Leitsatz (redaktionell)
Eine Versicherte, die sich nach einer Hausfrauenzeit von 30 Jahren im Alter von 59 Jahren ohne besondere Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art wieder zur Arbeitsvermittlung meldet, hat keinen Anspruch auf das vorzeitige Altersruhegeld.
Normenkette
AVG § 25 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1248 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1957-02-23; AVAVG § 75 Abs. 1 Fassung: 1957-04-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 1960 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin, geboren im November 1897, erstrebt die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegelds, das Versicherten zusteht, die die Wartezeit erfüllt, das 60. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos sind (§ 25 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Ihr Rentenantrag wurde von der Beklagten abgelehnt, weil Arbeitslosigkeit nicht vorliege, später vom Sozialgericht (SG) jedoch positiv beschieden.
Das Berufungsgericht stellte in tatsächlicher Hinsicht folgendes fest: Die Klägerin sei nach ihrer Eheschließung, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, fast 30 Jahre hindurch nicht mehr berufstätig gewesen. Im Alter von 59 Jahren habe sie sich beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet. Zu dieser Zeit seien bei ihr jedoch keine besonderen Verhältnisse zu ermitteln gewesen, die eine Änderung ihrer bisherigen Lebensgewohnheiten veranlaßt haben könnten; es seien keine Umstände vorhanden, die eine Umstellung von der Tätigkeit als Hausfrau auf die einer - wenn auch verhinderten - Arbeitnehmerin glaubhaft machten; die Klägerin sei damals Hausfrau geblieben. Im September 1957, also kurz vor der Vollendung des 60. Lebensjahres, habe sie sodann den Rentenantrag gestellt. - Das Landessozialgericht (LSG) sah auf Grund dieser Feststellungen die Klägerin nicht als arbeitslos im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG an und wies die Klage ab. Es ließ die Revision zu (Urteil vom 5. Februar 1960).
Die Klägerin legte Revision ein und beantragte, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Sie rügte eine unrichtige Anwendung des § 25 Abs. 2 AVG. Gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wurden keine Revisionsgründe vorgebracht (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klägerin erhält seit 1961 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis ist das Urteil des LSG nicht zu beanstanden.
Die Klägerin ist nicht arbeitslos im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG. Mangels einer eigenen Definition der Arbeitslosigkeit in den Gesetzen der Rentenversicherungen ist dieser Begriff entsprechend dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu bestimmen. Dabei ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - von dem jeweils zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden Recht der Arbeitslosenversicherung auszugehen und nicht von der Gesetzesfassung, die bei dem Inkrafttreten des § 25 Abs. 2 AVG gegolten hat (BSG 14, 53; 15, 131). Mit Recht hat deshalb das LSG im vorliegenden Rechtsstreit seiner Beurteilung der Arbeitslosigkeit die §§ 75, 76 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in der im November 1957 (Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin) geltenden Fassung zugrunde gelegt.
Das LSG ist zutreffend zunächst davon ausgegangen, daß es danach u. a. vor allem darauf ankomme, ob die Klägerin "berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmerin tätig zu sein pflege" (§ 75 Abs. 1 AVAVG). Es hat aber festgestellt, daß die Klägerin nicht zu diesem Personenkreis gehört, sondern "berufsmäßig in der Hauptsache Hausfrau geblieben ist". Das LSG ist nun weiter der Ansicht, es könne auch Umstände geben, die es wahrscheinlich machten, daß jemand, der längere Zeit hindurch nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen sei, seine Lebensgewohnheiten umstelle und sodann als - allerdings arbeitsloser - Arbeitnehmer angesehen werden müsse. Diese Rechtsauffassung scheint mit dem Wortlaut des § 75 AVAVG kaum vereinbar, und es ist zweifelhaft, ob sie sich aus dem Sinn und Zweck des § 25 Abs. 2 AVAVG rechtfertigen läßt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat freilich in seiner bisherigen Rechtsprechung den Sinn und Zweck des § 1248 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO - (= § 25 Abs. 2 AVG) so gedeutet (BSG SozR § 1248 RVO Bl. Aa 12 Nr. 10; BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ/300/61 -). Das BSG hat als solche Umstände aber nicht anerkannt die Meldung beim Arbeitsamt, die eigene Arbeitssuche oder eine nur geringfügige oder lediglich vorübergehende Beschäftigung oder Tätigkeit; es hat vielmehr verlangt, daß in den persönlichen und besonders den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten so wesentliche Veränderungen eingetreten seien, daß der Wille künftig wieder berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu werden, glaubwürdig erscheine und deswegen im Zusammenhang mit den Bemühungen um entsprechende Arbeiten auch als Nachweis angesehen werden könne. Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Rechtsstreit jedoch festgestellt, daß in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin keine solchen Veränderungen eingetreten sind und hat deswegen deren Anspruch zurückgewiesen. Das LSG brauchte nicht mehr zu prüfen, ob die Klägerin subjektiv und objektiv der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§ 76 Abs. 1 AVAVG).
Der erkennende Senat kann es bei der Entscheidung dieses Rechtsstreits offenlassen, ob er sich der bisherigen Rechtsprechung des BSG anschließen oder enger an den Wortlaut des § 75 AVAVG halten will, weil der Anspruch der Klägerin bei beiden rechtlich möglichen Auslegungen unbegründet ist. Ihre Revision muß deshalb in jedem Falle zurückgewiesen werden (§§ 170 Abs. 1, 193 SGG).
Fundstellen