 86 Abs. 3 Fassung: 1953-08-07, § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 63 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1958 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger bezog nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften wegen Arthrosis deformans beider Kniegelenke Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. Mit Umanerkennungsbescheid vom 24. September 1951 gewährte ihm das Versorgungsamt (VersorgA) die Rente ohne ärztliche Nachuntersuchung unter Übernahme der anerkannten Schädigungsfolge und unter Beibehaltung des bisherigen Grades der MdE auch nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Dieser Bescheid enthält den Vermerk: "Eine Nachuntersuchung ist von Amts wegen nicht mehr vorgesehen".

Im November 1953 übersandte das VersorgA die Versorgungsakte zur Durchführung einer Nachuntersuchung gemäß § 86 Abs. 3 BVG an die ärztliche Dienststelle, die den Kläger aufforderte, am 11. Dezember 1953 zur ärztlichen Untersuchung zu erscheinen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach; er wies darauf hin, daß bei ihm lt. Bescheid vom 24. September 1951 eine Nachuntersuchung von Amts wegen nicht mehr vorgesehen sei. Da es sich deshalb bei der Untersuchungsanordnung um einen Irrtum handeln dürfte, sehe er die Angelegenheit als erledigt an. Das VersorgA teilte dem Kläger am 1. Februar 1954 mit, der im Umanerkennungsbescheid enthaltene Vermerk über die Nachuntersuchung nehme an der Rechtskraft dieses Bescheides nicht teil und entbinde ihn nicht von der Pflicht, sich nachuntersuchen zu lassen. Falls er der erneuten Aufforderung zur Untersuchung ohne triftigen Grund keine Folge leiste, werde seine Rente gemäß § 63 BVG entzogen. Der Kläger wurde erneut zur ärztlichen Untersuchung am 18. Februar 1954 vorgeladen. Nachdem der Kläger auch hierzu nicht erschienen war, entzog ihm das VersorgA die Rente mit Bescheid vom 25. Mai 1954 ab 1. Juli 1954. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) gab der Berufung des Klägers statt und hob mit Urteil vom 24. Oktober 1958 das Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 10. November 1955, den Widerspruchsbescheid vom 28. September 1954 und den Entziehungsbescheid vom 25. Mai 1954 auf. Es hielt den Bescheid vom 25. Mai 1954 für rechtswidrig, weil das VersorgA wegen des im Umanerkennungsbescheid enthaltenen Vermerks, daß eine ärztliche Nachuntersuchung von Amts wegen nicht mehr vorgesehen sei, keine Neufeststellung der Rente nach § 86 Abs. 3 BVG habe vornehmen und demgemäß die bisher gewährte Rente auch nicht nach § 63 BVG habe entziehen dürfen. Der die Nachuntersuchung betreffende Vermerk im Umanerkennungsbescheid stelle einen rechtsgestaltenden, den Kläger begünstigenden Verwaltungsakt dar. Dieser schaffe die gleiche Rechtslage, die entstehe, wenn eine ärztliche Untersuchung vor der Umanerkennung nach § 86 Abs. 3 BVG durchgeführt sei (BSG 6, 175). Es entfalle also die Möglichkeit einer Neufeststellung binnen vier Jahren nach Inkrafttreten des BVG gemäß § 86 Abs. 3 BVG ohne Nachweis einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG. Hieraus folge, daß sich der Kläger nicht darauf einzulassen brauchte, im Rahmen des § 86 Abs. 3 BVG nachuntersucht zu werden. Wenn das VersorgA dem Kläger am 1. Februar 1954 mitgeteilt habe, der im Umanerkennungsbescheid enthaltene Vermerk über die Nachuntersuchung nehme an der Rechtskraft des Bescheides nicht teil und entbinde den Kläger nicht von der Pflicht, sich nachuntersuchen zu lassen, so habe der Kläger daraus entnehmen können, daß die beabsichtigte Untersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG erfolgen sollte. Daß eine Nachuntersuchung nach dieser Vorschrift auch tatsächlich vorgesehen gewesen sei, ergebe sich im übrigen aus dem Schreiben des VersorgA vom 25. November 1953 an den ärztlichen Dienst. Die Weigerung des Klägers, sich einer ärztlichen Nachuntersuchung zu stellen, wäre nur dann unbegründet gewesen, wenn das VersorgA in der Aufforderung vom 1. Februar 1954 mitgeteilt hätte, die beabsichtigte Untersuchung solle gemäß § 62 BVG erfolgen. Der Entziehungsbescheid sei auch nicht aufrecht zu erhalten, soweit der Beklagte jetzt geltend mache, die Forderung nach ärztlicher Nachuntersuchung habe auf § 62 BVG gestützt werden können. Zwar habe eine Nachuntersuchung gemäß § 62 BVG durchgeführt werden können, weil die zweijährige Schutzfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Hierauf hätte das VersorA den Kläger aber vor Entziehung der Rente hinweisen müssen. Nur dann hätte festgestellt werden können, ob die Weigerung des Klägers mit triftigem Grund im Sinne des § 63 BVG erfolgt sei. Ein Hinweis auf eine Untersuchung gemäß § 62 BVG habe vom VersorgA auch besonders erwartet werden müssen, nachdem der Kläger gegenüber der ersten Aufforderung in seinem Schreiben vom 7. Dezember 1953 auf den Vermerk im Umanerkennungsbescheid Bezug genommen hatte. Die Voraussetzungen zur Entziehung der Rente gemäß § 63 BVG hätten daher erst in dem Augenblick geschaffen werden können, in dem der Kläger einer Aufforderung zur Untersuchung nach § 62 BVG nicht nachgekommen wäre. Nachträglich sei das nicht möglich. Ob die Aufforderung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, gemäß Schreiben des VersorgA vom 1. Februar 1954 noch nachträglich mit einer Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG zu begründen sei, könne dahingestellt bleiben. Eine Änderung der Begründung des Aufforderungsschreibens vom 1. Februar 1954 wäre unzulässig gewesen. Die Frage der Zulässigkeit des Nachschiebens neuer Gründe im Laufe des gerichtlichen Verfahrens werde nur mit der Einschränkung bejaht, daß das neue Vorbringen weder den angefochtenen Verwaltungsakt in seinem Wesensinhalt und Ausspruch verändere noch den Betroffenen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtige. Hier würde der Kläger durch das Nachschieben neuer Gründe in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden. Denn er hätte jetzt nicht mehr die Möglichkeit, sich rückwirkend gegen nachteilige Folgen dieser neuen Begründung - etwa durch Gestellung zur Untersuchung - zu wehren. An eine beabsichtigte Nachuntersuchung gemäß § 62 BVG wegen Änderung der Verhältnisse seit der Umanerkennung habe der Kläger aber auch nicht zu denken brauchen; nach dem bei der versorgungsärztlichen Untersuchung am 3. November 1945 erhobenen Befund sei mit einer Besserung nicht zu rechnen gewesen; eine Nachuntersuchung sei im Gutachten als unnötig bezeichnet worden. Das LSG sprach die Zulassung der Revision im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Urteils aus. In der Rechtsmittelbelehrung ist u.a. ausgeführt, die Revision sei nur zulässig, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werde.

Mit der Revision beantragt der Beklagte,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Dortmund zurückzuweisen.

Die Revision rügt Verletzung der §§ 62, 63, 86 Abs. 3 BVG und des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Sie hält das angefochtene Urteil für unrichtig, weil die Entscheidung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 6, 175), auf die sich das LSG gestützt habe, innere Widersprüche enthalte. Wenn die Auffassung des BSG richtig sei, daß ein Vermerk: "Nachuntersuchung ist nicht beabsichtigt" die ohne Nachuntersuchung vorgenommene Umanerkennung zu einer endgültigen mache, so entbehre es der inneren Folgerichtigkeit, daß sich der Versorgungsberechtigte "im Umanerkennungsverfahren" nicht mehr nach § 86 Abs. 3 BVG nachuntersuchen zu lassen brauche. Das Umanerkennungsverfahren wäre dann nämlich abgeschlossen gewesen und eine Nachuntersuchung könnte damit nur einen anderen Sinn haben, möge sie nun auf die Anwendung des § 62 BVG oder der §§ 41, 42 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) abzielen. Hierbei könne auch nicht entscheidend darauf abgestellt werden, wie das Rentenbüro des VersorgA die vorzunehmende Nachuntersuchung in seiner Anweisung an den ärztlichen Dienst motiviert habe. Nach welcher Rechtsvorschrift gegebenenfalls die Neufeststellung oder Entziehung einer Rente erfolgen könne, ergebe ja erst die Nachuntersuchung. Zudem würden die intern vorgenommenen Anordnungen der Nachuntersuchungen häufig routinemäßig durchgeführt und hätten hinsichtlich der dabei zitierten Gesetzesvorschrift keine Bindungswirkung nach außen. Einen weiteren Widerspruch enthalte BSG 6, 175 aber auch insoweit, als es ausführe, der Versorgungsberechtigte brauche einer entgegen dem Vermerk über die Nachuntersuchung ergehenden Aufforderung nicht nachzukommen, ohne eine Rentenentziehung nach § 63 BVG befürchten zu müssen, es sei denn, daß die Verwaltung eine wesentliche Änderung nachweise. Es sei nicht ersichtlich, wie die Versorgungsbehörde einen solchen Beweis führen solle. Da nach der Entscheidung BSG 6, 175 die Durchführung einer Nachuntersuchung praktisch solange unmöglich sei, als der § 86 Abs. 3 BVG wirksam sei, würde dies zur Folge haben, daß bei einem entsprechenden Verhalten des Versorgungsberechtigten eine Prüfung nach § 62 BVG und gegebenenfalls nach §§ 41, 42 VerwVG unmöglich werde. Das sei mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Versorgungsberechtigten nicht mehr in Einklang zu bringen. Schließlich könne für die Berechtigung einer Rentenherabsetzung oder -entziehung auch nicht entscheidend sein, ob sich ein Versorgungsberechtigter ungeachtet des Vermerks "Nachuntersuchung nicht beabsichtigt" freiwillig stelle oder sie verweigere. Hier würde Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Im übrigen berücksichtige BSG 6, 175 nicht, daß noch andere Notwendigkeiten zu einer Nachuntersuchung Anlaß geben könnten, zB die Frage der Heilbehandlung oder der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit (Versorgungskrankengeld). Nun habe zwar das LSG der Versorgungsverwaltung die Befugnis offengelassen, innerhalb der Vierjahresfrist des § 86 Abs. 3 BVG eine Nachuntersuchung nach § 62 BVG anzuordnen. Zu Unrecht werde in diesem Fall aber verlangt, daß dem Versorgungsberechtigten klar mitgeteilt werde, es handele sich um eine Nachuntersuchung nach § 62 BVG. Wenn nämlich nach BSG 6, 175 das Umanerkennungsverfahren mit dem Umanerkennungsbescheid abgeschlossen sei, könne eine Nachuntersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG gar nicht in Frage kommen. Die Anordnung der Nachuntersuchung müsse somit dahin verstanden werden, daß eine Nachprüfung unter allen sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten beabsichtigt sei. Hieraus folge, daß sich der Versorgungsberechtigte einer angeordneten Nachuntersuchung nicht unter Hinweis auf den Verzichtsvermerk entziehen dürfe, möge die Aufforderung ohne Angabe von Gründen oder sogar unter Bezugnahme auf § 86 Abs. 3 BVG erfolgt sein. Da der Kläger jede Nachuntersuchung - auch eine solche nach § 62 BVG - verweigere, werde auch seine Rechtsverteidigung nicht erschwert, wenn man sich nachträglich auf § 62 BVG stütze. Im übrigen habe der Kläger auch einer erneut (während des Revisionsverfahrens) ergangenen Aufforderung zur Nachuntersuchung gemäß § 62 BVG keine Folge geleistet, so daß ihm durch Bescheid vom 22. April 1959 die Rente entzogen worden sei.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist außerdem der Ansicht, daß der die Nachuntersuchung betreffende Vermerk im Umanerkennungsbescheid auch eine Untersuchung nach § 62 BVG ausschließe.

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Das Berufungsgericht hat sie sowohl im Tenor als auch in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zugelassen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt wird, die Revision sei, nachdem der Senat keinen Grund gesehen habe, die Revision zuzulassen, nur zulässig, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werde (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Hierbei handelt es sich offensichtlich insofern um ein Versehen des LSG als der Vordruck der Rechtsmittelbelehrung nicht an die ausgesprochene Zulassung angepaßt worden ist (vgl. dazu auch BSG 5, 121, 122 und BSG 10, 269, 270). Die Revision ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher statthaft. In der Sache selbst hatte sie jedoch keinen Erfolg.

Der Rentenentziehungsbescheid vom 25. Mai 1954 ist rechtswidrig. Nach § 63 BVG in der Fassung vor dem Ersten Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 (aF) kann die Rente entzogen werden, wenn ein Rentenempfänger ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung, zu einer ärztlichen Untersuchung zu erscheinen nicht nachkommt oder sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens von ihm geforderten Angaben zu machen, obwohl er auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Nichterscheinen des Klägers zu den vom VersorgA angeordneten Untersuchungsterminen am 11. Dezember 1953 und 18. Februar 1954 geschah nicht ohne triftigen Grund.

Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat (BSG 6, 175; 11, 237; 15, 21) ist eine Neufeststellung der Rente nach § 86 Abs. 3 BVG unzulässig, wenn das Versorgungsamt dem Versorgungsberechtigten im Umanerkennungsbescheid mitgeteilt hat, daß eine Nachuntersuchung nicht mehr beabsichtigt ist. Eine solche Erklärung der Versorgungsverwaltung beinhaltet eine Selbstverpflichtung der Verwaltung zu der sie befugt war; denn sie konnte den medizinischen Sachverhalt in dem Sinne als geklärt erachten, daß Nachuntersuchungen nicht mehr erforderlich seien. Diese Selbstverpflichtung stellt, da sie in einem förmlichen Bescheid an den Versorgungsberechtigten ausgesprochen wird, einen rechtsgestaltenden, den Betroffenen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Sie läßt den Versorgungsberechtigten wissen, die Versorgungsbehörde werde von ihrem Ermessen, im Zusammenhang mit der Umanerkennung eine Nachuntersuchung anzuordnen, keinen Gebrauch machen. Hieraus folgt, daß der Versorgungsberechtigte einer - entgegen der im Umanerkennungsbescheid enthaltenen Erklärung - ergehenden Aufforderung zur Nachuntersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG nicht nachzukommen braucht (vgl. BSG aaO). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Das Revisionsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Annahme der Revision, eine Bindungswirkung der Versorgungsverwaltung an die im Umanerkennungsbescheid enthaltene Erklärung über eine nicht mehr beabsichtigte Nachuntersuchung würde zur Folge haben, daß während des zeitlichen Geltungsbereichs des § 86 Abs. 3 BVG überhaupt keine ärztliche Untersuchung des Versorgungsberechtigten angeordnet werden dürfte, geht fehl. Ein vom VersorgA im Umanerkennungsbescheid ausgesprochener Verzicht auf eine Nachuntersuchung hindert die Versorgungsverwaltung nicht, eine Nachuntersuchung unter anderen Gesichtspunkten - etwa im Hinblick auf § 62 Abs. 1 BVG - beim Versorgungsberechtigten durchzuführen (vgl. BSG aaO). In einem solchen Falle muß die Versorgungsbehörde dem Versorgungsberechtigten jedoch zu erkennen geben, aus welchem Grunde eine Nachuntersuchung angeordnet wird. Eine solche Verpflichtung der Versorgungsbehörde ergibt sich aus dem ohne jede Einschränkung erklärten Verzicht auf weitere Nachuntersuchungen. Diese Erklärung hat zur Folge, daß sich der Versorgungsberechtigte nur solchen ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen braucht, die nicht nach § 86 Abs. 3 BVG durchgeführt werden. Er muß deshalb von der Versorgungsbehörde aufgeklärt werden, wenn diese eine sonstige Untersuchung, die nicht von der bindenden Verzichtserklärung erfaßt wird, durchführen will. Der Senat neigt zu der Auffassung, daß die Versorgungsbehörde auch nach Ablauf der Vierjahresfrist des § 86 Abs. 3 BVG den Versorgungsberechtigten jedenfalls dann über den veränderten Grund der Nachuntersuchung unterrichten muß, wenn zuvor streitig war, ob eine Nachuntersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG wegen eines früher ausgesprochenen Verzichts auf Nachuntersuchung angeordnet werden konnte. Diese Frage brauchte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, da der Sachverhalt - im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens hierzu keine Veranlassung bietet. Der Auffassung der Revision, eine Aufforderung, die nach einem im Umanerkennungsbescheid enthaltenen Nachuntersuchungsverzicht ergehe, könne überhaupt nur dahin verstanden werden, daß sie aus anderen Gründen als nach § 86 Abs. 3 BVG erfolge, kann nicht zugestimmt werden. Zwar schafft die Erklärung im Umanerkennungsbescheid, daß eine Nachuntersuchung nicht mehr vorgesehen sei, die gleiche Rechtslage, die sonst erst entsteht, wenn eine ärztliche Nachuntersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG durchgeführt ist (BSG 6, 175). Das schließt aber nicht aus, daß dennoch eine Nachuntersuchung nach dieser Vorschrift angeordnet oder vorgenommen wird. Dies zeigt der vorliegende Fall ganz deutlich, in dem die Versorgungsbehörde dem Verzicht auf die Nachuntersuchung überhaupt keine rechtliche Bedeutung beigemessen und dem Kläger eine dahingehende Belehrung erteilt hat. Wie sich aus den Schreiben des VersorgA an die ärztliche Dienststelle vom 25. November 1953 und 1. Februar 1954 ergibt, sollte die Nachuntersuchung nur gemäß § 86 Abs. 3 BVG durchgeführt werden. Schließlich greift auch der Einwand der Revision nicht durch, es stelle eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes in Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der Versorgungsberechtigte, der eine Untersuchung verweigere, günstiger gestellt werde als derjenige, der sich ihr unterziehe. Art. 3 Abs. 1 GG steht hier schon deshalb nicht entgegen, weil sich die von der Revision genannten Fälle insoweit wesentlich voneinander unterscheiden, als der eine der ungerechtfertigten Aufforderung folgt, während der andere ihr nicht nachkommt. Auch sonst wird im öffentlichen Recht derjenige, der sich mit einem sachlich nicht gerechtfertigten Verwaltungsakt (VA) zufrieden gibt, objektiv schlechter gestellt als einer, der den VA mit Erfolg anficht. Im übrigen tritt keine ungleiche Behandlung der Versorgungsberechtigten ein, die sich trotz des von der Versorgungsverwaltung im Umanerkennungsbescheid ausgesprochenen Verzichts auf Nachuntersuchung freiwillig einer solchen Untersuchung stellen. Auch wenn ein Versorgungsberechtigter einer Untersuchungsaufforderung nach § 86 Abs. 3 BVG nachkommt, obwohl er hierzu nicht verpflichtet ist, ist die Versorgungsverwaltung nicht berechtigt, die Rente nach § 86 Abs. 3 BVG neu festzustellen (vgl. BSG 11, 237). Nach alledem ist deshalb an der Rechtsprechung des BSG festzuhalten, daß ein Versorgungsberechtigter eine ärztliche Untersuchung nach § 86 Abs. 3 BVG verweigern darf, wenn die Versorgungsverwaltung auf eine Nachuntersuchung im Umanerkennungsbescheid verzichtet hat.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß der Kläger einer Untersuchungsanordnung gemäß § 86 Abs. 3 BVG keine Folge zu leisten brauchte. Der Umanerkennungsbescheid vom 24. September 1951 enthält die Erklärung des VersorgA, eine Nachuntersuchung von Amts wegen sei nicht mehr vorgesehen. Das Nichterscheinen des Klägers zu dem ärztlichen Untersuchungstermin erfolgte mithin aus triftigem Grund (§ 63 BVG aF), wenn für ihn nicht erkennbar war, daß die ärztliche Untersuchung aus einem anderen Gesichtspunkt als nach § 86 Abs. 3 BVG durchgeführt werden sollte. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die vom VersorgA nach § 63 BVG aF erlassene Mitteilung vom 1. Februar 1954 enthält keinen Hinweis, aus welchem Grunde eine ärztliche Untersuchung des Klägers erfolgen solle. In ihr ist andererseits angegeben, daß der Vermerk im Umanerkennungsbescheid vom 24. September 1951 "eine Nachuntersuchung ist von Amts wegen nicht beabsichtigt", an der Rechtskraft dieses Bescheides nicht teilnehme und den Kläger nicht von der Pflicht entbinde, sich nachuntersuchen zu lassen. Aus diesem unzutreffenden Hinweis des VersorgA läßt sich nicht nur nicht entnehmen, daß die Untersuchung des Klägers aus einem anderen Grund als dem des § 86 Abs. 3 BVG erfolgen sollte; vielmehr konnte jeder mit den Versorgungsvorschriften vertraute Berechtigte aus dem Hinweis auf den ohne Nachuntersuchung ergangenen Umanerkennungsbescheid und aus dem Umstand, daß die Vierjahresfrist des § 86 Abs. 3 BVG noch nicht abgelaufen war, schließen, daß eine Untersuchung nach dieser Vorschrift beabsichtigt war. Zumindest brachte die Mitteilung vom 1. Februar 1954 zum Ausdruck, daß das VersorgA eine ärztliche Untersuchung des Klägers in jedem Falle für zulässig erachtete, damit also auch die Durchführung einer Nachuntersuchung zwecks Neufeststellung der Rente nach § 86 Abs. 3 BVG, der sich der Kläger nicht zu unterziehen brauchte. Die Annahme der Revision, ein Hinweis auf den Untersuchungsgrund sei entbehrlich gewesen, weil das Umanerkennungsverfahren auf Grund der im Umanerkennungsbescheid ausgesprochenen Erklärung über den Verzicht einer Nachuntersuchung abgeschlossen gewesen sei und die angeordnete Untersuchung deshalb nur einem anderen Zweck als dem einer Neufeststellung der Rente nach § 86 Abs. 3 BVG dienen konnte, steht in Widerspruch zu der eigenen damals von der Versorgungsbehörde vertretenen Rechtsauffassung und zu den Vorstellungen, die der Kläger zu jener Zeit auf Grund des Verhaltens der Versorgungsbehörde über den Zweck der angeordneten Nachuntersuchung haben konnte und haben mußte. Da der Kläger demnach mit einer ärztlichen Untersuchung aus einem anderen Grunde als nach § 86 Abs. 3 BVG nicht zu rechnen brauchte, erfolgte seine Weigerung, der Untersuchungsaufforderung nachzukommen, aus triftigem Grunde. Der Kläger konnte auch aus dem Widerspruchsbescheid noch nicht entnehmen, daß etwa eine Untersuchung nach § 62 BVG beabsichtigt sei. Dieser Bescheid hat ganz allgemein ausgeführt, daß die "maßgeblichen Vorschriften des § 62 und des § 86 Abs. 3 ... der Versorgungsverwaltung die Verpflichtung" auferlegten, "den Schädigungszustand von Zeit zu Zeit ärztlich nachprüfen zu lassen." Im übrigen hat er sich eingehend mit den Verwaltungsvorschriften zu § 86 Abs. 3 BVG befaßt.

Dem gewonnenen Ergebnis steht ferner nicht entgegen, daß der Beklagte geltend macht, seine Untersuchungsanordnung und Aufforderung habe nachträglich - im Berufungsverfahren - auch auf § 62 BVG gestützt werden können. Die Untersuchungsanordnungen, die jetzt auf § 62 BVG gestützt werden sollen, sind zunächst nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Wie der Widerspruchsbescheid zutreffend festgestellt hat, ist mit diesen Mitteilungen nicht über Versorgungsansprüche entschieden worden. Die andere rechtliche Begründung würde somit den angefochtenen Entziehungsbescheid vom 25. Mai 1954 gar nicht betreffen. Überdies würde es sich bei der nachträglichen Berufung auf § 62 BVG um eine schlechthin unzulässige Änderung des tatsächlichen Sachverhalts anstatt lediglich um eine andere rechtliche Begründung bzw. Änderung der Rechtsgrundlage (vgl. BSG 11, 239) handeln. Im übrigen könnte die Revision aber auch bei Annahme einer den angefochtenen Bescheid betreffenden Änderung der rechtlichen Begründung keinen Erfolg haben. Denn das Nachschieben einer neuen Begründung für einen Verwaltungsakt ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die neue Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen wesentlich verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt wird (BSG 3, 209; 7, 12; 11, 236; 15, 21). Der vom Kläger angefochtene Entziehungsbescheid könnte hiernach mit der neuen vom Beklagten gegebenen Begründung nicht aufrecht erhalten werden, weil eine Umdeutung der bisherigen Untersuchungsaufforderung in eine solche nach § 62 BVG zur Folge hätte, daß sich die Rechtsstellung des Klägers erheblich verschlechtern würde. Wäre die Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung nämlich nach § 62 BVG ergangen, dann hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, den Erlaß des angedrohten Entziehungsbescheides durch Stellung zur Untersuchung abzuwenden. Da es dem Kläger bei einer solchen Umdeutung unmöglich wäre, sein Verhalten nachträglich dem veränderten Sachverhalt anzupassen, ist die vom Beklagten nachgeschobene Begründung nicht zulässig. Denn sie würde eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung des Klägers zur Folge haben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG in BSG 11, 237, in der die Umdeutung eines nach § 86 Abs. 3 BVG ergangenen Bescheides in einen Bescheid nach § 62 BVG für zulässig erachtet wurde. Der in BSG 11, 237 entschiedene Rechtsstreit weicht von dem vorliegenden Fall insoweit wesentlich ab, als dort eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hatte. In jenem Fall war zu prüfen, ob oder inwieweit ein Bescheid, der zunächst auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt war, nachträglich auf § 62 BVG gestützt werden kann. In diesem rechtlich ganz anders gelagerten Fall konnte eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Versorgungsberechtigten verneint werden, weil die Rechtsverteidigung des Versorgungsberechtigten mit Rücksicht auf die nach § 62 BVG zu stellenden größeren Anforderungen nicht erschwert, sondern erleichtert worden war. Die vom Beklagten für die Untersuchungsaufforderung nacherhobene Begründung vermag daher hier die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides nicht zu begründen. Die Entscheidung des LSG stellt sich mithin als richtig dar, so daß die Revision nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen war.

Der neue Entziehungsbescheid vom 22. April 1959 ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, weil die Voraussetzungen des § 171 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380371

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