Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Witwenrente kann auch dann wiederaufleben, wenn er in ein und demselben Monat sowohl entstanden als auch wegen Wiederheirat weggefallen war und deshalb die Rente nach RVO §§ 1286, 1287 aF überhaupt nicht beginnen konnte (Weiterentwicklung von BSG 1962-02-15 4 RJ 58/59 = BSGE 16, 202).

2. Anschluß an BSG 1964-09-02 11/1 RA 189/61 = BSGE 21, 279 zur Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs trotz Unterhaltsverzichts.

 

Normenkette

RVO § 1291 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1286 Abs. 1 Fassung: 1950-12-03, § 1287 Fassung: 1949-06-17

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 10. Juli 1964 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin nach Scheidung der zweiten Ehe die Witwenrente aus der Versicherung des ersten - 1948 gestorbenen - Ehemannes zu gewähren (Bescheid vom 18. Mai 1960). Dabei ließ sich die Beklagte in erster Linie von der Ansicht leiten, daß die Klägerin vor ihrer zweiten Ehe keinen Anspruch auf die Witwenrente gehabt habe, diese Leistung infolgedessen auch nicht wiederaufgelebt sein könne. - Die Klägerin hatte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) gelebt. Am 28. Februar 1953 hatte sie die zweite Ehe in Berlin (West) geschlossen, sich dort aber polizeilich erst am 24. März 1953 gemeldet. Am selben Tage hatte sie auch erst die Zuzugsgenehmigung erhalten.

Noch bevor die zweite Ehe aus der Alleinschuld des Mannes am 25. Februar 1960 geschieden worden war, hatten die Eheleute vor einem Notar für die Zeit nach der Scheidung ua vereinbart, daß die Klägerin einen Unterhaltsbetrag von monatlich 100,- DM erhalten solle, auf weitere Unterhaltsforderungen aber - auch für den Fall des Notbedarfs - verzichte. - Diese Vereinbarung will die Beklagte nicht gegen sich gelten lassen. Ihres Erachtens müßte der geschiedene Mann die Klägerin ohne den ausgesprochenen Verzicht in einer Höhe unterhalten, welche den Betrag der Witwenrente von monatlich DM 112,10 (ohne Rentenanpassungen) überschreitet.

Die Klage ist von dem Sozialgericht (SG) Berlin durch Urteil vom 14. Februar 1961 abgewiesen worden. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat ihr jedoch mit Urteil vom 10. Juli 1964 stattgegeben; es hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Witwenrente vom 1. Mai 1960 an in Höhe des die Unterhaltsleistungen des geschiedenen Mannes übersteigenden Betrages zu zahlen. Das LSG hat ausgeführt: Der Klägerin sei noch vor ihrer zweiten Heirat ein Anspruch auf die Witwenrente erwachsen. Die allgemeinen Anspruchsmerkmale seien erfüllt gewesen (§ 23 Abs. 1, § 49 des Berliner Rentenversicherungsüberleitungsgesetzes - RVÜG - vom 10. Juli 1952 - GVBl. S 588 -). Für das Wiederaufleben der Witwenrente nach Auflösung der zweiten Ehe komme es nur hierauf und nicht darauf an, daß diese Rente schon früher einmal beantragt oder gar bezogen worden sei. Vor allem aber sei auch dem Territorialprinzip Genüge geleistet gewesen (§ 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 - FremdRG -); denn die Klägerin habe bereits Anfang Februar 1953 und damit vor ihrer Wiederverheiratung Berlin (West) für die Dauer zu ihrem Aufenthaltsort gewählt. Davon habe sich das Gericht aufgrund der Aussage des Zeugen B und der Tochter der Klägerin sowie einer Bescheinigung des Bezirksamtes Tiergarten über die Anmeldung der Klägerin als Wohnungsuchende überzeugt. Schon zu dieser Zeit habe die Klägerin ihre Kinder und ihren Hausrat nach Berlin (West) geholt. Das Recht auf die Witwenrente sei nicht von der vorherigen Genehmigung des Zuzugs abhängig gewesen. § 45 Abs. 3 RVÜG , der anordne, daß der Versicherungsträger im Lande Berlin bei einer Wohnortverlegung aus dem Währungsgebiet der Deutschen Notenbank nach Berlin (West) eine Rente nur zu übernehmen habe, wenn die unbefristete Zuzugsgenehmigung erteilt worden sei, treffe den Fall der Klägerin nicht. Diese habe von der Sozialversicherung in der SBZ keine Rente erhalten; eine solche Rente sei deshalb auch nicht von der Beklagten "übernommen" worden; damit sei die Gefahr einer Doppelversorgung, die das Gesetz habe verhindern wollen, nicht zu befürchten gewesen. - Dem geltend gemachten Leistungsrecht vermöge die Beklagte ferner nicht erfolgreich mit dem Einwand zu begegnen, daß die Klägerin infolge Auflösung der zweiten Ehe nach dem Gesetz einen Unterhaltsanspruch erworben habe, dessen Ausmaß über den Rentenbetrag hinausgehe. Ein solcher Einwand sei schon deshalb nicht berechtigt, weil die Klägerin von ihrem geschiedenen Mann den vollen Unterhalt, der ihr nach dem Gesetz an sich zustehen würde, nicht erhalten könne. Denn ihr Forderungsrecht sei in einer rechtlich unbedenklichen Vereinbarung (§ 72 des Ehegesetzes) auf 100,- DM monatlich begrenzt worden. Eine solche Abmachung sei, wenn sie nicht bewußt zum Nachteil der Rentenversicherung abgeschlossen worden sei, von dem Versicherungsträger zu beachten. Das Ergebnis sei indessen auch nicht anders, wenn der teilweise Unterhaltsverzicht der Klägerin im Verhältnis zum Versicherungsträger unbeachtlich sei, Denn der geschiedene Ehemann hätte auch nach dem Gesetz die Klägerin überhaupt nicht zu unterhalten brauchen. Sie sei voll arbeitsfähig und durch häusliche Bindungen als Mutter oder Hausfrau nicht an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert gewesen. Sie habe also aus eigenen Kräften für ihren Lebensbedarf sorgen können.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte hat das Rechtsmittel eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise: das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. In materiell-rechtlicher Hinsicht hält die Beklagte an der von ihr bisher vertretenen Rechtsauffassung fest. Darüber hinaus beanstandet sie die Feststellung des LSG, daß die Klägerin vor dem Tag ihrer erneuten Heirat mehr als nur besuchsweise in Berlin (West) gewesen sei. Das Berufungsgericht habe nicht über den anderslautenden Inhalt der Heiratsurkunde und der polizeilichen Meldebescheinigung hinweggehen dürfen. Beide Urkunden seien Bestandteil der Versorgungsakten. In der Heiratsurkunde werde als Wohnsitz der Klägerin B. ausgewiesen. Polizeilich habe sich die Klägerin nach der Meldebescheinigung erst am 10. März 1953 in Berlin (West) gemeldet. Die einschlägigen Vorschriften schrieben aber für den Fall einer Übersiedlung aus der SBZ nach Berlin (West) die Anmeldung binnen 3 Tagen vor. - Ferner hält die Beklagte die Tatsachen nicht für bewiesen, aus denen das LSG das Fehlen einer Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin gefolgert hat. Dazu macht sie geltend, die Klägerin sei für eine Erwerbstätigkeit unabkömmlich gewesen; sie habe für zwei minderjährige, in ihrem Haushalt lebende Kinder sorgen müssen, sich auch aus Krankheitsgründen für erwerbsunfähig gehalten und tatsächlich erst im zweiten Jahr nach der Scheidung kurze Zeit gearbeitet, diese Erwerbsarbeit aber alsbald wieder wegen Krankheit aufgegeben. Dieser Sachverhalt ergebe sich aus Erklärungen, welche die Klägerin selbst in einem Versorgungsverfahren abgegeben habe.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Die Revision ist insofern begründet, als sie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht führt.

Das LSG ist zutreffend von dem Rechtsstandpunkt ausgegangen, daß der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus der Versicherung ihres ersten Mannes nur dann wiederaufleben konnte, wenn dieser Anspruch noch vor Beginn der zweiten Ehe entstanden war (§ 1291 Abs. 2 RVO). Für die Existenz des Anspruchs genügte es, daß die Klägerin zu einer vor ihrer Wiederheirat liegenden Zeit berechtigt war, von der beklagten die Leistung zu verlangen (BSG 14, 238, 240). Dagegen ist es unerheblich, ob die Rente bereits gezahlt oder ihre Gewährung auch nur beantragt worden war (BSG 16, 202). Im Gesetz ist nicht von der erneuten "Gewährung" der "Rente", sondern sinnvollerweise von dem wiederaufgelebten "Anspruch" die Rede. Einen solchen Anspruch und nicht bloß eine Aussicht auf Rente hatte die Klägerin im Februar 1953 erworben. Dem steht nicht entgegen, daß es zu einer nach dem Gesetz gerechtfertigten Rentenzahlung selbst dann nicht mehr hätte kommen können, wenn die Klägerin noch vor dem 28. Februar 1953 - dem Tag ihrer zweiten Heirat - die Leistung beantragt hätte. Denn Anfang und Ende des Bezugsrechts wären zeitlich zusammengetroffen. Nach § 1286 Abs. 1 RVO in der damals geltenden Fassung (dazu auch §§ 46, 60 des Gesetzes zur Anpassung des Rechts der Sozialversicherung in Berlin an das in der Bundesrepublik geltende Recht vom 3. Dezember 1950 - VOBl. I S. 542 -) hätte die Rente frühestens mit Ablauf des Antragsmonats begonnen. Mit Ende desselben Monats wäre sie aber auch wegen Wiederheirat weggefallen (§ 1287 RVO aF). Der Rentenbeginn ist indessen von dem "Anspruch" zu unterscheiden. Der Anspruch ist mit Erfüllung der Rentenvoraussetzungen erzeugt (vgl. § 1286 Abs. 1 RVO aF; § 1290 Abs. 1 RVO nF), während der Rentenbeginn zusätzlich von der "Anmeldung des Anspruchs" abhängt (vgl. §§ 1613, 1631 Abs. 1 RVO). Obgleich sonach eine Erfüllung des Anspruchs ausgeschlossen war, ist sein Bestand für eine kurze Zeit, nämlich bis zum Eintritt des Tatbestandes für den Wegfall der Rente, nicht zu leugnen.

Das Berufungsgericht hat zutreffend für den Anspruchserwerb der Klägerin auch deren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO gefordert (§ 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1 FremdRG - dazu BSG SozR Nr. 5 zu § 17 FremdRG -; § 45 RVÜG ). Dieses Tatbestandsmerkmal war dadurch verwirklicht, daß die Klägerin - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - ihre Lebensbeziehungen zu einem Ort in der SBZ endgültig abgebrochen und sich nach Berlin (West) begeben hatte mit dem festen, durch ihr Verhalten bekundeten Willen, hier dauernd und regelmäßig zu leben (vgl. BSG 17, 235 f.). Die mit dem Willen des Betreffenden übereinstimmenden äußeren Gegebenheiten bedingen im allgemeinen bereits das Merkmal des ständigen Aufenthalts. Auf eine von einer Behörde verliehene Befugnis zum Verweilen und Wohnen an diesem Ort kommt es jedenfalls dann nicht an, wenn nachträglich die Erlaubnis dazu erteilt wird und dieser Erlaubnis im Wege der Auslegung rückwirkende Bedeutung beigelegt werden kann (ebenso BVerwG NJW 1961, 1987, 1988).

Soweit die Revision die im vorstehenden erwähnten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts angegriffen hat, kann sie keinen Erfolg haben. Sie läßt schon nicht hinreichend klar erkennen, aus welchem verfahrensrechtlichen Grunde sie die Annahme des LSG bekämpft, daß die Klägerin bereits im Februar 1953 endgültig in Berlin (West) ansässig geworden sei. Mit dem Hinweis auf den entgegenstehenden Inhalt von Urkunden, die sich in den Akten eines die Klägerin betreffenden Versorgungsverfahrens befinden sollen, könnte an eine Aufklärungsrüge gedacht sein, nämlich an den Vorwurf, das LSG habe diese Akten nicht beigezogen und die darin enthaltenen Mitteilungen nicht verwertet. Jedoch hat die Revision nicht vorgetragen, aufgrund welcher Umstände das LSG das Vorhandensein und Beweisergiebigkeit solcher Akten hätte erkennen müssen. Das hätte die Revision aber darlegen müssen. Ohne eine solche Erläuterung war die Rüge der mangelnden Sachermittlung nicht in der nach § 164 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu fordernden Form erhoben. Die Revision hätte sich im übrigen schon deshalb genauer erklären müssen, weil zumindest zum Teil nicht recht verständlich ist, wieso das LSG bei weiterer Sacherforschung ihm bis dahin unbekannt gebliebene Dinge erfahren hätte. Das gilt vor allem für das Datum, zu dem sich die Klägerin in Berlin (West) polizeilich angemeldet hatte. Diese Zeitangabe brauchte das LSG nicht erst, wie die Revision vorträgt, den Akten der Versorgungsverwaltung zu entnehmen; vielmehr hatte sich das Berufungsgericht selbst bei der Polizeiverwaltung nach diesem Datum erkundigt.

Sollte die Revision jedoch die tatrichterlichen Feststellungen beanstanden wollen, weil darin ein Überschreiten der dem Berufungsgericht gesetzten Grenzen der Beweiswürdigung zu erblicken sei (§ 128 Abs. 1 SGG), so scheitert der Revisionsvortrag ebenfalls am Mangel zureichender Substantiierung. Das Berufungsgericht hat nicht schon deshalb, weil es dem Zeugen B geglaubt hat, daß die Klägerin bereits Anfang Februar 1953 ohne die Absicht zur Rückkehr in die SBZ in Berlin (West) eingetroffen sei, die sonstigen Beweismomente außer acht gelassen. Es hat weniger Gewicht dem Umstand beigemessen, daß die Klägerin erst im März 1953 um die Zuzugsgenehmigung nachgesucht und sich auch erst in diesem Monat polizeilich gemeldet hat. Daraus ergibt sich nicht mit Selbstverständlichkeit ein Beweiswürdigungsfehler; es ließ sich hieraus ebenso gut die Folgerung ziehen, die Klägerin habe sich nicht ordnungsgemäß verhalten, indem sie die Meldevorschriften nicht pünktlich beachtet habe. Eine unvertretbare Überzeugungsbildung des Tatrichters ist nicht bereits dadurch dargetan, daß behauptet wird, das Berufungsgericht hätte das ihm vorliegende Beweismaterial auch anders bewerten können.

Die Revision hat sonach gegen die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen keine zulässigen und begründeten Rügen vorgebracht; deshalb ist das Revisionsgericht an diese Feststellungen gebunden (§ 163 SGG).

Ob die Rentenberechtigung der Klägerin, wie die Beklagte meint, von der Genehmigung des Zuzugs nach Berlin abhing, ist im Revisionsrechtszuge nicht zu entscheiden. Die Antwort auf diese Frage wäre aus § 45 Abs. 3 RVÜG zu gewinnen. Das Berufungsgericht hat zu dieser Bestimmung ausgeführt, daß sie einen Sachverhalt betreffe, bei dem es um die "Übernahme" einer bereits in Mitteldeutschland gezahlten Rente, nicht aber - wie in der gegenwärtigen Sache - um die Neubegründung eines Anspruchs im Rechtsanwendungsgebiet des Landes Berlin gehe. Diese Auffassung hat das Revisionsgericht ohne eigene Nachprüfung hinzunehmen, weil sie sich auf irrevisibles Recht bezieht (§ 162 Abs. 2 SGG). Der räumliche Geltungsbereich des § 45 Abs. 3 RVÜG erstreckt sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus (vgl. auch BSG 12, 200). Die Rechtslage, die durch diese Vorschrift gestaltet worden ist, mag allenfalls rein tatsächlich mit der hier und da auch sonst im Bundesgebiet herrschenden Ordnung übereinstimmen. Das genügt indessen nicht, um die Interpretation des § 45 Abs. 3 RVÜG der Rechtsprechung des Revisionsgerichts zu unterwerfen. Dazu bedürfte es vielmehr der Identität von Rechtsnormen, die in verschiedenen berufungsgerichtlichen Bezirken zu beachten wären. An einer solchen Identität fehlt es. Infolgedessen ist die verbindliche Auslegung des § 45 Abs. 3 RVÜG dem LSG überlassen.

Nicht zu billigen ist allerdings die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß auf die wiederaufgelebte Witwenrente nur derjenige Unterhaltsanspruch anzurechnen sei, der der Witwe nach dem vertraglichen Teilverzicht effektiv verblieben sei. Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 21, 279). Nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, muß sich die Witwe denjenigen Unterhaltsanspruch anrechnen lassen, der ihr ohne den Verzicht zustünde. Demnach hätte das Berufungsurteil nur bestätigt werden können, wenn die Klägerin ohne die Unterhaltsvereinbarung mit ihrem geschiedenen Manne nicht unterhaltsberechtigt gewesen wäre. Das LSG hat zwar vermerkt, daß die Klägerin nach der Scheidung noch gearbeitet habe. Unklar ist jedoch, ob das Berufungsgericht aus dieser Tatsache lediglich Rückschlüsse auf die Verhältnisse zur Zeit der Scheidung hat ziehen wollen oder ob es auch Feststellungen für die Folgezeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung getroffen hat. Letzteres ist unwahrscheinlich. Denn insoweit steht das Berufungsurteil im Widerspruch zum Sachvorbringen beider Beteiligter. Im besonderen hat die Klägerin bereits vor der Berufungsverhandlung, nämlich in ihrem Schriftsatz vom 28. Oktober 1963 vorgetragen, sie sei nunmehr krank und nicht mehr imstande, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Denkbar ist, daß das Berufungsgericht nicht deutlich genug unterschieden hat zwischen dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch geschiedener Eheleute (§§ 58 ff Ehegesetz) einerseits und der Begrenzung dieses Anspruchs durch den individuellen Bedarf des Unterhaltsberechtigten sowie die jeweilige Leistungsfähigkeit des Verpflichteten andererseits. Was unter den geschiedenen Ehegatten als angemessener Unterhalt zu gelten hat, richtet sich nach den Verhältnissen, in denen beide bei der Scheidung gelebt haben. Dafür war ua bedeutsam, ob von der Klägerin nach der sozialen Stellung der Ehegatten eine den Unterhalt sichernde Erwerbstätigkeit erwartet werden konnte. Dagegen steht die Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht ein für allemal fest, sie ist vielmehr weitgehend von dem konkreten und gegenwärtigen - möglicherweise wechselnden - Bedarf des Berechtigten abhängig. In dieser Beziehung war auf den Kräfte- und Gesundheitszustand der Klägerin und damit auf ihre Erwerbsfähigkeit in der Zeit bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht abzustellen. Das LSG hat den Sachverhalt jedoch in dieser Richtung nicht, jedenfalls nicht erschöpfend geprüft. Damit dies nachgeholt werden kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Pflicht zur Erstattung der Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2387404

NJW 1966, 1940

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