Leitsatz (amtlich)
Die Teilzeitarbeitskräfte, die noch halbschichtig bis unter vollschichtig arbeiten können, ist der Arbeitsmarkt nicht nur dann praktisch verschlossen, wenn das Verhältnis der Zahl der offenen plus besetzen Teilzeitarbeitsplätze zur Zahl der Interessenten für Teilzeitarbeitsplätze (Beschäftigte plus Arbeitsuchende ungünstiger ist als 75 : 100, sondern auch dann, wenn die BA nicht in der Lage ist, die für diese Entscheidung erforderlichen Zahlen zu nennen.
Zahlen, die nicht von der BA, sondern aus anderen Quellen stammen, sind daher, falls sie überhaupt zu erlangen sind, für diese Entscheidung ungeeignet.
Etwas anderes gilt lediglich bei der Entscheidung darüber, ob für eine Teilzeitarbeitskraft der Arbeitsmarkt durch besonders gelagerte Einsatzbeschränkungen eingeschränkt ist.
Normenkette
RKG § 46 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21, § 47 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1247 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 1969 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der frühere Kläger Matthias C (C.) bezog seit dem 1. August 1966 die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit. Seinen Antrag auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Dezember 1967 ab. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor, weil C. noch in der Lage sei, halbschichtig leichte Arbeiten über Tage zu verrichten, wie sie in den Lohngruppen IV und V über Tage der Lohnordnung für den Aachener Steinkohlenbergbau wie auch für den Steinkohlenbergbau am Niederrhein und an der Ruhr aufgeführt sind und sich unter gleicher oder ähnlicher Bezeichnung auf dem allgemeinen Arbeitsfeld finden. Vom Gesetzgeber sei eine gewisse Verweisung auf Teilzeitarbeiten gewollt und in Kauf genommen worden. Insoweit bedürfe es keiner Beweiserhebung über das Vorhandensein von Teilzeitarbeitsplätzen. Bei der Verweisung müßten aber zwei wesentliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Einmal die Tatsache, daß die Zahl von Teilzeitarbeitsplätzen für Männer, im ganzen gesehen, jedenfalls nicht sehr groß sei. Zum anderen könne nach allgemeiner Erfahrung davon ausgegangen werden, daß die Aussichten, einen Teilzeitarbeitsplatz zu erhalten, immer geringer würden, je stärker die gesundheitlichen Einschränkungen seien. Berücksichtige man dies, so sei jemand, der noch etwa halbschichtig arbeiten könne, im allgemeinen nicht als erwerbsunfähig anzusehen. Diese Ansicht sei vom Bundessozialgericht (BSG) (Urt. vom 13.4.1967 - 5 RKn 108/66 - = SozR Nr. 14 zu § 1247 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) im Ergebnis bestätigt worden. Da feststehe, daß C. noch derartige leichte Arbeit halbschichtig verrichten könne, sei er nicht erwerbsunfähig.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, das Leistungsvermögen sei so eingeschränkt, daß eine reale Möglichkeit, mehr als nur geringfügige Einkünfte und einen dementsprechenden Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten, nicht mehr bestehe. Das BSG habe in mehreren Entscheidungen festgestellt, eine Verweisung sei nur auf solche Arbeitsplätze möglich, die es in mehr als nur bedeutungslosem Umfang gebe. Eine Verweisung auf Tätigkeiten, für die es ein dem freien Wettbewerb zugängliches Arbeitsfeld nicht gebe, sei nicht zulässig. Das LSG gehe ohne eigene Sachkunde davon aus, daß es für C. noch Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gegeben habe ohne darüber Feststellungen getroffen zu haben. Solche Nachforschungen seien aber erforderlich gewesen. Das LSG habe daher auch die §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 28. August 1968 sowie des Bescheides vom 4. Dezember 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 1968 die Beklagte zu verurteilen, ihr anstelle des C. Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1967 bis zum Tode des C. zu gewähren,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sie meint, nach den Beschlüssen des Großen Senats vom 10./11. Dezember 1969 sei C. auf das Arbeitsfeld des gesamten Bundesgebietes zu verweisen. Das Berufungsgericht habe die erforderliche Prüfung nachzuholen, ob Arbeitsplätze für halbschichtige leichte Tätigkeiten in genügender Zahl vorhanden seien.
C. ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Die Witwe hat mit Schreiben vom 24. Juli 1970 das Verfahren als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 88 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG -) aufgenommen (§ 68 SGG, 239 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Sie lebte mit dem Versicherten bis zu dessen Tode in häuslicher Gemeinschaft.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision ist insofern begründet, als die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen wird.
Entscheidend kommt es in diesem Rechtsstreit darauf an, ob C. auf die Tätigkeiten, die er noch in Teilzeitarbeit verrichten kann, ohne Rücksicht darauf verwiesen werden kann, ob und in welchem Umfang es hierfür Teilzeitarbeitsplätze gibt oder ob dies nur dann möglich ist, wenn es Teilzeitarbeitsplätze für diese Tätigkeiten gibt. Diese Rechtsfrage hat der Große Senat durch Beschluß vom 11. Dezember 1969 in Sachen B ./. Landesversicherungsanstalt (LVA) R. - GS 2/68 - dahin entschieden, daß es bei Anwendung des § 1247 Abs. 2 RVO erheblich ist, daß Arbeitsplätze, die der Versicherte mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, seien sie frei oder besetzt„ vorhanden sind, und daß der Versicherte auf solche Tätigkeiten nur verwiesen werden kann, wenn ihm das Arbeitsfeld nicht praktisch verschlossen ist, d. h. wenn das Verhältnis der im Verweisungsgebiet vorhandenen, für ihn in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze zur Zahl der Interessenten für solche Beschäftigungen nicht ungünstiger ist als 75 : 100. Die in diesem Beschluß entwickelten Rechtsgrundsätze sind zwar zu § 1247 Abs. 2 RVO in bezug auf die Arbeiterrentenversicherung ergangen, sie gelten jedoch auch für § 47 Abs. 2 RKG, da der Wortlaut beider Vorschriften übereinstimmt und in beiden Versicherungszweigen der Begriff der Erwerbsunfähigkeit ein einheitlicher ist.
Der Große Senat hat in Abschnitt C V 1 des oa Beschlusses iVm Abschnitt C V 2 des Beschlusses vom gleichen Tage in Sachen M ./. LVA Berlin - GS 4/69 - Grundsätze entwickelt, in welchen Fällen in diesem Sinne das Arbeitsfeld in der Regel als verschlossen angesehen werden kann. Um diese Frage für den vorliegenden Fall entscheiden zu können, bedarf es weiterer Tatsachenfeststellung, die der erkennende Senat als Revisionsgericht nicht treffen kann. Das LSG hat lediglich festgestellt, daß C. noch halbschichtig leichte Arbeiten, wie sie in den Lohngruppen IV und V über Tage der Lohnordnungen für den Aachener Steinkohlenbergbau, für den Steinkohlenbergbau am Niederrhein und für den der Ruhr üblich sind und wie sie mit gleicher oder ähnlicher Bezeichnung auf dem allgemeinen Arbeitsfeld vorkommen, verrichten kann. Abgesehen davon, daß es im Bergbau für diese Tätigkeiten keine halbschichtigen Arbeitsplätze gibt, also nur gleiche oder ähnliche Tätigkeiten außerhalb des Bergbaus in Frage kommen, ist nicht ausreichend klar, ob das LSG damit bewußt feststellen wollte, daß C. die übrigen Tätigkeiten des gesamten allgemeinen Arbeitsfeldes für halbschichtige bis unter vollschichtige Tätigkeit - das sind alle leichten bis mittelschweren Arbeiten im Sitzen, im Stehen und im Umhergehen in geschlossenen Räumen und im Freien - nicht verrichten könne oder ob es - aus seiner anderen rechtlichen Sicht - lediglich glaubte, es genüge festzustellen, daß C. die genannten oder ähnliche Tätigkeiten noch verrichten könne. Dies wird das LSG nunmehr noch klarzustellen haben. Stellt das LSG fest, daß C. alle Tätigkeiten des uneingeschränkten allgemeinen Arbeitsfeldes verrichten konnte, so war er nicht erwerbsunfähig. Stellt es dagegen fest, daß C. tatsächlich nur die genannten oder ähnliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes, die übrigen dagegen nicht verrichten konnte, so ist entscheidend, ob es sich insoweit um starke Einschränkungen des allgemeinen Arbeitsfeldes im Sinne des Abschn. C V 1 des Beschlusses vom 11. Dezember 1969 - GS 2/68 - iVm Abschn. C V 2 b bb) des Beschlusses vom 11. Dezember 1969 - GS 4/69 - handelt. Wird eine starke Einschränkung angenommen, so konnte C. auf dieses Arbeitsfeld nicht verwiesen werden, so daß er erwerbsunfähig war, es sei denn, daß ihm ein entsprechender Arbeitsplatz nachgewiesen worden wäre, gleichgültig ob er von diesem Angebot Gebrauch gemacht hatte, oder daß er einen solchen Arbeitsplatz nicht nur vergönnungsweise tatsächlich innegehabt hat. Wird dagegen angenommen, daß diese Einschränkung nicht als stark im Sinne der oa Beschlüsse des Großen Senats anzusehen ist, war C. nicht erwerbsunfähig.
Die Entscheidung darüber, ob die Einsatzbeschränkung des uneingeschränkten allgemeinen Arbeitsmarktes stark im Sinne der o. a. Beschlüsse des Großen Senats ist, kann nicht ohne Kenntnis der Zahl der Arbeitsplätze für diese Teilzeittätigkeiten einerseits und der Zahl der Interessenten für Teilzeittätigkeiten andererseits getroffen werden. Das LSG wird diese Zahlen noch zu ermitteln haben.
Da C. noch halbschichtig arbeiten konnte und somit unter die Gruppe der Teilzeitarbeitskräfte im Sinne der o. a. Beschlüsse des Großen Senats fällt, die noch halbschichtig bis unter vollschichtig arbeiten können, kann er nach den Grundsätzen dieser Beschlüsse auf den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland, d. h. auf den einheitlichen Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden. Da diese Teilzeitarbeitskräfte auf den einheitlichen Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland zu verweisen sind, muß man umgekehrt auch annehmen, daß sie die für sie in Betracht kommenden Arbeitsplätze im gesamten Bundesgebiet suchen können und zumindest zum Teil auch suchen werden. Die Beurteilung, ob ein Teilzeitarbeitsmarkt offen oder praktisch verschlossen im Sinne der o. a. Beschlüsse des Großen Senats ist, kann aber nur dann richtig sein, wenn alle Interessenten für die Arbeitsplätze dieses Arbeitsmarktes berücksichtigt werden. Das sind für den einheitlichen Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland alle Teilzeitarbeitskräfte, die noch halbschichtig bis unter vollschichtig arbeiten können. Aus diesem Grunde können hier nur die Verhältnisse des einheitlichen allgemeinen Teilzeitarbeitsmarktes der Bundesrepublik Deutschland maßgebend sein. Bezirkliche und örtliche Arbeitsmärkte können daher für den Teilzeitarbeitsmarkt derjenigen, die noch halbschichtig bis unter vollschichtig arbeiten können, keine Bedeutung haben (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 28. Juli 1970 - 5/4 RJ 11/68 -). Nur bei denjenigen Teilzeitarbeitskräften, die lediglich noch unter halbschichtig arbeiten können, muß man wegen der Immobilität dieser Arbeitskräfte annehmen, daß auf diese Arbeitsplätze nur solche Teilzeitarbeitskräfte drängen, die in dem entsprechenden örtlichen Bereich wohnen, so daß insoweit der örtliche Arbeitsmarkt maßgebend ist.
Das LSG ist, wie nicht zweifelhaft sein kann, in seinen Ermittlungen frei; es kann nach seinem pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, welche Ermittlungen es für notwendig hält. Hierauf haben bereits der Große Senat in Abschn. IV seiner beiden Beschlüsse vom 11. Dezember 1969 (GS 4/69 und 2/68), der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 7. Juli 1970 - 5 RKn 46/68 - und 28. Juli 1970 - 5/4 RJ 11/68 - sowie der 4. Senat in seinem Urteil vom 23. Juli 1970 - 4 RJ 497/67 - hingewiesen bzw. sind sie hiervon ausgegangen. Da allein der einheitliche Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland maßgebend ist, haben solche Ermittlungen allerdings nur dann einen Sinn, wenn die Statistiken oder eingeholten Auskünfte den einheitlichen Arbeitsmarkt des gesamten Bundesgebiets betreffen. Es können also nur Gesamtstatistiken für das ganze Bundesgebiet und Auskünfte von zentralen Stellen der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommen.
Die für die Entscheidung, ob für Teilzeitarbeitskräfte, die auf den einheitlichen Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden können, der Arbeitsmarkt offen oder praktisch verschlossen ist, notwendigen Zahlen über Teilzeitarbeitskräfte, Teilzeitarbeitsplatzsuchende, offene und besetzte Teilzeitarbeitsplätze können jedenfalls geschlossen, wenn überhaupt, allein von der BA in Nürnberg genannt werden. Die BA ist auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen über den Arbeitsmarkt, auf Grund ihrer personellen und materiellen Ausstattung in Verbindung mit dem ihr angeschlossenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Erlangen am besten in der Lage, die ihr oder anderen zentralen Stellen vorliegenden Statistiken und sonstigen Unterlagen fachgerecht aufzuarbeiten und auszuwerten. Die erforderlichen Kenntnisse des Arbeitsmarktes, insbesondere die für die Aufbereitung und Auswertung einer solchen Statistik, eines Mikrozensus oder sonstiger Unterlagen erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen haben andere Stellen, insbesondere Gerichte und Sozialversicherungsträger in der Regel nicht. Die BA hat, um die auf Grund der Beschlüsse des Großen Senats vom 11. Dezember 1969 eingehenden Anfragen beantworten zu können, inzwischen eine besondere Arbeitsgruppe gebildet, die eng mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zusammenarbeitet. Es besteht begründete Hoffnung, daß in Zukunft die erfragten Zahlen in größerem Umfang als bisher genannt werden können.
Auskünfte bei anderen zentralen Stellen sind zwar möglich, werden aber nur in wenigen Fällen zu Zahlenangaben führen, die ohne weitere Kontrolle übernommen werden können. Denn diese zentralen Stellen, wie etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., die Unternehmerverbände, der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e. V., die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels e. V., der Deutsche Bauernverband e. V., der Deutsche Industrie- und Handelstag, der Deutsche Handelskammertag, der Verband der Landwirtschaftskammer e. V. haben andere Aufgaben - vor allem wirtschaftlicher Natur - als die der Beobachtung und Erforschung des Arbeitsmarktes. Daher werden die für diese Entscheidungen erforderlichen Zahlen über die Verhältnisse des Arbeitsmarktes, wenn solche überhaupt vorliegen, in der Regel nur mehr oder weniger zufällig anläßlich anderer Erhebungen angefallen sein. Man kann andererseits nicht erwarten, daß diese Stellen angesichts ihrer andersartigen Aufgabenstellung und angesichts des Umstandes, daß die BA gesetzlich gerade für die Beobachtung und Erforschung des Arbeitsmarkts zuständig ist, ihrerseits für diese speziellen Zwecke der Sozialversicherungsträger und Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit eigene Arbeitsmarktforschung betreiben, d. h. besondere Erhebungen, die sich ja notwendigerweise über das ganze Bundesgebiet erstrecken müßten, durchführen oder etwa vorhandene Unterlagen zu diesem Zweck aufbereiten und auswerten. Allenfalls wird man von diesen Stellen erwarten können, daß sie ohnedies vorhandene Zahlenangaben bekanntgeben. Hierbei wird allerdings auch noch zu berücksichtigen sein, daß diese Stellen für bestimmte Wirtschaftszweige, nicht aber für die gesamte Wirtschaft, zuständig sind, so daß sie zumindest nicht in der Lage sind, Auskünfte über den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt der Bundesrepublik zu geben. Auch über einzelne Berufe könnten sie allenfalls erschöpfende Auskünfte nur geben, wenn diese Berufe ausschließlich in den von ihnen betreuten Betrieben vorkommen. Über die Zahl der Arbeitsuchenden können sie jedoch selbst in diesen Fällen keine Auskunft geben.
Da die BA auf Grund ihrer besonderen Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Arbeitsmarktbeobachtung und ihrer hierauf ausgerichteten personellen und sachlichen Ausstattung die absolut beste, wenn nicht alleinige Möglichkeit hat, die einschlägigen Zahlen, Unterlagen und Statistiken mit hinreichender Genauigkeit und Geschlossenheit zu beschaffen, aufzubereiten und auszuwerten und sie bei etwa vorhandener Unsicherheit über die Genauigkeit solcher Zahlen auf deren Nennung überhaupt verzichten wird, muß man annehmen, daß dann, wenn sie die für diese Entscheidung erforderlichen Zahlen nennt, die aus anderen Quellen stammenden Zahlen hier ungeeignet sind, von der BA genannten Zahlen zu widerlegen.
Wenn die BA jedoch die für diese Entscheidung erforderlichen Zahlen nicht nennen kann, haben die von anderen Stellen genannten Zahlen keine Bedeutung. Nach den Grundsätzen des Großen Senats (vgl. dazu S. 18 des Beschlusses vom 11.12. 1969 - GS 4/69 -) gilt der Arbeitsmarkt nämlich nicht nur dann als praktisch verschlossen, wenn das Verhältnis der Zahl der offenen und besetzten Teilzeitarbeitsplätze zur Zahl der Interessenten für Teilzeitarbeitsplätze ungünstiger ist als 75 : 100, sondern auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung - hier die BA - nicht in der Lage ist, diese Zahlen zu nennen. Denn ein Teilzeitarbeitsfeld, über das die Arbeitsverwaltung nicht genügend informiert ist, muß als nicht funktionsfähig und damit als praktisch verschlossen angesehen werden. Wenn die Arbeitsverwaltung keinen hinreichenden Überblick über einen Teilzeitarbeitsmarkt hat, kann sie auch ihrer Vermittlungsaufgabe insoweit nicht hinreichend nachkommen. Wenn auch der Arbeitsuchende selbst verpflichtet ist, einen Arbeitsplatz zu suchen, so kann er doch keinen besseren Überblick über einen Teilzeitarbeitsmarkt haben als die Arbeitsverwaltung, so daß es lediglich dem Zufall überlassen bleibt, ob er einen Arbeitsplatz findet. Selbst wenn andere Stellen - anders als die BA - über entsprechende Zahlen verfügen sollten, nützt dies dem Arbeitsuchenden nichts, weil er weder aus Statistiken noch aus Unterlagen dieser Stellen irgendwelche Kenntnisse darüber erlangen kann, wo sich solche Arbeitsplätze, insbesondere offene Arbeitsplätze, befinden. Auch kann er sich an diese Stellen wegen eines offenen Arbeitsplatzes nicht mit irgendeiner Aussicht auf Erfolg wenden. Wenn also die BA nicht in der Lage ist, die für diese Entscheidung notwendigen Zahlen zu nennen, so gilt dieser Teilzeitarbeitsmarkt als praktisch verschlossen, selbst wenn sich aus den von anderen Stellen genannten Zahlen oder Statistiken ergeben sollte, daß der Arbeitsmarkt offen wäre. Zahlen, die aus anderen Quellen als der BA stammen, haben also insoweit keine Bedeutung.
Diese Grundsätze gelten allerdings nur dann, wenn es sich um die Beurteilung des Teilzeitarbeitsmarktes für einen einzelnen Beruf, des allgemeinen Teilzeitarbeitsmarkts oder eines eingeschränkten Teils des Teilzeitarbeitsmarktes (z. B. den für leichte sitzende Tätigkeiten in geschlossenen Räumen) handelt, nicht dagegen, wenn festzustellen ist, ob ein Beruf, der allgemeine Teilzeitarbeitsmarkt oder ein eingeschränkter Teil des Teilzeitarbeitsmarktes durch besonders gelagerte Einsatzbeschränkungen des Versicherten eingeschränkt ist, da sich diese besonders gelagerten Einschränkungen nicht schematisieren und zahlenmäßig erfassen lassen. Insoweit wird, wenn das Gericht nicht aus eigener Sachkunde selbst entscheiden kann, vor allem die Einholung eines Gutachtens von einem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Sachverständigen in Frage kommen. Einer weiteren Untersuchung dieser Frage bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, weil der Kläger keinen solchen besonders gelagerten Einsatzbeschränkungen unterliegt.
Da der Senat als Revisionsgericht die dafür erforderlichen Ermittlungen nicht selbst treffen kann, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Fundstellen