Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision. Übertragung/Begründung von Rentenanwartschaften. Versorgungsausgleich. formelle und materielle Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zustimmung des Gegners bei der Sprungrevision.
2. Der Versicherungsträger muß ein rechtskräftiges Urteil des Familiengerichts, mit dem durch Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften unter Mißachtung des in § 1587b Abs 5 BGB, § 1304a Abs 1 S 4 RVO (= § 83a Abs 1 S 4 AVG) festgelegten Höchstbetrags übertragen und begründet worden sind, als wirksam gegen sich gelten lassen, jedenfalls dann, wenn er am familiengerichtlichen Verfahren beteiligt war.
Normenkette
SGG § 161 Abs 1 S 1; AVG § 83a Abs 1; RVO § 1304a Abs 1 S 4; BGB § 1587b Abs 1; BGB § 1587b Abs 2; BGB § 1587b Abs 3; BGB § 1587b Abs 5; FGG § 53b Abs 2 S 1, § 53g Abs 1; ZPO § 621a Abs 1
Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 20.12.1989; Aktenzeichen S 6 An 2982/86) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) den beim Versorgungsausgleich für die Übertragung/Begründung von Rentenanwartschaften festgelegten Höchstbetrag auch beachten muß, wenn dieser im Verfahren vor dem Familiengericht, an dem sie beteiligt war, durch rechtskräftiges Urteil überschritten worden ist.
Die am 1. März 1922 geborene Klägerin bezog von der BfA seit 1983 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Im Mai 1983 erbat das Amtsgericht T. - Familiengericht - von der Beklagten eine Auskunft über die nach § 1587a Abs 2 Nr 1 oder 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die Klägerin (Ehefrau und Antragstellerin jenes Verfahrens) auszugleichende Versorgung; als Ehezeit wurde der Zeitraum Oktober 1944 bis März 1983 angegeben. Die Beklagte beantwortete das Ersuchen dahin, daß die auf die Ehezeit entfallende Rentenanwartschaft der Klägerin aus der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeiter monatlich 105,60 DM betrage, bei einer Ehedauer von 462 Monaten sich nach § 83a Abs 1 Satz 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ein Höchstbetrag von 2.319,20 DM ergebe und eine Begründung von Rentenanwartschaften unter Berücksichtigung der auf die Ehezeit entfallenden Rentenanwartschaft ohne Leistungsanteile aus der Höherversicherung damit nur noch bis zu einem Betrag von 2.213,60 DM zulässig sei (Hinweis auf § 1587b Abs 5 BGB). Außerdem teilte sie mit, daß bis Ende der Ehezeit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 163,-- DM gezahlt worden sei. Durch das am 23. Februar 1984 verkündete Endurteil des Familiengerichts wurde die Ehe der Klägerin mit Dr. med. Friedrich N. geschieden. Zugleich übertrug das Familiengericht von dem ebenfalls bei der BfA bestehenden Versicherungskonto des Ehemannes auf das Konto der Klägerin Rentenanwartschaften in Höhe von 149,25 DM, bezogen auf den 31. März 1983, und es begründete zu Lasten der für den Ehemann bei der Bayerischen Versicherungskammer - Bayerische Ärzteversorgung - (Beigeladene) bestehenden Versorgungsanwartschaften auf dem Versicherungskonto der Klägerin Rentenanwartschaften in Höhe von 1.852,05 DM aus der am 31. März 1983 abgelaufenen Ehezeit. Dieses Urteil wurde der Beklagten, die neben den Eheleuten Beteiligte jenes Verfahrens war, am 1. März 1984 zugestellt. Es gelangte im Verwaltungsgang der Beklagten erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Akte der Klägerin und ist seit dem 3. April 1984 rechtskräftig. Anträge der Klägerin und der Beklagten auf Berichtigung des Urteils dahingehend, daß der begründete Rentenanwartschaftsbetrag auf 1.664,35 DM begrenzt werde und der überschießende Anspruch von 187,70 DM gemäß § 1587f Nr 2 BGB schuldrechtlich auszugleichen sei, wies das Familiengericht durch Beschluß vom 26. April 1985 als unbegründet zurück, weil kein Rechenfehler und keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit iS von § 319 Abs 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) vorliege.
Mit dem streitigen Bescheid vom 28. September 1984 stellte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin mit Wirkung vom 1. Juni 1984 aufgrund des Versorgungsausgleichs neu fest mit dem Hinweis, die begründeten Rentenanwartschaften könnten nicht voll berücksichtigt werden, sondern nur mit dem sich aus § 83a Abs 1 Satz 1 bis 3 AVG ergebenden Höchstbetrag, so daß sich der Betrag von 1.852,05 DM um 187,70 DM auf 1.664,35 DM vermindere.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück: Zwar seien Rentenanwartschaften entsprechend dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts T. übertragen und begründet worden; es handele sich aber um eine "noch wandelbare" Rentenanwartschaft, so daß der Rentenversicherungsträger den gesetzlich vorgeschriebenen Höchstbetrag bei der Rentenfestsetzung beachten müsse (Widerspruchsbescheid vom 20. November 1986).
Während des anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens wandelte die Beklagte durch Bescheid vom 6. März 1987 die Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung vom 1. März 1987 in das Altersruhegeld um, wobei sie wiederum die Begrenzung der begründeten Rentenanwartschaften auf den Höchstbetrag vornahm.
Das Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Klage mit dem Antrag, bei der Feststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente sowie des Altersruhegeldes die durch Versorgungsausgleich begründeten Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 1.852,05 DM zu berücksichtigen, durch Urteil vom 20. Dezember 1989 abgewiesen. Aus § 83a Abs 1 Sätze 1, 3 und 4 AVG ergebe sich, daß der Rentenversicherungsträger auch aufgrund rechtskräftig begründeter Rentenanwartschaften ermittelte Werteinheiten nur bis zum Höchstbetrag berücksichtigen dürfe; deshalb brauche er gegen ein familiengerichtliches Urteil, das lediglich wegen unterlassener Begrenzung auf den Höchstbetrag rechtswidrig sei, kein Rechtsmittel einzulegen. Das SG hat die Sprungrevision im Tenor seines Urteils zugelassen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und der Revisionsschrift einen Schriftsatz der Beklagten vom 18. Mai 1987 beigefügt, in dem diese angeregt hatte, wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfrage die Sprungrevision nach § 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuzulassen, und wo es weiter heißt: "Wir geben schon jetzt unsere Zustimmung zur Sprungrevision. Die Klägerin wird gebeten, im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens sich entsprechend zu verhalten." In der Sache selbst rügt die Klägerin eine Verletzung des § 325 Abs 1 ZPO durch die Vorinstanz. Das Urteil des Familiengerichts sei ein Gestaltungsurteil mit rechtsbegründender Wirkung, das die Beklagte, die es versäumt habe, rechtzeitig ein Rechtsmittel einzulegen, gegen sich gelten lassen müsse. Im übrigen sei ein schuldrechtlicher Ausgleich des überschießenden Anspruchs in Höhe von 187,70 DM im Hinblick auf das Urteil des Amtsgerichts nicht möglich, abgesehen davon, daß dem früheren Ehemann der Klägerin das Ruhegeld der Beigeladenen entsprechend den begründeten Anwartschaften gekürzt werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Dezember 1989 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 28. September 1984 und vom 6. März 1987 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1986 zu verurteilen, bei der Neufeststellung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und der Feststellung des Altersruhegeldes die durch Versorgungsausgleich begründeten Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 1.852,05 DM zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die Entscheidung des Familiengerichts habe keine präjudizierende Wirkung. Nach der gesetzlichen Formulierung sei der Rentenversicherungsträger primär Adressat bei der Beachtung des Höchstbetrages und nicht verpflichtet, die fehlerhafte Entscheidung des Familiengerichts auszuführen, sondern zu deren Korrektur verpflichtet.
Die Beigeladene tritt der Revisionsbegründung der Klägerin bei und bestätigt, daß das Ruhegeld des früheren Ehemannes der Klägerin seit Mai 1984 in Höhe des zum Ende der Ehezeit begründeten Anrechts von monatlich 1.852,05 DM gekürzt werde.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig.
Nach § 161 Abs 1 Satz 1 SGG steht den Beteiligten gegen das Urteil eines SG die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie - wie im vorliegenden Rechtsstreit geschehen - vom SG ua im Urteil zugelassen wird. In diesem Fall ist die Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen (aaO Satz 3).
Die zum Nachweis für die Zustimmungserklärung der Beklagten der Revisionsschrift beigefügte Ausfertigung des an das SG gerichteten Schriftsatzes der BfA vom 18. Mai 1987 genügt diesen Anforderungen. Daß die Erklärung, auf die sich die Klägerin beruft, bereits vor Erlaß des sozialgerichtlichen Urteils abgegeben worden ist, schadet nicht (BSGE 12, 236 = SozR Nr 14 zu § 161; BVerwGE 14, 259). Auch das Erfordernis der Schriftform der Erklärung ist erfüllt. Dabei kann offenbleiben, ob eine (einfache) Kopie des die Erklärung enthaltenden Schriftstückes genügt (bejahend: BSGE 20, 154 = SozR Nr 17 zu § 161 SGG), oder ob dann zusätzlich eine Unterschrift zu verlangen ist (so Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 161 Anm 4 unter Hinweis auf BGHZ 92, 76, wonach es an der Unterschrift fehlt, wenn Rechtsanwalt Übereinstimmung nur beglaubigt hat). Denn hier ist in dem von der Klägerin eingereichten Schriftsatz der Beklagten vom 18. Mai 1987 der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk versehen. Dies entspricht der gesetzlichen Schriftform. Das hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GemS) mit Beschluß vom 30. April 1979 - 1/78 (SozR 1500 § 164 Nr 14) zur Revisionsbegründung einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder einer Behörde entschieden und darauf hingewiesen, daß § 126 BGB auf Prozeßhandlungen nicht anwendbar sei; nichts anderes kann für die Zustimmungserklärung gelten, die ebenfalls Prozeßhandlung ist.
Allerdings muß die Zustimmungserklärung mit hinreichender Deutlichkeit ergeben, daß nicht (nur) der Zulassung, sondern (auch) der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt wird (BSG SozR 2200 § 160 Nrn 3, 5), zumal wenn - wie hier - die Erklärung schon vor Erlaß des SG-Urteils abgegeben wurde. Denn in der vom Zeitpunkt ihres Eingangs beim Gericht an nicht mehr widerrufbaren Zustimmung liegt ein Verzicht auf die Berufung, sofern und sobald der Gegner Revision eingelegt hat (vgl § 161 Abs 5 SGG), und die Zustimmung birgt damit das weitere Risiko in sich, den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt grundsätzlich nicht mehr in Frage stellen zu können (vgl § 161 Abs 4 SGG). Indessen betrifft die Zustimmungserklärung der Beklagten in dem erwähnten Schriftsatz, die als Prozeßhandlung auslegungsfähig ist, auch die Einlegung der Revision. Denn dort hat die Beklagte zunächst (gegenüber dem Gericht) "angeregt", die Sprungrevision nach § 161 Abs 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfrage zuzulassen, um dann in einem besonderen Absatz fortzufahren, daß sie "schon jetzt (ihre) Zustimmung zur Sprungrevision" gebe. Dies und der Zusatz, die Klägerin werde gebeten, im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens sich entsprechend zu verhalten, kann nur so verstanden werden, daß die Beklagte nicht lediglich ihr - im übrigen unerhebliches - Einverständnis mit der Revisionszulassung durch das Gericht erklärt, sondern für sich bereits abschließend die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision durch den Prozeßgegner erteilt hat. Auf eine (mit der Revisionsschrift ebenfalls eingereichte) Zustimmungserklärung der Beigeladenen kommt es nicht an (GemS in SozR 1500 § 161 Nr 18).
Die Revision ist auch statthaft, soweit sie nur die Höhe der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, also insoweit die Höhe der Rente für im Zeitpunkt der Revisionseinlegung bereits abgelaufene Zeiträume betrifft (§ 146 SGG; hierzu SozR 1500 § 146 Nr 14: Berufung auch ausgeschlossen, wenn die Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente aus denselben Gründen beanstandet wird wie beim anschließenden Altersruhegeld). Die Statthaftigkeit der Sprungrevision setzt nämlich nicht voraus, daß auch die Berufung zulässig ist (SozR 1500 § 161 Nr 11; vgl auch SozR 1500 § 150 Nrn 9, 13, 21; im Ergebnis ebenso, wenngleich mit anderer Begründung: SozR 1500 § 161 Nr 15).
Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, bei der Neufeststellung der der Klägerin gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente sowie der Berechnung des seit dem 1. März 1987 gewährten Altersruhegeldes die neubegründeten Rentenanwartschaften in Höhe von 1.852,05 DM - also unbegrenzt - zu berücksichtigen. Der Anspruch der Klägerin auf diese Berechnung und Erhöhung ihrer Renten folgt aus dem rechtskräftigen Urteil des Familiengerichts T. , mit dem für sie wirksam, wie im einzelnen noch darzulegen sein wird, ua Rentenanwartschaften in dieser Höhe begründet worden sind.
Entsprechend der allgemeinen Vorschrift des § 32 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz AVG, wonach die für den Versicherten maßgebende (persönliche) Rentenbemessungsgrundlage bei der Rentenberechnung höchstens bis zum Doppelten der im Jahr des Versicherungsfalles geltenden allgemeinen Bemessungsgrundlage berücksichtigt wird, soll § 83a Abs 1 Satz 3 AVG verhindern, daß ein Versicherter durch den Versorgungsausgleich zusammen mit den bei ihm bereits vorhandenen Rentenanwartschaften mehr an Rentenanwartschaften erhält als 200 vH der allgemeinen Bemessungsgrundlage. Dabei ist nach Satz 4 aaO Höchstbetrag der Betrag, der sich ergibt, wenn die für das Kalenderjahr, in dem der Versicherungsfall als eingetreten gilt (Ende der Ehezeit iS von § 1587 Abs 2 BGB), bestimmte allgemeine Bemessungsgrundlage mit der Zahl der auf die Ehezeit entfallenden Kalendermonate und dem Faktor 0,0002083 (der sich aus der geltenden Rentenformel ableitet) vervielfältigt wird. § 83a Abs 1 AVG gilt entsprechend, wenn aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts Rentenanwartschaften nach § 1587b Abs 2 BGB (erst) begründet worden sind (sogenanntes Quasi-Splitting bei einer Versorgungsanwartschaft gegenüber einer der in § 6 Abs 1 Nr 2 § 8 Abs 1 AVG genannten Körperschaften und Verbände). Unter diese Bestimmung fällt zwar der frühere Ehemann der Klägerin als Ausgleichsverpflichteter nicht; nach § 1 Abs 3 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - vom 21. Februar 1983 (BGBl I 105) gelten aber (da keine Realteilung stattfindet und sich das auszugleichende Anrecht gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger richtet) die Vorschriften über den Ausgleich von Anrechten aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (Quasi-Splitting) sinngemäß (sogenanntes analoges Quasi-Splitting).
Den rentenrechtlichen, die Begrenzung auf den Höchstbetrag regelnden Vorschriften entspricht das an das Familiengericht gerichtete Postulat des § 1587b Abs 5 BGB: Der Monatsbetrag der nach Abs 1 zu übertragenden oder nach Abs 2, 3 zu begründenden Rentenanwartschaften in den gesetzlichen Rentenversicherungen darf zusammen mit dem Monatsbetrag der in den gesetzlichen Rentenversicherungen bereits begründeten Rentenanwartschaften des ausgleichsberechtigten Ehegatten den in § 1304a Abs 1 Satz 4, 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO), § 83a Abs 1 Satz 4, 5 AVG bezeichneten Höchstbetrag nicht übersteigen.
Diese Begrenzung hat das Familiengericht T. in seinem Urteil vom 23. Februar 1984 nicht beachtet. Es hätte, wie der von ihm vorher eingeholten Auskunft der Beklagten zu entnehmen, zu Lasten der für den früheren Ehemann Dr. N. bei der Beigeladenen bestehenden Versorgungsanwartschaften auf dem Versicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten keine - wenngleich rechnerisch zusammen mit den übertragenen Rentenanwartschaften die Hälfte des Wertunterschiedes nach § 1587a Abs 1 BGB ausmachende - Rentenanwartschaft in Höhe von 1.852,05 DM begründen dürfen, sondern diesen Betrag um 187,70 DM vermindern und somit auf 1.664,35 DM begrenzen müssen.
Gleichwohl ist die Begründung der Rentenanwartschaften auf dem bei der Beklagten bestehenden Versicherungskonto der Klägerin in voller Höhe wirksam geworden. Die Beklagte ist gemäß § 53b Abs 2 Satz 1 des auf das Verfahren über den Versorgungsausgleich gemäß § 621a Abs 1 ZPO grundsätzlich anwendbaren Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG; "in den Fällen des § 1587b Abs 1, 2 BGB") am Verfahren vor dem Familiengericht beteiligt gewesen. Dies ergibt sich daraus, daß die Entscheidung des Familiengerichts über die Übertragung und Begründung von Rentenanwartschaften rechtsgestaltende Wirkung hat und unmittelbar in die Rechtsposition der Rentenversicherungsträger eingreift (vgl BSGE 66, 53, 57 = SozR 2200 § 1304a Nr 16 mwN). Als Beteiligter hätte die Beklagte gemäß § 621e iVm § 621 Abs 1 Nr 6 ZPO gegen das Endurteil des Familiengerichts, soweit über den Versorgungsausgleich entschieden worden ist, Beschwerde einlegen können, wobei die Beschwerdeberechtigung (Beschwer) iS von § 20 FGG in Fällen der Überschreitung des Höchstbetrages nach § 83a Abs 1 Satz 4 AVG immer vorliegt. Das ist jedoch aus den im Sachverhalt wiedergegebenen Gründen nicht geschehen. Deshalb ist das familiengerichtliche Urteil (da auch kein anderer Beteiligter Beschwerde eingelegt hat) rechtskräftig und mit der (formellen) Rechtskraft wirksam geworden (§ 53g Abs 1 FGG). Gleichzeitig ist es in materielle Rechtskraft erwachsen (BSGE aaO mwN).
Die Rechtskraft des familiengerichtlichen Urteils muß die Beklagte gegen sich gelten lassen. Sie kann sich jedenfalls dann, wenn sie im Verfahren vor dem Familiengericht beteiligt gewesen ist, nicht auf das Verbot der Überschreitung der Grenzen des § 83a Abs 1 Satz 4 AVG berufen. Das zwar unrichtige, aber rechtskräftige und mit rechtsgestaltender Wirkung ausgestattete Urteil ist stärker als die gesetzliche Regelung, gegen die es verstößt. Die in der Revisionserwiderung vorgetragene Rechtsauffassung der Beklagten, der Gesetzgeber wäre, wenn er die Begrenzung des § 83a Abs 1 Satz 4 AVG hätte ausschalten wollen, gehalten gewesen, dies zu verdeutlichen, verkennt die Bedeutung eines Gestaltungsurteils. Es hätte - umgekehrt - dem Gesetzgeber obgelegen, die Wirksamkeit eines die bezeichnete Höchstgrenze mißachtenden Urteils (teilweise) zu korrigieren, wenn dies von ihm beabsichtigt gewesen wäre.
Für die soeben dargelegte Rechtsauffassung des Senats sprechen im übrigen die vergleichbaren Vorschriften zum Versorgungsausgleich im Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) nebst Gesetzesmaterialien. Nachdem zunächst der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992 vorgesehen hatte, § 1587b Abs 5 BGB zu streichen (BT-Drucks 11/4124 S 128 zu Art 51 Nr 3b des Entwurfs; hierzu die Begründung aaO S. 234: "Nachdem im Rentenrecht keine Notwendigkeit mehr besteht, an der bisherigen Höchstbegrenzung für Rentenwerte festzuhalten, kann hierauf auch im Versorgungsausgleich verzichtet werden. Zugleich wird dadurch der Anwendungsbereich des sozialpolitisch nach wie vor unbefriedigenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs weiter eingeschränkt"), ist dann durch den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) diese Änderung rückgängig gemacht und die bisherige Höchstbetragsregelung beibehalten worden (vgl BT-Drucks 11/5490 S. 60 zu Art 1 § 75 Abs 2 des Entwurfs, S. 182 zu Art 51; BT-Drucks 11/5530 S. 44 zu Art 1 § 75 des Entwurfs). Gesetz geworden ist schließlich § 76 (Zuschläge oder Abschläge bei Versorgungsausgleich), wo es in Abs 2 Satz 3 heißt: "Der Zuschlag an Entgeltpunkten darf zusammen mit den in der Ehezeit bereits vorhandenen Entgeltpunkten den Wert nicht übersteigen, der sich ergibt, wenn die Anzahl der Kalendermonate der Ehezeit durch sechs geteilt wird; eine Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften ist nur bis zu dem entsprechenden Höchstbetrag wirksam." Dementsprechend sieht Art 58 Nr 3b RRG 1992 eine Änderung des § 1587b BGB dahin vor, daß in Abs 5 die Worte § 1304a Abs 1 Satz 4, 5 RVO, § 83a Abs 1 Satz 4, 5 AVG durch die Worte "§ 76 Abs 2 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch" ersetzt werden.
Damit ist für das künftige, ab 1992 geltende Recht eine Regelung geschaffen worden, die jede (gerichtliche) Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften über den Höchstbetrag hinaus unwirksam macht. Dies bedeutet, daß dann (auf Antrag eines Ehegatten) der schuldrechtliche Versorgungsausgleich hinsichtlich des überschießenden Betrages ermöglicht wird (vgl § 1587f Nr 2 BGB). Für die Klägerin des anhängigen Rechtsstreits bestünde dagegen, bliebe es bei der klageabweisenden Entscheidung der Vorinstanz, unter den gegebenen Verhältnissen auch keine Möglichkeit, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich geltend zu machen. Denn zum einen hat, wie ausgeführt, das Familiengericht eine rechtskräftige Entscheidung über die volle "Ausgleichshälfte" des § 1587a Abs 1 BGB bereits getroffen, zum anderen ist dem früheren Ehemann der Klägerin das von der Beigeladenen gewährte Ruhegeld in Höhe des Anrechts von monatlich 1.852,05 DM gekürzt worden. Träfe die Auffassung des SG und der Beklagten zu, so wären also zwar dem früheren Ehemann der Klägerin Versorgungsanwartschaften genommen worden, ohne bei der Klägerin entsprechend hohe Rentenanwartschaften zu begründen, und dies, obgleich die Klägerin durch das familiengerichtliche Urteil möglicherweise formell nicht beschwert, jedenfalls aber zunächst nicht ersichtlich benachteiligt war, während das Familiengericht durch seine unrichtige Entscheidung und die Beklagte durch ihr Versäumnis die Rechtsposition der Klägerin geschmälert hätten.
Nach alledem mußte die Revision der Klägerin Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1, Abs 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1661836 |
NJW 1991, 3237 |