Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20.01.1977) |
SG Köln (Urteil vom 14.04.1976) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1977 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. April 1976 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob dem Kläger ab 1. März 1975 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) wegen Vollendung des 50. Lebensjahres zu zahlen ist.
Der Kläger ist seit dem Jahre 1947 im Bergbau beschäftigt und arbeitete vom 2. September 1969 bis zum 28. Februar 1975 als Maschinenhauer. Seitdem ist er aufgrund eines ärztlich befürworteten Gesuchs mit leichten technischen Reparatur arbeiten beschäftigt. Als Betriebsratsvorsitzender ist er allerdings überwiegend von der Arbeit freigestellt. Das war auch schon vor dem 1. März 1975 der Fall. Auf Grund der Funktion als Betriebsratsvorsitzender wird ihm nicht der für die leichten technischen Reparaturarbeiten in der für seinen Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung vorgesehene Lohn, auch nicht der Schichtlohn des Maschinenhauers, sondern der höhere Hauerdurchschnittslohn gewährt. Darüber hinaus erhält er eine Befahrungszulage von 2,– DM sowie ein Treuegeld für 25jährige Betriebszugehörigkeit von 3,14 DM pro Schicht. Die Arbeitgeberin bezeichnete den Unterschied zwischen dem Tariflohn und dem Hauerdurchschnittslohn als aufgrund einer betrieblichen Vereinbarung gezahlte Aufwendungen für die Betriebsratsvorsitzendentätigkeit.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 5. Juni 1975 und Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1975 den Antrag auf Zahlung einer Bergmannsrente abgelehnt, weil der Kläger im Vergleich zu der bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit (Hauptberuf) als Maschinenhauer noch eine wirtschaftlich gleichwertige Arbeit ausübe; er habe im Vergleich „zu der bisherigen kanppschaftlichen Arbeit” als Maschinenhauer keine Lohneinbuße. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Urteil vom 14. April 1976 abgewiesen. Dieses Urteil hat das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen auf die Berufung des Klägers abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 1. März 1975 Bergmannsrente zu gewähren. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) übt der Kläger im Vergleich zu der von ihm bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit keine wirtschaftlich gleichwertigen Arbeiten mehr aus. Auszugehen sei von dem Hauptberuf eines Maschinenhauers. Der objektive wirtschaftliche Wert der vom Kläger geleisteten Arbeit als Maschinenhauer ergebe sich aus dem Schichtlohn eines Maschinenhauers. Die Tatsache, daß der Kläger darüber hinaus effektiv den Hauerdurchschnittslohn erhalten habe, berühre die Feststellung des Hauptberufs als Maschinenhauer nicht, weil der Kläger den höheren Lohn wegen seiner Tätigkeit in Betriebsrat erhalte. Deshalb handele es sich bei der Differenz zwischen dem Schichtlohn und dem Effektivlohn nicht um ein Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit, sondern um eine Entschädigung für Zeit und Arbeitsaufwand bei der Ausübung eines Ehrenamtes. Seit dem 1. März 1975 habe das Arbeitsverhältnis des Klägers – nach ärztlicher Arbeitsplatzwechselempfehlung – die Verrichtung leichter technischer Reparatur arbeiten zum Inhalt, diese Tätigkeit werde auch zeitweise ausgeübt. Die überwiegende Freistellung von der Arbeit für die Tätigkeit im Betriebsrat und die höhere Effektiventlohnung stehe dieser Feststellung ebensowenig entgegen wie bei der Beurteilung des Hauptberufs. Die jetzige Tätigkeit mit leichten technischen Reparaturarbeiten sei gegenüber der bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit als Maschinenhauer nicht wirtschaftlich gleichwertig. Bei dem Vergleich sei bei beiden Tätigkeiten der Schichtlohn zugrunde zu legen. Bei diesem Vergleich ergebe sich für den gesamten Zeitraum seit dem 1. März 1975 eine Differenz von mehr als 10 %, so daß dem Kläger die Bergmannsrente zustehe. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor, der wirtschaftliche Wert der zu vergleichenden Tätigkeiten ergebe sieh aus der Vergütung, die der Arbeitnehmer bei normaler Arbeitsleistung unter normalen Verhältnissen erwarten könne. Hierbei seien Zulagen und Prämien, auf die der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die individuelle Leistung einen Anspruch habe 9 mitbestimmend für den wirtschaftlichen Wert einer Tätigkeit. Aufgrund des Betriebsverfassungsgesetzes sei das Arbeitsverhältnis, das vor der Betriebsratstätigkeit bestanden habe, mit gesetzlicher Lohnfortzahlungspflicht aufrechtzuerhalten. Da der dem Kläger gezahlte Effektivlohn (Hauerdurchschnittslohn) den Schichtlohn des Maschinenhauers sogar noch übersteige, könne ihm die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG nicht gezahlt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1977 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Februar 1976 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1977 zurückzuweisen.
Der Kläger weist darauf hin, daß er als Betriebsratsvorsitzender nicht völlig von der Arbeit freigestellt sei. Nach seiner Ansicht kommt es allein darauf an, ob die leichten technischen Reparaturarbeiten gegenüber der bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit als Maschinenhauer wirtschaftlich gleichwertig sind. Daran dürfe auch die Entlohnung mit dem Hauerdurchschnittslohn nichts ändern, denn der Arbeitgeber habe diesen ausdrücklich als „Aufwendungen für Betriebsarbeit, einschließlich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit” bezeichnet.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG erhält ein Versicherter auf Antrag Bergmannsrente, wenn er das 50. Lebensjahr vollendet, im Vergleich zu der von ihm bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit keine wirtschaftlich gleichwertigen Arbeiten mehr ausübt und eine Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten mit ständigen Arbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellten Arbeiten zurückgelegt hat. Streitig ist unter den Beteiligten nur, ob für die Zeit vom 1. März 1975 an davon auszugehen ist, daß der Kläger keine der Maschinenhauertätigkeit wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit mehr ausübt.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß die verminderte bergmännische Berufsfähigkeit des § 45 Abs. 2 RKG, die neben der Erfüllung der erforderlichen Wartezeit die weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG darstellt, nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß ein Betriebsratsmitglied, welches aus gesundheitlichen Gründen weder imstande ist, die vorher ausgeübte Hauertätigkeit noch andere für ihm in Betracht kommende Verweisungstätigkeiten zu verrichten, wegen seiner Betriebsratstätigkeit den Hauerlohn weitererhält. Es besteht daher in diesen Fällen auch ein Anspruch auf die Gewährung der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG (SozR Nr. 14 zu § 35 RKG a.F. und SozR Nr. 41 zu § 45 RKG).
Die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG setzt jedoch nicht das Vorliegen einer verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit voraus. Bei dieser Rente kommt es auf den Gesundheitszustand des Versicherten nicht an; er muß neben der Vollendung des 50. Lebensjahres und der Erfüllung der erforderlichen Wartezeit lediglich im Vergleich zu der von ihm bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit keine wirtschaftlich gleichwertigen Arbeiten mehr ausüben. Für diese Rente hat der Senat bereits entschieden, daß die Zeit, während welcher das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis eines von der knappschaftlichen Arbeit freigestellten Betriebsratsmitgliedes fortdauert und der Lohn aufgrund der im Betriebsverfassungsgesetz getroffenen Regelungen weitergezahlt wird, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung i. S. von § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG gleichsteht (SozR 2600 § 45 Nr. 14). Dies gilt auch, wenn das Betriebsratsmitglied nicht völlig, sondern nur überwiegend von der Arbeit freigestellt ist. In diesen Fällen steht die Weiterzahlung des bisherigen Arbeitsentgelts einer entsprechenden versicherungspflichtigen Beschäftigung i. S. von § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG auch dann gleich, wenn der Arbeitnehmer für die nicht von der Arbeit freigestellte Zeit mit dem Arbeitgeber ein leichteres und geringer zu bezahlendes Arbeitsverhältnis vereinbart hat. Das erfordert die auch hier notwendige vorwiegend wirtschaftliche Betrachtungsweise. Eine solche, vom Arbeitnehmer angeregte Vereinbarung kann daher die wirtschaftliche Gleichwertigkeit mit der bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit nur beseitigen, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber auch ein der neuen Arbeit entsprechendes Entgelt vereinbart.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen der Arbeitgeber dem Kläger für die Zeit ab 1. März 1975 den Hauerdurchschnittslohn zahlt, insbesondere ob sich für den Arbeitgeber eine Pflicht zu dieser Weiterzahlung unmittelbar oder mittelbar aus der Entgelts- und Arbeitsplatzgarantie des § 37 Abs. 4 und 5 des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt, denn selbst wenn das nicht der Fall wäre, und es sich um das unzulässige Gewähren einer unberechtigten zusätzlichen Leistung an ein Betriebsratsmitglied handeln würde, könnte sich der Kläger darauf nicht berufen; er würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn er eine unzulässige Leistung in Empfang nehmen und dann die Nichtberücksichtigung dieser Leistung wegen ihrer Unzulässigkeit bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit fordern würde, um dadurch die Voraussetzungen für die Bergmannsrente nach Vollendung des 50. Lebensjahres zu erfüllen.
Auf die Angabe des Klägers, die Weiterzahlung des bisherigen Lohnes stelle einen pauschalen Ersatz für ihm aus der Betriebsratsmitgliedschaft regelmäßig entstehende bare Aufwendungen dar, kommt es nicht an. Der Kläger behauptet nicht einmal, daß sich insofern die Verhältnisse nach dem 1. März 1975 geändert haben, und daß ihm regelmäßige neue bare Aufwendungen aus der Betriebsratstätigkeit entstanden sind. Das gleiche gilt für die Angabe, die Weiterzahlung des bisherigen Lohnes erfolge für eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit. Auch hierzu behauptet der Kläger nicht einmal, daß sich insofern die Verhältnisse nach dem 1. März 1975 geändert haben und eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit in größerem Umfang als bisher erforderlich geworden ist. Im übrigen könnte in diesem Falle eine pauschale Geldabfindung schon deshalb nicht gezahlt werden, weil hierfür nach § 37 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz in erster Linie eine entsprechende Arbeitsbefreiung zu erteilen ist, der Kläger also ggf. völlig von der Arbeit freigestellt werden müßte; nur wenn dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich wäre, könnte die auf gewendete Zeit wie Mehrarbeit vergütet werden. Aus dieser Regelung ergibt sich, daß eine regelmäßige Zahlung einer Pauschale für eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit nicht gestattet ist.
Dem Kläger steht daher die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres auch ab 1. März 1975 nicht zu, so daß auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Vorsitzende Richter am Bundessozialgericht … ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert.
Fundstellen