Leitsatz (amtlich)
Stirbt eine Witwe, ohne Anspruch auf die Witwenrente erhoben zu haben so steht den Rechtsnachfolgern kein Anspruch auf "Rente für das Sterbevierteljahr" zu (Anschluß BSG 1961-10-18 4 RJ 325/60 = BSGE 15, 157).
Normenkette
RVO § 1545 Fassung: 1924-12-15, § 1268 Abs. 5 Fassung: 1957-02-23, § 1288 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 1960 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter deren Anspruch auf "Leistungen für das Sterbevierteljahr" (§ 45 Abs. 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) geltend machen kann.
Der Vater des Klägers bezog von der Beklagten bis zu seinem Tod ein Ruhegeld. Er starb am 25. November 1959. Die Mutter des Klägers wurde am 26. November 1959 tot aufgefunden. Sie ist nach dem Tod ihres Ehemannes noch lebend gesehen worden. Der Kläger beantragte nach dem Tode seiner Mutter die Gewährung von "Rente für das Gnadenvierteljahr". Die Beklagte lehnte den Antrag ab; die Klage wurde abgewiesen. Das Sozialgericht (SG) führte zur Begründung aus, die Witwenrente der Mutter des Klägers hätte erst mit dem Ablauf des Monats, in dem der Versicherte gestorben sei, beginnen können (§ 67 AVG), also im Dezember 1959. Zu dieser Zeit sei die Mutter aber bereits tot gewesen. Weil kein Anspruch auf Witwenrente entstanden sei, könne auch an dessen Stelle kein Anspruch auf Leistungen für das Sterbevierteljahr treten. Im übrigen würden sämtliche Renten, also auch Witwenrenten, nur bis zum Ende des Sterbemonats des Berechtigten gezahlt (§ 71 AVG).
Das SG ließ die Berufung zu. Der Kläger legte Sprungrevision ein und beantragte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Leistungen für das Sterbevierteljahr zu gewähren. Er rügte eine unrichtige Anwendung der §§ 45 Abs. 5, 67, 71 AVG.
Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Sprungrevision ist zulässig, aber unbegründet.
Selbst wenn - nach der Meinung des Klägers und entgegen der Annahme des SG - der Anspruch der Witwe auf Rente und damit auch auf die Leistungen für das Sterbevierteljahr nach § 45 Abs. 5 AVG bereits mit dem Tod des Versicherten entstanden sein sollte, so wäre dieser Anspruch nicht vererblich, weil er zu Lebzeiten der Witwe nicht erhoben worden ist. Ein etwaiger Anspruch auf Leistungen aus der Rentenversicherung geht nur dann auf Rechtsnachfolger - gleichgültig, ob Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 65 AVG oder ob Erben - über, wenn der ursprünglich Berechtigte noch vor seinem Tod den Anspruch geltend gemacht hat. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits anläßlich einer früheren Entscheidung aus dem Wortlaut und Sinn der Vorschrift in § 65 Abs. 2 AVG gefolgert (BSG 15, 157). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung der Rechtslage an. Die Leistungen der Rentenversicherung werden grundsätzlich nur auf Antrag gewährt; sie sind geltend gemacht, wenn der Antrag bei einem deutschen Versicherungsträger oder einer deutschen Behörde eingegangen ist (§ 204 AVG i. V. m. §§ 1545, 1613 der Reichsversicherungsordnung). Nach dem Tod des Berechtigten gibt es keine Einleitung des Verfahrens mehr, sondern nur eine Fortsetzung (ebenso Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 6. Aufl., S. 734 a); dies dann, wenn der verstorbene Versicherte oder Hinterbliebene den Anspruch zuvor erhoben hatte (§ 65 Abs. 2 AVG). Wenn der Erblasser nicht durch ein Gesuch kundgetan hat, daß er eine bestimmte Leistung vom Versicherungsträger fordert, ist der Anspruch in seiner Hand verblieben; erklärt er nicht zu Lebzeiten seine Aufforderung zur Leistung, so geht - ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen sie unterblieben ist, - das Recht mit seinem Tode unter, ein vererbliches Vermögensrecht ist dann nicht vorhanden. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, ob er - als Kläger auftretende - Rechtsnachfolger Erbe ist oder zu den Sonderrechtsnachfolgern des § 65 AVG gehört. Der Erbe hat insoweit keine günstigere Stellung; er kann nur erhalten, was auch ein Sonderrechtsnachfolger erhalten würde. Beide - Sonderrechtsnachfolger und Erbe - vermögen nicht das Verfahren für einen Verstorbenen nach dessen Tod erstmalig in Gang zu setzen. Diese Auslegung des § 65 Abs. 2 entspricht, wie das BSG in seiner schon erwähnten Entscheidung ebenfalls dargelegt hat, den Besonderheiten der gesetzlichen Rentenversicherung. Aus diesem Grunde können Vergleiche mit dem Beamtenrecht, wie sie der Kläger anstellt, zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Regelung in § 45 Abs. 5 AVG mag zwar durch ähnliche Regelungen im Beamten- und Versorgungsrecht veranlaßt worden sein, doch hat sie im Recht der Rentenversicherung, insbesondere hinsichtlich der Vererblichkeit des Anspruchs eine eigene Ausgestaltung erfahren.
Die Mutter des Klägers hat anläßlich des Todes ihres Ehemannes keine Leistungen aus der Rentenversicherung beantragt. Der Kläger kann das nicht nachholen; sein jetziger Antrag wird vom Gesetz nicht gestützt.
Auch die Begründung, mit der die Beklagte und das SG den Antrag des Klägers abgelehnt haben, dürfte rechtlich zutreffend sein. Eine Entscheidung darüber ist jedoch nicht erforderlich, weil die vom Senat angestellten Erwägungen bereits zur Zurückweisung der Revision führen (§§ 170 Abs. 1, 193 des Sozialgerichtsgesetzes).
Fundstellen