Leitsatz (amtlich)
Ansprüche auf Leistungen nach SVAnG SL §§ 27 und 28 bestehen bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nur, wenn der Versicherte bei der Verkündung dieses Gesetzes am 1963-06-27 seinen Wohnsitz im Saarland hatte.
Normenkette
SVSaarAnglG § 27 Fassung: 1963-06-15, § 28 Fassung: 1963-06-15; VersFürsG SL § 2 Abs. 1 Fassung: 1952-06-20, § 5 Abs. 2 Fassung: 1952-06-20
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 5. Dezember 1973 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 26. November 1971 zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist im Revisionsverfahren streitig, ob dem Kläger eine Leistung nach § 28 des Sozialversicherungs-Angleichungsgesetzes - Saar (SVAG-Saar) vom 15. Juni 1963 (BGBl I 402 ff) zusteht.
Der im Saargebiet geborene Kläger emigrierte im Februar 1935 als Verfolgter des Nationalsozialismus nach Frankreich. Vom 1. März 1936 bis zum 29. Mai 1946 war er im französischen Bergbau beschäftigt. Vom 12. September 1939 bis 14. Juli 1940 war er Soldat in der französischen Armee. Im Juni 1946 kehrte er in das Saarland zurück und arbeitete vom 1. Juli 1946 bis zum 18. März 1948 bei der französischen Militärregierung in Homburg. Während dieser Zeit war er nach deutschem Recht als Angestellter versicherungspflichtig. Vom Juni 1948 bis September 1949 war er im saarländischen Bergbau tätig. Danach verzog er wieder nach Frankreich und arbeitete dort erneut bis zum 30. Juni 1966 im französischen Bergbau. Am 8. Juni 1967 verlegte er seinen Wohnsitz von Frankreich wieder in das Saarland. Im Februar 1946 hatte er die französische Staatsangehörigkeit erhalten; laut Einbürgerungsurkunde vom 31. Januar 1968, die am 8. Februar 1968 ausgehändigt wurde, erwarb er wieder die deutsche Staatsangehörigkeit.
Mit Bescheid vom 29. Januar 1968 wurde ihm die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Juli 1966 gewährt. Ein Anspruch auf eine Leistung nach § 28 SVAG-Saar wurde verneint. Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 1968 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) für das Saarland mit Urteil vom 26. November 1971 abgewiesen. Mit der Klage hatte der Kläger auch noch die Anrechnung weiterer Ersatzzeiten gefordert. Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und im Berufungsverfahren seinen Antrag auf Leistungen nach § 28 SVAG-Saar beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat auf die Berufung das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen gemäß § 28 SVAG-Saar nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Nach Ansicht des LSG brauchen für einen Anspruch auf derartige Leistungen nicht die Anspruchsvoraussetzungen des saarländischen Gesetzes Nr. 345 über eine besondere Fürsorge für Versicherte im Zusammenhang mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung außerhalb des Saarlandes in der Fassung des Gesetzes Nr. 397 vom 10. Juli 1953 (ABl 520 ff) zum Zeitpunkt der Verkündung des SVAG-Saar vom 27. Juni 1963 erfüllt zu sein. Die §§ 27, 28 SVAG-Saar beträfen Besitzstands- bzw. Übergangsregelungen hinsichtlich der Berücksichtigung etwaiger nach dem Gesetz Nr. 345 bereits bestehender Ansprüche und bis zur Verkündung des SVAG-Saar erworbener Rentenanwartschaften. In § 27 SVAG-Saar, der den Besitzstand bei einem bereits eingetretenen Versicherungsfall regle, sei ausdrücklich bestimmt, daß die Leistungsvoraussetzungen nach dem Gesetz Nr. 345 im Zeitpunkt der Verkündung des SVAG-Saar gegeben sein müßten. Aus dem Wortlaut des § 28 SVAG-Saar sei aber nicht zu entnehmen, daß eine Anwartschaft bereits im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes habe vorhanden sein müssen. Eine solche Regelung sei auch deshalb kaum denkbar, weil Anspruch aus dem Gesetz Nr. 345 zum Zeitpunkt der Verkündung des SVAG-Saar ohne Vorliegen eines Versicherungsfalles nicht bestanden habe und § 28 SVAG-Saar gerade den Besitzstand für Versicherungsfälle nach Verkündung des Gesetzes regele und sicherstelle, daß auch die nach dem Gesetz Nr. 345 bis zur Verkündung des SVAG-Saar erworbenen Rentenanwartschaften erhalten blieben und bei Eintritt des Versicherungsfalles durch eine zusätzliche Leistung berücksichtigt würden. Es sei nicht anzunehmen, daß § 28 SVAG-Saar nur die Fälle habe regeln sollen, bei denen ein Versicherungsfall (z. B. der der Berufsunfähigkeit) bereits vor dem 27. Juni 1963 eingetreten gewesen sei und nach diesem Zeitpunkt weitere Versicherungsfälle (z. B. der der Erwerbsunfähigkeit) einträten. Der in dieser Bestimmung enthaltene Satz: "Soweit nach dem Gesetz Nr. 345 ausländische Versicherungszeiten zu berücksichtigen gewesen wären" sei dahin auszulegen, daß unterstellt werde, daß