Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung bei Untersuchung des privateigenen Personenkraftwagens in der Arbeitsstelle während der Arbeitszeit. keine Arbeitsunfall
Orientierungssatz
1. Der Versicherte, der sein eigenes Fahrzeug an seiner Arbeitsstelle innerhalb der Arbeitszeit reinigt und untersucht, um festzustellen, wo die schadhafte Stelle ist, an der das Öl aus dem Motor austritt, handelt nicht für den Betrieb, sondern eigenwirtschaftlich.
2. Wird der Pkw eines Arbeitnehmers auch für berufliche Zwecke verwendet, so ist er nur dann Arbeitsgerät iS des RVO § 549, wenn er seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen des Arbeitgebers gebraucht wird (vgl BSG 1970-04-29 2 RU 94/67 = VersR 1970, 900).
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 549 Fassung: 1963-04-30, § 550 Abs. 1 Fassung: 1974-04-01
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.04.1978; Aktenzeichen L 2 Kn 103/76) |
SG Köln (Entscheidung vom 14.01.1976; Aktenzeichen S 17 Kn 4/74) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. April 1978 sowie das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Januar 1976 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen zu erstatten, die der Klägerin aus Anlaß des Unfalls des Beigeladenen vom 27. September 1971 entstanden sind, und zwar in der Höhe, in der die Beklagte dem Beigeladenen zur Leistung nach dem Recht der Krankenversicherung verpflichtet war.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung ihrer Kosten, die sie anläßlich eines Unfalls des Beigeladenen vom 27. September 1971 hatte.
Der Beigeladene ist als Schichtingenieur bei einem Kraftwerk beschäftigt. Am 27. September 1971 sollte die Arbeitszeit des Beigeladenen von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr dauern. Auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle bemerkte der Beigeladene, daß die Ölmangelwarnlampe seines (privaten) Pkw aufleuchtete. Der Beigeladene legte trotzdem den restlichen Weg zur Arbeitsstelle zurück und fuhr den Wagen im Kraftwerk, wo er arbeitete, in einen Raum. Während der Arbeitszeit versuchte der Beigeladene, den Motorblock abzuwaschen, um dadurch den Ort der Ölundichtigkeit festzustellen. Es kam zu einer Entzündung der Benzindämpfe und der Beigeladene erlitt Verbrennungen. Er wurde zur stationären Behandlung in die Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten in Gelsenkirchen-Buer gebracht. Die Klägerin forderte am 26. Oktober 1971 die Krankenanstalten auf, das Heilverfahren sofort zu beenden, da ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Die Klägerin erhob in der Folge Forderungen gegen die Beklagte in Höhe von 8.951,93 DM und 27,60 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Januar 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 6. April 1978 die Berufung zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt:
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe bei der Reparatur eines Privatwagens Versicherungsschutz, wenn die Fahrt von oder zur Wohnung bzw Arbeitsstelle ohne die Behebung einer unvorhergesehenen auftretenden Störung nicht fortgesetzt werden könne. Im vorliegenden Falle habe der Beigeladene die Fahrt zur Arbeitsstelle jedoch bereits durchgeführt gehabt. Die Rechtsprechung des BSG dürfe jedoch nicht so verstanden werden, daß die Reparatur nur unter Zurücklegung des gerade begonnenen Weges (Wohnung-Arbeitsstelle oder Arbeitsstelle-Wohnung) dienen solle. Der Arbeitsweg "Wohnung-Arbeitsstelle-Wohnung" müsse als Ganzes gesehen werden. Entscheidend für den Versicherungsschutz sei die Zielrichtung des Handelns, dh, daß der Versicherte die Reparatur eines unverhofft auftretenden Schadens an seinem Kraftfahrzeug ausführe, um den nach Arbeitsende bevorstehenden Heimweg bewältigen zu können. Es brauche auch hier nicht untersucht zu werden, ob es dem Beigeladenen zuzumuten gewesen wäre, das Kraftfahrzeug im Kraftwerk zu belassen und den Heimweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreten, da der Beigeladene erst dabei gewesen sei, die Schadensdiagnose zu stellen, dh festzustellen, ob und wie sehr betriebsunfähig sein Fahrzeug gewesen sei. Da der Beigeladene demnach einen Unfall erlitten habe, als er sein Kraftfahrzeug für den Heimweg habe betriebsbereit machen wollen bzw die Betriebsbereitschaft untersucht habe, habe er dem Versicherungsschutz unterlegen.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und trägt vor: Nicht jede Reparatur, die auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle oder auf dem Rückweg ausgeführt werde, sei versichert. Die Reparatur müsse so dringend gewesen sein, daß ohne sie der restliche Weg nicht hätte bewältigt werden können. Hier hätte sich der Versicherte mit dem Nachfüllen von Öl behelfen können. Die vermutete undichte Stelle in der Ölleitung hätte zu einem späteren Zeitpunkt ausgebessert werden können. Die Reparatur sei also keinesfalls notwendig gewesen, um den Heimweg überhaupt antreten zu können.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Januar 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für gemachte Aufwendungen in Höhe von 8.979,53 DM im Rahmen ihrer Leistungspflicht Ersatz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist begründet.
Gem § 1509a RVO hat die beklagte Krankenkasse zu ersetzen, was sie nach dem Recht der Krankenversicherung hätte leisten müssen, wenn die Klägerin als Träger der Unfallversicherung - wie hier - Leistungen gewährt hat und sich nachträglich herausstellt, daß die Krankheit nicht Folge eines Arbeitsunfalles war. Der Unfall des Beigeladenen vom 27. September 1971 war kein Arbeitsunfall. Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) oder bei einer der Tätigkeit, die in den §§ 548 ff RVO genannt ist. Infrage kommt im vorliegenden Fall nur ein Unfall bei einer versicherten Tätigkeit (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO), bei Hantieren mit einem Arbeitsgerät (§ 549 RVO) oder ein Wegeunfall (§ 550 RVO). Keiner dieser Tatbestände ist jedoch gegeben.
"Bei" einer versicherten Tätigkeit erleidet der Versicherte einen Unfall, wenn zwischen dem Unfall und der Versichertentätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Als der Kläger sein eigenes Fahrzeug an seiner Arbeitsstelle innerhalb der Arbeitszeit reinigte und untersuchte, um festzustellen, wo die schadhafte Stelle sei, an der das Öl aus dem Motor austrete, so handelte er nicht für den Betrieb, sondern eigenwirtschaftlich. Das ist seit Bestehen der RVO in der Rechtsprechung allgemein anerkannt und auch bereits vom BSG entschieden worden (vgl Entscheidung des Reichsversicherungsamts - RVA - vom 9.6.1931 in EuM 30, 320 und insbesondere BSG - Urteil vom 9.12.1964 in BSG SozR Nr 72 zu § 542 RVO aF mit weiteren Nachweisen).
Das Fahrzeug, mit dem der Arbeitnehmer den Weg von zu Hause zur Arbeitsstätte und nach Hause zurücklegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch kein Arbeitsgerät iS von § 549 RVO (vgl BSG aaO und BSG in SozR Nr 35 zu § 543 aF = BSGE 16, 77). Wird der Pkw eines Arbeitnehmers auch für berufliche Zwecke verwendet, so ist er nur dann Arbeitsgerät iS des § 549 RVO, wenn er seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen des Arbeitgebers gebraucht wird (BSG VersR 1970, 900). Das ist vom LSG indes hinsichtlich des Pkw des Klägers ausdrücklich verneint worden, ohne daß insoweit von der Beklagten Gegenrügen erhoben worden sind.
Zu der Zeit, als der Beigeladene sich an seinem Kraftfahrzeug zu schaffen machte und als der Unfall geschah, befand er sich im Betrieb und nicht auf dem Weg zur Arbeitsstätte oder von der Arbeitsstätte nach Hause. Da § 550 Abs 1 RVO einen Weg von der Arbeitsstätte oder zur Arbeitsstätte voraussetzt, scheidet diese Vorschrift als Grundlage für eine Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ebenfalls aus.
Da somit die Klägerin nicht zur Leistung gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet war, hat sie, soweit sie die Behandlung der auf den Unfall vom 27. September 1971 zurückgehenden Erkrankung des Beigeladenen bezahlt hat, Leistungen erbracht, zu denen die Beklagte verpflichtet war. Daß der Beigeladene in der Knappschaftlichen Krankenversicherung versichert war, ist unter den Beteiligten nicht streitig.
Die Klägerin hat daher gegen die Beklagte den Ersatzanspruch nach § 1509a RVO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1, 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen