Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 08.06.1989) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 1989 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist die Rentenhöhe (hier: Anrechnung von Überversicherungsbeiträgen).
Die am 8. Januar 1924 geborene Klägerin nahm nach Ableistung des hauswirtschaftlichen Jahres und Durchlaufen einer kaufmännischen Lehre vom 16. März 1942 bis 18. Juni 1942 an einem Ausbildungslehrgang für Funkerinnen in Metz teil. Anschließend war sie als Luftnachrichtenhelferin in Diedenhofen (Lothringen), Mainz-Land, Staade und ab September 1942 bis Kriegsende in Dänemark eingesetzt. Am 10. April 1942 wurde zwischen der Klägerin und der Flak-Verwaltung Trier für die Zeit ab 16. März 1942 ein formularmäßiger Dienstvertrag geschlossen und die Klägerin „auf Kriegsdauer” ua nach Maßgabe der „BDO-Luft-Kriegsaushilfsangestellte” ins Angestelltenverhältnis übernommen. Weiter heißt es in diesem Dienstvertrag: „Die Angestellte wird nach Maßgabe der gemeinsamen Dienstordnung für die Verwaltungen und Betriebe des Reichs über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung nicht beamteter Gefolgschaftsmitglieder (GDO) bei der Reichsversicherung für Angestellte versichert/überversichert.” Die Worte „versichert” und „überversichert” stehen maschinengeschrieben übereinander, die Worte „Reichsversicherung für Angestellte” wurden in den formularmäßigen Lückentext handschriftlich eingefügt.
Für die Zeit von April 1939 bis März 1941 liegt der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine am 24. April 1941 aufgerechnete Versicherungskarte Nr 1 der Angestelltenversicherung mit 24 entwerteten Beitragsmarken vor. Vorhanden ist auch die Versicherungskarte Nr 3, ausgestellt am 2. Juni 1959. Am 21. Mai 1959 stellte die Beklagte der Klägerin „als Ersatz für die Versicherungskarte Nr 2” eine Bescheinigung aus, wonach in der während des Krieges verlorenen Versicherungskarte Nr 2 Beitragsmarken der Pflichtversicherung verwendet waren, und zwar ua im Wert von 4,00 RM für die Zeit vom 16. März 1942 bis zum 31. März 1942 und drei Marken im Wert von jeweils 8,00 RM für die Zeit vom 1. April 1942 bis zum 30. Juni 1942. Außerdem wurden Bruttoarbeitsverdienste der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1942 bis zum 30. April 1945 bescheinigt.
Einen bereits 1983 gestellten Antrag der Klägerin auf Anrechnung von Beiträgen zur Überversicherung für den Zeitraum der Tätigkeit als Luftnachrichtenhelferin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 1984 (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1985) mit der Begründung ab, daß die Entrichtung entsprechender Beiträge nicht nachgewiesen sei. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Koblenz (Az.: S 1 A 8/86) nahm die Klägerin am 23. Juni 1986 zurück. Zwischenzeitlich – aufgrund eines in einem anderen Verfahren vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) am 4. April 1985 geschlossenen Vergleichs – hatte die Beklagte mit (Ausführungs-) Bescheid vom 6. August 1985 ab 1. Juni 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt.
Den im November 1986 gestellten Antrag, die Rentenberechnung zu überprüfen und ua die Überversicherung anzuerkennen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 1986 ab. Sie habe die Leistung im Bescheid vom 6. August 1985 richtig festgestellt; Überversicherungsbeiträge seien für die Klägerin nicht entrichtet worden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist ebenso erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 1. April 1987) wie die zum SG Koblenz erhobene Klage (Urteil vom 30. März 1988).
Während des Berufungsverfahrens wandelte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung vom 1. Februar 1989 in das Altersruhegeld um (Bescheid vom 30. November 1988). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte verurteilt, „für die Zeit vom 16. März 1942 bis 8. Mai 1945 eine Überversicherung nach Maßgabe des Dienstvertrages vom 7./10. April 1942 anzuerkennen und rentensteigernd zu berücksichtigen” (Urteil vom 8. Juni 1989). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, für die Überversicherungsbeiträge sei die Versicherungsunterlagenverordnung (≪VuVO≫ vom 3. März 1960, BGBl I S 137) entsprechend anzuwenden. Es sei überwiegend wahrscheinlich, daß für die Klägerin Überversicherungsbeiträge zu entrichten waren und entrichtet worden seien. Nichts spreche für eine Durchführung der Überversicherung als privatrechtliche Versicherung bei der Zusatzversorgungsanstalt des Reichs und der Länder (ZRL). Obgleich der Einsatz der Klägerin nicht im Reichsgebiet erfolgt sei, habe es keinen einleuchtenden Grund gegeben, die dienstordnungs- oder vertragsmäßig bestehende Überversicherungspflicht nicht durchzuführen.
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision bezieht sich die Beklagte „vollinhaltlich” auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Dort hat sie eine Verletzung des § 136 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie eine Verletzung der §§ 3, 6 und 10 VuVO gerügt. Die Beklagte trägt vor, aus dem Urteil des LSG ergebe sich nicht, welche Alternative des § 1 VuVO das LSG für erfüllt angesehen und welche dort enthaltene Teilregelung es mithin angewandt habe. Eine Glaubhaftmachung von im Rahmen einer Überversicherung zu entrichtenden Beiträgen (im folgenden: Überversicherungsbeiträge) sei nicht zulässig.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 1989 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30. März 1988 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte könne zur Begründung der Revision nicht auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde verweisen, da im Revisionsverfahren nicht deutlich werde, auf welche Gründe sich die Revision nunmehr stütze. In der Sache selbst halte sie das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 23. März 1990 auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde „vollinhaltlich” Bezug genommen hat, ist die Revision iS des § 164 Abs 2 SGG form- und fristgerecht begründet. Eine solche Bezugnahme reicht für die Revisionsbegründung (nur) dann nicht aus, wenn mit der Beschwerde mehrere Nichtzulassungsgründe geltend gemacht worden sind und die Revisionsbegründung nicht erkennen läßt, auf welchen dieser Gründe die Revision gestützt werden soll (BSG SozR 1500 § 164 Nr 27). Eine derartige Unklarheit ist der Revisionsbegründungsschrift vom 23. März 1990 nicht zu entnehmen.
Die Revision ist iS einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet. Ob und in welcher Höhe die Beklagte bei der Erwerbsunfähigkeitsrente und dem Altersruhegeldbescheid vom 30. November 1988, der gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, Beiträge aus einer Überversicherung der Klägerin zu berücksichtigen hat, kann aufgrund der Feststellung des LSG nicht abschließend beurteilt werden.
Beiträge, die im Rahmen einer Überversicherung entrichtet wurden, können – je nachdem, für welche Zeit sie zu entrichten waren – bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente und des Altersruhegeldes zu einer höheren persönlichen Bemessungsgrundlage (§§ 30 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1, 31 Abs 1 Halbsatz 1, 32 Abs 2 und 3 Angestelltenversicherungsgesetz ≪AVG≫) führen oder den Jahresbetrag um Steigerungsbeträge für entrichtete Beiträge der Höherversicherung erhöhen (§§ 30 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Halbsatz 2, 31 Abs 1 Halbsatz 2, 38 AVG). Zu differenzieren ist zwischen einer Überversicherung vor und ab dem 1. Juli 1942.
Gemäß §§ 30 Abs 2 Satz 1, 31 Abs 1 AVG beträgt der Jahresbetrag sowohl der Erwerbsunfähigkeitsrente wie auch des Altersruhegeldes für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr 1,5 vH der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage.
Diese wird für Zeiten, für die Beiträge nach Lohn- oder Beitragsklassen entrichtet sind, dadurch ermittelt, daß die Zahl der entrichteten Beiträge jeder einzelnen Klasse mit den Werten vervielfältigt wird, die in der Tabelle der Anlage 1 zu § 32 AVG für diese Klasse und für die einzelnen Zeiträume der Beitragsentrichtung angegeben sind (§ 32 Abs 1, Abs 3 Satz 1 Buchst a AVG). Hiernach werden bei der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage des Versicherten auch diejenigen Beitragsanteile berücksichtigt, die in der Zeit bis zum 30. Juni 1942 im Rahmen einer Überversicherung zu entrichten waren (vgl BSGE 27, 237, 238 mit dem Hinweis, daß die Tabellenwerte der Anlage 1 zu § 32 AVG nach dem – gemessen am tatsächlichen Einkommen – höheren Beitrag zugrundezulegen sind und so auf die persönliche Bemessungsgrundlage einwirken). Bis zum Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Vereinfachung des Lohnabzuges in der Angestelltenversicherung am 1. Juli 1942 (2. LAV vom 24. April 1942, RGBl I S 252) wurde nämlich die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der im öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten im Wege der Entrichtung von Pflichtbeiträgen in einer höheren als der dem Arbeitsentgelt entsprechenden Beitragsklasse durchgeführt: Die Versicherungsklasse war bei den der Überversicherung unterliegenden Arbeitnehmern so zu wählen, daß der für die Überversicherung monatlich aufzuwendende Beitrag dem Betrag von 6,5 vH des Monatsbetrages der laufenden Dienstbezüge möglichst nahekam (§§ 1 Abs 1, 16 Allgemeine Tarifordnung für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst ≪ATO≫, Reichsbesoldungsblatt ≪RBBl≫ 1938, S 121 iVm Nrn 1, und 6 GDO vom 30. April 1938, RBBl 1938, S 140 ff). Die für die Überversicherung aufzuwendenden Beiträge wurden somit nicht neben, sondern zusammen mit den auf das Arbeitsentgelt entfallenden Beitragsanteilen als einheitlicher (Gesamt-)Beitrag in Form einer (einzigen) Beitragsmarke entrichtet. Dies war nach § 170a AVG idF des Gesetzes über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937 (RGBl I S 1393, 1400) iVm § 1389, 1389a Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ in der damals gültigen Fassung zulässig. Es kann also bei der Geltendmachung von Überversicherungsbeiträgen für die Zeit bis zum 30. Juni 1942 nur darum gehen, bei der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage die Berücksichtigung von Pflichtbeiträgen in einer höheren als der dem Arbeitsentgelt entsprechenden Beitragsklasse zu erreichen.
Anders stellt sich die Rechtslage für die Zeit ab dem Inkrafttreten der 2. LAV dar. Die seit dem 1. Juli 1942 im Rahmen einer Überversicherung entrichteten Beiträge werden als Höherversicherungsbeiträge berücksichtigt. Sie kommen daher dem Grundsatz nach für eine Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente und des Altersruhegeldes gemäß §§ 30 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Halbsatz 2, 31 Abs 1 Halbsatz 2 AVG in Betracht.
Nach den genannten Vorschriften erhöht sich der Jahresbetrag um die Steigerungsbeträge nach § 38 AVG für „entrichtete Beiträge der Höherversicherung” iS des § 130 AVG (in der seit dem 1. Januar 1957 geltenden Fassung durch Art 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ≪AnVNG≫ vom 23. Februar 1957, BGBl I S 88, Abs 1 idF durch Art 1 § 2 Nr 15 des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 28. Juli 1969, BGBl I S 956 mit Wirkung vom 1. August 1969, Abs 3, aufgehoben mit Wirkung vom 1. Januar 1968). Als Beiträge der Höherversicherung gelten auch freiwillige Beiträge, die in der Zeit vor dem 1. Januar 1957 ua neben Pflichtbeiträgen entrichtet worden sind (Art 2 § 15 Abs 2 Satz 1 AnVNG). Art 2 § 15 Abs 2 Satz 1 AnVNG findet demgemäß auch Anwendung bei Beiträgen, die in der Zeit seit dem Inkrafttreten der 2. LAV im Rahmen einer Überversicherung nach den Vorschriften der GDO neben Pflichtbeiträgen entrichtet wurden (vgl BSGE 31, 174, 175 = SozR Nr 8 zu Art 2 § 15 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ≪ArVNG≫; Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1991 – 4/1 RA 25/89 – zur Veröffentlichung bestimmt). Dies ergibt sich daraus, daß seit dem Inkrafttreten der 2. LAV die auf das Arbeitsentgelt entfallenden Pflichtbeiträge dem Lohnabzugsverfahren unterstellt wurden, während die auf die Überversicherung entfallenden Beiträge, für die als Fall der Höherversicherung alten Rechts das Lohnabzugsverfahren nicht galt (vgl § 13 Abs 3 2. LAV), weiterhin im Markenklebeverfahren und damit getrennt von den Pflichtbeiträgen zu entrichten waren.
Entgegen der Ansicht der Beklagten war es dem LSG zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsache der Entrichtung von Überversicherungsbeiträgen nicht grundsätzlich verwehrt, das Beweismaß der Glaubhaftmachung iS von § 10 VuVO zugrunde zu legen und sich mit diesem Überzeugungsgrad (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) zu begnügen. Gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 iVm Satz 1 VuVO genügt für die Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen, zu deren Nachweis fehlende Versicherungsunterlagen dienen, daß diese Tatsachen glaubhaft gemacht sind, wenn glaubhaft gemacht ist, daß die Quittungs- oder Versicherungskarte beim Arbeitgeber oder Versicherten oder nach den Umständen des Falles auf dem Weg zum Versicherungsträger zerstört, verloren gegangen oder unbrauchbar geworden ist. Die Rechtsansicht der Beklagten, daß diese den sachlichen (thematischen) Anwendungsbereich der Rechtsverordnung festlegende Vorschrift nicht anwendbar ist, weil die §§ 2 ff VuVO keine ausdrückliche Regelung für Überversicherungsbeiträge enthielten, die Systematik dieser Vorschriften ausschließlich „Grundbeiträge” erfasse und die damit einhergehende Pauschalierung im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherten hingenommen werden müsse, teilt der Senat nicht (vgl Urteil vom 29. Mai 1991 – 4/1 RA 25/89):
§ 1 VuVO enthält die Generalklausel, nach der in sämtlichen Fällen, in denen Versicherungsunterlagen (Quittungskarten, Versicherungskarten, Beitragskonten) aus den in ihr genannten Gründen für den Nachweis einer Rechtsposition nicht zur Verfügung stehen, zu verfahren ist, soweit die §§ 2 ff VuVO keine besondere Regelung vorsehen (so schon die amtliche Begründung zu § 1 VuVO, BR-Drucks 44/60 Begründung S 4, vgl BSG SozR Nr 3 zu § 1 VuVO; BSG SozR 5745 § 1 Nr 2). Damit findet § 1 VuVO auch auf Beiträge Anwendung, die im Rahmen der sog. Überversicherung zu entrichten waren. Die Überversicherung war – soweit sie bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) durchgeführt wurde – ein Fall der Höherversicherung im alten Recht. Es handelte sich – wie der Senat in dem erwähnten Urteil vom 29. Mai 1991 hinsichtlich des Zeitraumes seit Inkrafttreten der 2. LAV bereits ausgeführt hat – um eine arbeitsrechtliche Verpflichtung für angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigte, zusätzlich zu ihren sozialrechtlichen Pflichtversicherungsbeiträgen aus der Sicht des Versicherungsrechts „freiwillige” Beiträge in Beitragsmarken in bestimmter Höhe an die RfA abzuführen (dazu Anordnung des Reichsministers der Finanzen vom 1. Juli 1942, RBBl 1942, 148; Beschluß des Leiters der RfA vom 22. Juli 1942 in: Monatsschrift für Arbeiter- und Angestelltenversicherung 1943, 133). Zum Nachweis der abgeführten Versicherungsbeiträge diente von Juli 1942 bis zur Beendigung der Überversicherung die – uU schon vor Juli 1942 ausgestellte und verwendete -Versicherungskarte, in welche die Beitragsmarken, die unverändert blieben, einzukleben waren (vgl Beschluß des Leiters der RfA vom 22. Juli 1942, aaO). Die Abführung der auf der Überversicherung beruhenden Beiträge waren also durch solche Versicherungsunterlagen nachzuweisen, bei deren in § 1 VuVO näher umschriebenen Verlust Beweiserleichterung nach § 10 VuVO eingeräumt wird.
Geht man, wie anscheinend die Beklagte, davon aus, daß neben den Voraussetzungen des § 1 VuVO auch geprüft werden müsse, ob die §§ 2 ff VuVO eine Glaubhaftmachung von gesonderten Überversicherungsbeiträgen zulassen, so ist zunächst festzuhalten, daß auch die auf eine Überversicherung entfallenden Beiträge seit Juli 1942 beitragsrechtlich freiwillige Beiträge iS der §§ 3 Abs 2 und 6 VuVO sind, deren Wortlaut nicht zu entnehmen ist, er solle nur „Grundbeiträge” oder nur bestimmte Arten freiwilliger Beiträge alten Rechts erfassen. Die Ansicht der Beklagten würde zudem den Zweck von Art 2 § 15 Abs 2 Satz 1 AnVNG weitgehend vereiteln, freiwillige Beiträge, die „neben” Pflichtbeiträgen (oder in Ersatzzeiten) entrichtet worden sind, „noch besonders zu honorieren” (BSG SozR Nr 9 zu Art 2 § 15 ArVNG mwN). Die Anwendung der VuVO auf Überversicherungsbeiträge führt schließlich auch zu keiner dem Pauschalierungsprinzip widersprechenden Ungleichbehandlung, denn nach § 6 Abs 1 Buchst b VuVO werden für Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Höhe der Beiträge nicht – und, worauf noch einzugehen sein wird, auch nicht die Höhe des Einkommens – nachgewiesen ist, in der Angestelltenversicherung Beiträge lediglich nach der Beitragklasse B (II) angerechnet (vgl hierzu im einzelnen BSG Urteil vom 29. Mai 1991 – 4/1 RA 25/89).
Aus dem Vorgesagten ergibt sich bereits, daß hinsichtlich der Möglichkeit einer Glaubhaftmachung von Überversicherungsbeiträgen nach der VuVO für Zeiten vor dem 1. Juli 1942 nichts anderes gelten kann. Nichts spricht gegen die Zulässigkeit, glaubhaft zu machen, daß gemäß § 170a AVG aF iVm § 1389 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF höhere Beiträge als gesetzlich erforderlich entrichtet worden sind. Dabei gibt der vorliegende Fall Veranlassung, auf folgendes hinzuweisen: Die Beklagte hat bereits in ihrer Bescheinigung vom 11. Mai 1959 über den rekonstruierten Inhalt einer Versicherungskarte Nr 2 die Höhe des jeweiligen Arbeitsentgelts der Klägerin im Ergebnis als nachgewiesen angesehen. Dies bedeutet aber, daß – unterstellt, die Überversicherung sei erfolgreich glaubhaft gemacht – aufgrund der arbeitsrechtlichen Bestimmungen im öffentlichen Dienst ein bestimmter Gesamt-Überversicherungsbeitrag bis Juni 1942 und für Zeiten danach ein bestimmter – aus der Sicht der Rentenversicherung freiwilliger – „Nebenbeitrag” hätte entrichtet werden müssen. Ist also die Höhe des Entgelts nachgewiesen, so muß auch auf entsprechend hohe bestimmte Überversicherungsbeiträge geschlossen werden. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob sich dies bereits aus § 1 VuVO herleiten läßt oder ob dazu der Grundgedanke des § 6 Abs 2 Satz 1 VuVO heranzuziehen ist. Ist danach die Höhe der Beiträge nicht, wohl aber die Höhe des eigenen Einkommens nachgewiesen, so werden für Zeiten einer freiwilligen Versicherung, für die die Entrichtung von Beiträgen in der dem jeweiligen Einkommen entsprechenden Beitragsklasse vorgeschrieben war, Beiträge nach der dem Einkommen entsprechenden Beitragsklasse angerechnet (die etwas andere Neufassung durch Art 14 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261, gilt hier noch nicht). Auch wenn sich diese Vorschrift unmittelbar nur auf die „normale” freiwillige Versicherung, nicht auf die Überversicherung bezieht, berücksichtigt sie im Rahmen der VuVO eine Fallgestaltung, in der freiwillige Beiträge in der dem jeweiligen Einkommen entsprechenden Gehaltsklasse, (mindestens aber in Gehaltsklasse B) zu entrichten waren (§ 185 AVG idF des Gesetzes vom 29. März 1928). Der Senat folgert daher daraus, daß bei nachgewiesenem Entgelt und glaubhaft gemachter Überversicherung im öffentlichen Dienst kein Mindestbeitrag, sondern der dem Arbeitseinkommen entsprechende Überversicherungsbeitrag zugrunde zu legen ist.
Der Senat hat aber Bedenken in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegen eine Glaubhaftmachung der Überversicherung im vorliegenden Fall, die auszuräumen die bisherigen Feststellungen des LSG nicht zulassen.
Die Entrichtung von Überversicherungsbeiträgen kann nur dann glaubhaft gemacht werden, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 VuVO vorliegen oder wenn die Klägerin zuvor behauptet und glaubhaft macht, daß die Quittungs- oder Versicherungskarte beim Arbeitgeber oder Versicherten oder nach den Umständen des Falles auf dem Weg zum Versicherungsträger zerstört, verloren gegangen oder unbrauchbar geworden ist (§ 1 Abs 1 Satz 2 iVm Satz 1 VuVO). Diesbezüglich hat das LSG bislang keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Der Umstand, daß die Beklagte bereits am 21. Mai 1959 den Inhalt einer verlorenen Versicherungskarte Nr 2 bescheinigt hat, kann diese Feststellungen nicht ersetzen, zumal im Hinblick auf den geltend gemachten Zeitraum (April 1941 bis 8. Mai 1945, wobei das LSG übersieht, daß die rekonstruierte Karte Nr 2 nur bis zum 30. April 1945 reicht) noch weitere Versicherungskarten hätten ausgestellt und zum Umtausch gelangen müssen. Selbst wenn für die Klägerin ab Juli 1942 die entrichteten Pflichtbeiträge vom Arbeitgeber auf sogenannten Einlagebögen zur Versicherungskarte bestätigt und nachgewiesen worden sein sollten, bot die Versicherungskarte Nr 2 nur noch Raum für weitere 21 Kalendermonate freiwilliger Beitragszahlung. Schon wegen Raummangels für die zu klebenden Marken hätten die Karten im Falle bestehender Überversicherung weiterhin laufend umgetauscht werden müssen (vgl Atzert/Heiser; Die Beitragsnachweise der Angestelltenversicherung, 3. Aufl, S 37).
Das Urteil des LSG ist daher aufzuheben, damit Feststellungen darüber getroffen werden, ob die Voraussetzungen des § 1 VuVO vorliegen.
Bei der Frage, ob eine Entrichtung von Beiträgen im Rahmen der Überversicherung glaubhaft gemacht ist, wird das LSG insbesondere beachten müssen, daß die Anstellung der Klägerin ausweislich des Dienstvertrages vom 7./10. April 1942 ausdrücklich „auf Kriegsdauer” und „nach Maßgabe der BDO Luft-Kriegsaushilfsangestellte” (vgl Luftwaffen-Verordnungsblatt 1940, Teil A S 487 Nr 994), nach Maßgabe der ATO, der Tarifordnung A für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst (AT.O, RBBl 1938 S 143 ff), der GDO und der BDO.Luft (Luftwaffen-Verordnungsblatt 1938 Teil A S 115 Nr 171) erfolgte. Der formularmäßige Dienstvertrag der Klägerin vom 7./10. April 1942 entspricht damit im wesentlichen dem Musterdienstvertrag der Angestellten bei den Verwaltungen des Deutschen Reichs (vgl RBBl 1938 S 169, 170 Nr X). Ob aus der Klausel, die Angestellte werde nach Maßgabe der GDO über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei der RfA versichert, auf die tatsächliche – möglicherweise zu Unrecht erfolgte – Beitragsentrichtung geschlossen werden kann, ist zweifelhaft. Zweifel hieran ergeben sich aus den Bestimmungen der Besonderen Dienstordnung für Aushilfsangestellte im Bereich der Luftwaffe „BDO-Luft-Kriegsaushilfsangestellte”), die mit Wirkung zum 26. August 1939 für Aushilfsangestellte im Bereich der Luftwaffe erlassen wurde. Kriegsaushilfsangestellter iS dieser Dienstordnung war ua auch derjenige, mit dem ein Dienstvertrag geschlossen wurde, der – wie im Fall der Klägerin – ausdrücklich der BDO-Luft-Kriegsaushilfsangestellte unterstellt wurde (vgl Nr 1 Buchst b Nr 5 Abs 2 BDO-Luft-Kriegsaushilfsangestellte, Luftwaffen-Verordnungsblatt 1940, Teil A S 487). In Ziff 4 (aaO) wurde bestimmt, daß bei zeitlich begrenzter Dienstverpflichtung die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach den Grundsätzen geregelt wird, die für das frühere Beschäftigungsverhältnis maßgeblich waren. War im bisherigen Beschäftigungsverhältnis eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung nicht vorgesehen, so kam sie auch jetzt nicht in Betracht. War ein Dienstverpflichteter dagegen in seinem früheren Beschäftigungsverhältnis überversichert, so war die zusätzliche Altersversorgung in der bisherigen Art fortzusetzen.
Durch Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 14. Oktober 1940 (RABl Teil I S 547) wurde klargestellt, daß als zeitlich begrenzt auch solche Dienstverpflichtungen anzusehen sind, die „für die Dauer des Krieges” oder „bis auf weiteres” ausgesprochen sind, obwohl ein bestimmter Zeitpunkt für das Ende der Dienstleistung nicht genannt ist (vgl auch Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Januar 1941, RBBl 1941, S 63 Nr 3628). Damit entspricht die Regelung in Ziff 4 (aaO) der 4. Durchführungsanordnung zur Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 28. November 1940 (RGBl Teil I S 1532 = RBBl 1941 S 60), der 6. Durchführungsverordnung zur Notdienstverordnung vom 22. Mai 1940 (RGBl Teil I S 815 = RBBl 1940, S 180) und dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei Heranziehung im Luftschutzwarndienst, Sicherheits- und Hilfsdienst oder im Flugmeldedienst nach § 23 der Ersten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz (RBBL 1940, S 42; zur Überführung der Flugmeldehelferinnen, die aufgrund des Luftschutzgesetzes – ggf unter Begründung eines einem Arbeitsvertrag entsprechenden Beschäftigungsverhältnisses – herangezogen worden sind, in ein Beschäftigungsverhältnis aufgrund der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 vgl Runderlaß des Reichsministers der Justiz vom 10. Juli 1942, Mitteilungen der RfA 1942, S 42f).
Das LSG wird weiter berücksichtigen müssen, daß durch Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 10. Dezember 1943 (RBBl 1943 S 215) angeordnet wurde, daß – bis auf wenige hier nicht einschlägige Ausnahmen – ab 1. Januar 1944 eine Überversicherung in der Rentenversicherung der Angestellten nicht mehr vorzunehmen und die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Angestellten stattdessen im Wege einer Versicherung bei der ZRL durchzuführen sei.
Das LSG wird auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen