Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung zugewiesener Arbeit durch Spätheimkehrer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren über die nachgeholte Rechtshandlung mitbehandelt, so bedarf es einer besonderen förmlichen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nicht kann in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgetroffen werden.

2. Heimkehrern und Heimatvertriebenen stehen aus dieser Eigenschaft allein besondere über das AVAVG § 90 hinausgehende Gründe zur Ablehnung angebotener Arbeit nicht zu.

 

Leitsatz (redaktionell)

Das AVAVG kennt keinen Berufsschutz; ein Arbeitsloser kann daher auf Grund seiner Angestelltentätigkeit eine Vermittlung nur in Angestelltenstellen nicht verlangen.

 

Normenkette

SGG § 67 Fassung: 1953-09-03; AVAVG § 90; BVFG § 77; HkG § 9

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 21. September 1956 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der 1907 geborene Kläger war von 1923 bis 1927 als Bürogehilfe in einem Rechtsanwaltsbüro tätig. Später erlernte er die Landwirtschaft und bewirtschaftete von 1936 bis 1940 eigenen landwirtschaftlichen Besitz im Kreise K (Pommern). Bis zum 13. Dezember 1948 war er in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft. Am 7. Januar 1949 kehrte er nach Deutschland zurück und nahm seinen Wohnsitz in E. Nachdem er arbeitsfähig geschrieben war, meldete er sich am 28. Februar 1949 arbeitslos und beantragte Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu), die ihm bewilligt wurde.

Vom 28. März bis zum 13. April 1949 war er als Aushilfsarbeiter in einem Werkzeugmaschinenbetrieb, vom 20. April 1949 bis zum 10. März 1950 als Arbeiter in einem Baugeschäft und vom 6. bis zum 23. Juni 1950 in einer Wurstwarenfabrik tätig. Vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 1954 war er im Angestelltenverhältnis als Pflanzenschutzwart für die Kartoffelkäferbekämpfung beim Kreisausschuß P und anschließend bis zum 30. November 1954 bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein beschäftigt. Vom 16. Juni bis zum 15. September 1955 war er erneut als Pflanzenschutzwart beim Kreisausschuß P angestellt. In den Zwischenzeiten bezog er Unterstützung.

Am 22. September 1955 bot ihm das Arbeitsamt eine Arbeitsstelle als Baumschularbeiter in E an. Diese lehnte er ab mit der Begründung, als früherer selbständiger Landwirt, Spätheimkehrer und Heimatvertriebener, der seit 1. Mai 1954 als Pflanzenschutzwart in ein Angestelltenverhältnis übergegangen sei und in Zukunft in einem solchen verbleiben wolle, nehme er eine Arbeit "als Notknecht" nicht an. Er wolle in einer ihm zustehenden Dauerstellung untergebracht werden. Seine Nierensteinkoliken würden sich durch Baumschularbeiten noch verschärfen.

Am 11. November 1955 wies ihm das Arbeitsamt eine Stelle als Notstandsarbeiter bei einer Baustelle der Firma P. sag zu. Auch sie lehnte er ab, weil sie seinem Beruf nicht entspreche.

Das Arbeitsamt hatte den Kläger am 1. Oktober 1955 durch den Arbeitsamtsarzt untersuchen lassen, der feststellte, daß gesundheitlich "keine besonderen Einschränkungen" vorlägen. Der Kläger sei auch für Land- und Baumschularbeiten geeignet. Mit Bescheiden vom 12. und 13. Oktober 1955 verhängte das Arbeitsamt zwei Sperrfristen von je vier Wochen Dauer gemäß § 90 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), da der Kläger zumutbare Arbeit ohne berechtigten Grund abgelehnt habe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte dazu aus, daß er als Folge des Krieges und der Gefangenschaft im Herbst, Winter und Frühjahr an Dauerschnupfen leide und daß er keine warme Arbeitskleidung habe. Das ärztliche Gutachten erkenne er nicht an, da der Arbeitsamtsarzt befangen sei. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1955 wies die Widerspruchsstelle seinen Widerspruch zurück, da gesundheitliche Gründe die Ablehnung nicht rechtfertigten und das Gesetz einen Berufsschutz nicht kenne.

II. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Schleswig Klage. Das Arbeitsamt ließ ihn während dieses Verfahrens erneut amtsärztlich begutachten und im Krankenhaus E fachärztlich auf seine Nierenerkrankung untersuchen. Der Arbeitsamtsarzt hielt daraufhin sein früheres Gutachten aufrecht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht äußerte sich auch der vom Gericht bestellte ärztliche Sachverständige Obermedizinalrat Dr. B. dahin, daß in gesundheitlicher Beziehung kein Grund zur Ablehnung der vorgeschlagenen Arbeit vorliege. Mit Urteil vom 17. Februar 1956 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Arbeitslose müsse angebotene zumutbare Tätigkeit annehmen. Nach den ärztlichen Gutachten sei der Kläger daran nicht gehindert gewesen. Berechtigte Gründe zur Arbeitsablehnung hätten nicht vorgelegen.

In seiner Berufung gegen dieses Urteil verwies der Kläger des weiteren auf die Pflicht des Arbeitsamts zur bevorzugten Vermittlung nach dem Heimkehrergesetz (HkG) und dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und auf den sichtbaren Fehler an seinem rechten Arm, der dem Arbeitsamt bekannt, von den Ärzten aber nicht beachtet worden sei.

Mit Vorbescheid des Vorsitzenden des 3. Senats des Landessozialgerichts Schleswig vom 29. Mai 1956 wurde die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger beantragte mündliche Verhandlung und legte eine ärztliche Bescheinigung des Dr. med. Sch., E, vor, der ihn seit Januar 1949 behandelt hatte und bestätigte, daß der Kläger außer an Nierensteinkoliken "an angeborener Schwäche des rechten Armes mit Verkürzung desselben, Muskelabmagerung im ganzen sowie Aplasie des rechten Schulterkappenmuskels" leide.

Das Landessozialgericht verwarf mit Urteil vom 21. September 1956 die Berufung als unzulässig, da lediglich ein Unterstützungsanspruch für acht Wochen streitig, die Berufung vom Sozialgericht nicht zugelassen und deshalb gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht zulässig sei. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel bezeichnete es als unbegründet. Revision ist nicht zugelassen worden.

III. Gegen das dem Kläger am 23. Oktober 1956 zugestellte Urteil hat dieser mit einem von ihm selbst unterzeichneten Schreiben vom 14. November 1956 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 16. November 1956 - Revision eingelegt und unter Vorlegung eines Armutszeugnisses beantragt, ihm das Armenrecht zu bewilligen und einen Anwalt beizuordnen. Mit Beschluß vom 17. April 1957 wurde dem Kläger das Armenrecht bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Sch. K, als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet. Der Beschluß wurde diesem am 20. April 1957 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 3. Mai 1957 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 6. Mai - beantragte er, dem Kläger wegen Versäumung der Revisions- und Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Gleichzeitig legte er Revision ein und beantragte, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.

Er begründete im selben Schriftsatz den Wiedereinsetzungsantrag damit, daß der Kläger infolge Armut, also ohne sein Verschulden, gehindert gewesen sei, die Revisions- und Revisionsbegründungsfrist einzuhalten; die Statthaftigkeit der Revision begründet er mit dem Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels, da das Landessozialgericht ein Sachurteil statt eines Prozeßurteils hätte erlassen müssen. Die Berufung sei nicht nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässig gewesen, da sie nach § 143 SGG stattzufinden hatte.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 26. Juni 1957 beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, weil der Kläger keinen berechtigten Grund gehabt habe, die angebotene Arbeitsstelle abzulehnen.

IV. Zu dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist festzustellen, daß der Kläger durch Armut, demnach ohne sein Verschulden, verhindert gewesen ist, einen Prozeßbevollmächtigten zu bestellen und damit die Revisions- und Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs. 1 SGG) einzuhalten. Nach Bewilligung des Armenrechts und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat dieser gemäß § 67 Abs. 2 SGG binnen der mit dem 21. April 1957 in Lauf gesetzten Monatsfrist nach Wegfall des Hindernisses am 6. Mai 1957 Wiedereinsetzung beantragt und im selben Schriftsatz die versäumten Rechtshandlungen nachgeholt, nämlich die Revision eingelegt und sie begründet. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war deshalb stattzugeben. Aus verfahrenswirtschaftlichen Gründen ist der Antrag auf Wiedereinsetzung im Verfahren über die nachgeholten Prozeßhandlungen mitbehandelt worden. In diesem Falle bedarf es einer besonderen förmlichen Entscheidung nicht. Sie kann in den Entscheidungsgründen des Urteils mit getroffen werden (vgl. auch Hofmann-Schroeter, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl., Anm. 5; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 8; Mellwitz, Sozialgerichtsgesetz, Anm. 11 - je zu § 67 SGG; Wudtke, Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1954 S. 201 I; dagegen hält Hastler, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 4 zu § 67 SGG - jedoch ohne nähere Begründung - eine selbständige Entscheidung für erforderlich).

V. Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen. Sie ist deshalb nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und auch vorliegt (vgl. BSG. 1 S. 150). Einen solchen sieht der Kläger darin, daß das Landessozialgericht ein Prozeßurteil gefällt hat, während es durch Sachurteil habe entscheiden müssen.

Das Landessozialgericht hat die Berufung im Hinblick auf § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG als unzulässig verworfen, weil der Kläger nur die Gewährung der vollen Alfu für insgesamt acht Sperrfristwochen erreichen wolle, nachdem ihm für diese Zeit das Arbeitsamt lediglich das zum Leben Unerläßliche gezahlt habe, und weil das Sozialgericht die Berufung nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen hat.

Demgegenüber hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß in solchen Fällen weder ein Anspruch auf Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG noch ein solcher über Beginn oder Höhe der Unterstützung im Sinne des § 147 SGG betroffen wird. Vielmehr handelt es sich hier um den Unterstützungsanspruch in seiner Substanz, da wesentlich die Frage zu prüfen ist, ob die Voraussetzung der Arbeitswilligkeit gegeben ist. Im § 87 AVAVG ist dieser Begriff als eine der Anspruchsvoraussetzungen nur programmatisch enthalten. Sein Inhalt wird durch die §§ 90, 92, 93, 93 c AVAVG bestimmt.

Sind für die Ablehnung zugewiesener Arbeit, die Nichtteilnahme an beruflichen Ausbildungsmaßnahmen oder die Aufgabe einer Arbeitsstelle Gründe der in diesen Vorschriften bezeichneten Art nicht gegeben, dann ist regelmäßig Arbeitsunwilligkeit anzunehmen. Sie führt zunächst zur Sperrung der Unterstützung für begrenzte Zeit, kann aber im Wiederholungsfalle zur Entziehung der Unterstützung für die gesamte Restbezugsdauer führen (§ 93 c AVAVG). Das Landessozialgericht Celle (Urteil vom 20. März 1957, Rechtsprechungsbeilage zum Niedersächsischen Ministerialbl. 1957 S. 67) weist bei der Begründung seiner abweichenden, auf § 144 SGG gestützten Ansicht darauf hin, daß Sperrfristfälle für den Betroffenen in aller Regel keine entscheidende Bedeutung hätten. Das kann, soweit es sich in erster Linie um die geldliche Auswirkung handelt, dann zutreffen, wenn - wie in der ehemals britischen Zone gemäß § 5 des Ersten Durchführungserlasses vom 22. Dezember 1947 zur Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 117 - während der Sperrfrist Alfu in Höhe des zum Leben Unerläßlichen gezahlt wird. Wogegen sich aber der Arbeitslose erfahrungsgemäß wehrt, ist seine Kennzeichnung als arbeitsunwillig, da er die von ihm vorgebrachten Ablehnungsgründe subjektiv für berechtigt hält. Die Erkenntnis der Notwendigkeit festzustellen, ob die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitswilligkeit vorliegt, hat den erkennenden Senat zu seiner die §§ 144, 147 SGG ausschaltenden Auffassung geführt. Ob nach der Umgestaltung der Begriffe der Arbeitslosigkeit und der Verfügbarkeit durch die §§ 75, 76 AVAVG in der Fassung der Novelle vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 322) künftig etwa anders zu entscheiden wäre, konnte hier dahingestellt bleiben.

Das Landessozialgericht hätte in der anhängigen Streitsache jedenfalls statt eines Prozeßurteils ein Sachurteil fällen müssen. Da es das nicht getan hat, das Urteil aber anders hätte ausfallen können, wenn der Streitfall sachlich-rechtlich geprüft worden wäre, liegt ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor, der die Revision zulässig macht.

VI. Dies trifft aber auch noch aus einem anderen Grunde zu.

Das Sozialgericht hat sein Urteil zu Unrecht als endgültig gemäß § 144 SGG bezeichnet. Es hat dabei nicht beachtet, daß "endgültig" nicht "rechtskräftig" bedeutet, soweit berechtigt wesentliche Verfahrensmängel gerügt werden, und hat jede Rechtsmittelbelehrung unterlassen. Sie kann jedenfalls nicht ersetzt werden durch den Schlußsatz des Urteils: "Auf die Ausnahmevorschrift des § 150 Nr. 2 SGG wird jedoch hingewiesen". Der Kläger war demnach über diese Rechtsmittelmöglichkeit des näheren nicht unterrichtet worden. Das hätte dann aber dazu führen müssen, daß das Landessozialgericht seine Berufungsbegründung entsprechend würdigte. Wäre das geschehen, so hätte das Landessozialgericht erkennen können, daß der Kläger mangelnde Sachaufklärung gemäß § 103 SGG rügte, als er darauf hinwies, daß der sichtbare Fehler an seinem rechten Arm bei den ärztlichen Gutachten überhaupt nicht berücksichtigt worden sei und er diese deshalb als unvollständig ablehnen müsse. Wenn er diesen Mangel nicht in der sonst üblichen Form rügte, so lag das offensichtlich nur an der unterlassenen Rechtsmittelbelehrung. Infolgedessen hat das Landessozialgericht zu Unrecht seine Rüge als Angriff auf die Beweiswürdigung angesehen. Dies konnte schon deshalb nicht zutreffen, weil bisher der Armfehler in den Gutachten nicht erwähnt worden war und damit auch nicht Gegenstand der Beweiswürdigung sein konnte.

Die Rüge dieses wesentlichen Verfahrensmangels hätte deshalb zu einem Sachurteil führen müssen.

VII. In der Sache selbst konnte der Senat nicht entscheiden, da das Landessozialgericht sachliche Feststellungen nicht getroffen und sie nicht gewürdigt hat. Sein Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Das Landessozialgericht wird nunmehr ein umfassendes ärztliches Gutachten einholen müssen, das sich mit den vom Kläger angegebenen Leiden auseinandersetzt und insbesondere auch den Armfehler berücksichtigt. Es muß festgestellt werden, ob dem Kläger in der angegebenen Herbstzeit Arbeiten der angebotenen Art auf Grund seines körperlichen Zustandes zugemutet werden durften (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 AVAVG) oder ob ihm insoweit ein berechtigter Grund zur Ablehnung zur Seite stand. Dabei wird auch das Beschäftigungsbild des Klägers, wie es sich seit seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft darstellt, zu beachten sein. Es könnte leicht zu dem Schlusse führen, den schon das Landessozialgericht gezogen hat - allerdings unzulässigerweise, da es in einem Prozeßurteil sachlich-rechtliche Ausführungen nicht machen durfte (vgl. BSG. I S. 284 (287)) -, nämlich daß der Kläger in diesen Jahren trotz des Armfehlers mehrfach Arbeitsstellen angenommen habe, die mit körperlicher Arbeit verbunden gewesen seien und er deshalb zur Ablehnung der angebotenen Arbeitsstellen nicht berechtigt gewesen sei. Eine nähere Prüfung zeigt allerdings, daß es sich in diesen Fällen um ganz kurzfristige Tätigkeiten handelte mit Ausnahme der als Arbeiter in einem Baugeschäft, die sich auf die Zeit vom 20. April 1949 bis zum 10. März 1950 erstreckte. Hierzu hat der Kläger jedoch in einem Schreiben vom 22. Dezember 1955 zur Ablehnung der Baumschularbeit ausgeführt, daß sein Kriegskamerad, Baumeister Sch. ihm 1945 seine Hilfe angeboten habe, die er dann auch angenommen habe. Daß ihn dieser im März 1950, also kurz vor Beginn der Bautätigkeit, wegen "Arbeitsmangels" entlassen hat, könnte dafür sprechen, daß tatsächlich ein anderer Grund vorgelegen hat. Ob er etwa mit dem Armleiden zusammenhängt, bliebe einer Nachprüfung vorbehalten.

Soweit der Kläger einwendet, er sei zuletzt als Pflanzenschutzwart im Angestelltenverhältnis tätig gewesen und wolle auch weiter als Angestellter beschäftigt werden, würde zu berücksichtigen sein, daß das AVAVG für die Zeit des Streitfalles im Gegensatz zum § 90 in der Fassung vom 16. Juli 1927 (RGBl. I S. 187) und zum § 78 in der Fassung der Novelle vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 322) einen Berufsschutz nicht kennt, der Kläger also insoweit auf Grund seiner Angestelltentätigkeit eine Vermittlung nur in Angestelltenstellen nicht verlangen kann.

Weiter wird davon auszugehen sein, daß die Eigenschaft des Klägers als Spätheimkehrer und Heimatvertriebener allein ihn nicht berechtigt, eine angebotene Arbeit abzulehnen, wenn ihm nicht sonstige Gründe nach § 90 zur Seite stehen. Spätheimkehrern und Heimatvertriebenen räumen weder das Heimkehrergesetz noch das Bundesvertriebenengesetz insoweit eine bevorzugte Stellung ein. Im Gegenteil erwähnen sowohl § 9 HkG als auch § 77 BVFG ausdrücklich Notstandsarbeiten, letzterer sogar Beschäftigungen, die diesen Personen nach ihrer beruflichen Vorbildung, ihrem Alter oder Gesundheitszustand als Dauerbeschäftigung nicht zugemutet werden können. Spätheimkehrer und Vertriebene sind deshalb wie andere Arbeitslose nur aus den im § 90 AVAVG angegebenen Gründen berechtigt, angebotene Arbeit abzulehnen.

Die Frage, ob der Kläger bevorzugt zu vermitteln war (§ 9 HkG, § 77 BVFG), war nicht Gegenstand des Verfahrens. Eines Eingehens hierauf bedarf es deshalb nicht.

VIII. Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 926617

BSGE, 80

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