Leitsatz (amtlich)
Die rückwirkende Gewährung von Altersgeld an einen früher nicht versicherungspflichtigen ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer nach ÄndG GAL Art 2 § 7 vom 1963-05-23, GAL 1961 § 27 - frühestens vom 1963-04-01 an - ist jedenfalls dann zulässig, wenn die Beiträge für die zurückliegende Zeit binnen angemessener Frist nach Abgabe der Bereiterklärung entrichtet worden sind.
Normenkette
GALÄndG Art. 2 § 7 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG § 27 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1961-07-03; GALNReglG 1961 § 27 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1961-07-03
Tenor
Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. Juli 1964 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Ehemann der Klägerin entrichtete vom 1. Oktober 1957 an Beiträge an die Beklagte. Nach seinem Tode am 23. März 1962 führte die Klägerin das Unternehmen fort und zahlte auch die Beiträge weiter, ohne daß die Beklagte von dieser Änderung Kenntnis erhalten hatte. Am 18. Juni 1963 gab die Klägerin das Unternehmen ab und beantragte am 16. Juli 1963 die Gewährung von Altersgeld. Mit zwei Bescheiden vom 7. November 1963 nahm die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 24. März 1962 bis 17. Juni 1963 in ihr Mitgliederverzeichnis auf und befreite sie gleichzeitig wegen Bezugs einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter von der Beitragspflicht (§ 9 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 - BGBl I S. 845 - GAL nF -). Die Klägerin erklärte sich dann am 22. November 1963 auf Anregung der Beklagten bereit, Beiträge für die Zeit vom 24. März 1962 bis zum 17. Juni 1963 nachzuentrichten und bat gleichzeitig, ihre Beitragsschuld von ihrem Beitragsguthaben in Abzug zu bringen. Die Beklagte gewährte nunmehr durch Bescheid vom 10. Dezember 1963 der Klägerin Altersgeld vom 1. November 1963 an.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben; sie erstrebt Altersgeld auch schon für die Zeit vom 1. Juni 1963 bis zum 31. Oktober 1963. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die nach dem Tode des Ehemannes noch weiter gezahlten Beiträge stellten keine wirksame Beitragsentrichtung dar, weil die Klägerin gemäß § 9 Abs. 3 GAL nF beitragsfrei gewesen sei. Erst mit Abgabe der Erklärung über die Nachentrichtung von Beiträgen im November 1963 sei ihre Beitragspflicht entstanden.
Der Beginn des Altersgeldes könne aber nicht von dem rechtswirksamen Eingang der Beiträge bei der Beklagten abhängig gemacht werden. Vielmehr gelten bei einer Nachentrichtung von Beiträgen diese als rechtzeitig entrichtet, so daß Altersgeld auch schon von einem vor der Nachentrichtung liegenden Zeitpunkt gewährt werden könne. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Sprungrevision eingelegt; sie hat eine beglaubigte Ausfertigung des Sitzungsprotokolls des SG beigefügt, in dem die Parteien jeweils in eine Revisionseinlegung durch den jeweiligen Rechtsmittelgegner eingewilligt haben.
Die Beklagte rügt unrichtige Anwendung des § 27 Abs. 1 Buchstabe c GAL nF und trägt vor: Die Klägerin sei gemäß § 9 Abs. 3 GAL nF wegen Bezugs einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter beitragsfrei gewesen. Erst durch das Änderungsgesetz vom 23. Mai 1963 sei ihr in Art. 2 § 7 das Recht eingeräumt worden, Beiträge nachzuentrichten. Gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. c GAL nF sei unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung von Altersgeld und damit auch für den Beginn der Zahlung, daß die Beiträge entrichtet worden seien. Die Altersgeldzahlung könne daher erst beginnen, wenn die Beiträge wirksam entrichtet worden seien. Die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen sei eine ausgesprochene Vorschrift des Beitragsrechts, die in keiner Weise ändernd in das Leistungsrecht eingreifen wolle. Dies ergebe sich auch aus Art. 2 § 7 Abs. 5 des Änderungsgesetzes, in dem als frühestmöglicher Leistungsbeginn der 1. April 1963 bestimmt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. Juli 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. c GAL nF ist im vorliegenden Fall Voraussetzung für einen Altersgeldbezug der Klägerin, daß sie für die Zeit, in der sie nach dem 1. Oktober 1957 landwirtschaftliche Unternehmerin war, Beiträge entrichtet hat. Die Klägerin war ursprünglich nach § 9 Abs. 3 GAL nF nicht beitragspflichtig. Sie ist erst durch ihre Erklärung vom 22. November 1963 beitragspflichtig geworden, weil sie von der Möglichkeit des Art. 2 § 7 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 21. Mai 1963 (BGBl I S. 353) bis zum 31. Dezember 1964 Gebrauch gemacht hat. Diese Vorschrift enthält nun keine Frist (im Gegensatz zu der Frist für die Abgabe der Erklärung), innerhalb deren die Beiträge nachzuentrichten sind. Die Auffassung der Beklagten, Altersgeld könne erst von dem Zeitpunkt an bewilligt werden, in dem die Beiträge auch tatsächlich entrichtet worden sind, ist nicht zutreffend. Der Senat hat bereits in BSG 23 S. 37 ausgesprochen, daß § 1418 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) entsprechend anzuwenden sei, wenn ein Unternehmer, der bisher beitragspflichtig war, seine Beiträge "verspätet" entrichtet habe; sie gelten daher noch als rechtzeitig entrichtet, wenn sie innerhalb von 2 Jahren nach Schluß des Jahres entrichtet worden sind, für das sie gelten sollen. Werden die Beiträge innerhalb dieses Rahmens entrichtet, so besteht ein Anspruch auf Altersgeld schon von dem Zeitpunkt an, in dem die übrigen Voraussetzungen des § 27 GAL nF erfüllt sind. Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfange diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind. Daß eine Gewährung von Altersgeld auch schon für einen Zeitpunkt vor der Nachentrichtung der Beiträge erfolgen kann, ergibt sich aus dem Umstand, daß nach Art. 2 § 7 Abs. 5 des Gesetzes vom 23. Mai 1963 (BGBl I S. 353) die Leistungen frühestens vom 1. April 1963 an beginnen, obwohl das Gesetz erst am 23. Mai 1963 erlassen, am 30. Mai 1963 verkündet worden und am 1. April 1963 in Kraft getreten ist. Dabei war aber der betroffene Personenkreis nicht in der Lage, Beiträge schon zum 1. April 1963 nachzuentrichten. Es muß daher nach Auffassung des Senats jedenfalls der Grundgedanke des § 1420 Abs. 1 RVO Anwendung finden: Hiernach steht einer rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen die Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung gegenüber einer zuständigen Stelle gleich, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Da die Beitragspflicht erst im November 1963 durch die Abgabe der Erklärung entstanden ist und die Zahlung auch durch die Verrechnung mit dem Guthaben der Klägerin (aus vorher zu Unrecht entrichteten Beiträgen) erfolgt ist, müssen die Beiträge so behandelt werden. Als wären sie jeweils in den Monaten entrichtet worden, für die sie bestimmt waren. Es besteht folglich ein Anspruch auf Altersgeld nicht erst vom Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung, sondern vom Zeitpunkt der Erfüllung der übrigen Leistungsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 GAL nF, frühestens jedoch vom 1. April 1963 an (Art. 2 § 7 Abs. 5 GAL 63).
Die Klägerin hat daher Anspruch auf Altersgeld auch für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 1963.
Die Revision der Beklagten muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen