Leitsatz (amtlich)
Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Soziale Sicherheit vom 25.4.1961 erstreckt sich nicht auf die Tbc-Bekämpfung nach § 1244a RVO.
Normenkette
RVO § 1244a; SozSichAbk GRC
Tenor
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 1972 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger trug als Träger der Sozialhilfe die Kosten der stationären Tuberkulosebehandlung des Versicherten in der Zeit vom 16. August 1963 bis 16. April 1964. Der Versicherte besitzt die griechische Staatsangehörigkeit. Für ihn sind in der Zeit vom 18. März bis 31. Juli 1963 in der Bundesrepublik Deutschland Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet worden. Während dieser Zeit war er auch bei der beigeladenen Allgemeine Ortskrankenkasse versichert. Die beklagte Landesversicherungsanstalt lehnte die Übernahme der Kosten für die Heilstättenbehandlung ab, weil die von dem Versicherten in Griechenland zurückgelegten Versicherungszeiten vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1962 im Rahmen des § 1244 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) den deutschen Versicherungszeiten nicht hinzugerechnet werden dürften und er deshalb die Voraussetzungen für Leistungen nach dieser Vorschrift nicht erfülle.
Mit der Klage begehrt der Kläger Erstattung des von ihm aufgewendeten Betrages in Höhe von 4.030,70 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 24. Februar 1970).
Durch Urteil vom 8. Februar 1972 hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und stattdessen die Beigeladene verpflichtet, dem Kläger die vorbezeichneten Kosten zu erstatten. In den Gründen der Entscheidung ist ua. ausgeführt: Der Anspruch gegen die Beigeladene ergebe sich aus § 59 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) i. V. m. den §§ 182 ff RVO. Die Beklagte sei dagegen zur Kostenerstattung nicht verpflichtet, weil die Voraussetzungen des § 1244 a Abs. 2 RVO nicht erfüllt seien. Der Versicherte könne nur dann als versichert im Sinne dieser Vorschrift gelten, wenn zu den deutschen Versicherungszeiten die in Griechenland zurückgelegten Versicherungszeiten hinzugerechnet würden. Insoweit komme es auf das am 1. November 1963 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Soziale Sicherheit vom 25. April 1961 (- Abk. -, BGBl II 1963, 679) an. Nach Art. 57 des Abk. komme eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten für die Zeit vor dem 1. November 1963 von vornherein nicht in Betracht. Das Abk. habe keine rückwirkende Geltung. Im übrigen werde die Tuberkulosehilfe des § 1244 a RVO, die der Bekämpfung der Tuberkulose als Volksseuche diene, von dem Abk. nicht erfaßt. Leistungen der Tuberkulosehilfe seien dort nicht ausdrücklich erwähnt. Eine analoge Anwendung der Art. 5, 12, 28 und 33 des Abk., die der Kläger im Hinblick auf Art. 2 und 36 des Abk. für möglich halte, scheide aus. Es sei üblich, daß für Leistungen eigener Art, wie es die der Tuberkulosehilfe seien, in zwischenstaatlichen Abkommen besondere Regelungen getroffen würden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beigeladene mit der Revision. Sie hält eine Zusammenrechnung deutscher und griechischer Versicherungszeiten für geboten.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des LSG vom
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 24. Februar 1970 zurückzuweisen.
Der Kläger und die Beklagte beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie berufen sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Die Revision der Beigeladenen hat keinen Erfolg, sie ist zur Kostenerstattung verpflichtet.
Die Beigeladene kann die Erstattung der Kosten für die Tuberkulosebehandlung des Versicherten nicht mit der Begründung verweigern, daß eine Leistungspflicht der Beklagten bestanden habe. Eine solche Verpflichtung wäre nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn in der Person des Versicherten die Voraussetzungen des § 1244 a Abs. 2 RVO erfüllt gewesen wären. Zu Recht beruft sich die Beklagte jedoch darauf, daß der Versicherte - im Rahmen des § 1244 a RVO - weder die Wartezeit erfüllt habe noch in den letzten 24 Monaten vor Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit wenigstens für die Dauer von sechs Kalendermonaten versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei (vgl. § 1244 a Abs. 2 RVO). In der Bundesrepublik sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Für den Versicherten sind hier - nach den Feststellungen des LSG - lediglich in der Zeit vom 18. März bis 31. Juli 1963 Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden. Eine Hinzurechnung griechischer Beiträge kommt nicht in Betracht, insbesondere enthält das Abk. keine derartige Regelung.
Der erkennende Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß die Tuberkulosehilfe nach § 1244 a RVO nicht der sozialen Sicherheit, wie sie begrifflich zu verstehen ist, zugerechnet werden kann, sondern zu dem besonderen System zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volksseuche gehört (vgl. das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 29. März 1973 - 4 RJ 275/72 -). Zwischenstaatliche Abkommen über Soziale Sicherheit erstrecken sich daher in der Regel nicht auf Maßnahmen der Tuberkulosebekämpfung nach § 1244 a RVO. Eine solche Ausweitung ist auch nicht erforderlich, weil der Träger der Krankenversicherung - falls ein Anspruch nach § 1244 a RVO nicht besteht - regelmäßig für die notwendige Versorgung der Versicherten einzutreten hat (vgl. BSG aaO).
Aber selbst wenn man die Maßnahmen nach § 1244 a RVO als Sozialversicherungsleistungen - und damit als solche der sozialen Sicherheit - ansehen wollte, gelangt man zu dem Ergebnis, daß griechische und deutsche Versicherungszeiten im Rahmen der Tuberkulosehilfe nicht zusammengerechnet werden können. Sieht man diese Maßnahmen als Sozialversicherungsleistungen bei Krankheit an, so ist auf die Art. 12 ff des Abk. abzustellen. Zur Frage der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten im Falle der Krankheit schreibt Art. 12 Abs. 1 des Abk. vor, daß die in der Krankenversicherung der beiden vertragsschließenden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet werden, soweit sie sich nicht überschneiden. Anders als in Art. 16 EWG-VO Nr. 3 - dort wird für Leistungen bei Krankheit die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten schlechthin angeordnet - ist also auf Versicherungszeiten einer bestimmten Art - der Krankenversicherung - abgestellt. § 1244 a RVO nimmt demgegenüber Bezug auf Zeiten in der Rentenversicherung. Solche Zeiten werden von Art. 12 Abs. 1 des Abk. nicht erfaßt (vgl. auch BSG aaO). - Die Vorschriften über die "Rentenversicherungen" sind in den Art. 28 ff des Abk. enthalten. Dieser Begriff ist definiert als "Versicherungen für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen". Die Tuberkulosehilfe kann schon dem Wortlaut nach hier nicht eingeordnet werden. Selbst wenn man es täte, würde dies in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zu einer Zusammenrechnung griechischer und deutscher Rentenversicherungszeiten führen. Eine Addition von Versicherungszeiten ist nach Art. 28 iVm Art. 33 ausschließlich "für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Rentenanspruchs" vorgesehen. Hinsichtlich anderer Leistungen des Rentenversicherungsträgers ist diese Möglichkeit nicht eingeräumt, insbesondere ist die Tuberkulosehilfe nach § 1244 a RVO nicht erwähnt. Die bei zwischenstaatlichen Abkommen gebotene enge Auslegung - vgl. das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 24. Januar 1973 - 4 RJ 59/72 - führt zu dem Ergebnis, daß sich das Abkommen nicht auf die Tuberkulosehilfe nach § 1244 a RVO erstreckt. Dem steht Art. 5 des Abk. nicht entgegen. Dort ist bestimmt, daß die in Art. 3 genannten Personen, "die sich im Hoheitsgebiet einer der beiden Vertragsparteien gewöhnlich aufhalten", Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften jeder der beiden Vertragsparteien zu gewährenden Leistungen der sozialen Sicherheit haben. Dieser Anspruch griechischer Staatsangehöriger wird durch die vorbezeichnete Interpretation nicht beeinträchtigt. Sie werden - wenn man die Leistungen nach § 1244 a RVO überhaupt der sozialen Sicherheit zuordnen will - ebenso behandelt wie deutsche Staatsangehörige; für diese ist ebenfalls im Rahmen des § 1244 a RVO eine Anrechnung ausländischer Versicherungszeiten nicht vorgesehen (vgl. auch das bereits erwähnte Urteil vom 29. März 1973).
Die Entscheidung des LSG, daß die Beigeladene zur Kostenerstattung verpflichtet sei, ist frei von Rechtsfehlern. Der Träger der Sozialhilfe ist nur subsidiär zur Hilfeleistung verpflichtet (vgl. § 59 Abs. 1 BSHG). Nach Absatz 2 Satz 2 hat die "verpflichtete Stelle" die dem Träger der Sozialhilfe entstandenen Kosten zu erstatten. Der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung - dies ist in dem vorliegenden Fall die Beigeladene - hat das zu ersetzen, was er nach dem Recht der Krankenversicherung hätte leisten müssen. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs sind von der Beigeladenen keine Einwendungen erhoben worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen