Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verzicht auf Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Auf rentenrechtliche Zeiten (hier: Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung) kann nicht verzichtet werden.
2. Der Gesamtleistungswert ist auch dann aus dem höheren Durchschnittswert zu bilden, wenn sich dieser aus der übergangsrechtlichen Schließung von Versicherungslücken an Stelle ihrer Bewertung als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung ergibt.
Orientierungssatz
§ 73 SGB 6 ordnet eine weiter gehende Vergleichsbewertung nicht an. Jedoch schließt die Regelung eine solche auch nicht aus. Dies wäre dem Gesetzgeber ohne Verletzung von Art 3 Abs 1 GG auch nicht möglich gewesen. Zwar kann offen bleiben, ob Art 3 Abs 1 GG eine Besserstellung von Versicherten mit Kindererziehungszeiten verlangt. Jedenfalls aber verbietet Art 3 Abs 1 GG, dass Sicherungslücken von Versicherten ohne Kindererziehungszeiten bei ansonsten gleichem Versicherungsverlauf günstiger geschlossen werden als es bei Sicherungslücken von Versicherten mit Kindererziehungszeiten der Fall ist (vgl nur BVerfG, Beschluss vom 12.3.1996 - 1 BvR 609/90 = BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5).
Normenkette
SGB VI §§ 56, 57 Abs. 1, § 71 Abs. 1, §§ 72-73, 263 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Wertes des Rechts auf Rente im Blick auf Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.
Die im November 1953 geborene Klägerin ist Mutter einer im Februar 1984 geborenen Tochter. Ihr ist vom 1. November 1996 an längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem anfänglichen Monatsbetrag von 1.873,60 DM zuerkannt (Bescheid vom 26. März 1997). Dem liegen zusätzlich zu 185 ausschließlich mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonaten und 24 mit Pflichtbeiträgen und Anrechnungszeiten belegten Kalendermonaten auch beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung, Schwangerschaft bzw Mutterschutz und Arbeitslosigkeit zu Grunde. Bei der zu deren Wertfeststellung erforderlichen Bestimmung des belegungsfähigen Gesamtzeitraumes kürzte die BfA eine Versicherungslücke von weder mit Pflichtbeitragszeiten noch mit Anrechnungszeiten belegten Kalendermonaten von Oktober 1987 bis Oktober 1990 nicht nach der Übergangsregelung des § 263 Abs 2 SGB VI. Vielmehr stellte sie diese Zeiten als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in den Versicherungsverlauf ein und bewertete sie nach § 71 Abs 3 SGB VI aF mit einem monatlichen Wert von 0,0625 Entgeltpunkten. Ausgehend davon gelangte sie zu einem niedrigeren Wert für die Gesamtleistungsbewertung (0,0890 Entgeltpunkte aus der Vergleichsbewertung) als sich bei Kürzung der Versicherungslücke nach § 263 Abs 2 SGB VI ohne Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ergeben hätte (0,0943 Entgeltpunkte).
Mit der Klage machte die Klägerin geltend, eine Probeberechnung ohne Berücksichtigungszeiten habe zu einer monatlich um etwa 50,00 DM höheren Rente geführt. Bei einer Beratung durch die BfA habe sie die Auskunft erhalten, dass Berücksichtigungszeiten rentensteigernde Wirkung hätten und diese deshalb geltend gemacht. Das SG hat die BfA unter Abänderung der genannten Bescheide antragsgemäß verpflichtet, "die Rentenleistung der Klägerin ohne Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung festzustellen". Deren Berücksichtigung habe zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Minderung der Rentenleistung geführt, ohne dass die Kammer in das dazu führende Rechenwerk eingreifen könne. Der Klägerin sei aber die Rücknahme des Antrages auf Anerkennung der Kinderberücksichtigungszeit als Einzelfall zuzugestehen (Urteil vom 31. August 2000). Das LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Rentenberechnung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Sie könne nicht durch Herausnahme der Berücksichtigungszeiten aus der Rentenberechnung korrigiert werden. Insoweit dringe auch der geltend gemachte Herstellungsanspruch nicht durch. Zum einen stehe der Inhalt des Beratungsgesprächs nicht fest. Zum anderen sei nicht sicher, ob bei der Beratung eine Zuordnung zum Vater ersichtlich die sinnvollere Gestaltung gewesen wäre (Urteil vom 29. November 2001).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der gesetzliche Zweck der Berücksichtigungszeiten sei hier in sein Gegenteil verkehrt. Es liege eine im Wege der verfassungskonformen Auslegung zu schließende Regelungslücke vor, weshalb sie so zu stellen sei, als ob sie die Berücksichtigungszeiten nicht angemeldet habe. Zumindest habe sie einen dahin gehenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. November 2001 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Anwendung der für die Klägerin günstigeren Übergangsregelung nach § 263 Abs 2 SGB VI werde durch die zwingenden Regelungen der §§ 72 und 73 SGB VI verdrängt. Dies könne auch durch verfassungskonforme Auslegung nicht korrigiert werden, weil der Gesetzgeber eine Vergleichsberechnung ausgeschlossen habe.
Die BfA hat im Revisionsverfahren weiter mitgeteilt, sie habe mit Rentenbescheid vom 24. April 1998 "über die Neufeststellung nach § 307d SGB VI" entschieden und dadurch die Rente ab dem 1. November 1996 "neu berechnet".
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Das SG hat die beklagte BfA im Ergebnis zutreffend unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidungen zur Neufeststellung des Rentenhöchstwertes verpflichtet und zur Zahlung höherer Rente verurteilt.
1. Zu entscheiden ist im Revisionsverfahren nur über die Rechtmäßigkeit der Rentenhöchstwertfestsetzung im Rentenbescheid vom 26. März 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998. Spätere Bescheide iS von § 86 SGG nF bzw § 96 Abs 1 SGG sind nicht festgestellt. Schon deshalb ist unbeachtlich, ob die Beklagte den streitbefangenen Bescheid vor Erlass des Widerspruchsbescheides abgeändert hat. Jedenfalls wäre dann auch insoweit im Widerspruchsverfahren eine Entscheidung zu treffen gewesen (§ 86 Abs 1 SGG aF). Das ist ausweislich der Eingangsformel des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 (nur) über den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 26.03.97" nicht geschehen. Schon deshalb konnte der erstmals im Revisionsverfahren zur Kenntnis gebrachte weitere Rentenbescheid vom 24. April 1998 nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens werden.
2. Zu Unrecht hat das LSG tragend angenommen, dass Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung tatbestandlich angefallen sind. Diese Wertung ist durch die getroffenen Feststellungen und das geübte Verfahren nicht gedeckt.
Zeiten der Kindererziehung sind nach § 57 Abs 1 SGB VI in der hier anzuwendenden Fassung des RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I, 2261) dem Elternteil bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr des Kindes für die Kalendermonate als Berücksichtigungszeit zugewiesen, in denen der Elternteil auch die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit erfüllt. Voraussetzung dafür ist nach § 56 Abs 1 Satz 2 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I, 1606) ua die Zuordnung der Erziehungszeit zu (gerade) diesem Elternteil. Dies bemisst sich nach § 56 Abs 2 SGB VI. Danach ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind in der fraglichen Zeiteinheit entweder alleine oder überwiegend erzogen hat oder dem bei gemeinsamer Erziehung der überwiegende Erziehungsanteil durch übereinstimmende öffentlich-rechtliche (Willens-)Erklärung der beteiligten Elternteile zugewiesen worden ist; sind bei gemeinsamer Erziehung die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig, ist die Kindererziehungszeit nach der Auffangregel des § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zugeordnet (§ 56 Abs 2 SGB VI in der unveränderten Fassung des RRG 1992; vgl dazu eingehend Urteile des Senats vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 60/97, SozR 3-2600 § 56 Nr 10 sowie vom 28. Februar 1991 - 4 RA 76/90, BSGE 68, 171, 176 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7 zu § 2a AVG).
Diese Voraussetzungen konnten hier nicht als gegeben angesehen werden. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG steht in tatsächlicher Hinsicht nur fest, dass die Klägerin einen "Antrag" auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorgelegt und die Frage verneint hat, ob Erziehungszeiten dem Vater zugeordnet werden sollten. Diese Umstände sind für den Tatbestand des § 56 Abs 2 SGB VI nicht erheblich. Insbesondere kommt der verneinenden Erklärung über Zuordnung von Erziehungszeiten zum Vater rechtliche Bedeutung nicht zu. Hat die Klägerin die Tochter alleine (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VI) oder überwiegend (§ 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI) erzogen, ist im Ansatz kein Raum für Erklärungen nach § 56 Abs 2 Satz 3 SGB VI. Hat sie die Tochter während des nach § 57 Abs 1 SGB VI beachtlichen Zeitraums zeitweise oder dauerhaft mit anderen Elternteilen "gemeinsam" (§ 56 Abs 2 Satz 2 SGB VI) erzogen, bewirkt nur "eine" übereinstimmende Erklärung der beteiligten Elternteile eine Zuordnung, ohne dass es auf die Feststellung der tatsächlichen Erziehungsanteile im Einzelnen ankommt (vgl Urteil des Senats vom 16. Dezember 1997 aaO). Das Vorliegen einer (oder mehrerer) mit der (Willens-)Erklärung der Klägerin übereinstimmenden Willenserklärung(en) ist indes nicht festgestellt. In dieser Situation durften die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 Abs 2 SGB VI nicht bejaht werden, ohne - gegebenenfalls nach der non-liquet-Regel des § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI - den tatsächlichen Erziehungsbeitrag der Klägerin an der Erziehung der Tochter festgestellt und bewertet zu haben. Verfahrensrechtlich war dabei zu beachten, dass die Entscheidung über die Zuordnung von Berücksichtigungszeiten den beteiligten Elternteilen gegenüber nur einheitlich ergehen kann und deshalb (mindestens) der Vater des Kindes Sarah von der Beklagten von der Einleitung des Verwaltungsverfahrens als Dritter iS des § 12 Abs 2 Satz 2 SGB X zu benachrichtigen und von den Vorinstanzen gemäß § 75 Abs 2 SGG beizuladen war (zu den insoweit bestehenden Verfahrenspflichten vgl Urteil des Senats vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 37/00 R - SozR 3-2600 § 243 Nr 9).
3. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Rentenhöchstwertfestsetzung im Rentenbescheid vom 26. März 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 aufzuheben ist. Auch wenn Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung während des gesamten nach § 57 Abs 1 SGB VI beachtlichen Zeitraums tatbestandlich angefallen sind, wirkt sich das auf die Bewertung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten hier nicht aus.
a) Der Bewertung tatbestandlich angefallener Berücksichtigungszeiten kann die Klägerin allerdings nicht - wie das SG gemeint hat - durch "Rücknahme des Antrages auf Anerkennung der Kinderberücksichtigungszeit" die Grundlage entziehen. Eine solche Rechtsmacht steht der Klägerin - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - schlechthin nicht zu.
Die Zuweisung von Rangstellenwerten aus beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten ua unter Einfluss von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ist nicht abdingbar. Die Wertzuweisung tritt wie bei allen Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten (§ 54 Abs 1 SGB VI) kraft Gesetzes zwingend ein, sobald die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen bestehen und - von Gesetzes wegen oder auf Antrag - das Stammrecht auf Rente entstanden und dessen Feststellung vom Versicherten beantragt worden ist (zu den unterschiedlichen Antragswirkungen vgl Urteil des Senats vom 2. August 2000 - B 4 RA 54/99 R, SozR 3-2600 § 99 Nr 5). Die Zuweisung von Rangstellenwerten beruhend (auch) auf Zeiten der Kindererziehung könnte deshalb - wird nicht der Rentenwertfeststellung durch die Rücknahme des Rentenantrags insgesamt der Boden schlechthin entzogen - nur auf Grundlage besonderer Vorschriften des besonderen oder allgemeinen Verfahrensrechts hintangehalten werden. Solche hat auch das SG nicht aufgezeigt.
Die gesetzliche Wertzuordnung kann insbesondere nicht deshalb durch Abgabe nachträglicher Willenserklärungen beseitigt werden, weil sie nach dem Sprachgebrauch der BfA auf einem "Antrag auf Feststellung" von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung beruht und die Klägerin insoweit eine Zuordnungserklärung zu ihren Gunsten abgegeben hat. Diese Erklärungen bewirkten vorliegend nichts. Überhaupt unbeachtlich ist der "Antrag" auf "Feststellung" von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Auf den Rentenantrag der Klägerin war von der BfA feststellend nur zu entscheiden, ob das geltend gemachte Recht überhaupt und wenn ja, ab wann, mit welcher Dauer sowie in welcher Höhe es entstanden war; jedoch war über die tatbestandsmäßige Verwirklichung von Beitragszeiten - anders als im Vormerkungsverfahren (vgl dazu Urteil des Senats vom 30. August 2001 - B 4 RA 114/00 R, SozR 3-2600 § 149 Nr 6) - nicht gesondert zu entscheiden. Ohne dass es dafür eines Antrages bedurft hätte, war deshalb von Amts wegen zu prüfen, ob beitragsfreie und/oder beitragsgeminderte Zeiten angefallen sind und deren Rangstellenwert durch Zeiten ua der Kinderziehung bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr wertsteigernd beeinflusst worden ist. Hierzu war die Klägerin zu mitwirkender Auskunftserteilung verpflichtet (§ 60 Abs 1 Nr 1 SGB I), wollte sie nicht zusammenwirkend mit dem anderen Elternteil eine übereinstimmende Erklärung über die Zuordnung von Erziehungszeiten abgeben. Dies ist nach den Feststellungen des LSG nicht geschehen, weshalb (auch) die isolierte Zuordnungserklärung der Klägerin ins Leere ging (s oben II 2). Rechtserhebliche Willenserklärungen der Klägerin, die Bedingung für die Zuordnung von Rangstellenwerten ua auf Grund von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung geworden sein und deshalb unter Umständen einer Rücknahme unterliegen könnten, liegen deshalb nach keiner Betrachtungsweise vor.
Auch verfassungsrechtliche Erwägungen tragen die vom SG angenommene Rücknahme nicht. Soweit das SG verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier maßgeblichen Bewertungsvorschriften gehabt haben sollte, hätte es nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG den Rechtsstreit aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen müssen. Eine Korrektur gegen den Gesetzesbefehl gestützt auf eine im Gesetz nicht angelegte Dispositionsmacht des Versicherten ist hingegen schlechterdings unzulässig.
b) Die angefochtene Rentenhöchstwertfestsetzung verkürzt den von der Klägerin erlangten Teilwert für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten.
Beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten ist nach den durch das RRG 1992 insoweit neu kodifizierten Regeln der gesetzesunmittelbaren Bewertung ein von der durchschnittlichen persönlichen "Gesamtleistung" des Versicherten im Versicherungsverlauf abhängiger Teilwert zugewiesen. Für diese Leistung ist nicht mehr das Verhältnis zwischen versicherten Entgelten bzw freiwilligen Beiträgen und ausschließlich den Kalendermonaten maßgeblich, in denen Versicherungspflicht bestand bzw für die freiwillige Beiträge geleistet wurden. Wertbestimmend ist auch das Verhältnis zwischen versicherten Zeiten und solchen belegbaren ("belegungsfähigen") Zeiten, in denen weder rentenrechtliche Zeiten vorliegen noch Rentenbezug bestand, die sich also als "echte" Versicherungslücken (dh nicht belegte belegbare Zeiten) darstellen. Dazu ist beitragsfreien Zeiten ein Rangstellenwert zugeordnet und sind beitragsgeminderte Zeiten mindestens angehoben auf einen Rangstellenwert auf Grundlage des Durchschnitts aus der Summe der Rangstellenwerte aus eigener (Pflicht-)Versicherung und dem "belegungsfähigen Gesamtzeitraum" nach § 72 SGB VI. Dieser umfasst nach § 72 Abs 2 SGB VI die Zahl der Kalendermonate zwischen der Vollendung des 16. (seit 1997: 17.) Lebensjahres und dem Rentenbeginn abzüglich der nach Abs 3 "nicht belegungsfähigen" Kalendermonate; das sind mit den zu bewertenden beitragsfreien Zeiten oder mit Rentenbezugszeiten belegte Kalendermonate.
Damit entspricht der durchschnittliche Rangstellenwert beitragsfreier und beitragsgeminderter Kalendermonate im Ergebnis umso mehr dem Durchschnittswert der mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate, je "vollständiger" der Versicherungsverlauf belegt ist. Dagegen ist der für beitragsfreie und beitragsgeminderte maßgebende Durchschnittsteilwert gegenüber dem aus eigener Versicherung erlangten Wert umso geringer, je "lückenhafter" der Versicherungsverlauf ist (zum gesamten vgl zuletzt Urteil des Senats vom 24. Juli 2001, B 4 RA 45/99 R = SozR 3-2600 § 71 Nr 2); ein der eigenen durchschnittlichen Beitragsleistung weitgehend entsprechender Rangstellenwert ist beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten nur zugewiesen, soweit der Versicherte während der gesamten ihm möglichen Zeit im Rahmen versicherter Beschäftigung Vorleistungen erbracht hat.
Als Vorleistung in diesem Sinne gelten nach Maßgabe von § 57 Abs 1 SGB VI aF bzw § 57 SGB VI nF Zeiten der Kindererziehung auch, soweit sie den Pflichtversicherungstatbestand des § 56 SGB VI nicht mehr erfüllen. Treffen Lücken im og Sinne bis zum vollendeten 10. Lebensjahr des Kindes mit einer Zeit der Kindererziehung iS von § 56 SGB VI zusammen, sind diesen Kalendermonaten nach § 71 Abs 3 Satz 1 SGB VI in der hier maßgebenden Fassung des RRG 1992 für die Gesamtleistungsbewertung jedem Kalendermonat an Berücksichtigungszeit 0,0625 Entgeltpunkte zugeordnet, es sei denn, dass sie als Beitragszeit bereits einen höheren Wert haben. Dadurch sind Versicherte für den Zweck der Bewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten so gestellt, als seien nicht versicherte Kalendermonate auch nach Ablauf der durch Kindererziehung vermittelten Pflichtbeitragszeiten nach § 56 SGB VI mit Pflichtbeiträgen in Höhe der durch Pflichtbeiträge wegen Kindererziehung erlangten Rangwerte zugewiesen. Damit ist bezweckt, "negative Auswirkungen einer während der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr ... unterbliebenen Beitragszahlung" für die Ermittlung des Wertes beitragsfreier Zeiten zu vermeiden (BT-Drucks 11/4124 S 171 zu § 70), indem sonst bestehende Lücken mit fiktiven Rangstellenwerten belegt werden.
Negative Auswirkungen der Gesamtleistungsbewertung für Versicherte mit Lücken in der Versicherungsbiografie sucht übergangsweise für zwischen 1992 und Dezember 2000 entstandene Stammrechte auch § 263 Abs 2 SGB VI zu korrigieren. Dadurch werden Versicherte in Abhängigkeit von der Zahl der mit Pflichtversicherungszeiten belegten Kalendermonate und dem Zeitpunkt der Rechtsentstehung so gestellt, als seien Versicherungslücken - aus welchem Grund auch entstanden - gar nicht oder nur in geringerem Umfang vorhanden. Regelungstechnisch ist dazu die Anzahl der iS von § 72 Abs 3 SGB VI nicht belegungsfähigen Kalendermonate um eine Pauschalzeit erhöht. Sie beläuft sich abhängig vom Zeitpunkt der Rechtsentstehung auf einen Anteil zwischen 36 vH (1992) und 24 vH (1996) bzw 0,5 vH (Dezember 2000) der Beitragszeiten, jedoch begrenzt ua auf die Zahl der vor dem 1. Januar 1992 (tatsächlich) nicht mit rentenrechtlichen Zeiten belegten Kalendermonate. Danach sind Versicherungslücken unbeachtlich, soweit sie 36 vH (Rechtsentstehung 1992) bzw 24 vH (Rechtsentstehung 1996) bzw 0,5 vH (Rechtsentstehung Dezember 2000) der in Beitragszeiten ausgedrückten Vorleistung des Versicherten nicht überschreiten; ansonsten führt die Regelung zu einer Reduzierung der nicht belegten Zeiten. Damit soll bewirkt werden, dass die mit der Einführung der Gesamtleistungsbewertung insbesondere bei Versicherten mit größeren Lücken in der Versicherungsbiografie auftretenden Auswirkungen nur stufenweise eintreten (BT-Drucks 11/4124 S 202 zu § 258).
Diese Lücken schließende Vorschriften stehen in einem Spannungsverhältnis. Einerseits wird der für die Gesamtleistungsbewertung maßgebliche Zeitraum gekürzt (§ 263 Abs 2 SGB VI), andererseits werden dem Versicherungsverlauf rentenrechtliche Zeiten mit einem monatlichen Rangwert von 75 vH des Durchschnittsentgelts aller Versicherten hinzugefügt (§ 71 Abs 3 SGB VI aF). Letzteres kann sich für Versicherte günstig auswirken, deren versicherte Entgelte entsprechend unterhalb des Durchschnittsentgelts liegen. Es kann aber für Versicherte mit höheren versicherten Entgelten nachteilig sein. Für sie kann die pauschale Kürzung nach § 263 Abs 2 SGB VI günstiger sein, soweit sie bewirkt, dass beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten Werte nur auf der Grundlage höherer Rangwerte aus Pflichtbeitragszeiten zugewiesen sind.
Diesen unterschiedlichen Wertzuweisungsgehalten der Schutzbestimmungen zu Gunsten von Versicherten mit Lücken in der Versicherungsbiografie ist im Rahmen des Günstigkeitsprinzips nach § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI weiter gehend Rechnung zu tragen, als hier geschehen. Verfassungsrecht gebietet grundsätzlich, in die Gesamtleistungsbewertung Entgeltpunkte auch dann aus allen mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonaten einzubeziehen, wenn die Beitragszeit mit Tatbeständen von Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten oder Ersatzzeiten zusammentrifft und sie als beitragsgeminderte Zeit (§ 54 Abs 3 SGB VI) nicht den vollen Wert der sonst versicherten Entgelte repräsentiert (vgl BVerfGE 63, 119 = SozR 2200 § 1255 Nr 17). Der Bemessung des Gesamtleistungswerts am durchschnittlichen versicherten Entgelt entspricht es aber regelmäßig eher, aus der Berechnung diese Zeiten auszuscheiden. Daher erhalten beitragsfreie Zeiten nach § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI auf Basis einer Vergleichsberechnung "den höheren Durchschnittswert aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen oder der Vergleichsbewertung aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen".
Den daraus sich ergebenden Folgen hat die BfA korrekt Rechnung getragen, soweit § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI durch die §§ 72 und 73 SGB VI näher ausgeformt ist. Zutreffend hat sie zunächst in die Grundbewertung gemäß § 72 SGB VI Entgeltpunkte für alle Beitragszeiten und für - als beitragsfreie Zeiten oder als "echte" Versicherungslücken - mit Beiträgen nicht belegte Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung eingestellt. Auch hat sie zur Ermittlung des Vergleichswerts nach § 73 SGB VI zutreffend alle Rangwerte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten aus der Grundbewertung herausgenommen und die entsprechenden Zeiten aus der Durchschnittsbewertung ausgeschieden. Schließlich steht es mit der Gesetzeslage des § 73 Satz 1 Nr 2 SGB VI sowie dem Regelungszweck des § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI auch überein, dass sie zur Vermeidung der lückenbedingten Nachteile der Gesamtleistungsbewertung aus der Grundbewertung die Rangwerte und Zeiten der mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung belegten Kalendermonate nicht gestrichen hat, die weder mit Beiträgen noch mit Anrechnungszeiten belegt, sondern "echte" Versicherungslücken im og Sinne sind.
Dem Günstigkeitsprinzip genügt es aber nicht, dass die Vergleichsbewertung damit abgeschlossen und nicht geprüft worden ist, ob die Übergangsregelung des § 263 Abs 2 SGB VI die Klägerin günstiger stellen würde. Dadurch ist die aus dem Übergangsrecht resultierende Rechtsposition verkürzt, dass sich der Rangstellenwert für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten trotz vorhandener Versicherungslücken übergangsweise noch voll oder wesentlich nach dem Rangstellenwert der Beschäftigungszeiten bemisst. Dies verstößt gegen Sinn und Zweck der Günstigkeitsregelung des § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Diese weist nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte den sie näher ausformenden Bewertungsvorschriften der §§ 72, 73 SGB VI die Funktion zu, als Grundlage der Bewertung der beitragsfreien und der beitragsgeminderten Zeiten denjenigen Durchschnittswert als Gesamtleistungswert zu ermitteln, der die individuelle Versicherungsleistung der Versicherten in der für sie günstigsten Weise abbildet. Deshalb erhält der Gesamtleistungswert den höheren Durchschnittswert aus unter anderem "ausschließlich vollwertigen Beiträgen". Rangwerte aus Berücksichtigungszeiten sind keine in diesem Sinne funktionell vollwertigen Beiträge. Sie bilden Surrogate vollwertiger Beiträge, weil sie an deren Stelle sonst versicherungsrechtlich unbelegte Zeiten aus Gründen der Kindererziehung so bewerten, als seien sie Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung gewesen. Das schließt es zwar nicht aus, sie in die Bewertung für den "höheren Durchschnittswert" auch dann einzubeziehen, wenn der Versicherte in den Anwendungsbereich des § 263 Abs 2 SGB VI fällt. Systemwidrig ist es aber, den nach § 263 Abs 2 SGB VI angehobenen Durchschnitt aus iS von § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI "echt" vollwertigen Beiträgen aus der Vergleichsberechnung auszuscheiden, wenn dies dem Versicherten günstiger ist.
Den Anforderungen des § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI genügt eine Vergleichsbewertung in der vorliegenden Konstellation daher nur, wenn sie zusätzlich zu dem Vergleichswert nach § 73 SGB VI einen Vergleichswert unter Ausscheidung auch derjenigen mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung belegten Kalendermonate ermittelt, die weder mit Beiträgen noch mit Anrechnungszeiten belegt, also "echte" Versicherungslücken sind. Rechtsgrundlage dieses Bewertungsansatzes ist § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI selbst, soweit danach beitragsfreie Zeiten den höheren Durchschnittswert an Entgeltpunkten ua aus "ausschließlich vollwertigen Beiträgen" erhalten. Danach ist dem nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB VI zu ermittelnden Gesamtleistungswert der höhere Durchschnittswert aus entweder der Grundbewertung nach § 72 SGB VI oder der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI oder dem Vergleichswert aus im Wortsinne ausschließlich vollwertigen Beiträgen nach § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI zugewiesen. Für die Bestimmung dieses zuletzt genannten Wertes ist § 263 Abs 2 Satz 1 SGB VI bei der Bemessung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums sinngemäß so auszulegen, dass als im Sinne der Vorschrift "nicht mit rentenrechtlichen Zeiten" belegte Kalendermonate alle die Kalendermonate anzusehen sind, die nicht mit "ausschließlich vollwertigen Beiträgen" belegt sind und deshalb nicht in den Summanden der Vergleichsbewertung unmittelbar nach § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI eingehen.
Dem stehen - anders als die BfA meint - zwingende anderweitige Vorschriften nicht entgegen. Zwar ordnet § 73 SGB VI eine weiter gehende Vergleichsbewertung nicht an. Jedoch schließt die Regelung eine solche auch nicht aus. Dies wäre dem Gesetzgeber ohne Verletzung von Art 3 Abs 1 GG auch nicht möglich gewesen. Zwar kann offen bleiben, ob Art 3 Abs 1 GG im vorliegenden Zusammenhang eine Besserstellung von Versicherten mit Kindererziehungszeiten verlangt. Jedenfalls aber verbietet Art 3 Abs 1 GG, dass Sicherungslücken von Versicherten ohne Kindererziehungszeiten bei ansonsten gleichem Versicherungsverlauf günstiger geschlossen werden als es bei Sicherungslücken von Versicherten mit Kindererziehungszeiten der Fall ist (vgl nur BVerfG, Beschluss vom 12. März 1996 - 1 BvR 609/90, BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5).
4. Die Revision hinsichtlich des von der Klägerin hilfsweise weiter verfolgten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist unbegründet. Zwar erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Elternteile berechtigt gewesen sein könnten, eine die Vorteile des § 263 Abs 2 SGB VI und des § 57 Abs 1 SGB VI kumulierende und daher auf der Basis der damals geltenden Rechtslage (vgl zwischenzeitlich § 71 Abs 3 SGB VI nF) möglicherweise günstigere Zuordnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzunehmen. Auch erscheint zweifelhaft, ob - wie das LSG zu meinen scheint - die aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Beratungs- und Förderungsverpflichtung auch in Fällen ausdrücklicher Auskunftsbegehren ausreichend erfüllt ist, solange erteilte Auskünfte nicht "offensichtlich" fehlerhaft sind. Darauf kommt es aber nicht an. Das LSG hat für den Senat bindend und mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffen festgestellt, dass der Inhalt des maßgeblichen Beratungsgesprächs nicht feststeht. Ein der BfA zuzuordnender Beratungsfehler ist danach schlechterdings nicht feststellbar.
5. Die zulässig mit der Anfechtungsklage verbundene (unechte) Leistungsklage ist begründet. Die Klägerin kann die Feststellung eines höheren Rentenwerts sowie die Zahlung höherer Rente beanspruchen. Der Senat hat sich gemäß § 130 Satz 1 Regelung 1 SGG auf ein Grundurteil beschränkt, mit dem prozessuale Rechte nicht verkürzt werden (vgl Urteil des Senats vom 24. Juli 2001 - B 4 RA 45/99 R, SozR 3-2600 § 71 Nr 2).
6. Der Senat konnte davon absehen, die unterbliebene Beiladung (vgl oben II 2 aE) im Revisionsverfahren nach § 168 Satz 2 SGG nachzuholen und anzufragen, ob der Vater des Kindes nachträglich auf die Wiederholung des Verwaltungsverfahrens verzichtet. Nachdem es für den Rechtsstreit ohne Bedeutung ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorliegen oder nicht, kann die zu treffende Entscheidung den Beizuladenden weder verfahrensrechtlich noch materiell-rechtlich benachteiligen (vgl näher dazu Urteil des Senats vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 37/00 R, aaO sowie BSG, Urteil vom 2. August 2001 - B 7 AL 18/00 R, SozR 3-1500 § 55 Nr 34 jeweils mwN).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 884760 |
NZS 2003, 546 |
SozR 3-2600 § 71, Nr. 3 |