Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. selbständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit unterschiedlicher Gruppen von sogenannten "Ortsagenten" als abhängig Beschäftigte (§ 7 Abs 1 SGB 4) oder selbständig Tätige bedarf es einer genauen Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse und Merkmale im Zusammenhalt mit den vertraglichen Vereinbarungen.

 

Orientierungssatz

1. Für die Beurteilung ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist das Gesamtbild der tatsächlich geleisteten Arbeit entscheidend. Wenn auch vertragliche Vereinbarungen bedeutsam sein können, sind sie jedoch dann nicht ausschlaggebend, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von den Vereinbarungen abweichen. Das Gesamtbild und die rechtliche Einordnung bestimmen sich letztlich danach, welche Merkmale im Einzelfall überwiegen (vgl ua BSG 1974-07-31 12 RK 26/72 = BSGE 38, 53).

2. Ob die Arbeit mehr körperlicher Art ist oder nicht, ist für die Abgrenzung einer unselbständigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit (§ 7 Abs 1 SGB 4) nicht entscheidend (vgl BSG 1980-11-27 8a RU 26/80 = DOK 1981, 125).

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1963-04-30; SGB 4 § 7 Abs 1 Fassung: 1976-12-23; SGG § 103

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 13.11.1979; Aktenzeichen L 5 U 175/76)

SG Detmold (Entscheidung vom 07.10.1976; Aktenzeichen S 4 U 7/76)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin verpflichtet ist, für ihre Ortsagenten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.

Die Klägerin ist mit ihrem Unternehmen Mitglied der beklagten Berufsgenossenschaft (BG). Sie betreibt ua einen Zeitschriftenhandel. Für die Auslieferung von periodisch und nicht täglich erscheinenden Zeitschriften, bei denen es sich überwiegend um Programmzeitschriften handelt, sowie für weitere vertraglich näher umschriebene Verrichtungen steht sie mit etwa 1300 Personen, die sie als "Ortsagenten" bezeichneten in vertraglichen Beziehungen. Für den Vertrag mit diesen Ortsagenten benutzt sie ein Muster, das - auszugsweise - lautet:

"1. Unter Wahrung seiner Selbständigkeit übernimmt es der

Ortsagent, als Handelsvertreter (gemäß §§ 84 ff HGB)

im Nebenberuf für die Firma tätig zu sein. Er tritt

in kein Arbeitsverhältnis zur Firma. Die Regelung der

Steuern und die etwaige Aufrechterhaltung von

Sozialversicherung sind Angelegenheiten des Ortsagenten.

2. Die Tätigkeit des Ortsagenten erstreckt sich auf:

a) den Vertrieb von Zeitschriften und Büchern,

b) die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen,

c) das Inkasso von Versicherungsprämien,

d) die laufende Betreuung von Kunden.

3. Der Ortsagent kann sich seinen Abnehmerkreis selbst

aussuchen. Die Firma überläßt ihm dabei, in welchem

Umfange er neue Bezieher wirbt bzw Versicherte gewinnt

und sonstige Geschäftsabschlüsse vermittelt.

Die Belieferung von Beziehern bzw das Inkasso bei

Versicherten, die er nicht selbst gewonnen hat, kann

der Ortsagent ablehnen. Er hat gegebenenfalls der

Firma innerhalb von ... Tagen nach Eingang der Zuweisung

Kenntnis zu geben.

4. Umfang und Gestaltung der Tätigkeit sowie die Einteilung

der Arbeitszeit sind dem Ortsagenten überlassen. Es steht

ihm zu, auf eigene Rechnung und nach seinem Ermessen

Hilfskräfte einzustellen und zu beschäftigen. Auch ist er

berechtigt, Geschäfte oder Tätigkeiten anderer Art

gleichzeitig noch zu betreiben.

5. Die Firma übernimmt die Verpflichtung, dem Ortsagenten

a) Material für die Gewinnung von Beziehern bzw

Versicherten kostenlos zur Verfügung zu stellen,

b) für die von ihm oder seinen Hilfskräften vermittelten

und der Firma eingereichten Aufträge die

vereinbarte Einmalprovision nach Maßgabe der

Ziffer 7 dieses Vertrages zu vergüten (§ 87 HGB

ist ausgeschlossen),

c) die für die Bezieher bzw Versicherten benötigten

Zeitschriften, Bücher und Versicherungsquittungen

regelmäßig zu vereinbarten Preisen zu liefern.

Die Lieferungen der Firma erfolgen unter verlängertem

Eigentumsvorbehalt,

d) die vereinbarte Umsatzprovision für den

Zeitschriften- und Büchervertrieb sowie für das Inkasso

von Versicherungsprämien zu zahlen,

e) die innerhalb ... Wochen zurückgesandten Remittenden

(Höchstsatz ...% der gelieferten Zeitschriften

und Bücher) zum Lieferpreis gutzuschreiben.

6. Der Ortsagent verpflichtet sich:

a) die Umarbeitung von Kunden zu unterlassen,

b) die ihm für die Lieferung in Rechnung gestellten

Beträge innerhalb von ... Tagen nach Rechnungseingang

der Firma zu überweisen,

c) etwaige Stundungen von Bezugsgeldern auf eigenes

Risiko - ohne Wirkung gegenüber der Firma -

vorzunehmen,

d) an dritte Personen keinerlei Zahlungen für Rechnung

und zu Lasten der Firma zu leisten,

e) allgemein das Interesse der Firma wahrzunehmen

(§ 86 Abs 1 HGB) und die ihm bei Ausübung der

Ortsagenten-Tätigkeit bekannt werdenden Geschäftsvorgänge,

insbesondere die Anschriften der Bezieher und Versicherten,

geheimzuhalten.

7. Die Provision für die eingebrachten Aufträge gilt erst

dann als verdient, wenn eine zwischen Firma und Ortsagent

vereinbarte Anzahl von Heften, Beiträgen bzw

Versicherungsprämien vom Kunden bezahlt worden ist.

Abbestellungen vor Bezahlung dieser Anzahl gelten

als Sprung. Die Gesamtprovision für Springer wird

zurückverrechnet. Alle vorher erfolgten Zahlungen bzw

Gutschriften sind Vorschüsse auf die Provision.

8. Für den Fall einer Nichterfüllung der getroffenen

Abmachungen oder eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem

Vertragsverhältnis wird eine Konventionalstrafe in

Höhe von ... (200,--) ... DM vereinbart. Sollte der

durch die Vertragsverletzung eingetretene Schaden

größer sein, so ist der Differenzbetrag neben der

Konventionalstrafe zu entrichten.

...

10. Als Sicherheit für die aus diesem Vertrag sich

ergebenden Verpflichtungen stellt der Ortsagent eine

Barkaution von DM ... bzw eine Sicherheit durch Übereignung

folgender Sachgegenstände: ...

11. Dieser Vertrag kann von der Firma und dem Ortsagenten

unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von ...

- (Vertragsdauer zunächst 12 Monate) - ... Wochen gelöst

werden. Die Kündigung kann nur schriftlich durch

Einschreibebrief erfolgen. Eine sofortige Aufhebung des

Vertrages ist möglich, wenn der Ortsagent oder die Firma

gegen die Vereinbarungen gröblich verstoßen hat, oder

wenn sich beide Partner über die Aufhebung des Vertrages

einig sind. Im Falle der Auflösung des Vertragsverhältnisses

hat der Ortsagent ihm übergebene Geschäftsunterlagen,

insbesondere die Anschriften der Bezieher und

Versicherten, der Firma unter Ausschluß aller Einwendungen

auszuhändigen ...

12. Als Erfüllungsort ist der Sitz der Firma vereinbart.

Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das ordentliche

Gericht des Firmensitzes zuständig. ..."

Die für die Klägerin handelnden Ortsagenten sind zu 60 % Minderjährige im Alter von 15 bis 18 Jahren, im übrigen Rentner, Sozialhilfeempfänger und Hausfrauen. Die Mehrzahl der Ortsagenten beschäftigt gelegentlich Hilfskräfte oder Vertreter. Die Höhe der Provisionen reichte nach dem Stand vom 6. Mai 1976 von 2,92 DM (= 15 % von 19,50) bis 75,63 DM (= 15 % von 504,25 DM) wöchentlich. Die Zahl der von den einzelnen Ortsagenten zu betreuenden Bezieher schwankte zwischen 17 und 438. Für die Betreuung der Kunden ist in der Regel wöchentlich eine Zeit von 2 1/2 bis 3 1/2 Stunden erforderlich.

Die Beklagte erhob von der Klägerin Unfallversicherungsbeiträge für die Ortsagenten der Klägerin für die Jahre 1972 bis 1974 in Höhe von 2.677,-- DM, 3.167,-- DM und 2.997,-- DM (Bescheid vom 8. Dezember 1975) sowie für das Jahr 1975 von 4.006,-- DM (Bescheid vom 13. April 1976). Die Widerspruchsverfahren blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 12. Januar 1976 und 10. Mai 1976). Das Sozialgericht (SG) Detmold hat der Klage stattgegeben und die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 7. Oktober 1976). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen, nachdem es den Vertriebsleiter H der Klägerin in der mündlichen Verhandlung über die Einzelheiten der Vertriebsorganisation gehört hatte, das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. November 1979).

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil die zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) und der §§ 103  128 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts für

das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1979

aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das

Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 7. Oktober 1976

zurückzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung

an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Wie die Klägerin zutreffend rügt, ist die Entscheidung des LSG verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, denn es hat seine Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) verletzt.

Das LSG ist zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausgegangen, wonach ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als charakteristisches Merkmal eine persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber voraussetzt, während eine selbständige Tätigkeit insbesondere durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügbarkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Arbeit und Arbeitszeit gekennzeichnet ist (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4, 8, 17, 19). Für die Beurteilung ist das Gesamtbild der tatsächlich geleisteten Arbeit entscheidend. Wenn auch vertragliche Vereinbarungen bedeutsam sein können, sind sie jedoch dann nicht ausschlaggebend, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von den Vereinbarungen abweichen. Das Gesamtbild und die rechtliche Einordnung bestimmen sich letztlich danach, welche Merkmale im Einzelfall überwiegen (BSGE 35, 20, 21; 38, 53, 57; BSG SozR Nr 16 zu § 165 Reichsversicherungsordnung -RVO-). Auf im wesentlichen gleiche Erwägungen stellen das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Abgrenzung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit von einem Arbeitsverhältnis (zu Zeitungsträgern vgl BSG AP Nr 2 zu § 19 Betriebsverfassungsgesetz 1972) und der Bundesfinanzhof (BFH) zur Bestimmung eines selbständigen Unternehmers im umsatzsteuerrechtlichen Sinne (vgl zu Zeitungsausträgern BFH BStBl 1956 III S 110) ab.

Das LSG hat die Umstände, die zur Entscheidung des Einzelfalls von Bedeutung sind, nicht hinreichend ermittelt und hierdurch seine Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) verletzt. Zur Art der Arbeit der Ortsagenten hat es lediglich festgestellt, die körperliche Arbeit - das Austragen der Zeitungen und das Kassieren der Bezugsgebühren sowie der Versicherungsbeiträge - nehme einen breiten Raum ein; hieraus hat es geschlossen, die Arbeit sei fremdbestimmt, so daß sich eher der Vergleich mit dem Gesamtbild des Arbeitnehmers aufdränge als mit dem eines Selbständigen. Ob die Arbeit mehr körperlicher Art ist oder nicht, ist jedoch für die Abgrenzung einer unselbständigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit (§ 7 Abs 1 SGB 4) nicht entscheidend. Rein oder überwiegend körperliche Arbeiten kommen insbesondere im Rahmen von Werkverträgen (§ 631 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) vor, ohne daß die Vertragsparteien damit einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben (vgl hierzu Urteile des Senats vom 27. November 1980  Az: 8a RU 26/80 - Ringtourenfahrer -, DOK 1981, 125, Kurzbericht abgedruckt in ZfS 1981, S 46; Az: 8a RU 74/79 - Charterfahrer -). Hier hätte das LSG vielmehr feststellen müssen, in welchem Umfang die Ortsagenten von der ihnen eingeräumten Werbemöglichkeit tatsächlich Gebrauch machen und Geschäfte vermitteln (vgl Nrn 2b, 3 des Vertrages). Jedenfalls insoweit sind sie von der Klägerin nicht persönlich abhängig, sondern sie gestalten ihre Tätigkeit selbst, wie dies ausdrücklich in Satz 2 der Nr 3 des Vertrages festgehalten ist. Überwiegt bei einzelnen oder einer bestimmten Gruppe der Ortsagenten diese Werbetätigkeit, sind sie den Selbständigen zuzuordnen, denn hierdurch wird das Gesamtbild ihres Vertragsverhältnisses zu der Klägerin geprägt. Da der Vertriebsleiter der Klägerin bei seiner Anhörung vor dem LSG angegeben hat, die Klägerin beschäftige keine Bezieherwerbekolonnen und die einzelnen Abschlüsse erfolgten über die Ortsagenten, liegt es nahe, daß bei manchen Ortsagenten die Werbetätigkeit überwiegt. Hinzu kommt, daß nach den Feststellungen des LSG zwar die wöchentliche Arbeitszeit der Ortsagenten sich nicht wesentlich unterscheidet (2 1/2 bis 3 1/2 Stunden), jedoch die Höhe der Provisionen stark voneinander abweicht und die Zahl der jeweils zu betreuenden Bezieher zwischen 17 und 438 schwankt. Dies deutet darauf hin, daß die einzelnen Ortsagenten offenbar ihre Arbeit recht unterschiedlich gestalten. Hierzu hätte das LSG die notwendigen Feststellungen treffen müssen.

Insgesamt lassen die Feststellungen des LSG nicht eindeutig erkennen, ob überhaupt oder in welchem Umfang die tatsächlichen Verhältnisse beim Einsatz der rund 1.300 Ortsagenten mit den vertraglichen Regelungen des Mustervertrages in der streitigen Zeit ganz oder teilweise übereinstimmten. Nur bei einer ausdrücklich festgestellten lückenlosen Übereinstimmung bei allen Ortsagenten darf auf die Regelungen des Mustervertrages insgesamt zurückgegriffen werden. Insoweit hätte sich das LSG vor allem schon deshalb zu Feststellungen gedrängt sehen müssen, weil der Mustervertrag mehrere Einzelheiten offengelassen und ersichtlich der Regelung im Einzelfalle überlassen hat, so insbesondere die Fristen nach Nrn 3, 5 e, 6 b, 11 des Mustervertrages, die Höhe der Konventionalstrafe (Nr 8 aaO) und der Barkaution sowie die Aufstellung der übereigneten Gegenstände (Nr 9 aaO).

Es ist auch nicht erkennbar, ob die rund 1.300 Ortsagenten einen einheitlichen Typus darstellten, obschon darunter so unterschiedliche Gruppen wie Minderjährige, Rentner, Sozialhilfeempfänger und Hausfrauen waren. Möglicherweise sind unter den Ortsagenten mehrere, sich voneinander unterscheidende Gruppen festzustellen. Eine Unterscheidung kann zudem danach zu treffen sein, ob der jeweilige Ortsagent Zeitschriften ausliefert und die Zeitungsgebühren kassiert, Bücher - auf wessen Rechnung? - vertreibt und zumindest ein Versicherungsinkasso vermittelt. Dazu gehört, in welcher Weise die Ortsagenten im Rahmen der Abonnementsverträge zwischen der Klägerin und den Abonnenten handeln und insbesondere, oh sie hierbei ein Unternehmerrisiko tragen. Ein solches Risiko besteht nicht nur, wenn der Erfolg bei eigenem wirtschaftlichen Einsatz ungewiß ist (BSG, BB 80, 211 mwH). Denkbar ist, daß der Ortsagent die Zeitschriften und Bücher von der Klägerin selbst aufkauft und an die Abonnenten weiterverkauft. Hierfür spricht, daß nach Nr 6 b des Vertrages die Klägerin dem Ortsagenten für die Lieferungen Beträge in Rechnung stellt, die er innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach Rechnungseingang der Klägerin überweisen muß, und zwar offensichtlich ohne Rücksicht darauf, ob die Zeitschriften oder Bücher bereits an die Kunden weitergeliefert und bezahlt worden sind. Andererseits ist es möglich, daß die Ortsagenten lediglich als Boten für die Klägerin die Zeitschriften und Bücher ausliefern. Diese immerhin denkbare unterschiedliche Geschäftsgestaltung ist jedoch bei einer Gesamtbetrachtung der Vertragsverhältnisse zwischen der Klägerin und ihren Ortsagenten zu berücksichtigen. Von Bedeutung hierbei ist auch, ob die Ortsagenten die Bezugsgebühren und die Versicherungsprämien für die Klägerin einziehen und dem Kunden hierüber Quittungen auf Vordrucken der Klägerin oder eigene Quittungen erteilen. Ungeklärt, jedoch ebenfalls für die Entscheidung des Falles maßgeblich, ist ferner, wer gegen zahlungsunwillige Abonnenten - unter Umständen gerichtlich - vorgeht und auf der Einhaltung des Abonnements besteht. Zu klären ist ferner, ob zu den Remittenden, die der Ortsagent nach Nr 5 e des Vertrages zurückgeben darf, auch nicht abgenommene Abonnementslieferungen gehören, oder ob dies nur solche Zeitschriften und Bücher sind, die dem Ortsagenten - ggf von wem ? - zum freien Verkauf oder im Zusammenhang mit seiner Werbetätigkeit geliefert worden sind. Falls von dem Rückgaberecht Abonnementslieferungen ausgeschlossen sind, tragen die Ortsagenten zwangsläufig ein erhebliches Unternehmerrisiko, denn sie könne die Zeitschriften und Bücher nicht zurückgeben, erhalten keine Bezugsgebühren und keine Provision, während sie andererseits von der Klägerin für die Lieferungen voll belastet werden. Für die Entscheidung ist es bedeutsam, daß Kündigungsvereinbarungen, die nicht für einen abhängig Beschäftigten typisch sind, für eine selbständige Tätigkeit sprechen (vgl BSG, Urteil vom 27. November 1980, - 8 a RU 26/80 -, aaO); eine nicht unerhebliche Einschränkung des Rechts, Remittenden zurückzugeben, erhöht das Unternehmerrisiko, was ebenfalls für eine selbständige Tätigkeit spräche. Nach dem Vertrag (Nr 4 Satz 3) ist es zweifelhaft, ob der Ortsagent auch Zeitungen für andere Vertriebsunternehmen ausliefern darf (BSG SozR Nr 16 zu § 165 RVO); der Ortsagent ist nämlich nur berechtigt, Geschäfte oder Tätigkeiten "anderer Art" gleichzeitig zu betreiben, wobei unklar ist, ob auch die Auslieferung von Zeitungen für andere Vertriebsunternehmen eine Tätigkeit "anderer Art" ist.

Das LSG wird die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660448

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