Leitsatz (amtlich)

Das Abk Österreich SV vom 1951-04-21 erstreckt sich nicht auf die Tuberkulose-Bekämpfung nach RVO § 1244a.

 

Normenkette

RVO § 1244a Abs. 2 Fassung: 1959-07-23, Abs. 7 S. 3 Fassung: 1959-07-23, Abs. 9 Fassung: 1959-07-23; SVAbk AUT Art. 1 Fassung: 1951-04-21, Art. 7 Fassung: 1951-04-21, Art. 17 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1951-04-21

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 21. Juni 1972 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 1971 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat der Beigeladenen die Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin - die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) B - verlangt von der Beklagten - der Landesversicherungsanstalt (LVA) B - Ersatz der Kosten, die sie anläßlich der stationären Tuberkulosebehandlung der Beigeladenen - in der Zeit vom 28. April bis zum 28. Juli 1966 - aufgewendet hat.

Die Beigeladene besitzt die österreichische Staatsangehörigkeit. Für sie sind in der Zeit vom 15. Dezember 1965 bis zum 19. April 1966 in der Bundesrepublik Deutschland Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet worden. Zuvor war sie nach ihren Angaben jeweils mehrere Monate in Belgien und in Österreich pflichtversichert.

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Kostenerstattung verurteilt (Urteil vom 22. September 1971). Die Berufung der Beklagten ist durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 21. Juni 1972 zurückgewiesen worden. In den Gründen ist u. a. ausgeführt: Die Klägerin habe mit der der Beigeladenen bewilligten Heilbehandlung eine Aufgabe der Beklagten erfüllt. Diese sei nach § 1244 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet gewesen, der Beigeladenen wegen ihrer aktiven behandlungsbedürftigen Tuberkulose stationäre Heilbehandlung zu gewähren. Zwar seien die Mindestversicherungszeiten nach § 1244 a Abs. 2 RVO in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllt, jedoch müßten deutsche und österreichische Versicherungszeiten zusammengerechnet werden. Dies folge aus Art. 17 Satz 1 des Ersten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung vom 21. April 1951 (Abk. - BGBl. II 1952, 317), dessen Geltung in Berlin sich aus dem Gesetz vom 4. November 1954 (GVBl. 1954, 619) ergebe. In Art. 17 Satz 1 des Abk. sei bestimmt, daß bei Versicherten, die in beiden Vertragsstaaten versichert waren, nicht nur für die Erfüllung der Wartezeit und für die Erhaltung der Anwartschaft, sondern auch für sonstige Mindestbeitragszeiten die in den Rentenversicherungen beider Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen seien. Damit werde § 1244 a Abs. 2 RVO schon vom Wortlaut der Vereinbarung erfaßt. Für die Beigeladene seien in den letzten 24 Monaten vor Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit in der Bundesrepublik und in Österreich Beiträge für zusammen wenigstens 6 Kalendermonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung entrichtet worden. Daß die vorbezeichnete Auslegung des Abk. dem Willen der vertragsschließenden Staaten widersprechen könnte, sei nicht ersichtlich. Maßnahmen gegen die Tuberkulose seien zwar im Abk. nicht ausdrücklich erwähnt. Einer solchen Erwähnung bedürfe es jedoch nicht, weil sie zu den Regelleistungen aus der Rentenversicherung der Arbeiter gehörten. Die in dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Italien (Art. 7) getroffene Sonderregelung für die Tbc-Hilfe gebe keinen Anlaß für eine andere Auslegung. Anders als in der Bundesrepublik und in Österreich bestehe in Italien eine besondere Tbc-Versicherung, die deshalb ausdrücklich habe erwähnt werden müssen. - Die Richtigkeit seiner Auffassung leitet das LSG auch aus dem neuen Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Österreich vom 22. Dezember 1966 (BGBl. II 1969, 1235) her. Dort sei in Art. 26 ausdrücklich bestimmt, daß für alle Leistungen aus der Rentenversicherung eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten zu erfolgen habe. Diesem Abkommen komme zwar keine Rückwirkung zu, gleichwohl ergebe sich daraus ein Hinweis auf den Willen der vertragsschließenden Staaten.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Revision. Sie ist der Auffassung, daß jedenfalls während der Geltung des ersten Abkommens eine Zusammenrechnung der in den Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten nicht in Betracht komme. In dem Abk. seien Maßnahmen nach §§ 1236 ff RVO nicht erwähnt.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Die Beigeladene ist im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten.

Die Revision ist begründet; die vorinstanzlichen Urteile müssen aufgehoben, die Klage abgewiesen werden. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der für die stationäre Tuberkulosebehandlung der Beigeladenen aufgewendeten Kosten nicht zu. Sie hat mit dieser Behandlung eine eigene Aufgabe erfüllt.

Die Beklagte war schon deshalb nicht zur Tuberkulosehilfe zugunsten der Beigeladenen verpflichtet, weil diese nicht zu den Versicherten im Sinne des § 1244 a Abs. 2 RVO gehörte. Weder hatte sie damals die Wartezeit erfüllt, noch waren für sie in den letzten 24 Kalendermonaten vor Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit anrechenbare Beiträge für wenigstens sechs Kalendermonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden. In der Bundesrepublik Deutschland war sie nach den Feststellungen des LSG lediglich in der Zeit vom 15. Dezember 1965 bis 19. April 1966 versicherungspflichtig beschäftigt. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung können mit Versicherungszeiten im Ausland - insbesondere solchen in Österreich - in Fällen der vorliegenden Art die deutschen Versicherungszeiten nicht aufgefüllt werden. Eine solche Zusammenrechnung von Versicherungszeiten ist im Rahmen der Tuberkulosehilfe nicht gestattet, sie wird auch von dem Abk. nicht vorgeschrieben.

Das BSG hat in früheren Entscheidungen schon mehrfach klargestellt, daß die in § 1244 a RVO getroffenen Regelungen nicht allgemein dem Recht der sozialen Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, worauf sich die zwischenstaatlichen Abkommen dieser Art beziehen (vgl. Urteil vom 26.2.1971 - 4 RJ 253/70), zugerechnet werden können, sondern zu dem in der Bundesrepublik geschaffenen System zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volksseuche gehören (vgl. den zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß des Senats vom 1. März 1972, Az. 4 RJ 473/69 mit weiteren Nachweisen). Zur Begründung ist auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und die Besonderheiten in der Ausgestaltung der Tuberkulosehilfe hingewiesen worden, die sich aus § 1244 a RVO selbst, darüber hinaus aber auch aus anderen Vorschriften ergeben. Im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sind die Träger der Rentenversicherung als sonstige zur Tuberkulosebekämpfung verpflichtete Stellen gekennzeichnet. Für sie gelten die Sonderbestimmungen der §§ 132 BSHG; im übrigen haben sich ihre Maßnahmen an dem der Tuberkulosehilfe allgemein innewohnenden Ziel zu orientieren. Es ist Aufgabe der Tuberkulosehilfe, die Heilung Tuberkulosekranker zu fördern und zu sichern sowie die Umgebung der Kranken und damit die Allgemeinheit vor Ansteckung zu schützen (vgl. § 48 BSHG). Dies ist keine typische Aufgabe der Sozialversicherung, insbesondere nicht der Rentenversicherung. Auf Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit (vgl. § 1235 Nr. 1 RVO) kommt es nicht an. In dieser Hinsicht mögen in Einzelfällen günstige Ergebnisse erzielt werden, jedoch ist dies im Rahmen der Tuberkulosehilfe nicht erheblich. Die Auswahl der in Betracht kommenden Maßnahmen ist unabhängig davon zu treffen. Maßnahmen, die zwar eine günstige Beeinflussung der Erwerbsfähigkeit, nicht aber die Heilung des Kranken und den Schutz seiner Umgebung bewirken würden, müssen zurücktreten, wenn nur durch eine andere, möglicherweise aufwendigere und längerdauernde Behandlung eine wirksame Bekämpfung der Tuberkulose erreicht werden kann. Entsprechendes gilt im Verhältnis zur Krankenversicherung. Tuberkulosebekämpfung in Anwendung des § 1244 a RVO bedeutet nicht Krankenhilfe (vgl. §§ 179, 182 ff RVO), insbesondere nicht Krankenhauspflege. Sie entzieht sich beispielsweise einer Regelung nach § 368 Abs. 1 RVO; ein Zusammenwirken im Sinne dieser Vorschrift zwischen Kassenärzten und den Trägern der Rentenversicherung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit trägt der Rentenversicherungsträger allein die Verantwortung, ihm ist die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der erforderlichen Maßnahmen vorbehalten. Es ist denkbar, daß in Einzelfällen auf Maßnahmen der Krankenhilfe zugunsten solcher zum Schutz der Umgebung des Kranken verzichtet werden muß. Neben Tuberkulosehilfemaßnahmen können solche der Krankenversicherung entbehrlich sein; in derartigen Fällen hat der Träger der Rentenversicherung einzuschreiten, obgleich die soziale Sicherheit, wie sie begrifflich zu verstehen ist, dies nicht erfordert. Schon diese Erwägungen schließen es aus, die Tuberkulosehilfe nach § 1244 a RVO lediglich als einen das Maß des Notwendigen überschreitenden Bestandteil der sozialen Sicherheit zu charakterisieren. Sie beinhaltet Leistungen eigener Art, die zwar im Einzelfall den Träger der Krankenversicherung von seiner Leistungsverpflichtung freistellen können, jedoch nicht allgemein an die Stelle von Leistungen aus der Krankenversicherung treten. Der besondere Charakter der Tuberkulosehilfe ist in § 1244 a RVO berücksichtigt. So ist es im Interesse einer wirksamen Seuchenbekämpfung dem Rentenversicherungsträger nicht gestattet, solange abzuwarten, bis alle Zweifel hinsichtlich der Diagnose ausgeräumt sind. Er hat vielmehr schon dann einzugreifen, wenn aufgrund eines Tuberkuloseverdachts aus ärztlicher Sicht eine gezielte Tuberkulosebehandlung geboten ist (vgl. BSG 33, 225 und das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 29. März 1973 - 4 RJ 73/73). Auf der anderen Seite schließt das Gesetz eine Leistungsverpflichtung des Trägers der Rentenversicherung beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen aus. Es trifft dazu Regelungen, die im Rahmen der sozialen Sicherheit Bedenken erwecken müßten. So entfällt etwa bei Unterbringung in Anstaltspflege und bei Haftvollzug im Sinne des § 1244 a Abs. 7 Satz 3 RVO der Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger auf Tuberkulosebehandlung. Er richtet sich nunmehr gegen eine andere zur Tuberkulosebekämpfung verpflichtete Stelle, die - wie der Träger der Sozialhilfe - möglicherweise außerhalb des Systems der sozialen Sicherheit steht (vgl. BSG in SozR Nrn. 14 und 27 zu § 1244 a RVO). - Weiter findet die Leistungsverpflichtung des Trägers der Rentenversicherung ihr Ende an den Grenzen des Staates (vgl. § 1244 a Abs. 9 RVO). Tuberkulosebekämpfung im Ausland ist nicht seine Aufgabe. Diese Regelung ist sinnvoll. Krankenhilfe ist nicht auf das Inland beschränkt; die Bekämpfung einer Seuche - insbesondere der Schutz der Umgebung des Kranken vor Ansteckung - ist jedoch im Ausland nicht durchführbar. Die dargelegten Gründe führen zu dem Ergebnis, daß zwischenstaatliche Abkommen über soziale Sicherheit, wenn nicht etwas anderes vereinbart ist, nicht auf die Leistungen der Tuberkulosehilfe nach § 1244 a RVO zu erstrecken sind. Diese Leistungen liegen regelmäßig außerhalb des Sachgebietes, das üblicherweise in solchen Verträgen einer Regelung unterworfen werden soll.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat allerdings in seiner Entscheidung vom 16. November 1972 - Urteil 14/72 - für den Bereich der EWG-Verordnung Nr. 3 ausgesprochen, daß der Leistungsanspruch eines an Tuberkulose erkrankten Versicherten gegen den Träger der Rentenversicherung der "Sozialen Sicherheit" zugeordnet werden müsse. Er hat diesen Begriff jedoch ausschließlich in Anlehnung an Vorschriften des Gemeinschaftsrechts definiert (vgl. das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 21. Februar 1973 - 4 RJ 473/69). Eine Übertragung dieser Definition auf innerstaatliches Recht und auf zwischenstaatliche Verträge läßt sich nicht rechtfertigen. Eine Ausweitung der Rechtsprechung des EuGH auf Verträge mit Staaten, die - wie Österreich - der EWG nicht angehören, scheidet aus. Der Senat verkennt nicht, daß die Tuberkulose eine Krankheit ist. Dies steht dem hier gewonnenen Ergebnis nicht im Wege. Die Leistungen, die zur Versorgung der an Tuberkulose erkrankten Versicherten notwendig sind, werden - wenn Ansprüche nach § 1244 a RVO nicht bestehen, sei es, daß sich der Versicherte im Ausland aufhält oder daß es in der Bundesrepublik an den erforderlichen Versicherungszeiten fehlt - im Rahmen der Sozialversicherung vom Träger der Krankenversicherung erbracht. Der Schutz des Wanderarbeitnehmers ist daher - ebenso wie der der deutschen Arbeitnehmer - in jedem Fall gewährleistet. Aber selbst dann, wenn man den Gedankengang des EuGH auch bei Auslegung zwischenstaatlicher Verträge mit außerhalb der EWG liegenden Staaten nachvollziehen wollte, gelangt man in dem vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Auf Sozialversicherungsleistungen bei Krankheit findet Art. 7 des Abk. Anwendung. Dort ist eine Zusammenrechnung der in der Krankenversicherung der beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten vorgesehen. Abweichend von Art. 16 EWG-VO Nr. 3 - dort ist für den Fall der Krankheit die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten schlechthin vorgeschrieben - wird ausdrücklich auf Versicherungszeiten einer bestimmten Art, nämlich solcher der Krankenversicherung, abgestellt. In der Rentenversicherung zurückgelegte Versicherungszeiten, auf die sich § 1244 a RVO bezieht, sind nicht erwähnt. Sie können daher von Art. 7 des Abk. nicht erfaßt werden. Auch aus Art. 17 ff des Abk. - diese Vorschriften betreffen die "Rentenversicherungen" - kann sich für den Leistungsanspruch nach § 1244 a RVO keine Zusammenrechnung von Rentenversicherungszeiten, die in den beiden Vertragsstaaten zurückgelegt worden sind, ergeben. Zwar heißt es in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des Abk. u. a., daß für die Erfüllung der Wartezeit oder sonstiger Mindestbeitragszeiten die in den Rentenversicherungen beider Staaten zu berücksichtigenden Beitragszeiten und ihnen gleichgestellte Beitragszeiten zusammengerechnet werden. Dieser Wortlaut könnte, wenn man die Tuberkulosehilfe des § 1244 a RVO zu den Rentenversicherungen im vorbezeichneten Sinne zählen will, auf die Möglichkeit einer Zusammenrechnung von Rentenversicherungszeiten hindeuten. In § 1244 a Abs. 2 RVO ist als Voraussetzung für die Gewährung der Leistung die Erfüllung der Wartezeit genannt, daneben ist auf eine Mindestversicherungszeit von sechs Monaten innerhalb der letzten 24 Monate vor Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit abgestellt. Jedoch darf Art. 17 des Abk. nicht für sich allein betrachtet werden. Die dort getroffene Regelung ist im Zusammenhang mit Art. 18 und 19 des Abk. zu lesen. Aus diesen Vorschriften ist zu entnehmen, daß nur ganz bestimmte, festumrissene Leistungen aus den Rentenversicherungen von dem Abk. erfaßt werden. Art. 18 bestimmt, wie im einzelnen die Versicherungsträger der Vertragsstaaten die Leistungen und Leistungsteile feststellen. In Art. 19 sind die in Betracht kommenden Leistungen bezeichnet. Für die Bundesrepublik Deutschland handelt es sich dabei um Rentengrundbetrag, Kinderzuschuß und Knappschaftssold sowie die festen Rentenzuschläge. Die Tuberkulosehilfe ist nicht erwähnt. An die im Zusammenhang damit zu erbringenden Leistungen war bei Abschluß des Abk. nicht gedacht. Die Vorschrift des § 1244 a RVO wurde erst durch das Gesetz über die Tuberkulosehilfe vom 23. Juli 1959 in die RVO eingefügt. Die Frage, ob und in welchem Umfang in einem Vertragsstaat neu hinzutretende Leistungen der Sozialversicherung von einem bestehenden Abkommen erfaßt werden, bedarf hier keiner abschließenden Erörterung. Schon die bereits dargelegten Besonderheiten in der Ausgestaltung der Tuberkulosehilfe nach § 1244 a RVO lassen eine ausdrückliche Regelung als erforderlich erscheinen. Deren Notwendigkeit bei Änderungen innerstaatlicher Vorschriften im Rahmen der Rentenversicherung ergibt sich für das Abk. ausdrücklich aus Nr. 5 des Schlußprotokolls vom 21. April 1951 (BGBl 1952, Teil II, 323). Hiernach war es den obersten Verwaltungsbehörden der beiden Vertragsstaaten vorbehalten, eine Vereinbarung darüber zu treffen, ob und inwieweit das Abk. sich auf "neue Leistungen oder Leistungsteile" erstrecken sollte. Zu einer solchen Vereinbarung ist es nicht gekommen. Das Abk. ist - jedenfalls im wesentlichen - inzwischen durch das Abk. zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit vom 22. Dezember 1966 ersetzt worden. Im Rahmen der Rentenversicherung bestimmt nun Art. 26 dieses Abkommens, daß in beiden Staaten zurückgelegte Versicherungszeiten sowohl für das Recht auf Weiterversicherung als auch für den Erwerb von Leistungsansprüchen schlechthin zusammenzurechnen seien. Dasselbe gilt für solche Leistungen, deren Gewährung im Ermessen eines Rentenversicherungsträgers liegt. Diese Neuregelung macht deutlich, daß ursprünglich eine solche Ausweitung nicht vorgesehen war. Daß es sich um eine echte Neuregelung - nicht nur um eine Klarstellung - handelt, folgt daraus, daß dem neuen Abkommen nach dem Willen der Vertragsstaaten insoweit keine Rückwirkung zukommt. - Die Frage, ob und in welchem Umfang die Tuberkulosebekämpfung nach § 1244 a RVO von dem neuen Abkommen berührt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung.

Aus den dargelegten Gründen steht der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung zu. Die Urteile der Vorinstanzen können keinen Bestand haben. Es kann hiernach offenbleiben, ob die von der Klägerin begehrte Kostenerstattung im Gesetz überhaupt eine Stütze findet oder ob nicht im Rahmen der Tuberkulosehilfe § 59 BSHG als ausschließliche Regelung angesehen werden muß.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1669552

BSGE, 280

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