Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftsatz als Verwaltungsakt. Wirksamkeit
Orientierungssatz
1. Schriftsatz eines Versicherungsträgers als Verwaltungsakt.
2. Ein Verwaltungsakt ist nicht allein deshalb unwirksam (hier: keine förmliche Feststellung iS von § 1569a RVO), weil er nicht von dem hierzu berufenen Rentenausschuß, sondern vom Geschäftsführer erlassen worden ist. Dieser erhebliche Mangel macht den Verwaltungsakt nicht nichtig, da der Formverstoß nicht offensichtlich ist (vgl BSG vom 14.12.1965 2 RU 113/63 = BSGE 24, 162, 168 und vom 30.11.1972 2 RU 120/71).
Normenkette
SGB 10 § 31 S 1; RVO § 1569a
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.04.1987; Aktenzeichen L 10 U 711/86) |
SG Heilbronn (Entscheidung vom 30.01.1986; Aktenzeichen S 5 U 1529/84) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der beklagte Gemeindeunfallversicherungsverband dem Kläger Hinterbliebenenleistungen aus der Versicherung seiner am 10. September 1981 verstorbenen Ehefrau E K (Versicherte) zu gewähren hat.
Am 5. Dezember 1978 zeigte der Chefarzt der Klinik L dem Beklagten an, die Versicherte habe sich bei ihrer Tätigkeit als Krankenpflegehelferin eine Berufskrankheit in Form einer Tuberkulose im rechten Oberlappen zugezogen. Der Beklagte sah den ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Lungentuberkulose jedoch nicht als wahrscheinlich an und teilte dies der Versicherten in einem Schreiben vom 8. April 1980 mit. Nach weiteren Ermittlungen, die sich insbesondere auf den Kontakt der Versicherten mit tuberkulös infizierten Patienten erstreckten, lehnte es der Beklagte mit förmlichem Bescheid vom 19. März 1981 ab, die Versicherte wegen einer Berufskrankheit zu entschädigen.
Im anschließenden Klageverfahren (- S 5 U 511/81 -) beantragte die Versicherte, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. März 1981 zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit anzuerkennen. Nach dem Tode der Versicherten setzte der Kläger das gerichtliche Verfahren als Rechtsnachfolger fort. Das Sozialgericht (SG) Heilbronn veranlaßte eine Obduktion der verstorbenen Versicherten durch den Pathologen Dr. H und beauftragte diesen zugleich, ein Sachverständigengutachten zu erstatten, und zwar sowohl zu der Frage, ob die berufliche Tätigkeit der Versicherten mit Wahrscheinlichkeit zu der Lungentuberkulose geführt habe, als auch zu der Frage, ob diese Erkrankung zumindest wesentliche Teilursache für deren Tod gewesen sei. Dr. H bejahte das Vorliegen einer Berufskrankheit sowie den ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und dem am 10. September 1981 eingetretenen Tod "mindestens mit Wahrscheinlichkeit" (Gutachten vom 3. November 1981).
Danach erklärte der Beklagte in einem vom Geschäftsführer unterzeichneten, an das SG gerichteten Schriftsatz vom 18. August 1982:
"Der staatliche Gewerbearzt beim Gewerbeaufsichtsamt S schließt sich dem Gutachten von Herrn Dr. med. H vom 3. November 1981 in vollem Umfange an. Eine Berufserkrankung nach § 551 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung iVm Ziffer 3101 der 7. Berufskrankheitenverordnung in der Fassung vom 8. Dezember 1976 liegt vor. Der am 10. September 1981 eingetretene Tod wurde mit Wahrscheinlichkeit durch die Berufserkrankung wesentlich mit verursacht. Wegen der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden wir ein Gutachten bei Herrn Dr. G einholen. Aus diesem Grunde werden die Akten vorläufig hier behalten. Inwieweit Hinterbliebenenrente zu gewähren ist, wird von hier aus geprüft."
Dieses Schreiben übersandte das SG dem Kläger am 26. August 1982. Im Zuge der angekündigten gutachterlichen Ermittlungen gelangten die vom Beklagten beauftragten Ärzte Dr. L und Dr. R zu dem Ergebnis, die Lungentuberkulose sei nicht ursächlich für den Tod der Versicherten gewesen. Dr. R verneinte auch das Vorliegen einer Berufskrankheit; anzunehmen sei vielmehr das Vorliegen einer Exazerbation älterer tuberkulöser Herde, nicht dagegen eine beruflich bedingte exogene Reinfektion. Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten führte der Beklagte am 25. November 1983 schriftsätzlich ua aus: "Unser Anerkenntnis vom 18. August 1982 ... kann daher nicht aufrechterhalten werden." Eine Kopie des Schreibens sandte das SG dem Kläger laut Verfügung vom 30. November 1983 zu.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 1983 nahm der Kläger das Anerkenntnis vom 18. August 1982 an. Das SG teilte dem Beklagten mit, der Rechtsstreit sei mit Annahme des Anerkenntnisses erledigt, wies den Beklagten auf die prozeßrechtlichen und materiell-rechtlichen Wirkungen des "Zugeständnisses" hin und bat den Beklagten, einen Bescheid über die Höhe des Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu erteilen.
In einem ebenfalls vom 8. Dezember 1983 datierten Schreiben beantragte der Kläger, ihm die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Der Beklagte erteilte daraufhin den Bescheid vom 19. Juni 1984, mit dem die Lungentuberkulose im rechten Obergeschoß als Berufskrankheit (Nr 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung -BKVO-) anerkannt und die Rente für die Zeit vom 28. Mai 1979 bis zum 30. September 1981 festgestellt und gewährt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger hinsichtlich Rentenhöhe und Rentenbeginn erfolgreich Klage zum SG (rechtskräftiges Urteil vom 30. Januar 1986 - Az.: S 5 U 1379/84).
Die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen lehnte der Beklagte dagegen ab (Bescheid vom 25. Juli 1984). Zur Begründung bezog er sich auf das Gutachten von Dr. R , nach dessen Ausführungen keine Berufskrankheit vorgelegen habe. Da es sich bei der Hinterbliebenenrente um eine selbständige Leistung handele, habe ohne Rücksicht auf die Anerkennung der Berufskrankheit neu entschieden werden können.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, der Beklagte habe am 18. August 1982 sowohl das Vorliegen einer Berufskrankheit als auch den damit in ursächlichem Zusammenhang stehenden Tod seiner Ehefrau verbindlich anerkannt. Der Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, dieser Erklärung könne keine Bindungswirkung zukommen, weil sie nicht zum entscheidenden Teil des Verwaltungsaktes und auch nicht zum damaligen Streitgegenstand gehört habe. Im übrigen hätten die auf Weisung des Gerichts durchgeführten Ermittlungen ergeben, daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Witwerrente gegeben seien, weil die verstorbene Versicherte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 1984 verurteilt, dem Kläger Sterbegeld, Überbrückungshilfe und Witwerrente zu gewähren, weil die Erklärung vom 18. August 1982 bezüglich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der anerkannten Berufskrankheit und dem Tod der Versicherten wirksam und bindend gewesen sei (Urteil vom 30. Januar 1986).
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. April 1987). Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod und der anerkannten Berufskrankheit sei nach den überzeugenden Ausführungen der Dres. L und R nicht wahrscheinlich, wobei dahinstehen könne, ob die Anerkennung der Berufskrankheit zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei. Entgegen der Auffassung des SG könne der Anspruch auch nicht auf das Schreiben des Beklagten vom 18. August 1982 gestützt werden. Die darin enthaltene Erklärung, "der am 10. September 1981 eingetretene Tod sei mit Wahrscheinlichkeit durch die Berufskrankheit wesentlich mit verursacht worden", habe weder prozeßrechtliche noch materiell-rechtliche Wirkungen entfalten können. Prozessual sei diese Erklärung deshalb bedeutungslos gewesen, weil der Streitgegenstand lediglich die Anerkennung einer Berufskrankheit betroffen habe; ihr komme aber auch keine materielle Bindungswirkung zu, weil sie nicht als Verwaltungsakt zu bewerten sei. Es habe sich bei dieser Erklärung vielmehr um eine überflüssige, unverbindliche Meinungsäußerung gehandelt, die ihrer Qualität nach dem schlichten Verwaltungshandeln zuzuordnen sei. Selbst wenn aber ein Verwaltungsakt vorgelegen haben sollte, wäre der Beklagte befugt gewesen, diesen gemäß § 45 des Sozialgesetzbuches (Verwaltungsverfahren - SGB X -) zurückzunehmen. Schließlich habe der Kläger auch keine Vorkehrungen getroffen, die der Beklagte unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bei seinem ablehnenden Bescheid vom 25. Juli 1984 zu beachten gehabt hätte.
Mit der - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 55, 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe verkannt, daß es sich bei der schriftsätzlichen Äußerung des Beklagten vom 18.August 1982 um eine bindend gewordene Feststellung iS von § 55 Abs 1 Nr 3 SGG gehandelt habe. Die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit sei, müsse nicht durch förmlichen Bescheid iS des § 1569a Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfolgen, sondern könne auch formlos getroffen werden. Zu einer solchen Feststellung sei der Beklagte im vorliegenden Fall berechtigt und verpflichtet gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. April 1987 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Januar 1986 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, das Schreiben vom 18. August 1982 habe bezüglich der Hinterbliebenenleistungen keine Bindungswirkung entfalten können, weil es in einem allein die Anerkennung einer Berufskrankheit betreffenden Rechtsstreit ergangen sei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.
Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen zu Unrecht verneint. Insbesondere hat es die Rechtsnatur des Schreibens vom 18. August 1982 verkannt, in welchem der Beklagte bindend festgestellt hat, die anerkannte Berufskrankheit habe den Tod der Versicherten wesentlich mit verursacht.
Gemäß § 617 Abs 3 RVO iVm §§ 589 Abs 1, 590, 591, 593 Abs 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1985 gültig gewesenen Fassung und § 551 Abs 1 RVO erhalten Witwer Sterbegeld, Überbrückungshilfe und eine Rente, wenn die durch Arbeitsunfall bzw durch Berufskrankheit verstorbene Ehefrau den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat und so lange sie ihn bestritten haben würde. Es kann dahinstehen, ob die Versicherte an den Folgen der anerkannten Berufskrankheit verstorben ist; denn insoweit hat der Beklagte eine rechtsverbindliche Feststellung getroffen, die ihn daran hinderte, den ablehnenden Bescheid vom 25. Juli 1984 zu erteilen (§ 39 Abs 1 und 2 SGB X, § 77 SGG).
Dieser feststellende Verwaltungsakt ist in dem Schreiben des Beklagten vom 18.August 1982 enthalten. Entgegen der Auffassung des LSG handelte es sich bei diesem Schreiben sowohl nach seinem objektiven Erklärungsinhalt als auch nach den Umständen, unter denen diese Erklärung erging, um einen Verwaltungsakt im Sinne der Legaldefinition des § 31 Satz 1 SGB X. Danach ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Der Beklagte hat durch seinen Geschäftsführer (= Behörde, vgl §§ 31 Abs 3, 36 Abs 1 des Sozialgesetzbuches, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -SGB IV -) am 18. August 1982 das Vorliegen einer Berufskrankheit anerkannt und - worauf es hier allein ankommt - darüber hinaus festgestellt, daß der Tod der Versicherten mit Wahrscheinlichkeit durch die Berufskrankheit wesentlich mit verursacht worden sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten in seiner Klageerwiderung handelt es sich bei dieser Feststellung nicht nur um einen Teil der Begründung für die Anerkennung der Tuberkulose als Berufskrankheit, da hierfür unerheblich ist, ob die Versicherte an dieser Krankheit auch gestorben ist.
Dieser Entscheidung fehlt auch nicht der auf unmittelbare Rechtswirkung gerichtete Regelungswille. Daß es sich bei dem Schreiben vom 18. August 1982 insgesamt nicht lediglich um eine bloße Meinungsäußerung handelt, wird hinsichtlich der Anerkennung der Berufskrankheit weder vom Beklagten noch vom LSG in Abrede gestellt. Insoweit sollte die Willenserklärung des Beklagten zumindest prozeßbeendigende Wirkung haben. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dem übrigen Erklärungsinhalt komme kein regelnder Charakter zu. Der Umstand, daß die den ursächlichen Zusammenhang zwischen Berufskrankheit und Tod betreffende Aussage nicht vom prozessualen Anspruch erfaßt war, führt entgegen der Auffassung des Beklagten nur zur prozeßrechtlichen Bedeutungslosigkeit, steht den materiell-rechtlichen Wirkungen dieser Aussage aber nicht entgegen. Entscheidend hierfür ist allein, ob sich die Aussage nach ihrem objektiven Sinngehalt als eine für den Betroffenen verbindliche Willenserklärung der Verwaltung darstellt (vgl BSGE 48, 56, 58; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 231 v III; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl, RdNrn 50, 52 zu § 35). Das ist hier der Fall. Nachdem die Versicherte während des Klageverfahrens - S 5 U 511/81 - verstorben war und das SG den Pathologen Dr. H als gerichtlichen Sachverständigen sowohl zu der Frage der berufsbedingten Tuberkuloseerkrankung als auch zu der Frage, ob der Tod wahrscheinlich Folge der Berufskrankheit sei, gutachterlich gehört hatte, schloß sich der Beklagte den Ausführungen Dr. H "in vollem Umfang an" und erklärte, der Tod der Versicherten sei durch die Berufskrankheit wesentlich mit verursacht. Der abschließende Zusatz, "inwieweit Hinterbliebenenrente zu gewähren sei", betraf nicht die haftungsausfüllende Kausalität, sondern die übrigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, so daß die verwaltungsrechtliche Willenserklärung nur als verbindliche Feststellung verstanden werden konnte.
Auch das Merkmal der unmittelbaren Außenwirkung ist erfüllt. Denn die feststellende Verfügung war - im Gegensatz zu verwaltungsinternen Maßnahmen - dazu bestimmt, im Verhältnis zum Kläger eine Regelung zu treffen. Dem steht nicht entgegen, daß das Schreiben vom 18. August 1982 an das SG adressiert war. Denn es war seinem objektiven Inhalt nach an den Kläger gerichtet; dieser war der Betroffene und somit der materielle Adressat (vgl Brackmann aaO S 231 y III; Stelkens aaO, RdNr 15 zu § 41; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl, RdNr 23 zu § 41). Der Beklagte konnte und mußte auch davon ausgehen, daß das SG seiner aus § 108 Satz 2 SGG herrührenden Pflicht entsprechend das Schreiben an den Kläger weiterleiten würde. Mit der Weitergabe an den Kläger wurde darüber hinaus die Pflicht des Beklagten zur Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erfüllt (§ 37 Abs 1 SGB X; Brackmann aaO S 231 y II) und der Verwaltungsakt zugleich wirksam (§ 39 Abs 1 SGB X).
Der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes steht nicht entgegen, daß die Feststellung nicht förmlich iS von § 1569a RVO erfolgte. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein Verwaltungsakt nicht allein deshalb unwirksam ist, weil er nicht von dem hierzu berufenen Rentenausschuß, sondern vom Geschäftsführer erlassen worden ist. Dieser erhebliche Mangel macht den Verwaltungsakt nicht nichtig, da der Formverstoß nicht offensichtlich ist (vgl BSGE 24, 162, 168; BSG Urteil vom 25. August 1971 - Versorgungsbeamter 1971, 149; Urteil vom 30. November 1972 - 2 RU 120/71 -). Der feststellende Verwaltungsakt ist deshalb mit seinem Zugang an den Kläger für den Beklagten bindend geworden (§ 77 SGG).
Diese Bindungswirkung ist auch nicht nachträglich entfallen. Der Beklagte hat in seinem weiteren Schreiben vom 25. November 1983 zwar mitgeteilt, "das Anerkenntnis" vom 18. August 1982 könne im Hinblick auf die Gutachten von Dr. R und Dr. L "nicht aufrecht erhalten" werden. Dieses Schreiben konnte jedoch keine Rechtswirkungen erzeugen. Als Widerruf wäre es nur relevant, wenn es entweder dem Kläger gleichzeitig mit dem begünstigenden Verwaltungsakt zugegangen wäre (vgl § 130 Abs 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) oder wenn der Verwaltungsakt vom 18. August 1982 mit dem Vorbehalt des Widerrufs iS von § 32 Abs 2 Nr 3 SGB X verbunden gewesen wäre. Beides ist nicht der Fall.
Als aufhebender Verwaltungsakt iS von § 45 SGB X ist das Schreiben vom 25. November 1983 rechtswidrig und aufzuheben. Es hat keine Bindungswirkung erzeugt, weil es nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist und deshalb innerhalb eines Jahres seit seiner Zustellung an den Kläger hat angefochten werden können (§ 66 Abs 2 SGG). Innerhalb dieser Frist, nämlich am 31. Juli 1984, hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Seine Klage hat sich unmittelbar zwar nur gegen den Bescheid vom 25. Juli 1984 gerichtet, mit dem der Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ablehnte. Da sich der Kläger in seiner Klagebegründung jedoch auf die wirksame Feststellung vom 18. August 1982 berief, richtete sich sein Klagebegehren auch auf die Aufhebung des entgegenstehenden Schreibens vom 25. November 1983. Der Senat hatte deshalb im Rahmen des Revisionsverfahrens auch über die Rechtmäßigkeit dieses - mitangefochtenen - Verwaltungsaktes zu entscheiden. Insoweit war auch der Tenor des SG-Urteils vom 30. Januar 1986 zur Klarstellung zu ergänzen.
Entgegen der Auffassung des LSG war der Beklagte nicht befugt, den Verwaltungsakt vom 18. August 1982 nach § 45 SGB X zurückzunehmen. Ob sich die Rechtswidrigkeit des aufhebenden Bescheides vom 25. November 1983 schon daraus ergibt, daß der Beklagte weder das Vertrauen des Klägers auf den Bestand der begünstigenden Feststellung erkennbar geprüft noch eine Ermessensentscheidung vorgenommen hat, kann dahinstehen. Denn die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit ergibt sich schon daraus, daß die erforderliche Anhörung unterblieben und nicht wirksam nachgeholt worden ist. § 24 Abs 1 SGB X schreibt zwingend vor, daß demjenigen, an den die Behörde einen Verwaltungsakt richten will (§ 12 Abs 1 Nr 2 SGB X), jedenfalls dann Gelegenheit zur Anhörung zu geben ist, wenn in dessen Rechte eingegriffen werden soll. Hierbei hat der Gesetzgeber insbesondere an die Fälle gedacht, in denen - wie hier - unanfechtbar zuerkannte Rechte aufgrund späterer Erkenntnisse oder Veränderungen wieder entzogen werden sollen (vgl BSG SozR 1200 § 34 Nr 8 mwN). Vor Erlaß des Aufhebungsaktes vom 25. November 1983 hätte der Beklagte dem Kläger deshalb zumindest ankündigen müssen, er beabsichtigte, die begünstigende Feststellung vom 18. August 1982 zurückzunehmen. Ohne eine solche Ankündigung stellte sich die Rücknahme als Überraschungsentscheidung dar. Dieser Verfahrensverstoß wurde auch nicht geheilt; denn der mit der Anhörung verfolgte Zweck kann nicht mehr verwirklicht werden, wenn das Verwaltungsverfahren durch Erhebung der Klage abgeschlossen ist (vgl BSG SozR 1300 § 24 Nr 7, Weiterentwicklung von BSG SozR 1200 § 34 Nrn 1, 7, 12 und 13). Ein die Rücknahme betreffendes Widerspruchsverfahren wurde nicht durchgeführt. Der Kläger konnte deshalb die Aufhebung des Rücknahmebescheides beanspruchen (§ 42 Satz 2 SGB X).
Wegen der dargestellten Bindungswirkung der am 18. August 1982 getroffenen Feststellung war der Beklagte gehindert, die begehrten Hinterbliebenenleistungen zu verweigern. Das SG hat den Bescheid vom 25. Juli 1984 deshalb zu Recht aufgehoben und dem Klagebegehren stattgegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen