Entscheidungsstichwort (Thema)

Heirat im Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

Schließt ein Versicherter, dessen erste Ehe nach dem Recht seines Heimatlandes geschieden ist, eine nach dortigem Recht gültige zweite Ehe, und ist die Scheidung seiner ersten Ehe in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin nicht anerkannt, so sind nach seinem Tod sowohl die in der Bundesrepublik Deutschland oder in West-Berlin lebende erste als auch die zweite Ehefrau im Rahmen von RKG § 69 Abs 4 hinterbliebenenrentenberechtigt unabhängig davon, wie der Ehestatus der beiden Frauen nach deutschem internationalen Eherecht zu beurteilen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Das deutsche Internationale Eherecht kennt keinen Grundsatz, nach dem eine innerstaatlich wirksame Ehe durch eine 2. im Ausland geschlossene und dort gültige Ehe ihre Wirkung verliert und somit die deutsche Ehefrau ihrer Unterhalts- und Erbansprüche gegen den im Ausland lebenden Mann verlustig geht.

 

Normenkette

RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1268 Abs. 4 Fassung: 1957-02-23; RKG § 63 Fassung: 1957-05-21, § 64 Fassung: 1957-05-21, § 65 S. 1 Fassung: 1957-05-21, § 69 Abs. 4 Fassung: 1957-05-21; FamRÄndG Art. 7 § 1 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1961-08-11; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 328 Fassung: 1950-09-12; BGBEG Art. 13 Fassung: 1896-08-18; RVO § 1263 Fassung: 1957-02-23, § 1264 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 1976 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat der Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten; im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, die der Klägerin aus dem Versicherungsverhältnis des am 27. Februar 1967 verstorbenen Schichtsteigers Paul B (B.) bewilligte Witwenrente herabzusetzen, indem sie sie auf die Klägerin und die Beigeladene aufteilte.

Paul B., aus Beuthen/Oberschlesien stammend und dort zuletzt wohnhaft, war seit 1924 mit der Beigeladenen Agnes B. verheiratet gewesen. Diese zog anfangs 1945 zu ihrer Tochter nach Berlin und blieb später dauernd im Westen. Der Ehemann folgte ihr nicht. Er betrieb 1948 in seiner Heimat vielmehr die Scheidung. Die den Scheidungsprozeß einleitende Verfügung des Landgerichts (LG) Beuthen (Bytom) ist der Beigeladenen nicht zugestellt worden; sie hat sich auch sonst nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Mit Urteil vom 15. April 1948 schied das LG Beuthen die Ehe der Beigeladenen mit dem Versicherten aus deren Verschulden; ihr Aufenthalt ist im Urteil als "unbekannt" angegeben. Im Jahre 1949 heiratete Paul B. in Beuthen die Klägerin Anna B.

Nach dem Tode des Versicherten übersiedelte auch die Klägerin in die Bundesrepublik. Die beklagte Bundesknappschaft gewährte ihr mit Bescheid vom 2. Dezember 1967 antragsgemäß Witwenrente nach Paul B.; die Rente betrug zuletzt - ab 1. Juli 1973 - 1.129,40 DM monatlich.

Im Jahre 1973 erfuhr die Beigeladene, inzwischen Inhaberin des Vertriebenenausweises A, vom Tode des Versicherten und von einem Scheidungsverfahren. Sie beantragte im Mai 1973 unter Bezug hierauf von der Beklagten "Geschiedenenrente". Die Beklagte ihrerseits beantragte sodann bei der Justizverwaltung in Berlin die Anerkennung des Scheidungsurteils des LG Beuthen vom 15. April 1948 gemäß Art. 7 § 1 des Familienrechts-Änderungsgesetzes (FamRÄndG) vom 11. August 1961. Dies lehnte der Senator für Justiz in Berlin mit Entscheidung vom 8. März 1974 unter Hinweis auf § 328 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ab.

Unter dem 3. April 1974 erließ hierauf die Beklagte zwei Bescheide: Mit dem ersten, dem streitigen Bescheid - später berichtigt durch Bescheid vom 3. September 1974 - setzte sie die Witwenrente der Klägerin ab 1. Juni 1974 auf 368,10 DM monatlich herab. Mit dem zweiten, nicht angegriffenen Bescheid bewilligte sie auch der Beigeladenen ab 1. Juni 1969 Witwenrente in Höhe von 798,50 DM monatlich. In der Begründung der Bescheide heißt es, daß jede der Witwen nach § 69 Abs. 4 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) nur den Teil der Hinterbliebenenrente erhalte, der im Verhältnis zum anderen Berechtigten der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten entspreche (509 Monate für die Beigeladene zu 211 Monaten für die Klägerin). Der Widerspruch der Klägerin gegen den ersten Bescheid blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. August 1974).

Mit der Klage hatte die Klägerin zwar in erster, nicht aber in zweiter Instanz Erfolg. In dem angefochtenen Urteil vom 29. Juni 1976 hat das Landessozialgericht (LSG) die zusprechende Entscheidung des Sozialgerichts (SG) aufgehoben und die Klage abgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, da das polnische Scheidungsurteil in der Bundesrepublik nicht anerkannt sei, seien sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene rechtmäßige Witwen des Versicherten. In lückenausfüllender Anwendung des § 69 Abs. 4 RKG habe die Beklagte die Witwenrenten zutreffend auf die beiden Witwen nach der Ehedauer aufgeteilt.

Das LSG hat in dem Urteil die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat die Revision eingelegt. Sie trägt vor, mangels vergleichbarer Interessenlage sei § 69 Abs. 4 RKG nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Das LSG habe die Dinge letzten Endes zivilrechtlich auf den Kopf gestellt; die Frau, die zivilrechtlich zu Lebzeiten des Versicherten keinen Unterhaltsanspruch gehabt habe, erhalte den größten Teil der Rente.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie tritt der Auffassung der Beklagten und des LSG bei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1967, mit der diese der Klägerin nach Paul B. Witwenrente in Höhe von zuletzt 1.129,40 DM monatlich bewilligt hat, ist mit Zustellung für die Beklagte gemäß § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Sache bindend geworden. Mit dem streitigen Bescheid vom 3. April 1974 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 3. September 1974 und in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 19. August 1974 hat die Beklagte diese Bindung durchbrochen; sie hat nämlich die Witwenrente der Klägerin auf 368,10 DM monatlich herabgesetzt. Hierzu war die Beklagte schon nach § 77 aaO, d.h. verwaltungsverfahrensrechtlich nur befugt, soweit dies "durch Gesetz" zugelassen war. Als solches Verfahrensgesetz nimmt die Beklagte zutreffend § 69 Abs. 4 Satz 2 RKG in Anspruch: Danach sind u.a. Witwenrenten nach § 64 RKG neu festzustellen, wenn nach der Feststellung der Rente ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen ist; die Neufeststellung geschieht mit Wirkung vom Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der neue Feststellungsbescheid zugestellt wird. Ein weiterer Berechtigter im Sinne der genannten Vorschrift "ist zu berücksichtigen", sobald ein vorgeblich weiterer Hinterbliebenenrentenberechtigter Leistungsantrag nach § 162 RKG gestellt und die Bundesknappschaft die hierzu notwendigen Ermittlungen positiv abgeschlossen hat (BSGE 29, 169 = SozR Nr. 14 zu § 1268 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Die Beigeladene Agnes B. hat im Mai 1973 als angeblich weitere Berechtigte nach dem Versicherten Paul B. Hinterbliebenenrente beantragt. Die Ermittlungen der Beklagten hierzu waren im April 1974 positiv abgeschlossen. Die Beklagte war hiernach nicht durch § 77 SGG gehindert, die Witwenrente der Klägerin durch den streitigen Bescheid vom 3. April 1974 ab 1. Juni 1974 neu festzustellen.

Allerdings hängt die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides - ungeachtet der verwaltungsverfahrensrechtlichen Möglichkeit, die Bindung nach § 77 SGG zu durchbrechen - davon ab, ob auch die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 RKG erfüllt sind. Das ist zu bejahen.

Zutreffend haben die Beklagte und das LSG zunächst angenommen, daß die Beigeladene im Sinne dieser Vorschrift eine "Berechtigte nach § 64 RKG" ist, die nachträglich zu berücksichtigen war. Agnes B. ist nämlich Witwe Paul B's.

Das gegen sie ergangene Scheidungsurteil des LG Beuthen vom 15. April 1948 wirkt mangels einer Anerkennung durch eine deutsche Landesjustizverwaltung nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins. Das ist Folge des Satzes des Völkerrechts, daß ein ausländisches Urteil als Äußerung der Souveränität eines fremden Staates keine Wirkungen im Inland entfalten kann, solange dies dort nicht ausdrücklich zugelassen worden ist. Nach Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 1 FamRÄndG bedürfen daher auch Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe u.a. geschieden ist, einer solchen deutschen Anerkennung, es sei denn, es hätte ein Gericht des Staates entschieden, dem beide Ehegatten zur Zeit der Scheidung angehört haben (Satz 3 aaO). Letzteres war vorliegend nicht der Fall; jedenfalls die Beigeladene, die bereits anfangs 1945 aus ihrer Heimat Oberschlesien nach Berlin zugezogen war, war im Jahre 1948 nicht polnische Staatsangehörige. Das Scheidungsurteil ist auch nicht etwa deshalb nicht anerkennungsbedürftig, weil die Scheidung 1948 in Beuthen/OS ausgesprochen war, also in einem Gebiet, das nach der Auffassung der Bundesrepublik nicht Ausland ist. Wie aus Satz 3 aaO erhellt, ist für Art. 7 § 1 FamRÄndG entscheidend, daß ein nichtdeutsches Gericht, hier nämlich ein Gericht der Volksrepublik Polen die Ehe geschieden hat (im Ergebnis ebenso Stein/Jonas, ZPO, 19. Aufl., 2. Bd., Bem. III 4 zu § 328). Die die Anerkennung ablehnende Entscheidung des Senators der Justiz in Berlin vom 8. Juli 1974 ist auch formal in Ordnung; die beklagte Knappschaft durfte die Entscheidung beantragen, da sie gemäß Art. 7 § 1 Abs. 3 Satz 2 FamRÄndG als für die Gewährung von Hinterbliebenenrenten zuständiger Versicherungsträger hieran ein rechtliches Interesse hatte (Jansen, FGG, Bd. I, Anhang II, Rd. Nr. 34 bei Art. 7 § 1 FamRÄndG). Wirkte mithin mangels einer Anerkennung das gegen die Beigeladene in Beuthen ergangene Scheidungsurteil nicht an ihrem Aufenthaltsort in West-Berlin, so gilt die Ehe der Beigeladenen mit dem Versicherten über das Jahr 1948 hinaus als fortbestehend.

Hieran änderte auch nichts der Umstand, daß der Versicherte im Jahre 1949 in Beuthen die Klägerin geheiratet hat. Zwar war die zweite Eheschließung nach dem dort angewendeten polnischen Recht mängelfrei; dort wurde natürlich die nach eigenem Recht 1948 ausgesprochene Scheidung des Versicherten von der Beigeladenen anerkannt. Darüber hinaus war aber auch nach der deutschen eherechtlichen Kollisionsnorm, die im Analogieschluß aus Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) zu gewinnen ist, für die zweite Eheschließung das polnische Recht als Heimatrecht maßgebend, sofern damals der Versicherte und die Klägerin - auch - die polnische Staatsangehörigkeit besessen haben sollten (allgemeine Meinung, vgl. BGHZ 27, 375, 379; zu der neueren Auffassung, nach der bei Mehrstaatlern als Heimatrecht das Recht des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts gilt, vgl. z.B. Heldrich in Palandt, BGB, 36. Aufl., Anm. 7 a/S. 2021 in der Vorbemerkung zu Art. 7 EGBGB). Im Grundsatz ist daher davon auszugehen, daß auch die zweite Eheschließung Paul B's. mit der Klägerin nach dem deutschen internationalen Eherecht auch in der Bundesrepublik und in West-Berlin wirksam war. Indessen kennt das deutsche internationale Eherecht keinen Grundsatz, nach dem eine innerstaatlich wirksame Ehe - hier die erste Ehe des Versicherten mit der Beigeladenen - durch eine zweite im Ausland gültig geschlossene Ehe im Inland ihre Geltung verlöre und damit die im Inland lebende deutsche Ehefrau durch die zweite Eheschließung ihrer Unterhalts- und Erbansprüche verlustig ginge. Ein solcher Grundsatz würde im übrigen Art. 7 § 1 FamRÄndG und § 328 ZPO zu Lasten der deutschen Rechtsordnung und der von ihr geschützten Personen - hier des Ehegatten der ersten Ehe - überspielen und im Ergebnis beseitigen. Das kann nicht Rechtens sein; der Senat lehnt daher die gegenteilige Auffassung des Kammergerichts in der Entscheidung vom 13. Januar 1925 (JW 1925, 2146) mit der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Auffassung ab (vgl. dazu Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., S. 312 f; Kegel in Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl., Bd. 7, Rd. Nr. 26 bei Art. 13 EGBGB; Marquordt in Erman, BGB, 6. Aufl., 2. Bd., Rd. Nr. 49 zu Art. 17 EGBGB; Gamillscheg in Staudinger, BGB, 10/11. Aufl., EGBGB/Teil 3, Rd. Nr. 261 bei Art. 13).

Nach alledem war die Klägerin ungeachtet des polnischen Scheidungsurteils vom Jahre 1948 und der Wiederverehelichung ihres Mannes in Beuthen bis zu dessen Tod dessen Ehefrau und demgemäß seither dessen Witwe.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann dahinstehen, ob für die Zeit ab der zweiten Eheschließung im Jahre 1949 aus deutscher Sicht neben der Ehe des Versicherten mit der Beigeladenen auch dessen Ehe mit der Klägerin als wirksam anzusehen ist (Mindermeinung, vgl. RGZ 165, 398) oder ob - wegen der Beachtung des übergeordneten Grundsatzes des Verbots der Doppelehe bei Geltung des monogamen Ehestatuts in beiden beteiligten Staaten - nur die erste Ehe als wirksam geschlossen gilt (herrschende Meinung, vgl. zu alledem mit zahlreichen Nachweisen Gamillscheg, aaO, Rd. Nrn. 256 - 261; Raape, aaO). Der Senat hat nämlich vorliegend nicht die Frage des international rechtlichen Ehestatus zu beurteilen, sondern allein zu prüfen, ob die beteiligten Frauen hinterbliebenenrentenberechtigt im Sinne des § 69 Abs. 4 RKG sind. Diese speziell rentenversicherungsrechtliche Frage aber ist für beide Frauen zu bejahen. In bezug auf das Hinterbliebenenrentenrecht nach §§ 63 ff RKG kann die Tatsache nicht als rechtsunerheblich angesehen werden, daß nach der Beigeladenen auch die Klägerin mit Paul B. in Beuthen lange Jahre in dort gültiger Ehe gelebt hat; insbesondere zeitigte diese letztere Ehe nach dem Recht des Aufenthaltsortes zugunsten der Klägerin alle unterhaltsrechtlichen Wirkungen. Nun läßt sich nicht verkennen, daß Grundlage des Anspruches auf Hinterbliebenenrente nach §§ 63 ff RKG nicht ein eigenes Versicherungsverhältnis des Hinterbliebenen, sondern das Versicherungsverhältnis des Verstorbenen ist. Daß der Hinterbliebene aus den Versicherungsverhältnissen des Verstorbenen Rente beanspruchen kann, rechtfertigt sich jedoch aus der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente: Wie die Rente für den Versicherten funktionell den Lohn ersetzt, so sollen die Hinterbliebenenrenten an die Stelle des durch den Tod des Versicherten weggefallenen Unterhalts treten (allgemeine Meinung, vgl. z.B. BSGE 5, 17, 19; BSG in SozR Nr. 3 zu § 1266 RVO). § 65 RKG, der den Anspruch auf die sogenannte Geschiedenen-Witwenrente regelt, belegt augenfällig, daß nach der Konzeption des Gesetzgebers ein ehefolgerechtlicher Unterhaltsanspruch selbst dann noch zur Hinterbliebenenrentenberechtigung führt, wenn schon zu Lebzeiten des Versicherten das Eheband nicht mehr bestanden hat. In lückenfüllender Anwendung der in den §§ 64 und 65 RKG getroffenen Gesamtregelung müssen daher in einem Fall der vorliegenden Art beide Frauen als Hinterbliebenenrentenberechtigte behandelt werden.

Nach alledem sind auch im vorliegenden Fall "mehrere Berechtigte" im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 1 RKG vorhanden, wobei nach Hinzutritt der Beigeladenen als "weiterer Berechtigter" die Herabsetzung der Rente nach Satz 2 aaO gerechtfertigt ist. Zwar muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber aaO das Vorhandensein von zwei "Witwen" nicht in seinen Plan einbezogen haben wird; andererseits paßt jedoch die in § 69 Abs. 4 RKG getroffene Regelung nach seiner Interessenlage voll auf einen Fall der vorliegenden Art.

Auch die von der Beklagten vorgenommene Aufteilung der Witwenrente ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es nicht möglich, zu Lasten der ersten Ehefrau insoweit die Dauer der zweiten Ehe nicht zu berücksichtigen; das nämlich würde bedeuten, daß im Ergebnis für diese Zeit die erste Ehe als nicht wirksam angesehen wird. Bereits oben ist jedoch dargelegt, daß die zweite Eheschließung die innerstaatliche Wirksamkeit der ersten Ehe nicht in Frage stellen kann.

Nach alledem hat das LSG die Klage der Klägerin gegen die Herabsetzung ihrer Hinterbliebenenrente ab 1. Juni 1974 zu Recht abgewiesen. Ihre Revision gegen das Berufungsurteil war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 238

IPRspr. 1977, 50

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