dieses Gesetz noch weitergegolten hätte. Bei Weitergeltung dieses Gesetzes hätte dem Kläger aber ein Leistungsanspruch zugestanden, weil er ab Juni 1967 seinen ausschließlichen Wohnsitz im Saarland gehabt habe. Gehe man davon aus, daß sein Anspruch nach dem Gesetz Nr. 345 gegeben gewesen wäre, wenn dieses Gesetz weiterhin in Kraft geblieben wäre, was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt werde, dann stehe der Gewährung einer Leistung nach § 28 SVAG-Saar nichts mehr entgegen, weil alle sonstigen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs gegeben seien. Das LSG habe nur zu einer Leistungsgewährung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen verurteilt, weil der Nachweis, wann der Kläger wieder seinen ausschließlichen Wohnsitz im Saarland genommen habe, nicht erbracht sei und deshalb nicht genau entschieden werden könne, ab wann dem Kläger die Leistung zu gewähren sei. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Revision aus, das LSG habe § 28 SVAG unrichtig angewandt. Dem Kläger stehe nach dieser Vorschrift keine Leistung zu, weil für ihn bei der Verkündung des SVAG-Saar keine Rentenanwartschaft nach dem Gesetz Nr. 345 vorhanden gewesen wäre. § 28 SVAG-Saar solle keine neuen Rentenanwartschaften begründen, sondern ausschließlich einen tatsächlichen Besitzstand schützen. Die vom LSG vorgenommene Auslegung dieser Vorschrift ergebe sich auch nicht aus deren Wortlaut. Wolle man der Auslegung des LSG folgen, so würde das dazu führen, daß den am 27. Juni 1963 außerhalb des Saarlandes wohnhaften Deutschen bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Verkündung des SVAG-Saar eine zusätzliche Leistung gewährt werden müsse, obwohl sie von dem saarländischen Fürsorgegesetz Nr. 345 niemals erfaßt worden seien. Diese extensive Anwendung sei aber nicht beabsichtigt gewesen. Schließlich scheitere das Entstehen einer Rentenanwartschaft auch an der Tatsache daß der Kläger im Zeitpunkt der Verkündung des SVAG-Saar am 27. Juni 1963 nicht Saarländer (Deutscher) gewesen sei. Er sei damals französischer Staatsangehöriger gewesen und Frankreich habe Saarländern (Deutschen) keine der Fürsorgegesetzregelung entsprechenden Vorteile gewährt.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 26. November 1971 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für richtig. Die Revisionsbegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte, die nicht schon in den beiden Vorinstanzen erörtert worden seien.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das SG hatte zu Recht Ansprüche nach § 28 SVAG-Saar verneint. Die Berufung des Klägers, die sich nur noch gegen die Versagung dieser Ansprüche richtete, war daher zurückzuweisen.
Das SVAG-Saar, das das Sozialversicherungsrecht im Saarland nach der Eingliederung in das Bundesgebiet an das im übrigen Bundesgebiet geltende Recht angleichen sollte, enthält in den §§ 26 ff Übergangsvorschriften. Im SVAG-Saar erfolgte auch eine Angleichung an das im Bundesgebiet geltende Fremd- und Auslandsrentenrecht (§§ 18, 19 SVAG-Saar). Die Übergangsvorschriften der §§ 27, 28 SVAG-Saar stellen Ergänzungen zu den Besitzstandsklauseln in den Übergangsvorschriften des Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) dar, und zwar soll § 27 SVAG-Saar sicherstellen, daß in den Fällen, in denen im Zeitpunkt der Verkündung dieses Gesetzes bereits ein Leistungsanspruch nach dem saarländischen Gesetz Nr. 345 bestanden hat, auf den das FANG keine Anwendung findet, diese Leistung auch für die Zeit nach der Verkündung des SVAG-Saar und nach der in § 35 Abs. 2 Buchst. b dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1959 angeordneten Außerkraftsetzung des Gesetzes Nr. 345 gewährt wird.
Als Ergänzung der Besitzstandsklausel in § 27 SVAG-Saar bestimmt § 28 SVAG-Saar, daß bei Versicherungsfällen nach Verkündung dieses Gesetzes eine Leistung zu gewähren ist, soweit nach dem Gesetz Nr. 345 vor dem 27. Juni 1963 zurückgelegte ausländische Versicherungszeiten zu berücksichtigen gewesen wären. Sowohl die Leistung nach § 27 als auch die nach § 28 SVAG-Saar wird Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und früheren deutschen Staatsangehörigen im Sinne des Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG für die Dauer ihres gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet gewährt. § 28 SVAG-Saar stellt sicher, daß nicht nur bereits erworbene Ansprüche (§ 27 SVAG-Saar), sondern auch bestimmte nach dem Gesetz Nr. 345 bis zur Verkündung des SVAG-Saar erworbene "Rentenanwartschaften" erhalten bleiben und bei Eintritt eines zukünftigen Versicherungsfalles durch eine zusätzliche Leistung berücksichtigt werden.
Nach § 5 Abs. 2 des saarländischen Gesetzes Nr. 345 war dann, wenn der Berechtigte aus der nichtsaarländischen bzw. aus der saarländischen und nichtsaarländischen Rentenversicherung eine geringe Rente bezog, als er nach saarländischem Recht erhalten hätte, wenn die Gesamtheit der Versicherungszeiten nur im Saarland zurückgelegt worden wären, der Unterschiedsbetrag als Fürsorge zu zahlen. Diese Fürsorgeleistungen wurden nur gewährt, solange der Berechtigte seinen ausschließlichen Wohnsitz im Saarland hatte (§ 2 Abs. 1 Gesetz Nr. 345). Wer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SVAG-Saar also seinen Wohnsitz nicht im Saarland hatte, hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch nach dem Gesetz Nr. 345. Man muß nach Ansicht des Senats aus dem Gesamtplan des Gesetzgebers zu §§ 27, 28 SVAG-Saar schließen, daß er in solchen Fällen dem Versicherten nicht nur die Anerkennung eines Leistungsanspruchs, sondern auch die Anerkennung eines bestehenden Anwartschaftsrechts versagen sollte. § 27 SVAG-Saar sollte nur Personen begünstigen, die am Tage der Verkündung des SVAG-Saar (27. Juni 1963) ihren ausschließlichen Wohnsitz im Saarland hatten.
Wer an diesem Tage eine Rente aus der nicht saarländischen bzw. aus der saarländischen und der nichtsaarländischen Rentenversicherung bezog und damit alle sonstigen Voraussetzungen für eine Fürsorgeleistung nach dem Gesetz Nr. 345 erfüllte, aber nur deshalb keine Leistung nach diesem Gesetz erhielt, weil er seinen Wohnsitz nicht im Saarland hatte, kann auch dann keine Ansprüche aus § 27 SVAG-Saar herleiten, wenn er heute (wieder) seinen ausschließlichen Wohnsitz im Saarland hat. Nichts anderes kann aber auch für diejenigen Personen gelten, die an diesem Stichtag nur eine Anwartschaft auf solche Rentenleistungen hatten. Wie die Bundestags-Drucksache IV/474 (Seite 25) mit Recht zu § 28 SVAG-Saar zum Ausdruck bringt, ergänzt diese Vorschrift nämlich nur die Besitzstandsklausel in § 27 SVAG-Saar. Einem Versicherten, der am 27. Juni 1963 noch keine Rentenansprüche aus derartigen Versicherungszeiten, sondern nur eine entsprechende Anwartschaft hatte, und der damals ebenfalls nicht im Saarland wohnte, kann hinsichtlich der Besitzstandswahrung nicht besser als die erstgenannten Versicherten gestellt werden. Die die Besitzstandsklausel des § 27 SVAG-Saar nur insofern ergänzende Vorschrift des § 28 dieses Gesetzes, daß dieser Besitzstand auch auf noch nicht gegebene, sondern erst zukünftig entstehende Rentenansprüche (Anwartschaften) ausgedehnt wird, kann daher nur unter den gleichen Voraussetzungen wie die Besitzstandsklausel des § 27 SVAG-Saar wirksam werden. Eine den Gesamtplan des Gesetzes erfassende Auslegung des § 28 SVAG-Saar erfordert es anzunehmen, daß Ansprüche nach dieser Vorschrift - ebenso wie Ansprüche nach § 27 SVAG-Saar - nur bestehen, wenn der Versicherte am 27. Juni 1963 seinen Wohnsitz im Saarland hatte.
Der Ansicht des LSG, es müsse unterstellt werden, daß das Gesetz Nr. 345 bis zum Eintritt des Versicherungsfalles weitergegolten habe, kann nicht gefolgt werden.
Die Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Mai 1969 (SozR Nr. 1 zu § 28 SVAG-Saar vom 15. Juni 1963) betrifft die für die Feststellung der Leistung nach § 28 SVAG-Saar vorzunehmende Vergleichsberechnung. Daraus, daß hierbei für die allein nach Bundesrecht zu berechnende Rente die für das Kalenderjahr des jeweiligen Versicherungsfalles maßgebende allgemeine Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen ist, kann nicht geschlossen werden, daß eine Weitergeltung des Gesetzes Nr. 345 bis zum Eintritt des Versicherungsfalles unterstellt werden muß.
Wenn dem Kläger aber keine Ansprüche nach § 28 SVAG-Saar zustehen, weil er bei der Verkündung dieses Gesetzes am 27. Juni 1963 keinen ausschließlichen Wohnsitz im Saarland hatte, hat das SG insoweit die Klage zu Recht abgewiesen. Deshalb war die hiergegen eingelegte Berufung unter Aufhebung des Urteils des LSG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen