Leitsatz (amtlich)
Ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau nach EheG § 58 scheitert nicht daran, daß sie nach Bewilligung des vorzeitigen Frauen-Altersruhegeldes (AVG § 25 Abs 3 = RVO § 1248 Abs 3) ihre bisherige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat.
Normenkette
AVG § 42 S. 1 Alt. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1265 S. 1 Alt. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 25 Abs. 3 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1248 Abs. 3 Fassung: 1972-10-16; EheG § 58 Abs. 1 Fassung: 1946-02-20
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 18.01.1977; Aktenzeichen L 12 An 61/76) |
SG Berlin (Entscheidung vom 04.02.1976; Aktenzeichen S 5 An 1427/75) |
Tenor
Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. Januar 1977 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Februar 1976 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des gesamten Streitverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene "Geschiedenen-Witwenrente" beanspruchen kann.
Die 1912 geborene Beigeladene ist die aus dem Verschulden ihres Ehemannes im Jahre 1963 geschiedene frühere Ehefrau des im November 1974 verstorbenen Verwaltungsangestellten und früheren Motorenschlossers R F (E). Durch gerichtlichen Vergleich hatte sich dieser 1964 verpflichtet, der Beigeladenen eine Unterhaltsrente von 50,- DM monatlich zu zahlen; tatsächlich zahlte er aber zumindest im letzten Jahr vor seinem Tode nicht.
R E, seit 1969 mit der Klägerin verheiratet, war zuletzt bis 31. März 1974 als Verwaltungsangestellter beschäftigt; er verdiente im Jahre 1973 20.857,- DM brutto und vom 1. Januar bis 31. März 1974 4.864,- DM brutto. Außerdem erhielt er bereits seit 1962 Rente wegen Berufsunfähigkeit von zuletzt 493,- DM monatlich - vor dem 1. Juli 1974 von 443,88 DM monatlich - und schließlich ein betriebliches Ruhegeld von 107,60 DM monatlich netto.
Bereits im Januar 1974 war Rudolph E an einem Bronchialleiden erkrankt; er erhielt deswegen ab 1. April 1974 Krankengeld von wöchentlich 245,21 DM (täglich 35,03 DM). An diesem Leiden starb E im November des gleichen Jahres.
Die Beigeladene hatte ihre Erwerbstätigkeit - Verdienst rd 1.000,- DM monatlich - mit Ablauf März 1974 aufgegeben und ab April des gleichen Jahres das bereits vor dem beantragte vorzeitige Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 25 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) im Betrag von 384,10 DM monatlich erhalten.
Nach dem Tode des Versicherten gewährte die Beklagte mit den streitigen Bescheiden vom 21. April 1974 der Klägerin Witwenrente (171,50 DM monatlich) und der Beigeladenen "Geschiedenenrente" (370,30 DM monatlich).
Während das Sozialgericht (SG) die Klage der Klägerin auf Gewährung der ungekürzten Witwenrente abgewiesen hat, hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 18. Januar 1977 verpflichtet, der Klägerin die Witwenrente nach Rudolph E in vollem Umfang auszuzahlen. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Beigeladenen habe nach § 58 Abs 1 des Ehegesetzes (EheG) nicht bestanden. Die Beigeladene sei aufgrund freier Willensentschließung zum 1. April 1974 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Eine frühere Ehefrau dürfe aber nicht nach eigenem Gutdünken den geschiedenen Ehemann unterhaltspflichtig machen. Für eine dauernde Leistungsminderung der Beigeladenen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könne, ergebe sich kein Anhaltspunkt.
Der Senat hat auf die Beschwerde der Beigeladenen gegen dieses Urteil die Revision zugelassen (Beschluß vom 31. August 1977). Die Beigeladene hat die Revision eingelegt. Sie trägt vor, die geschiedene Frau müsse sich zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt und unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen zur Ruhe setzen dürfen, ohne irgendwelche Schäden befürchten zu müssen. Zum Wesen der Unterhaltsverpflichtung gehöre es, zu vermeiden, daß der Unterhaltsberechtigte nach geschiedener Ehe schlechter gestellt werde als bei deren Fortdauer.
Die Beigeladene beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Februar 1976 zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Entscheidung und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts an das Landessozialgericht Berlin zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte stellt keinen bestimmten Antrag. Sie trägt vor, der Bezug von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung müsse zumindest dann die unwiderlegbare Vermutung der Unzumutbarkeit einer weiteren Berufstätigkeit für sich haben, wenn es, wie im vorliegenden Fall, um den angemessenen Unterhalt gehe. In der Aufgabe der Erwerbstätigkeit der Frau könne keine willkürliche Maßnahme gesehen werden; sie stelle ein Indiz dafür dar, daß ihr eine Erwerbstätigkeit unterhaltsrechtlich auch nicht mehr zumutbar war.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beigeladenen ist zulässig und begründet.
Nach § 42 Satz 1 AVG (= § 1265 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) in der vor dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 geltenden Fassung wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe - wie hier - vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr dieser zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG (1. Regelung) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte (2. Regelung) oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat (3. Regelung). Es braucht im einzelnen nicht geprüft zu werden, ob die Beigeladene zur Zeit des Todes ihres früheren Mannes Anspruch auf Unterhalt nach der 2. und 3. Regelung aaO hatte. Sie hatte einen solchen Anspruch im Betrage von mehr als 50,- DM monatlich jedenfalls nach der 1. Regelung aaO.
Ein solcher Anspruch der Beigeladenen auf einen über den - wegen Geringfügigkeit möglicherweise unbeachtlichen-Betrag von 50,- DM monatlich hinaus entfiel nicht etwa im Hinblick auf den seit 1964 nicht abgeänderten gerichtlichen Unterhaltsvergleich über 50,- DM. Es ist inzwischen gesicherte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß für eine Unterhaltsverpflichtung "nach den Vorschriften des Ehegesetzes" ungeachtet des Vorliegens eines niedrigeren Unterhaltstitels allein die materielle Rechtslage maßgebend ist (vgl BSGE 34, 192 = SozR Nr 61 zu § 1265 RVO; BSGE 41, 160 = SozR 2200 § 1265 Nr 14).
Nach § 58 Abs 1 EheG in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl Art 3 Nr 1 des 1. EheRG) hat der allein für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit das Einkommen aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Die Bedürfnisse eines neuen Ehegatten bei Wiederverehelichung sind zugunsten des Verpflichteten zu berücksichtigen (§ 59 Abs 1 aaO).
Die Frage, ob ein solcher Unterhaltsanspruch der Beigeladenen gegeben war, bestimmt sich nach § 42 Satz 1 AVG nach den Verhältnissen "zur Zeit des Todes" des Versicherten, dh nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nach dem dem Tod vorausliegenden, die wirtschaftliche Gesamtsituation der Ehegatten prägenden "letzten wirtschaftlichen Dauerzustand"; von ihm nämlich kann der Gesetzgeber unter generalisierender Betrachtung annehmen, daß er, wäre der Tod nicht eingetreten, auf Dauer fortbestanden hätte und so die Gewährung einer Hinterbliebenenrente gerechtfertigt ist, die den durch den Tod entfallenen Unterhalt ersetzt (vgl mit zahlreichen Nachweisen zB BSGE 35, 243, 244 f).
Für den vorliegenden Fall bedarf es keiner Prüfung im einzelnen, ob der nach allem maßgebliche, dem Tod Rudolph E's vorausliegende Dauerzustand zu dem rechtstechnischen Zweck, die Größe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse "zur Zeit seines Todes" zu ermitteln, auf die Zeit vor oder nach dem Beginn der zum Tode führenden Krankheit im Januar 1974 festzulegen ist (vgl BSGE am soeben angegebenen Ort; BSGE 43, 186, 187). Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt würde, dieser letzte Dauerzustand habe erst am 1. April 1974 mit dem Entfallen des Arbeitseinkommens des Versicherten und der Gewährung von - naturgemäß niedrigerem - Krankengeld begonnen, so ergibt bereits eine überschlägige Rechnung, daß die Beigeladene zur Zeit von dessen Tod einen Unterhaltsanspruch nach § 58 Abs 1 EheG von zumindest 100,- DM monatlich gehabt hätte. Eine überschlägige Berechnung genügt deshalb, weil jeder Unterhaltsanspruch, der 25 vH des an den Regelsätzen der Sozialhilfe zu messenden "Mindestbedarfs" der geschiedenen Frau erreicht, einen Unterhaltsanspruch darstellt, der einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach der 1. Regelung des § 42 Satz 1 AVG auslöst (ständige Rechtsprechung, vgl zB BSGE 40, 79 = SozR 2200 § 1265 Nr 5). In Anbetracht des Umstandes, daß nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG im streitumfaßten Zeitraum der Regelsatz der Sozialhilfe in Berlin bei 200,- DM im Monat gelegen hat, würde selbst unter Hinzurechnung des Wohnungsbedarfs ein Unterhaltsbetrag von 100,- DM monatlich bereits 25 vH des "Mindestbedarfs" der Beigeladenen erreichen. Aus folgenden kurzen Überlegungen hatte die Beigeladene gegen Rudolph E zur Zeit von dessen Tod einen Unterhaltsanspruch nach dem EheG von 100,- DM monatlich:
Laut den Feststellungen des LSG bezog der Versicherte zuletzt im Monat ein Krankengeld von rd 1000,- DM netto. Rechnet man die Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Juli 1974 von 493,- DM monatlich netto und das betriebliche Ruhegeld von 107,60 DM monatlich netto hinzu, so ergibt sich ein monatliches Nettoeinkommen des Versicherten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand von rd 1.550,- DM monatlich. Als angemessener Unterhalt der geschiedenen Frau ist nach der Rechtsprechung in der Regel ein Betrag in Höhe von einem Drittel bis drei Siebentel des Gesamteinkommens der geschiedenen Ehegatten zur Zeit der Scheidung anzusetzen (BSGE 32, 197 = SozR Nr 58 zu § 1265 RVO; SozR Nr 64 aaO); jedoch ist die voraussehbare Einkommensentwicklung der Ehegatten und der bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten eingetretene Kaufkraftverlust zu berücksichtigen (BSG SozR Nr 16, 47, 62, 64 zu § 1265 RVO). Hält man in Berücksichtigung aller dieser Umstände das soeben ermittelte Nettogesamteinkommen des Versicherten zuzüglich des Renteneinkommens der geschiedenen Frau von 384,10 DM monatlich diesem letzteren "zur Zeit seines Todes" erzielten Einkommen gegenüber, so erhellt, daß selbst unter Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche der zweiten Ehefrau Rudolph E's ein Unterhaltsanspruch der Beigeladenen von mindestens 100,- DM monatlich zur Zeit von dessen Tod bestanden hätte. Noch günstiger für die Beigeladene - ungünstiger für die Klägerin, - wäre es, wenn der vor der Erkrankung Rudolph E's im Januar 1974 erzielte - höhere - Arbeitsverdienst zugrunde gelegt würde; ein Unterhaltsanspruch der Beigeladenen in der angegebenen Höhe bestünde dann erst recht.
Entgegen der Ansicht des LSG ändert sich an diesem rechtlichen Ergebnis nichts dadurch, daß die Beigeladene ihre mit rd 1.000,- DM monatlich entlohnte Erwerbstätigkeit zum 31. März 1974 aufgegeben und "in Rente gegangen" ist. Dieser Umstand bietet keine rechtliche Handhabe, die Einkommensverhältnisse der Beigeladenen zur Zeit des Todes des geschiedenen Mannes fiktiv höher als mit ihrem tatsächlich erzielten Renteneinkommen zu bewerten. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend:
Die Beigeladene bezieht seit 1. April 1974 das vorgezogene Frauen-Altersruhegeld nach § 25 Abs 3 AVG (= § 1248 Abs 3 RVO) in der ab 1. Januar 1973 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972. Danach erhält Altersruhegeld auf Antrag die Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 2, die "große" Wartezeit von 180 Kalendermonaten also, zurückgelegt hat, wenn sie in den letzten 20 Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat. Dieses vorzeitige Altersruhegeld an längere Zeit berufstätig gewesene Frauen hatte bereits die große Rentenreform des Jahres 1957 eingeführt (§ 25 Abs 3 AVG/§ 1248 Abs 3 RVO in der Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes/Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes). Mit ihm wollte der Gesetzgeber dem stärkeren Kräfteverbrauch Rechnung tragen, dem die Frauen unterliegen, die zumeist neben ihren häuslichen Verpflichtungen lange Jahre einer Berufstätigkeit nachgegangen sind und inzwischen das 60. Lebensjahr erreicht oder gar überschritten haben (vgl zB Zweng/Scheerer, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl, § 1248 RVO, Anm 3, S 19). Das Altersruhegeld nach § 25 Abs 3 AVG ist mithin echte Altersrente, bei der aus jedermann einsichtigen, anerkennenswerten Gründen allein die Regel-Altersgrenze von 65 Jahren (§ 25 Abs 5 AVG = § 1248 Abs 5 RVO) um wenige Jahre vorgezogen worden ist. Ihr Zweck ist es, den begünstigten Frauen zu gestatten, sich aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen und in der Form der Altersrente die rentenrechtlichen Früchte ihrer Lebensarbeit zu genießen. Es kann hiernach kein Zweifel sein, daß der Gesetzgeber Frauen, die die Voraussetzungen des § 25 Abs 3 AVG erfüllen und diese Rente auch beantragt und erhalten haben, von der Notwendigkeit, zum Zweck der Erzielung von Einkommen weiter erwerbstätig zu sein, entlasten wollte; er mutet ihnen, kurz gesagt, eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zu.
Nun ist allerdings richtig, daß vorliegend als zivilrechtliche Vorfrage zu entscheiden ist, ob eine solche Unzumutbarkeit auch für die Frage der Unterhaltsberechtigung nach § 58 Abs 1 EheG gilt. Richtig ist ferner, daß das Unterhaltsrecht des EheG im Hinblick auf die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit keinerlei feste Altersgrenze kennt. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß eine unterschiedliche Behandlung der Frage der Altersgrenze im Rahmen der Anwendung des § 25 Abs 3 AVG einerseits und im Rahmen der 1. Regelung des § 42 Satz 1 AVG andererseits rechtspolitisch positive Elemente kaum abzugewinnen sein werden. Indessen kann die Frage, wo die zivilrechtlich/unterhaltsrechtliche "Altersgrenze" liegt, mit deren Erreichen die Aufgabe einer Erwerbstätigkeit keine rechtlichen Nachteile mehr hat, grundsätzlich dahinstehen. Frauen jedenfalls, die - wie § 25 Abs 3 AVG belegt - ihre Lebensleistung in der Weise erbracht haben, daß sie im zeitlich ausgedehnten Umfang zumeist neben der Versorgung ihrer Familie sozialversicherungspflichtig beschäftigt, dh im besonderen Maße kräftezehrend tätig gewesen sind und nach Vollendung des 60. Lebensjahres "ihre" Altersgrenze erreicht oder gar überschritten haben, kann es auch zivilrechtlich/unterhaltsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sich unter Verzicht auf die - gegebenenfalls drastisch - höheren Erwerbseinkünfte mit der gerade für sie geschaffenen Altersrente bescheiden (ähnlich vergl Brühl/Göppinger/Mutschler, Unterhaltsrecht, 1. Teil, 3. Aufl 1973, Rd Nr 563 und Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl, S 688 e). Das bedeutet, daß diesen Frauen auch im Sinne des § 58 EheG eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zuzumuten ist; der Bezug des vorzeitigen Frauen-Altersruhegeldes legt für sie auch zivilrechtlich/unterhaltsrechtlich die "Altersgrenze" fest.
Nichts anderes ergibt sich im Blick auf das - hier freilich noch nicht anwendbare - Unterhaltsrecht nach dem 1. EheRG. Zwar ist in § 1571 Nr 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der Fassung des 1. EheRG entgegen der Empfehlung der Eherechtskommission eine feste Altersgrenze nicht aufgenommen worden. Von der Literatur wird aber überwiegend das Erreichen der Altersgrenzen für das vorgezogene Altersruhegeld auch als der Zeitpunkt angenommen, in dem eine Vermutung besteht, daß die Ehefrau eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht mehr zu finden vermag (Ambrock, Ehe und Ehescheidung, 1977, BGB § 1571 Anm II 3; Dieckmann, FamRZ 1977, 95; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 1977, 103 mit Fußnote 12; Kroder/Ryssel, Scheidung, Güterrecht, Unterhalt ..., 1977, 78; offen gelassen von Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG, 1978, § 1571 Rd Nr 2; aA Rolland, 1. EheRG, 1977, § 1571 Rd Nr 4 S 331 f).
Dem LSG kann auch nicht darin beigepflichtet werden, es könne nicht angehen, daß die geschiedene Frau den früheren Ehemann nach Gutdünken unterhaltspflichtig mache. Zunächst hängt, wie oben dargetan, der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau nach § 58 Abs 1 EheG nach Grund und Höhe ua von ihrem eigenen Einkommen ab. Bezieht sie ein höheres Altersruhegeld, so wird sie deswegen schon den geschiedenen Mann häufig gar nicht unterhaltspflichtig machen können; ist das Altersruhegeld geringer, ist es immerhin auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen. Schließlich kann aber nicht übersehen werden, daß die geschiedene Frau häufig gegen ihren früheren Ehemann ihre Unterhaltsansprüche, selbst wenn sie ihr rechtlich zustehen, gar nicht durchsetzen können wird. So hat auch im vorliegenden Fall nach dem Vortrag der Klägerin selbst der Versicherte an die Beigeladene trotz Vorliegens eines Unterhaltstitels ein Jahrzehnt lang nichts bezahlt. Ebenfalls im vorliegenden Fall führte der Versuch der Beigeladenen zu einer neuen Unterhaltsklage gegen den Versicherten wegen dessen Tod zu keinerlei Erfolg. Die Überlegungen des LSG werden in der Lebenswirklichkeit daher häufig keine breitere Grundlage finden; sie sind nicht geeignet, der geschiedenen Frau die Rente aus § 42 AVG zu versagen.
Der hier vertretenen Auffassung steht die Entscheidung des 4. Senats des BSG (SozR Nr 66 zu § 1265 RVO) nicht entgegen. Diese Entscheidung ist zu § 1265 Satz 2 RVO in der Fassung vor dem Inkrafttreten des RRG ergangen. Satz 2 aaO bzw § 42 Satz 2 AVG nF jeweils Nr 3 - letzte Regelung - billigen indessen einer geschiedenen Frau, die das 60. Lebensjahr vollendet hat, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gerade eine Hinterbliebenenrente zu. Die Rechtsprechung des 4. Senats ist hiernach gegenstandslos geworden.
Nach alledem trifft das angefochtene Urteil nicht zu. Richtig ist dagegen das Urteil des SG, so daß das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und das Rechtsmittel gegen die Entscheidung der ersten Instanz zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen