Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit von sechs Wochen.
Der Kläger war seit Dezember 1995 arbeitslos. Seitdem bezog er mit Unterbrechungen Leistungen von der Beklagten. Nach einer Zeit ohne Leistungsbezug meldete er sich am 27. Januar 1999 erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Daraufhin schlug ihm der zuständige Arbeitsberater die Teilnahme an einer im Zeitraum 1. Februar 1999 bis 23. April 1999 von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt D.… GmbH durchzuführenden Trainingsmaßnahme für gewerblich technische Berufe vor; ein entsprechendes Angebot mit vorgedruckter Rechtsfolgenbelehrung wurde dem Kläger ausgehändigt. Zum Maßnahmebeginn am 1. Februar 1999 erschien der Kläger nicht; vielmehr teilte er der Beklagten mit Schreiben vom 3. Februar 1999 sinngemäß die Ablehnung der Trainingsmaßnahme mit. Bei einer Vorsprache im Arbeitsamt am 10. Februar 1999 erklärte der Kläger ausdrücklich, er lehne eine Teilnahme an der Maßnahme ab.
Mit Bescheid vom 10. August 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei eine Sperrzeit vom 1. Februar bis 14. März 1999 eingetreten; während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alhi. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1999).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. November 2000). In den Gründen hat das SG auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen und ua ausgeführt, die Rechtsfolgenbelehrung entspreche den Anforderungen, dem Arbeitslosen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die ohne wichtigen Grund erfolgte Ablehnung einer Trainingsmaßnahme habe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die angebotene Trainingsmaßnahme unrechtmäßig sei. Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter des Landessozialgerichts (LSG) den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2001 auf § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Der Kläger hat sich in der Folgezeit wiederholt in mehrseitigen Schriftsätzen gegenüber dem LSG geäußert. Das LSG hat ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss der Berufsrichter vom 18. Juni 2001 die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. In den Gründen hat es ua ausgeführt, das Rechtsmittel sei durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG zurückzuweisen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden seien. Die Berufung werde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen und es werde von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs 2 SGG abgesehen. Ergänzend sei hervorzuheben, dass es sachgerecht gewesen sei, dem Kläger nach einer Zeit ohne Leistungsbezug die Teilnahme an der Maßnahme vorzuschlagen. Die Teilnahme unterliege zwar der persönlichen Entscheidungsfreiheit des Klägers, bei Nichtteilnahme ohne wichtigen Grund habe er aber die Rechtsfolge der Sperrzeit zu tragen. Die vom Kläger fortlaufend angeführten immer neuen Gründe, mit denen er im Nachhinein die Nichtteilnahme zu rechtfertigen versuche, seien rechtlich nicht bedeutsam.
Mit der durch das Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das LSG habe ohne mündliche Verhandlung entschieden, ohne dass er sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt habe. Ihm sei daher das rechtliche Gehör abgeschnitten worden. Seine Einwände und Auffassungen hätten nicht mehr geltend gemacht werden können und seien auch nicht in den angefochtenen Beschluss eingeflossen. Darüber hinaus werde gerügt, dass die Beklagte den Kläger in eine Trainingsmaßnahme habe zwingen wollen, die rechtlich nicht zulässig sei. Er unterliege nicht der Schulpflicht, habe aber an einer Schulung teilnehmen sollen, die exakt dem entspreche, was Schülern abverlangt werde. Auch verstoße das verlangte videogestützte Bewerbungstraining gegen datenrechtliche Grundsätze und gegen sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Der angefochtene Beschluss des LSG gehe auch zu Unrecht davon aus, er sei zutreffend belehrt worden und ein geschilderter Störfall (Betriebsstörung auf dem Gelände eines in der Nähe gelegenen D.… Recyclingunternehmens) sei ohne Bedeutung.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des LSG vom 18. Juni 2001 und das Urteil des SG vom 28. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, ihre Entscheidung sei rechtmäßig. Insoweit werde auf deren zutreffende Begründung Bezug genommen.
Die Beteiligten haben jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des LSG sowie der Zurückverweisung begründet.
Ob die Rüge der Revision, das LSG habe dem Kläger nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt, durchgreift oder nicht, kann dahinstehen. Denn der angefochtene Beschluss ist bereits deshalb aufzuheben, weil die tatsächlichen Feststellungen des LSG keine abschließende Entscheidung darüber zulassen, ob der Alhi-Anspruch des Klägers in der Zeit vom 1. Februar bis 14. März 1999 wegen Eintritts einer Sperrzeit geruht hat.
Nach § 144 Abs 1 Nr 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) tritt eine Sperrzeit ein, wenn sich der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert hat, ua an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Das LSG hat diesen Tatbestand als gegeben angesehen, insoweit auf das Urteil des SG Bezug genommen und ergänzend hervorgehoben, es sei sachgerecht gewesen, dem Kläger die Teilnahme an der von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt D.… GmbH durchzuführenden Trainingsmaßnahme vorzuschlagen; die vom Kläger für die Nichtteilnahme angeführten Gründe seien rechtlich nicht bedeutsam.
Die Rechtsfolgenbelehrung ist allerdings entgegen der Ansicht der Revision wirksam gewesen. Nach den Feststellungen des SG, die sich das LSG durch die nach § 153 Abs 2 SGG zulässige Bezugnahme in den Entscheidungsgründen zu Eigen gemacht hat, hat die Beklagte den Kläger zutreffend über die Auswirkungen einer Ablehnung der Trainingsmaßnahme auf seinen Leistungsanspruch informiert. Ohne Erfolg macht die Revision demgegenüber geltend, die Rechtsfolgenbelehrung sei unrichtig gewesen, weil der Kläger nicht darüber belehrt worden sei, dass er die Trainingsmaßnahme wegen Aufnahme einer Arbeit abbrechen dürfe. Sie macht damit geltend, die Rechtsfolgenbelehrung zu den in § 144 Abs 1 Nr 4 SGB III geregelten Sachverhalten – Sperrzeit wegen Maßnahmeabbruch oder Ausschluss von einer Maßnahme (vgl BSGE 84, 270, 276 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19) – sei unrichtig gewesen. Der Senat muss hier nicht entscheiden, ob überhaupt und ggf unter welchen Voraussetzungen der Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Nr 3 SGB III wegen einer unterbliebenen oder unrichtigen Rechtsfolgenbelehrung zu § 144 Abs 1 Nr 4 SGB III ausgeschlossen ist. Hier ist der Kläger ausweislich der in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Rechtsfolgenbelehrung auch auf die Folgen des Abbruchs der Maßnahme und der Veranlassung zum Ausschluss hingewiesen worden. Die Rechtsfolgenbelehrung musste aber keinen ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass eine Arbeitsaufnahme ein wichtiger Grund für den Abbruch der Maßnahme sein kann. Die Entscheidung hierüber muss der Beurteilung des konkreten Einzelfalls vorbehalten bleiben.
Ob eine Sperrzeit eingetreten ist, hängt damit maßgeblich davon ab, ob die angebotene Trainingsmaßnahme für den Kläger zumutbar war. Abzustellen ist insoweit auf die Umstände des Einzelfalles, wobei es auf die Inhalte und die konkrete Ausgestaltung der angebotenen Maßnahme ankommt (vgl BSG SozR 3-4465 § 3 Nr 1 S 3; Niesel, SGB III, 2. Aufl, § 144 RdNr 88; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 144 RdNr 40 ff). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz in § 49 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594) nähere Bestimmungen zur Förderbarkeit von Trainingsmaßnahmen trifft. Es differenziert diese nach drei unterschiedlichen Inhalten, legt für jede der so bezeichneten Maßnahmen eine in der Regel einzuhaltende Höchstdauer der Förderfähigkeit (§ 49 Abs 2 Satz 2 SGB III) und eine Höchstdauer der Förderbarkeit von Trainingsmaßnahmen von insgesamt zwölf Wochen (§ 49 Abs 2 Satz 4 SGB III) fest. Nähere tatsächliche Feststellungen zur konkreten Ausgestaltung der dem Kläger angebotenen Trainingsmaßnahme und zur zeitlichen Dauer einzelner Inhalte lassen sich jedoch weder dem angefochtenen Beschluss des LSG noch dem erstinstanzlichen Urteil, auf dessen Gründe das LSG Bezug genommen hat, entnehmen. Damit ist es dem Senat nicht möglich, die Frage des Eintritts der Sperrzeit abschließend zu beurteilen.
Das LSG wird die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben, um sodann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darüber zu entscheiden, ob die angebotene Maßnahme für den Kläger zumutbar war. Hierbei ist allerdings nicht dem Vorbringen des Klägers zu folgen, eine Unzumutbarkeit folge bereits aus der angeblichen Unzulässigkeit eines videogestützten Bewerbungstrainings oder unter dem Gesichtspunkt eines in der Nähe aufgetretenen Störfalls.
Außerdem erhält das LSG Gelegenheit, neben dem die Sperrzeit feststellenden Bescheid vom 10. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 1999 auch die weiteren Bescheide, mit denen die Bewilligung von Alhi für die fragliche Zeit ausdrücklich oder sinngemäß abgelehnt worden ist, in die Entscheidung einzubeziehen und auf eine sachgerechte Antragstellung – kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage – hinzuwirken (vgl BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 S 63).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen