Leitsatz (redaktionell)

Die Änderung des DV § 31 Abs 5 BVG § 2 durch die Verordnung vom 1969-08-19 ist nicht lediglich als eine Klarstellung eines schon bisher bestehenden Rechtszustandes anzusehen, sie ist vielmehr eine echte Rechtsänderung, mit der der Verordnungsgeber nunmehr, nachdem die Rechtsprechung nach DV § 2 aF die getrennte Punktbewertung nach den lokalen Funktionsfällen abgelehnt hat (vergleiche BSG 1965-10-28 8/11 RV 572/63 = BSGE 24, 76) ausdrücklich eine hiervon abweichende (neue) Regelung getroffen hat.

Auch die so geänderte DV über die Punktbewertung hält sich im Rahmen der Ermächtigungsnorm des BVG § 31 Abs 5.

 

Normenkette

BVG § 31 Abs. 5 Fassung: 1966-12-28; BVG§31Abs5DV § 2 Fassung: 1969-08-19

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. März 1965 und das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1968 aufgehoben, soweit dem Kläger eine Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe II für die Zeit nach dem 1. September 1969 zugesprochen worden ist, Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückgewiesen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesenen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger erhält wegen folgender als Schädigungsfolgen anerkannter Gesundheitsstörungen eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H.:

1. Ausgedehnte Verletzung des linken Hirn- und Gesichtsschädels mit Knochenverlust im Bereich des Stirnbeins, der Augenhöhle und des Oberkiefers. Plastische Deckung des Stirnbeindefektes, Gesichtsentstellung, Teilverlust der rechten Ohrmuschel, Gesichtshautnarbenbildung rechts und links, Gesichtsweichteilstecksplitter, linksseitige Kaumuskelschwäche, Gefühllosigkeit der linken Gesichtshälfte, Geruchsverlust links, Geruchsminderung rechts, Geschmacksverlust, Hirnschädigung mit latenter Halbseitenschwäche rechts, Hirnleistungsschwäche mittleren Grades, Kopfschmerzneigung.

2. Verlust des linken Auges. Tränensackeiterung links.

3. Trommelfellresiduen beiderseits nach Mittelohreiterung. Kombinierte leichtgradige Schwerhörigkeit rechts für das Tongehör und links für das Sprach- und Tongehör.

4. Nasenscheidewandverbiegung rechts mit Leistenbildung links.

5. Ausgedehnte Plastiknarben linker Oberarm, linke Brustseite, linke Leiste mit Knochendefekt des linken Dammbeinkammes.

6. Kleine Narben ohne Funktionsstörungen linke Halbseite, linker Oberarm, rechte Schulter, rechtes Knie.

7. Beschädigung der Zähne 1, 2, 5, 6 des linken Oberkiefers sowie des 5. und 6. Zahnes im linken Unterkiefer.

Seinen Antrag, ihm eine Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Abs. 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zu bewilligen, lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 9. Juli 1963 ab, weil die Schädigungsfolgen des Klägers nicht die erforderliche Mindestzahl von 130 Punkten nach der Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 31 Abs. 5 BVG vom 17. April 1961 erreichten. Das Versorgungsamt ging hierbei von folgender Berechnung aus:

Organsystem Kopf

: MdE 50%

=       

50 Punkte

Psychische Störungen

: MdE 50%

=       

50 Punkte

Organsystem Sehen

: MdE 30%

=       

15 Punkte

zusammen:

115 Punkte.

Für Schäden am Geruchssinn, linken Arm, rechten Arm, rechten Bein, Stamm, Gehör und Verdauung wurde keine Punktzahl eingesetzt.

Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 15. Januar 1964)

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Landesmedizinaldirektor Dr. Sch, S, als Sachverständigen gehört. Dr. Sch hat folgende Bewertung vorgeschlagen:

1. Schäden am Organsystem Kopf

: MdE 50%

=       

50 Punkte

2. Schäden am Organsystem Sehen

: MdE 30%

=       

15 Punkte

3. Schäden am Organsystem Arm

: MdE 20%

=       

10 Punkte

4. Schäden am Organsystem Hirn

:       

im Organbereich I

: MdE 70%

=       

70 Punkte

im Organbereich II

: MdE 40%

=       

20 Punkte

zusammen:

165 Punkte.

Das SG hat dem Kläger darauf mit Urteil vom 13. März 1965 die Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe II zugesprochen.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt, soweit er zur Gewährung der Schwerstbeschädigtenzulage nach der Stufe II verurteilt worden ist. Er hat der Punktbewertung des Dr. Sch widersprochen. Für die Schäden am Arm dürften keine Punkte angesetzt werden, da die Teil-MdE hierfür nur 20 v. H. betrage. Der Hirnbereich II dürfe nicht gesondert erfaßt werden, da Auswirkungen von Schäden eines Organsystems an einem anderen Organsystem bei demjenigen zu bewerten seien, das in seiner Funktion beeinträchtigt sei. Die für die Stufe II erforderliche Mindestzahl von 160 Punkten sei danach nicht erreicht. Der Beklagte hat sich bereit erklärt, dem Kläger ab 1. Mai 1963 die Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe I (für die mindestens 130 Punkte notwendig sind) zu gewähren.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat ein Gutachten des Landesmedizinaldirektors Dr. C, Düsseldorf, eingeholt. Dieser Sachverständige ist davon ausgegangen, daß in der Punktbewertung Übereinstimmung bestehe beim Organsystem Kopf (50 Punkte), beim Sehen (15 Punkte) und beim Hirnbereich I (70 Punkte), womit eine Gesamtzahl von 135 Punkten erreicht werde. Im übrigen vertrat er die Auffassung, daß die objektivierte Halbseitenschwäche rechts und die Schäden im Hirnbereich II mit einer MdE von je 30% eingestuft werden müßten, so daß noch zweimal 15 = 30 Punkte zusätzlich gerechtfertigt seien. Hierdurch werde eine Gesamtpunktzahl von 165 erreicht.

Auch der Bewertung dieses Sachverständigen ist der Beklagte entgegengetreten; seiner Ansicht nach ist eine besondere Erfassung des Hirnbereichs II nicht gerechtfertigt.

Das LSG hat durch Urteil vom 10. Oktober 1968 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 15. März 1965 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt:

Dem Kläger standen nach der Punktbewertung aufgrund der DVO zu § 31 Abs. 5 BVG (idF vom 17. Juli 1964) über die unstreitigen 135 Punkte hinaus noch weitere Punkte in einer Höhe zu, die mindestens die Punktzahl für die Stufe II von 160 erreichte. Die MdE für den Augenverlust links sei mit der bisherigen MdE von 30 v. H. zu niedrig bewertet; ... für das Organsystem Sehen sei eine MdE von 40 v. H. anzunehmen, so daß hierfür (nicht 15, sondern) 20 Punkte anzusetzen seien. Die von dem Hirnbereich II ausgehenden Gesundheitsstörungen, die nach dem Gutachten des Dr. Sch eine Teil-MdE von 40 v. H. verursachten, seien ebenfalls mit 20 Punkten zu berücksichtigen. Damit seien die für die Stufe II erforderlichen Punkte erreicht.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte legte fristgemäß und formgerecht Revision ein mit dem Antrag,

das Urteil des SG Düsseldorf vom 15. Mai 1965 und das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1968 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte rügt, das LSG habe § 2 Abs. 2 und 3 DVO zu § 31 Abs. 5 BVG idF vom 17. Juli 1964 unrichtig angewendet. Gegen die Erhöhung des Punktansatzes für das Organsystem "Sehen" und damit gegen den Gesamtansatz von 140 Punkten sei nichts einzuwenden. Das LSG habe aber dem Kläger zu Unrecht den Funktionsbereich II des Gehirns für die Punktbewertung zur Feststellung der Schwerstbeschädigtenzulage mitberücksichtigt. Die Bewertung der Schädigung des Funktionsbereichs I (Wesensbildung und geistige Leistung) mit einer MdE von 70 v. H. = 70 Punkte sei nicht zu beanstanden. Dagegen sei die vom LSG vorgenommene Punktbewertung für die Schädigung des Organsystems "Hirnbereich II" (zentralnervale Störungen) nicht gerechtfertigt, weil die bei dem Kläger als Schädigungsfolge anerkannte Halbseitenschwäche rechts bei richtiger Anwendung des § 2 Abs. 2 DVO nicht bei dem Hirnbereich II, sondern bei den Organen - hier: rechter Arm und rechtes Bein - zu erfassen sei, bei denen die Halbseitenschwäche eine Beeinträchtigung der Funktion bewirkt habe. Ein Punktesatz wegen der Schäden an diesen Körperteilen komme jedoch nicht in Betracht, weil keiner dieser Schäden eine MdE von wenigstens 25 v. H. bedinge (§ 2 Abs. 3 Satz 2 DVO).

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, daß § 2 Abs. 2 der DVO zu § 31 Abs. 5 BVG durch die Zweite Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Verordnung zur Durchführung des § 31 Abs. 5 BVG vom 19. August 1969 (BGBl I Nr. 84 S. 1352) mit Wirkung vom 1. September 1969 geändert worden ist. Ihnen wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.

II

Die Revision des Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist jedoch nur teilweise begründet.

Streitig ist, ob dem Kläger eine Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe II zusteht, weil - wie er geltend macht - seine Schädigungsfolgen nach der Verordnung zur Durchführung des § 31 Abs. 5 BVG (nicht nur mit 140 Punkten, wie der Beklagte meint, sondern) mit mindestens 160 Punkten zu bewerten sind (§ 5 DVO).

Die Entscheidung der streitigen Frage hängt davon ab, wie die "Halbseitenschwäche rechts" als Schädigungsfolge an dem Gehirnbereich II des Klägers (zentral-nervale Funktion) bei der Punktbewertung zu erfassen ist. Die Halbseitenschwäche fällt nämlich jedenfalls dann nicht "punktemäßig" ins Gewicht, wenn sie bei Punktbewertung nach § 2 DVO (nicht dem Gehirnbereich II zuzuordnen, sondern) auf die Organe - hier rechter Arm und rechtes Bein - aufzugliedern ist, bei denen sie eine Beeinträchtigung der Funktion bewirkt hat, die aber jeweils (nur) eine MdE von weniger als 25 v. H. bedingt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 DVO). Hiervon ist der Beklagte, der sich insoweit auf das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 18. Mai 1961 (DVBl S. 70 Nr. 41) gestützt hat, ausgegangen; er ist damit zu dem Ergebnis gekommen, daß - bei der seiner Ansicht nach notwendigen getrennten Erfassung der von dem Gehirnbereich II ausgehenden lokalen Funktionsbeeinträchtigungen - die für die Stufe II erforderlichen 160 Punkte nicht erreicht seien. Das LSG hat eine solche Aufteilung der vom Hirnbereich II ausgehenden Schädigungsfolgen und ihre Erfassung "an den Orten der funktionellen Auswirkung" als unzulässig angesehen; es hat die bei dem Kläger vorliegende und anerkannte Halbseitenschwäche rechts als eine (zusammengefaßte) Schädigungsfolge, die ihren Sitz im Hirnbereich II hat, angesehen und (einheitlich) mit einer MdE von 40 v. H. bewertet. Es ist dadurch zum Ansatz weiterer 20 Punkte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 DVO) und damit zur Errechnung von mindestens 160 Punkten, also zur Bejahung der Voraussetzungen der Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe II gekommen (§ 5 DVO). Soweit das LSG - gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch - für die zusammenfassende Bewertung der vom Hirnbereich II ausgehenden Gesundheitsstörungen eine Teil-MdE von 40 v. H. angenommen hat, sind hiergegen zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden (§ 163 SGG).

Die Entscheidung des LSG ist, soweit der Anspruch des Klägers nach der DVO zu § 31 Abs. 5 idF vom 17. Juli 1964 (BGBl I 489), also für die Zeit vor dem 1. September 1969 zu beurteilen ist, nicht zu beanstanden. Für die spätere Zeit ergibt sich jedoch aufgrund der DVO idF (der Zweiten Verordnung zur Änderung und Ergänzung der DVO des § 31 Abs. 5 BVG) vom 19. August 1969 (BGBl I 1352) eine andere Rechtslage, die vom Berufungsgericht noch nicht berücksichtigt werden konnte, aber nunmehr vom Revisionsgericht zu berücksichtigen ist. Die Auffassung des LSG - zu § 2 DVO idF vor der Änderungsverordnung vom 19. August 1969 - steht im Einklang mit der, die der erkennende Senat bereits in dem Urteil vom 28. Oktober 1965 (8/11 RV 552/63) vertreten hat. Der Senat hat dort zum Ausdruck gebracht, daß er bei der Punktberechnung die getrennte Bewertung von Folgen (Symptomen) ein und derselben Hirnschädigung, also die Erfassung an den Orten der funktionellen Auswirkung (Differenzierung entsprechend den jeweiligen lokalen Funktionsausfällen), nicht für zulässig halte. Er sieht sich auch gegenüber den Ausführungen der Revision nicht veranlaßt, hiervon abzuweichen. Er verbleibt bei der Ansicht, daß sich für eine solche, von der Gesamtbetrachtung des Leidens abgehende und die physiologischen Zusammenhänge vernachlässigende Betrachtungsweise in dem (bisherigen) Wortlaut des § 2 DVO (aF) keine hinreichende Stütze findet.

Durch die Zweite Verordnung zur Änderung und Ergänzung der DVO des § 31 Abs. 5 BVG vom 19. August 1969 (BGBl I 1352) hat § 2 DVO eine andere Fassung erhalten. Es heißt nunmehr in § 2 Abs. 2 Satz 1: "Auswirkungen von Schäden eines Organsystems an Gliedmaßen oder an anderen Organsystemen werden bei den Gliedmaßen oder an Organsystemen bewertet, die in ihrer Funktion geschädigt sind; zu den Organsystemen gehören nach Absatz 3 u. a. Gehirnbereich I (Funktion der Wesensbildung und der geistigen Leistung)". Diese Änderung des § 2 DVO läßt nunmehr den Willen des Verordnungsgebers eindeutig erkennen, daß bei der Punktbewertung als Maßstab für die Stufeneinteilung der Schwerstbeschädigtenzulage von der "funktionsbezogenen Differenzierung" auszugehen ist, wie sie der Beklagte - und der BMA - auch nach der bisherigen Vorschrift für richtig gehalten hat (vgl. Rundschreiben BMA vom 18. Mai 1961 - BVBl S. 70 Nr. 42). Diese Änderung ist aber nicht lediglich als eine "Klarstellung" eines schon bisher bestehenden Rechtszustandes anzusehen, sie ist vielmehr eine echte Rechtsänderung, mit der der Verordnungsgeber nunmehr, nachdem die Rechtsprechung nach § 2 DVO in der früheren Fassung die getrennte Punktbewertung nach den lokalen Funktionsausfällen abgelehnt hat, ausdrücklich eine hiervon abweichende (neue) Regelung getroffen hat. Auch die so geänderte DVO über die Punktbewertung hält sich im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 31 Abs. 5 BVG, nach der die Bundesregierung durch Rechtsverordnung "den Personenkreis, der durch seine Schädigungsfolgen außergewöhnlich betroffen ist, sowie seine Einordnung in die Stufen I bis V näher zu bestimmen hat". Das Ausmaß dieser Ermächtigung ist hinreichend bestimmt; es wird der Bundesregierung ein "Programm" an die Hand gegeben, aus dem die Grenzen der von ihr zu erlassenen Regelungen ersichtlich sind. Nach der Ermächtigungsnorm des § 31 Abs. 5 BVG hat es der Bundesregierung obgelegen, ein System zu schaffen, nach dem das Ausmaß der schädigungsbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigung Schwerstbeschädigter für die Zuordnung in fünf Stufen zu bewerten ist. Für eine solche Einordnungsregelung mußte dem Verordnungsgeber schon wegen der Vielheit der zu ordnenden Tatbestände und der Schwierigkeit ihrer Differenzierung naturgemäß eine weitgehende Gestaltungsfreiheit überlassen werden.

Auch soweit der Verordnungsgeber sein Punktbewertungssystem (in § 2) in dem dargelegten Sinne geändert hat, ist dies durch die Ermächtigungsnorm gedeckt. Der Verordnungsgeber hat mit dieser Änderung erreichen wollen, daß bei der Punktbewertung nicht von der leidensbezogenen umfassenderen "Schädigungsfolge", sondern von dem "Leidenszustand in seiner differenziert-funktionellen gesundheitlichen Auswirkung" ausgegangen wird; es soll der Zustand der Versehrtheit nach Funktionseinheiten, nicht in einer physiologischen Gesamtbetrachtung (Leiden X), bewertet werden. Er ist der Auffassung, daß es für die Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage, ungeachtet physiologischer Zusammenhänge, primär auf das Ausmaß der Versehrtheit, mithin auf die Funktionsausfälle in ihren jeweiligen lokalen Auswirkungen auf den Körper und dessen Funktionseinheiten ankomme; mögen diese Funktionsausfälle auch von ein und derselben Hirnbeschädigung ausgehen - medizinisch gesehen also deren Symptome sein -, so seien sie (punktgemäß) so zu behandeln, als seien sie durch voneinander unabhängige Schädigungen hervorgerufen. Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Beklagte meint - nur diese Betrachtungsweise eine sachgerechte Bewertung des Ausmaßes der Versehrtheit im Rahmen des Gesamtsystems der Schwerstbeschädigtenzulage gewährleistet oder eine andere Lösung, in allen Fällen zu einer "gerechten Einstufung" zu gelangen, möglich und zweckmäßiger wäre; außerhalb des Rahmens seiner Gestaltungsfreiheit liegt die Regelung des Verordnungsgebers jedenfalls nicht.

Diese geänderte Berechnungsweise (Erfassung der lokalen Funktionsbeeinträchtigungen) kann sich zwar im Einzelfall - wie im Falle des Klägers - für den Schwerstbeschädigten ungünstig auswirken (so wenn nur weniger bedeutungsvolle, eine MdE von 25 v. H. nicht erreichende lokale Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen); sie stellt aber nicht allgemein eine Verschlechterung dar; sie führt im Ergebnis zu einer günstigeren Berechnung, wenn außer nur lokalen Auswirkungen noch andere Schäden vorhanden sind, die im Gehirnbereich II (zentral) zu erfassen sind (z. B. Krampfanfälle), da für das Organsystem Hirnbereich II eine über 100 v. H. hinausgehende MdE nicht angenommen werden kann. Insofern wirkt sie sich gerade für die am schwersten Betroffenen günstiger aus (vgl. auch Goetz in KOV 1966 S. 41, 42). Danach erweist sich die Entscheidung des LSG, die auf der Anwendung der DVO zu § 31 Abs. 5 BVG idF vor der Verordnung vom 19. August 1969 beruht, als zutreffend, soweit dem Kläger die Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe II für die Zeit bis zum 31. August 1969 zugesprochen worden ist. Insoweit war die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen. Über den Anspruch für die Zeit nach dem 1. September 1969, der nach der DVO in der neuen Fassung zu beurteilen ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Insoweit hat das LSG nicht die erforderlichen Tatsachen festgestellt - und von seinem Rechtsstandpunkt aus auch nicht feststellen müssen -, die die Beurteilung des Anspruchs nach dem geänderten Rechtszustand ermöglichen. Es bedarf noch der Feststellung, zu welchen Auswirkungen die vom Gehirnbereich II ausgehende Schädigungsfolge geführt hat und wie diese nach dem Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind. Insoweit muß zunächst das LSG entscheiden, ob von dem Ermittlungsergebnis des Beklagten auszugehen ist oder ob dies durch andere Feststellungen zu ersetzen ist. Soweit der Anspruch für die Zeit nach dem 1. September 1969 streitig ist, war daher die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, daß der Teilerfolg der Revision des Beklagten (nur) auf eine inzwischen eingetretene Rechtsänderung zurückzuführen ist.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670431

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