Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten noch, ob die Beigeladene zu 1) dem Kläger vorgezogenes Übergangsgeld gemäß § 1241d der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Zeit vom 1. November 1975 bis zum 3. August 1976 einschließlich zu gewähren hat.
Der Kläger arbeitete in seinem erlernten Beruf als Rohrschlosser bis zum 6. März 1975. Anschließend war er arbeitsunfähig krank. Danach bezog er Arbeitslosengeld und sodann Arbeitslosenhilfe von der Beigeladenen zu 4) und vom 13. März bis zum 3. August 1976 Krankengeld von der Beigeladenen zu 3). Ab 1. April 1976 erhielt er außerdem Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz von der Beigeladenen zu 2). Am 24. Februar 1975 beantragte der Kläger berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation und am 12. November 1975 Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beigeladene zu 1) gewährte ihm mit Bescheid vom 18. November 1975 ab 4. August 1976 eine Umschulung zum Informationselektriker. Diese Maßnahme wurde am 27. Juli 1977 abgebrochen und der Kläger statt dessen vom 28. Juli 1977 bis zum 19. Januar 1979 mit Erfolg zum Güteprüfer ausgebildet. Übergangsgeld erhielt er von der Beigeladenen zu 1) für die Zeit ab 4. August 1976.
Für die Gewährung von Rente an den Kläger ist wegen seiner Beitragsleistung zur französischen Rentenversicherung die Beklagte zuständig. Sie lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 18. März 1976 ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. September 1976). Seit dem 2. Mai 1979 ist der Kläger als Justizangestellter tätig. Zunächst war er in die Vergütungsgruppe IXb der Anlage 1a zum Bundesangestelltentarif (BAT) eingestuft. Seit dem 1. Mai 1981 erhält er das Gehalt der Gruppe IXa.
Das Sozialgericht (SG) hat die gegen den Bescheid der Beklagten vorn 18. März 1976 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 29. März 1979). Die Berufung des Klägers, mit der er von der Beklagten Übergangsgeld für die Zelt vom 1. November 1975 bis zum 3. August 1976 und Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 3. März 1979 begehrt hat, ist vom Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 21. Mai 1980 zurückgewiesen worden. Dieses Urteil hat der Senat am 10. März 1982 aufgehoben und den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen. weil zur Entscheidung über das vorgezogene Übergangsgeld des § 1241d Abs. 1 Satz 2 RVO der Versicherungsträger zuständig sei, der die Maßnahme der Rehabilitation durchführe, hier also die Beigeladene zu 1).
Das LSG hat nunmehr u.a. den Träger der Rehabilitation beigeladen. Durch Bescheid vom 8. April 1983 hat die Beigeladene zu 1) es abgelehnt, dem Kläger vorgezogenes Übergangsgeld zu gewähren, weil er vor der Umschulung weder erwerbs- noch berufsunfähig gewesen sei. Daraufhin hat der Kläger vor dem LSG nur noch die Aufhebung dieses Bescheides begehrt und beantragt, die Beigeladene zu 1) zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 1975 bis zum 3. August 1976 Übergangsgeld zu zahlen. Das Berufungsgericht hat durch Urteil vom 8. Dezember 1983 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei während der noch streitigen Zeit nicht berufsunfähig i.S. des § 1246 Abs. 2 RVO gewesen. Als ehemaliger Facharbeiter müsse er sich auf Angestellten-Tätigkeiten verweisen lassen, wie sie in der Vergütungsgruppe IXb, Fallgruppe 1 BAT aufgeführt seien. Schon damals habe er eine derartige Tätigkeit verrichten können.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 1241d Abs. 1 RVO durch das Berufungsgericht.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des LSG und den Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 8. April 1983 aufzuheben und die Beigeladene zu 1) dem Grunde nach zu verurteilen, ihm vom 1. November 1975 bis zum 3. August 1976 Übergangsgeld nach § 1241d Abs. 1 RVO zu zahlen.
Die Beigeladene zu 1) und die Beklagte beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich ohne eigene Antragstellung dem Revisionsbegehren des Klägers an.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision des Klägers ist teilweise begründet. Von dem noch streitigen Übergangsgeld für die Zeit vom 1. November 1975 bis einschließlich 3. August 1976 steht ihm ein solcher Anspruch zwar aufgrund eines am 18. November 1975 eingetretenen Versicherungsfalls der Berufsunfähigkeit (§ 1246 RVO), aber unter Beachtung des § 1276 Abs. 1 RVO zu.
Die für dieses Übergangsgeld zuständige Beigeladene zu 1) kann hier gemäß § 75 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verurteilt werden. Mit seiner Klage richtet der Kläger sich nur noch gegen diese Beigeladene, so daß er sie im Wege der Klageänderung in Form des Parteiwechsels zur Beklagten gemacht hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG). Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist eine Verurteilung der Beigeladenen zu 1) möglich, weil sich der Anspruch auf Versichertenrente, für die im Falle des Klägers die Beklagte zuständig ist, und der inhaltlich andere Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld gegenseitig ausschließen (vgl. BSGE 49, 143, 145 ff und 263, 267 f. = SozR 5090 § 6 Nr. 4 und 2200 § 1237a Nr. 10). Über letzteren Anspruch hat die Beigeladene zu 1) durch den angefochtenen Verwaltungsakt vom 8. April 1983 entschieden. Dieser ist zumindest in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, denn er beeinflußt den Streitstoff des anhängigen Verfahrens und der Grundgedanke dieser Vorschrift rechtfertigt die Einbeziehung des neuen Verwaltungsaktes (vgl. BSG in SozR 1500 § 96 Nr. 27 m.w.N.).
Der Senat vermochte der Revisionsbegründung des Klägers allerdings nicht darin zu folgen, das LSG habe § 1241d Abs. 1 RVO i.d.F. des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAng1G) vom 7. August 1974 (BGBl I, 1881) fehlerhaft ausgelegt und angewendet. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist grundsätzlich vom Beginn der Maßnahme zur Rehabilitation an Übergangsgeld zu gewähren (Satz 1). Ist jedoch vorher ein Antrag auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gestellt worden, so beginnt das Übergangsgeld mit dem Zeitpunkt, von dem an Rente zu zahlen gewesen wäre (Satz 2). Die Rechtsprechung des BSG verlangt für dieses auf den Zeitpunkt des fiktiven Rentenbeginns "vorgezogene" Übergangsgeld, daß dem Versicherten den materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach eine Rente zumindest wegen Berufsunfähigkeit i.S. des § 1246 Abs. 2 RVO ohne die Maßnahme zur Rehabilitation zu gewähren wäre (so Urteile des 1. Senats vom 12. Dezember 1979 in SozR 2200 § 1246 Nr. 55 und des 4. Senats vom 26. November 1981 aaO § 1241d Nr. 5). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an, weil schon der Wortlaut des § 1241d Abs. 1 Satz 2 RVO keine andere Auslegung zuläßt.
Der Argumentation des Klägers, § 1241d Abs. 1 Satz 2 RVO bedürfe nicht der Ergänzung durch andere Tatbestandsmerkmale, vermochte der Senat nicht zu folgen. Diese Vorschrift knüpft das vorgezogene Übergangsgeld daran, ab wann Rente zu gewähren wäre. Folglich läßt sich nicht ohne Prüfung der Voraussetzungen des Rentenanspruchs bestimmen, ob ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Beginns, denn auch § 1290 Abs. 1 und 2 RVO macht den Rentenbeginn davon abhängig, daß die Voraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Die gesetzliche Regelung in § 1241d Abs. 1 Satz 2 RVO läßt es nicht zu, den Beginn des Übergangsgeldes immer - vorzuziehen, wenn vor einer Maßnahme zur Rehabilitation Versichertenrente beantragt worden ist. Das Übergangsgeld tritt vielmehr nur ausnahmsweise an die Stelle der an sich zu zahlenden Rente, damit sich grundsätzlich der Versicherte vor der Maßnahme nicht auf den Rentenbezug einstellt, wodurch ein Erfolg der Rehabilitation infrage gestellt werden könnte. Auch der Vergleich mit § 1241e RVO führt nicht zu einem anderen Ergebnis, denn dort wird das sogenannte Zwischenübergangsgeld nicht an einen an sich bestehenden Rentenanspruch geknüpft.
Schließlich vermochte der Hinweis auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 16. August 1973 (BSGE 36, 128, 130 f. = SozR Nr. 35 zu § 1241 RVO) ebenfalls nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, daß die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung jenes Rechtsstreits nicht ausschlaggebend war, hat der 4. Senat in dem späteren Urteil vom 26. November 1981 (aaO) für den Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld die Erfüllung der Voraussetzungen zumindest des § 1246 Abs. 2 RVO gefordert. Das schließt eine in der Entscheidung vom 16. August 1973 (aaO) für erwägenswert gehaltene differenzierte Betrachtungsweise, die zwischen der Gewährung einer Rente und der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen unterscheidet, nicht aus. Der 4. Senat hat es im Urteil vom 26. November 1981 unentschieden gelassen, ob eine Einschränkung der Verweisbarkeit im Rahmen des § 1246 Abs. 2 RVO beim vorgezogenen Übergangsgeld bejaht werden kann, wenn der Versicherungsträger auf den Rentenantrag hin berufsfördernde Maßnahmen eingeleitet oder dem Versicherten mitgeteilt hat, daß solche bevorstehen und dadurch der Rentenbewerber an der Annahme einer berufsfremden zumutbaren Verweisungstätigkeit gehindert wird. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann unter diesen Voraussetzungen die Einleitung berufsfördernder Maßnahmen von Bedeutung für die Prüfung der Voraussetzungen des § 1246 Abs. 2 RVO sein.
Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG konnte der Kläger die für ihn zumutbare Verweisungstätigkeit eines Justizangestellten der Vergütungsgruppe IXb BAT (vgl. BSGE 44, 10 = SozR 2200 § 1246 Nr. 17) schon seit März 1975 verrichten. Den Rentenantrag hat er am 12. November 1975 gestellt. Bereits mit Bescheid vom 18. November 1975 hat die Beigeladene zu 1) ihm die berufsfördernden Maßnahmen zur Rehabilitation gewährt. Da der Kläger bis dahin die genannte Verweisungstätigkeit noch nicht ausgeübt hatte, wirkt sich die bewilligte Umschulung auf die Verweisung aus. Diese setzt im Rahmen des § 1246 Abs. 2 RVO die Möglichkeit des Versicherten voraus, eine zumutbare Tätigkeit zu bekommen. Erforderlich ist also nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Möglichkeit, die Erwerbstätigkeit auszuüben.
Zwar lagen hier zwischen Bewilligung und Beginn der Maßnahme rund acht Monate. Dieser Zeitraum allein läßt aber die vom LSG ausgesprochene Verweisung auf Arbeiten der Vergütungsgruppe IXb Fallgruppe 1 BAT nicht zu. Im Hinblick auf die bevorstehende Umschulung konnte dem Kläger damals nicht zugemutet werden umzuziehen, so daß die Einsatzmöglichkeiten auf Arbeitsplätze im Umfeld des Wohnortes begrenzt waren. Bei Aufnahme einer Beschäftigung hätte der Kläger seinem Arbeitgeber die bevorstehende Umschulung anzeigen müssen. Da er als ehemaliger Facharbeiter nicht auf ungelernte Arbeiten verwiesen werden kann, sondern nur auf solche, die wegen ihrer qualitativen Anforderungen sonstigen Ausbildungsberufen (Anlerntätigkeiten) zumindest gleichgestellt sind, muß mit einer Einweisungs- und Einarbeitungszeit von drei Monaten Dauer gerechnet werden. Damit wäre es für einen Arbeitgeber wenig zweckmäßig und sinnvoll gewesen, den Kläger damals einzustellen. Diese Erschwernisse bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes für vorübergehende, befristete Zeit hätten es erforderlich gemacht, daß die Beigeladene zu 1) im Rahmen der Rehabilitation Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes i.S. des § 1237a Abs. 1 Nr. 1 RVO angeboten hätte. Auf den Beginn der Umschulung hatte der Kläger - was hier ebenfalls zu berücksichtigen ist - keinen Einfluß. Insoweit kann auf den Grundgedanken des § 1241 Abs. 1 RVO zurückgegriffen werden, wonach dem Betreuten für Zeiten von ihm nicht zu vertretender Verzögerung bei der Rehabilitation Übergangsgeld zu zahlen ist. Zumutbar verweisbar war der Kläger mit Bewilligung der berufsfördernden Maßnahmen am 18. November 1975 für die Zeit bis zu deren Beginn somit nicht mehr. Da er die erforderliche Wartezeit zurückgelegt hatte, waren die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt.
Mit Beginn der Umschulung bestand neben dem dann nach § 1241d Abs. 1 Satz 1 RVO zu gewährenden Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, denn diese war noch nicht bewilligt (Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift). Für die Zeit nach Beendigung der Maßnahme konnte davon ausgegangen werden, daß die Umschulung erfolgreich sein werde. Dann stünde einer Rentengewährung § 1246 Abs. 2 Satz 3 RVO entgegen. Somit war bei Eintritt des Versicherungsfalles am 18. November 1975 i.S. des § 1276 Abs. 1 Satz 1 RVO die begründete Aussicht vorhanden, die Berufsunfähigkeit werde in absehbarer Zeit behoben sein. Die durch Übergangsgeld zu ersetzende Rente wäre demzufolge ab Beginn der 27. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalles zu zahlen gewesen. Mit diesem Zeitpunkt beginnt auch das dem Kläger zustehende vorgezogene Übergangsgeld des § 1241d Abs. 1 Satz 2 RVO, so daß insoweit der Revision stattgegeben und sie für die Zeit vorher zurückgewiesen werden mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen