Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die Beteiligten streiten im wesentlichen über die Verfügbarkeit des Klägers während seiner Teilnahme an einem Informatikkurs für Mediziner in Wiesbaden.
Der Kläger war vom 8. Mai bis 15. September 1986 als Assistenzarzt am Krankenhaus in S. … beschäftigt. Vom 13. Oktober 1986 bis zum 4. September 1987 nahm er an einem DV-Seminar für medizinische Informatik in Wiesbaden teil, das täglich von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr dauerte, wobei nach den Angaben des Klägers als Fahrzeit von seiner Unterkunft bis zum Maßnahme-Ort noch 15 bis 30 Minuten hinzukamen.
Der Kläger beantragte beim Arbeitsamt Wiesbaden die Förderung der Teilnahme an dieser Maßnahme und gab als Wohnanschrift seinen Unterkunftsort in Wallau an. Auf seinen Antrag erhielt er von der BA ua die Lehrgangsgebühren und Fahrtkosten, aber kein Unterhaltsgeld (Uhg).
Während einer Pause zwischen zwei Abschnitten der Fortbildungsmaßnahme arbeitete der Kläger in der Zeit vom 8. April bis 8. Mai 1987 als Arzt bei einem Internisten (Dr. R.), nach dessen Auskunft die wöchentliche Arbeitszeit 30 bis 40 Stunden betrug und ein Entgelt in Höhe von 600,– DM gezahlt wurde.
Am 9. Mai 1987 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt Münster arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Dabei gab er als Wohnanschrift eine Adresse in Münster an, unter der er allerdings während der Teilnahme an der Maßnahme innerhalb der Woche nicht erreichbar war.
Mit Bescheid vom 16. Juli 1987 lehnte die BA den Antrag auf Alhi ab, weil der Kläger wegen Teilnahme an einer Vollzeitmaßnahme der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, wenngleich er bis zum Ende der auswärtigen Bildungsmaßnahme kein Uhg mehr zugebilligt bekomme, sei er der Meinung, daß der Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) während dieser Zeit geruht habe und nicht aufgehoben sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 1987 wies die BA den Widerspruch zurück und führte aus, ein Anspruch des Klägers auf Alhi habe aufgrund seiner Teilnahme an der Maßnahme nicht „geruht”, sondern sei schon deshalb nicht entstanden, weil es an der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit fehle.
Nachdem der Kläger am 14. September 1987 Klage beim Sozialgericht (SG) Münster erhoben hatte, beantragte er am 13. Oktober 1987 erneut die Bewilligung von Alhi. Auch diesen Antrag wies die BA mit Bescheid vom 3. November 1987 zurück, diesmal mit der Begründung, der Kläger erfülle nicht die erforderliche Anwartschaftszeit.
Die Klage, mit der der Kläger die Gewährung von Alhi ab 9. Mai 1987, hilfsweise ab 13. Oktober 1987 begehrte, war in beiden Vorinstanzen erfolglos (SG-Urteil vom 10. Dezember 1987; LSG-Urteil vom 11. Dezember 1991).
Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, während des Besuchs der Bildungsmaßnahme in Wiesbaden sei der Kläger schon deshalb objektiv nicht verfügbar gewesen, weil er das Arbeitsamt nicht täglich aufsuchen konnte und für das Arbeitsamt nicht erreichbar war (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 1 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezugs ≪Aufenthalts-AnO≫ vom 3. Oktober 1979, ANBA 1979, 1388). Erreichbarkeit bedeute danach, daß der Arbeitslose unter der Anschrift, die er im Leistungsantrag dem Arbeitsamt gegenüber als seine Wohnung bezeichnet habe, täglich zumindest zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar sein müsse. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes sei der Kläger weder für das Arbeitsamt Münster noch für das Arbeitsamt Wiesbaden erreichbar gewesen. Unter der Adresse in Münster, die er dem Arbeitsamt Münster angegeben hatte, sei er während der Zeit der Maßnahme innerhalb der Woche nicht erreichbar gewesen. Das Arbeitsamt Wiesbaden habe zwar die Anschrift des Klägers in Wallau gekannt, jedoch habe sich der Kläger aufgrund der Teilnahme an der Maßnahme in Wiesbaden von früh morgens bis mindestens 16.15 Uhr, also während der üblichen Zeit des täglichen Eingangs der Briefpost, auch nicht in seiner Wohnung in Wallau aufgehalten. – Schon deshalb, aber auch aus anderen Gründen, sei die Verfügbarkeit des Klägers während der Dauer der Bildungsmaßnahme zu verneinen. – Die fehlende Verfügbarkeit lasse sich schließlich auch nicht über einen Herstellungsanspruch ersetzen. – Für den Zeitraum nach Beendigung der Maßnahme habe der Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf Bewilligung von Alhi. Denn zu diesem Zeitpunkt habe er nicht mehr die Voraussetzungen von § 134 Abs 1 Nr 4 AFG erfüllt, weil er nicht innerhalb des Jahres zuvor mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienende Zeit zurückgelegt habe.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 103 Abs 1 AFG. Zwar sei er in Münster für die BA nicht erreichbar gewesen; er sei aber für die BA jederzeit in Wallau erreichbar gewesen und dort für den gesamten Zeitraum, für den er Alhi beanspruche, wohnhaft und gemeldet gewesen. Die Regelung in § 1 Satz 1 der Aufenthalts-AnO stehe dem nicht entgegen. Abgesehen davon, daß es sich hierbei nur um eine Anweisung der BA handele, der weder Gesetzes-noch Verordnungsqualität zukomme, seien die Voraussetzungen dieser Regelung in seinem Fall erfüllt. Denn er sei während der gesamten Zeit ab 9. Mai 1987 in Wallau wohnhaft gewesen, sei regelmäßig ab 16.30 Uhr wieder im Haus erreichbar gewesen und habe täglich seinen Briefkasten entleert. Damit habe er dem § 1 Satz 1 der Aufenthalts-AnO, der die jederzeitige Erreichbarkeit des Arbeitslosen zum Zweck der möglichst unverzüglichen Arbeitsaufnahme sicherstellen solle, Genüge getan. Wolle man fordern, daß der Arbeitsuchende sich auch unter Tages laufend in seiner Wohnung bereithalten solle, so würde man diese Anforderungen überspannen. – Ungeachtet der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme sei er auch objektiv verfügbar gewesen, da er im Falle eines geeigneten Arbeitsangebots die Fortbildungsmaßnahme nicht nur jederzeit hätte abbrechen können, sondern dies auch gewollt hätte. Er behaupte auch ausdrücklich, daß Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen seien, die eine Arbeit als Arzt noch neben der Bildungsmaßnahme erlaubt hätten. – Daß er sich der BA gegenüber nicht ausdrücklich zu einer solchen Arbeitsleistung bereit erklärt habe, beruhe auf der unterbliebenen umfassenden Beratung durch die BA.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Urteils gemäß seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Der notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Alternative 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) des Sozialhilfeträgers bedurfte es nicht, obwohl der Kläger nach den Verwaltungsakten der BA Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen hat. Denn bei einem Erstattungsanspruch gem § 104 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X), der dem Sozialhilfeträger gegen die BA zustehen könnte, handelt es sich nicht um einen von der Rechtsposition des Versicherten abgeleiteten, sondern um einen eigenständigen Anspruch, der nicht zur notwendigen Beiladung führt (BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr 104; SozR 1500 § 45 Nr 61; BSG-Urteil vom 19. März 1992 – 7 RAr 128/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Kläger hat für die streitigen Zeiträume gemäß § 134 Abs 4 Nr 1, § 134 Abs 4 iVm § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG keinen Anspruch auf Alhi. Dies bedarf für den Zeitraum vom 9. Mai bis 4. September 1987 nur hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit näherer Begründung. Nach § 103 Abs 1 Satz 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (1) eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, (2) bereit ist, (a) jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie (b) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung, zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen und (3) das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Innerhalb der zuletzt genannten Voraussetzung ist das Merkmal der „Erreichbarkeit” iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG durch § 1 Satz 1 der Aufenthalts-AnO konkretisiert worden. Hierzu war die BA auch befugt; denn durch § 103 Abs 5 Satz 1 AFG hat der Gesetzgeber ihr die Aufgabe übertragen, durch Anordnung Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen nach Abs 1 Satz 1 Nr 3 zu bestimmen (BSGE 66, 103, 105 mwN).
§ 1 Satz 1 der Aufenthalts-AnO bestimmt, daß das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können muß. An dieser Voraussetzung fehlt es hier für die Zeit ab 9. Mai bis 4. September 1987.
Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), da zulässige und begründete Revisionsrügen hiergegen nicht vorgebracht worden sind, war der Kläger in der Zeit ab Antragstellung am 9. Mai 1987 bis zur Beendigung der Fortbildungsmaßnahme am 4. September 1987 – wie er auch selbst einräumt – für das Arbeitsamt Münster nicht erreichbar, weil er sich während des genannten Zeitraumes unter der dortigen im Antragsformular angegebenen Wohnanschrift nicht oder allenfalls am Wochenende aufhielt. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, daß dem Arbeitsamt Münster die Teilnahme des Klägers an der Maßnahme in Wiesbaden bekannt war. Denn der Kläger hatte dem Arbeitsamt Münster – wie vom LSG festgestellt – seine Anschrift in Wallau nicht mitgeteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt dabei keine Rolle, daß dem Arbeitsamt in Wiesbaden die Anschrift in Wallau bekannt war, unter der er während seiner Teilnahme an der Maßnahme wohnte. Denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hatte der Kläger dort lediglich den Antrag auf Förderung der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme gestellt. Von daher hatte das Arbeitsamt Wiesbaden keine Veranlassung, im Sinne der Stellenvermittlung für den Kläger tätig zu werden, dh diesem Arbeitsangebote zu unterbreiten, deren unverzügliche Kenntnisnahme durch das Erfordernis der Erreichbarkeit sichergestellt werden soll. Denn entscheidend ist, daß der Kläger den für die Beurteilung des Anspruchs maßgeblichen, mit der Arbeitslosmeldung verbundenen Antrag auf Bewilligung von Alhi beim Arbeitsamt Münster gestellt hat.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden hat, muß die objektive Verfügbarkeit iS der unverzögerten Erreichbarkeit des Arbeitslosen sowie seiner Fähigkeit, Arbeitsangeboten ohne Zeitverlust Folge zu leisten, im Verhältnis zu dem Arbeitsamt gegeben sein, bei dem der Leistungsantrag rechtmäßig gestellt worden ist, solange nicht ein anderes Arbeitsamt dafür zuständig geworden ist (vgl BSGE 58, 104, 107; 62, 166 = SozR 4100 § 103 Nr 39; Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juni 1992 – 11 RAr 65/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies folgt einerseits aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit der einzelnen Arbeitsämter für die Bearbeitung von Leistungsanträgen, andererseits aus dem Grundsatz, daß die Vermittlung in Arbeit der Gewährung von Leistungen vorgeht (§ 5 AFG). Dieser sachliche Zusammenhang begründet nämlich auch verfahrensmäßig die Zuständigkeit des um die Gewährung von Leistungen rechtmäßig angegangenen Arbeitsamtes für leistungsrechtlich relevante Bemühungen um die Beendigung der Arbeitslosigkeit eines Antragstellers; deutlich kommt dies in der leistungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zum Ausdruck. Zuständig ist nach § 129 Abs 1 AFG grundsätzlich das Arbeitsamt, in dessen Bezirk der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Wohnsitz hat. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieses Arbeitsamt zwar ein anderes Arbeitsamt für zuständig erklären; dies setzt aber einen entsprechenden Antrag des Arbeitslosen voraus (§ 130 Abs 1 AFG). Für diesen Fall schreibt das Gesetz zudem eine unverzügliche Meldung des Arbeitslosen bei dem nunmehr zuständigen Arbeitsamt vor (§ 131 AFG). Da der Kläger weder einen Antrag nach § 130 Abs 1 AFG gestellt hat noch eine Zuständigkeitserklärung für das Arbeitsamt Wiesbaden erfolgt ist und der Kläger sich in der streitigen Zeit dort auch nicht arbeitslos gemeldet hat, ist das Arbeitsamt Münster für ihn zuständig geblieben. Von diesem Amt begehrte er die Bewilligung von Alhi; ihm gegenüber mußten deshalb auch die Tatsachen vorliegen, die zu den Voraussetzungen für die Bejahung des Anspruchsmerkmals „Verfügbarkeit” gehören. Dabei kommt es für die objektive Verfügbarkeit nicht darauf an, ob das Arbeitsamt dem Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich Vermittlungsangebote unterbreitet hat (BSGE 58, 104, 106; Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juni 1992 – 11 RAr 65/91 –).
Doch selbst wenn zugunsten des Klägers eine Zuständigkeit des Arbeitsamtes Wiesbaden unterstellt würde, wäre seine „Erreichbarkeit”, wie sie von § 1 der Aufenthalts-AnO näher umschrieben wird, nicht gegeben. Denn danach muß der Arbeitslose unter der von ihm dem Arbeitsamt benannten Anschrift täglich mindestens zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar sein (BSGE 66, 103, 105 mwN). Zweck dieser durch § 1 Aufenthalts-AnO begründeten sog Residenzpflicht ist es, im Interesse der Versichertengemeinschaft eine sofortige Vermittelbarkeit des Arbeitslosen sicherzustellen, um auf diese Weise dem Vorrang der Vermittlung in Arbeit vor der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit Geltung zu verschaffen; denn Leistungen wegen Arbeitslosigkeit soll nur derjenige Arbeitslose erhalten, der dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung steht und sich subjektiv zur Verfügung hält, weil nur auf diese Weise eine sofortige Vermittlung in Arbeit möglich ist, durch die in erster Linie die Arbeitslosigkeit beendet werden soll. Es darf daher die Leistungsgewährung an einen Arbeitslosen nur dann erfolgen, wenn zugleich für das zuständige Arbeitsamt jederzeit die Möglichkeit besteht, unverzüglich den Leistungsempfänger zu erreichen, um ihm eine zumutbare Arbeit anzubieten. Dies bedeutet, daß Erreichbarkeit iS des § 1 Aufenthalts-AnO nicht bereits dann zu bejahen ist, wenn der Arbeitslose für das Arbeitsamt postalisch erreichbar ist, sondern nur dann, wenn er unter der Wohnanschrift, die er im Leistungsantrag der Beklagten bekannt gegeben hat, von der Beklagten und deren Bediensteten täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich angetroffen werden kann. Dies war bei dem Kläger nicht der Fall. Denn er hielt sich – wie vom LSG bindend festgestellt – während der üblichen Zeit des täglichen Eingangs der Briefpost nicht in seiner Wohnung in Wallau auf. Es genügt für eine Erreichbarkeit iS des § 1 Aufenthalts-AnO nicht, daß er – wie er vorgetragen hat – täglich seinen Briefkasten geleert hat und demzufolge an dem den Eingang der Briefpost folgenden Tag einem entsprechenden Arbeitsangebot des Arbeitsamtes hätte Folge leisten können. Denn die aktuelle Verfügbarkeit des Arbeitslosen muß an jedem Tag, für den Alhi erbracht werden soll, vorhanden sein (BSGE 62, 163, 170 = SozR 4100 § 103 Nr 39).
Gegen diese Rechtsauffassung kann nicht eingewendet werden, sie zwinge den Arbeitslosen zu sinnlosem Nichtstun und überspanne die Anforderungen, die an einen Arbeitslosen zu stellen seien. Das Gebot der Verfügbarkeit verlangt von dem Arbeitslosen nicht, sich etwa den ganzen Tag über in seiner Wohnung aufzuhalten, um dort betätigungslos auf Arbeitsangebote zu warten (vgl BSGE 62, 172; SozR 3-4100 § 103 Nr 4). Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Arbeitslose – wie die Ausnahmeregelung des § 103 Abs 4 AFG und die hier nicht einschlägigen Regelungen der §§ 3, 4 der Aufenthalts-AnO zeigen – sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes im Rahmen der Erreichbarkeit aktuell zur Verfügung halten muß. Insoweit wird auch durch das Erfordernis, für das zuständige Arbeitsamt zur Zeit des Eingangs der regulären Briefpost erreichbar zu sein, das Recht auf Freizügigkeit nicht berührt (BSGE aaO unter Hinweis auf Urteil vom 17. März 1981 – 7 RAr 20/80 –).
Die fehlende Erreichbarkeit des Klägers iS des § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 3 AFG iVm § 1 Aufenthalts-AnO läßt sich auch nicht durch einen sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ersetzen. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob ein Herstellungsanspruch überhaupt in Frage kommt, soweit es um die objektive Verfügbarkeit eines Arbeitslosen geht (vgl BSGE 58, 104, 109; 66, 258, 265). Denn ein Herstellungsanspruch kommt jedenfalls nur in Betracht, wenn dem Versicherten ein rechtlicher Nachteil dadurch zugefügt wurde, daß der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegende Pflicht zur Beratung und/oder Auskunft verletzt hat. Das LSG hat nicht festgestellt und es ist auch nicht ersichtlich, daß der Kläger bei der Arbeitslosmeldung um Beratung durch das Arbeitsamt nachgesucht hat. Zu einer Beratung von Amts wegen anläßlich einer Arbeitslosmeldung ist die BA nur verpflichtet, soweit Gestaltungsmöglichkeiten zutage treten, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheint, daß ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (BSGE 60, 79, 86 mwN; Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juni 1992 – 11 RAr 65/91 –). Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger bei der Arbeitslosmeldung dem Arbeitsamt eine Anschrift in Münster genannt hat, unter der er zumindest wochentags nicht erreichbar war. Er hatte dem Arbeitsamt Münster die Anschrift in Wallau nicht angegeben, sondern lediglich mitgeteilt, daß er in der Zeit ab 13. Oktober 1986 an einem DV-Seminar in Wiesbaden teilnahm. Selbst wenn von der Erwägung ausgegangen wird, daß die BA es möglicherweise durch pflichtwidriges Verhalten verursacht hat, daß das Arbeitsamt Wiesbaden nicht für die Bearbeitung des Leistungsbegehrens des Klägers für zuständig erklärt worden ist (§ 130 Abs 1 AFG), ändert dies an dem Ergebnis nichts. Denn selbst wenn dies nachholbar wäre, dh durch eine derartige, rechtlich zulässige Amtshandlung der Beklagten sich rückwirkend die Zuständigkeit des Arbeitsamtes Wiesbaden begründen ließe, folgt daraus nicht, daß der Kläger damit in der streitigen Zeit der Arbeitsvermittlung durch dieses Arbeitsamt zur Verfügung gestanden hätte; denn dieses hätte ebenfalls erfordert, daß das Arbeitsamt Wiesbaden in der streitigen Zeit in der Lage gewesen wäre, Vermittlungsversuche für den Kläger vorzunehmen. Eine derartige Sachlage ist aber rückwirkend nicht mehr herstellbar; dies wird bereits daran deutlich, daß der Kläger auch unter der Wohnanschrift in Wallau aufgrund der vollschichtigen Inanspruchnahme durch die Bildungsmaßnahme für die Beklagte und deren Bedienstete täglich während der üblichen Posteingangszeiten – wie oben dargestellt – nicht erreichbar war. Fehlen mithin für den streitigen Zeitraum auch gegenüber dem Arbeitsamt Wiesbaden die Voraussetzungen für die objektive Verfügbarkeit des Klägers und lassen sich diese ebenfalls nicht durch eine rechtlich zulässige Amtshandlung der Beklagten nachträglich herstellen, ist die Frage einer nachträglichen Begründung der Zuständigkeit des Arbeitsamtes Wiesbaden im Wege der zulässigen Herstellung ohne Belang für den Klaganspruch (vgl BSGE 58, 104, 110).
Hat der Kläger somit für die Zeit ab Antragstellung am 9. Mai 1987 schon deshalb keinen Anspruch auf Bewilligung von Alhi, weil er in diesem Zeitraum nicht erreichbar iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 1 Aufenthalts-AnO war, so bedarf es keiner Beurteilung der Frage, ob er im fraglichen Zeitpunkt die übrigen Voraussetzungen der Verfügbarkeit erfüllt hat. Offenbleiben kann daher insbesondere die Frage, ob die Bereitschaft, die – hier von der BA geförderte -Ausbildungsmaßnahme im Falle eines Arbeitsangebotes aufzugeben, für die Annahme von Verfügbarkeit im genannten Sinne ausreichend war. Ebenso kann offenbleiben, ob der Kläger in der Lage gewesen wäre, zusätzlich zu der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, und ob – bei Vorhandensein entsprechender Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – hinsichtlich der unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten möglichen wöchentlichen Gesamtarbeitszeit bestimmte Grenzen zu ziehen sind (vgl dazu BSG-Urteil vom 19. März 1992 – 7 RAr 128/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Für den Zeitraum nach Beendigung der Maßnahme hat der Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf Bewilligung von Alhi.
Insoweit hat das LSG zutreffend entschieden, daß es zum Zeitpunkt der zweiten Antragstellung vom 13. Oktober 1987 an der Anspruchsvoraussetzung der sog Vorfrist des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG fehlte. Denn zum Zeitpunkt des Antrags hatte der Kläger nicht innerhalb des Jahres zuvor mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnte. Die Zeit der Maßnahme kann nicht als einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehende Zeit bewertet werden, weil der Kläger kein Uhg bezogen hat (vgl § 107 Nr 5d AFG).
Die Revision des Klägers war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen