Orientierungssatz

Postjungbote - Beamtenanwärter - ArVNG Art 2 § 3:

Ob beim Ausscheiden aus einer versicherungsfreien Beschäftigung eine Nachversicherungspflicht entsteht, beurteilt sich, wenn nichts abweichendes bestimmt ist, nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Ausscheidens gilt. Nachversicherungen, die wegen freiwilligen Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung unterblieben sind, sind nur in dem Umfang durchzuführen, in dem eine Verpflichtung hierzu zur Zeit des Ausscheidens bestanden haben würde (vgl BSG 1964-06-23 11/1 RA 70/60 = SozEntsch BSG 6 § 9 Nr 2; BSG 1973-11-28 4 RJ 267/72).

Eine Nachversicherungspflicht für Beamtenanwärter, die deshalb nicht versicherungspflichtig waren, weil sie nicht gegen Entgelt beschäftigt waren - lediglich Unterhaltszuschuß erhielten -, war nach früherem Recht nicht vorgesehen.

 

Normenkette

ArVNG Art. 2 § 3 Abs. 2; RVO § 1232 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; SVAnO 14 Nr. 2c; RVO § 1242a Abs. 1 Fassung: 1945-03-17

 

Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.05.1972)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 1972 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Nachversicherung für die Zeit vom 1. April 1940 bis 31. März 1943 durchzuführen ist, in welcher der Beigeladene als Postjungbote beschäftigt wurde und lediglich Unterhaltszuschuß erhielt.

1947 schied der Beigeladene freiwillig aus dem Postdienst aus. Über seine Nachversicherung für die Zeitspanne von April 1943 bis zu seinem Ausscheiden besteht kein Streit. Erst nach dem März 1943 war er in das Beamtenverhältnis übernommen worden. Die beklagte Landesversicherungsanstalt (Bescheid vom 17. Mai 1971; Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1971) verlangt die Beiträge auch für die Zeit von April 1940 bis März 1943 auf der Grundlage eines Monatsentgelts von 150,- DM - Hinweis auf § 1402 Abs. 2 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) -, obgleich damals Unterhaltszuschüsse nicht als Entgelt (§ 160 RVO) angesehen wurden (dazu Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 12. Juli 1940, Amtliche Nachrichten 1940 II 251).

Das Sozialgericht hat der Klage der Deutschen Bundespost stattgegeben. Seines Erachtens ist für die geforderte Nachversicherung kein Raum, weil der Beigeladene in der in Betracht kommenden Zeit nicht allein wegen Aussicht oder Gewährleistung beamtenrechtlicher Versorgung (§ 1229 Abs. 1 Nrn. 2, 3 RVO), sondern auch deshalb versicherungsfrei gewesen war, weil er kein Arbeitseinkommen hatte (§ 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO).

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte im Einverständnis mit den anderen Beteiligten Revision unmittelbar beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen ihre Bescheide abzuweisen. Sie hält es für unerheblich, ob der Unterhaltszuschuß seinerzeit als Entgelt und somit als für die Beitragspflicht auslösend gegolten habe.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision hat keinen Erfolg. Für die hier streitige Zeit ist der Beigeladene nicht nachzuversichern.

Die Pflicht zur Nachversicherung beim Ausscheiden aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beurteilt sich, wenn Abweichendes nicht bestimmt ist, nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Ausscheidens gilt. Zu diesem Zeitpunkt - im Falle des Beigeladenen mit Ablauf des 30. September 1947 - wäre eine Nachversicherung in jedem Falle deshalb unterblieben, weil der Beigeladene freiwillig das Beamtenverhältnis beendete (Sozialversicherungsanordnung Nr. 14 Nr. 2 c vom 19. Juli 1947). Für den gegenwärtigen Streitfall ist indessen zusätzlich zu beachten, daß der Beigeladene auch sonst - d. h. bei Außerachtlassung der Vorschriften über eine anderweitige Versorgung - nicht versicherungspflichtig gewesen wäre. Denn Voraussetzung der Versicherungspflicht war nach § 165 Abs. 2 RVO die Beschäftigung gegen Entgelt (§ 160 RVO). Daran fehlt es. Der Unterhaltszuschuß, den der Beigeladene seinerzeit erhielt, war kein Entgelt (Amtliche Nachrichten 1940 II, 251). Eine Nachversicherungspflicht bestand somit nach früherem Recht, auch ungeachtet des freiwilligen Austritts aus dem öffentlichen Dienst, nicht.

Die Pflicht zur Nachversicherung ist auch nicht durch das Recht der Rentenversicherungsreform des Jahres 1957 begründet worden. Zwar sieht § 1232 Abs. 2 RVO nunmehr die Nachversicherung für die Zeit eines Vorbereitungsdienstes ohne Rücksicht auf das Entgelt vor. Dieser Rechtsvorteil kommt aber solchen Personen, deren Nachversicherung in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) unterblieben ist, nicht zugute. Für sie bestimmt Art. 2 § 3 Abs. 2 ArVNG, daß sie nur nachzuversichern sind, wenn diese Maßnahme aufgrund des § 1242 a Abs. 1 RVO idF vom 17. März 1945 oder der Sozialversicherungsanordnung Nr. 14 wegen unehrenhaften oder freiwilligen Ausscheidens aus einer versicherungsfreien Beschäftigung unterblieben war. Voraussetzung für die Nachversicherung nach Art. 2 § 3 Abs. 2 ArVNG ist also, daß die früheren Hinderungsgründe ursächlich für das Unterlassen der Nachversicherung gewesen sind. Das aber ist für die hier streitige Zeit nicht der Fall. Die Nachversicherung kam überhaupt nicht in Betracht, mithin auch nicht bloß wegen freiwilligen Ausscheidens aus dem Postdienst.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidung des BSG vom 23. Juni 1964 - 11/1 RA 70/60 - und das Urteil des erkennenden Senats vom 28. November 1973 - 4 RJ 267/72 - Bezug genommen.

Hiernach ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647691

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