Leitsatz (amtlich)

1. Der Unterschiedsbetrag nach NVG § 4 Abs 5 ist nicht zu gewähren, wenn der Verfolgte in der Beschäftigung, aus der er verdrängt worden ist, wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht versicherungspflichtig gewesen ist.

2. Unter den "ersten fünf Kalenderjahren" iS von AVG § 32 Abs 4 (= § 1255 Abs 4) ist nicht ein Zeitraum von 60 Monaten seit dem Eintritt in die Versicherung zu verstehen, sondern die Zeit bis zum 31. Dezember des fünften Kalenderjahres, gerechnet vom Beginn des Kalenderjahres, in dem der Versicherte in die Versicherung eingetreten ist.

 

Normenkette

RVO § 1255 Abs. 4 Fassung: 1965-06-09; AVG § 32 Abs. 4 Fassung: 1965-06-09; NVG § 4 Abs. 5 Fassung: 1949-08-22

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1970 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Höhe des Altersruhegeldes des Klägers.

Der am ... 1902 geborene Kläger war seit Juli 1928 Leiter und Geschäftsführer der Pädagogischen Verlags-GmbH. Zugleich war er ehrenamtlich Geschäftsführer des Canisius-Vereins und der Zentralstelle der Katholischen Schulorganisation Deutschlands, Landesausschuß Preußen. Zu Beginn des Jahres 1938 verlor er diese Stellungen aus politischen Gründen. Der Kläger war danach bis 30. Juni 1938 selbständiger Verlagsvertreter. Im Juli 1938 trat er als Komplementär in die Firma M G KG ein und bezog Einkünfte aus dieser Tätigkeit.

Der Kläger hatte den ersten Pflichtbeitrag für September 1921 entrichtet. Er war seit April 1936 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienst-(JAV)grenze nicht versicherungspflichtig. Bis Dezember 1937 entrichtete er jährlich 12 Versicherungsbeiträge der Klasse G, von 1938 an jedoch jährlich nur noch 6 freiwillige Beiträge dieser Klasse.

Der Kläger ist als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Er erhielt wegen Schadens im beruflichen Fortkommen in unselbständiger Tätigkeit unter Zugrundelegung des Schadenszeitraums (Verdrängungszeitraum) vom 1. Januar 1938 bis zum 31. Dezember 1946 eine Kapitalentschädigung nach diesem Gesetz. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 2. Oktober 1967 Altersruhegeld vom 1. Oktober 1967 an. Sie berücksichtigte bei der Rentenberechnung die für die Jahre 1938 bis 1946 entrichteten Markenbeiträge. Als mit Pflichtbeiträgen belegte Kalendermonate der ersten fünf Kalenderjahre seit dem Eintritt in die Versicherung (§ 32 Abs. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG) behandelte sie die Zeit vom 1. September 1921 bis zum 31. Dezember 1925.

Der Kläger meint, er müsse im Hinblick auf § 4 Abs. 5 des Gesetzes über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22.8.1949 (VerfolgtG) eine höhere Rente unter Gewährung eines Unterschiedsbetrages für die Jahre 1938 bis 1946 erhalten. In dem Schadenszeitraum von 1938 bis 1946 sei sein Arbeitsentgelt um mehr als 25 % niedriger als vor der Verdrängung gewesen; infolgedessen habe er in dem Schadenszeitraum (108 Monate) nur 54 Monatsbeiträge entrichten können; er hätte sonst weitere 54 Monatsbeiträge entrichtet.

Der Kläger ist ferner der Auffassung, für die Ermittlung der Rentenbemessungsgrundlage (§ 32 AVG) seien die ersten fünf Kalenderjahre seit dem Eintritt in die Versicherung bis zum 31. August 1926 abzugrenzen; als Zeitraum der ersten fünf Kalenderjahre seien 60 Monate anzusehen.

Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Wiesbaden vom 7. August 1968, Urteil des Hessischen Landessozialgerichts - LSG - vom 21. Mai 1970). Die Revision wurde zugelassen.

Das LSG hat im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, ein Schaden aus Verfolgungsgründen, der einen Ausgleich erfordere, sei dem Kläger nicht entstanden. Er habe durch die Ablösung als Leiter und Geschäftsführer keinen versicherungsrechtlichen Nachteil erlitten, weil er bereits seit April 1936 wegen Überschreitens der JAV-grenze versicherungsfrei gewesen sei. Er wäre ohne die Ablösung weiterhin versicherungsfrei geblieben. Damit habe sich das beendete Arbeitsverhältnis nicht ursächlich auf die Höhe der Rente ausgewirkt; dies könne nur bei einer versicherungspflichtigen Beschäftigung der Fall sein (Hinweis auf BSG vom 17.10.68 - 1/12 RJ 444/67). Eine günstigere Berechnung nach § 32 Abs. 4 AVG sei nicht vorzunehmen. Unter Kalenderjahr sei nur das am 1. Januar beginnende und am 31. Dezember endende Jahr zu verstehen, nicht eine Folge von 12 Kalendermonaten. Dies werde in Abs. 3 des § 32 AVG verdeutlicht, auf den Abs. 4 aaO hinweise. Diese Regelung verstoße nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil die Begrenzung der persönlichen Bemessungsgrundlage durch § 32 Abs. 4 AVG keine willkürliche Differenzierung enthalte. Die Regelung sei sinnvoll. Sie betreffe alle Rentner, die in einem Kalenderjahr in die Versicherung eingetreten seien, in gleicher Weise. Es habe im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gelegen, diese Regelung zu wählen; sie werde von berechtigten Zweckmäßigkeits- und Vereinfachungserwägungen getragen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und sinngemäß beantragt,

das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben sowie die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, höhere Rente unter Gewährung eines Unterschiedsbetrages für die Jahre 1938 bis 1946 zu gewähren und als mit Pflichtbeiträgen belegte Monate der ersten fünf Kalenderjahre die Zeit bis zum 31. August 1926 zu berücksichtigen.

Die Revision rügt eine Verletzung des § 4 Abs. 5 VerfolgtG und des § 32 Abs. 4 AVG, beide in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des GG. § 4 Abs. 5 VerfolgtG sei auf den Fall des Klägers entsprechend anzuwenden. Durch einen aus politischen Gründen erzwungenen Arbeitsplatzwechsel werde nicht nur der pflichtversicherte Beschäftigte geschädigt, sondern auch derjenige, der wegen Überschreitens der JAV-grenze versicherungsfrei gewesen sei und sich in der bisherigen Beitragshöhe freiwillig weiterversichert habe, jedoch wegen des erzwungenen Beschäftigungswechsels die freiwillige Weiterversicherung in der bisherigen Dichte nicht habe aufrechterhalten können.

Der Kläger sei während der selbständigen Tätigkeit nach der Vertreibung wie ein Arbeitsloser zu behandeln (Hinweis auf Breithaupt, 1966, 496).

Die Auffassung des LSG zum Begriff der ersten fünf Kalenderjahre sei rechtsirrig. In § 32 Abs. 4 AVG seien volle fünf Kalenderjahre gemeint. Eine andere Auslegung würde ungerechtfertigt unterscheiden, je nachdem in welchem Monat der Versicherte in die Versicherung eingetreten sei.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie legt dar, daß auch das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22.12.1970 (WGSV) - BGBl I 1846 - keine für den Kläger günstigere Rechtslage geschaffen habe. Sie hält die Auffassung des LSG zum Begriff der ersten fünf "Kalenderjahre" für zutreffend.

II

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Die Entscheidung des LSG ist gesetzmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag nach § 4 Abs. 5 VerfolgtG und höhere Rente nach dem WGSV; diese Vorschriften können auch nicht analog angewendet werden.

Das WGSV gilt für Versicherungsfälle, die vor seinem Inkrafttreten am 1. Februar 1971 eingetreten sind; lediglich § 13 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 WGSV gelten nur für Versicherungsfälle, die nach seinem Inkrafttreten eintreten (Art. 4 § 1 WGSV). Soweit durch das WGSV ein Anspruch auf Rente oder höhere Rente entsteht, ist die Rente oder die höhere Rente frühestens vom Inkrafttreten des Gesetzes an zu zahlen (Art. 4 § 2 WGSV). Der Anspruch des Klägers ist daher jedenfalls für die Zeit seit Beginn des Altersruhegeldes - 1. Oktober 1967 - noch nach dem VerfolgtG zu beurteilen. § 4 Abs. 5 VerfolgtG ist auch nach Inkrafttreten des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) - angepaßt an die neue Rechtslage - anzuwenden (SozR Nr. 11 und 12 zum VerfolgtG, Allgemein). Danach hat ein Verfolgter Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag, wenn er aus Verfolgungsgründen ein anderes Arbeitsverhältnis hat eingehen müssen, durch das seine Rente geringer geworden ist, als sie beim Weiterbestehen seines letzten Arbeitsverhältnisses vor dessen Wechsel gewesen wäre.

Der Kläger hat zwar aus Verfolgungsgründen sein Arbeitsverhältnis als Geschäftsführer verloren und eine Tätigkeit mit geringeren Einkünften aufgenommen. Vom Gesetz erfaßt werden aber nur Arbeitsverhältnisse, die Auswirkungen auf die Höhe der späteren Rente haben. Dies sind Tätigkeiten, die eine Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründen. Nur solche Tätigkeiten beeinflussen notwendig die Höhe der späteren Rente. Für sie bestimmt das Gesetz, in welcher Höhe Versicherungsbeiträge zu entrichten sind, und die Höhe der Beiträge ist maßgeblich für die Höhe der Rente. Für diese Auffassung spricht schon der Wortlaut des § 4 Abs. 5 VerfolgtG: "... Arbeitsverhältnis ..., durch das seine Rente geringer geworden ist".

Zwar beeinflussen auch freiwillige Beiträge die Höhe der Rente; aber die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen beruht nicht auf einem Arbeitsverhältnis oder überhaupt auf einer Berufstätigkeit, sondern darauf, daß der Versicherte sich zur freiwilligen Weiterversicherung entschließt. Daher fehlt ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der Entrichtung freiwilliger Beiträge und einer ausgeübten Berufstätigkeit. Daß eine Berufstätigkeit dem Versicherten erst die finanziellen Mittel verschafft, um sich freiwillig weiterzuversichern, mag häufig der Fall sein, ist aber nicht notwendig. Ob der Versicherte Mittel aus Erwerbseinkommen, Vermögen oder aus sonstiger Quelle dem Konsum oder Sparen entzieht und damit freiwillige Beiträge entrichtet, beruht auf seiner freien, durch kein Rentenversicherungsgesetz erzwungenen Planung und Entschließung; die Entscheidungen, die freiwillig Versicherte dabei treffen, können durchaus verschieden sein, je nachdem welchen Wert sie der Zukunftssicherung im Vergleich mit den jeweiligen gegenwärtigen Bedürfnissen und Wünschen beimessen. Ein Wechsel der Arbeitsverhältnisse kann daher nach § 4 Abs. 5 VerfolgtG nur bei versicherungspflichtiger Beschäftigung rechtserheblich sein; nur dann besteht ein nicht durch freie Entschließungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherten unterbrochener Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis - Arbeitsentgelt - Versicherungsbeiträge - Höhe der Rente (vgl. Urteil vom 17.10.1968 - 1/12 RJ 444/67).

Dafür, daß diese Auslegung des § 4 Abs. 5 VerfolgtG in Einklang mit dem Sinn und Zweck der Wiedergutmachung für Verfolgte in der Sozialversicherung steht, spricht die Regelung im WGSV (dazu BABl 1971, 153). Die hier in Betracht kommenden Vorschriften, nämlich § 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WGSV, ebenso § 13 Abs. 1 Satz 1 und 3 WGSV verlangen ausdrücklich rentenversicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten. Da dieses Gesetz die Entschädigung der Verfolgten in der Sozialversicherung verbessern will, kann nicht angenommen werden, daß in dem abgelösten Verfolgtengesetz von 1949 ein größerer Personenkreis von Verfolgten erfaßt worden wäre als vom WGSV, nämlich Verfolgte, die in den gesetzlichen Rentenversicherungen freiwillig versichert waren. Eine derartige Verschlechterung durch Einschränkung des Personenkreises war sicher nicht gewollt.

Da der Kläger bei der Verdrängung aus der Beschäftigung als Geschäftsführer im Jahre 1938 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, ist ihm ein Schaden in seiner Rentenversicherung dadurch, daß auf Grund eines neuen Arbeitsverhältnisses niedrigere Beiträge als vorher zu entrichten gewesen wären, nicht entstanden. § 4 Abs. 5 VerfolgtG trifft für ihn somit nicht zu.

Der Kläger hat auch nach dem WGSV keinen Anspruch auf höhere Rente. Für seinen Fall käme § 14 Abs. 1 Satz 2 WGSV in Betracht, wenn seine Beschäftigung vor der Verfolgung, d.h. bis zur Verdrängung im Jahre 1938, versicherungspflichtig gewesen wäre. Abgesehen davon ist bei ihm der Versicherungsfall vor dem 1. Februar 1971 eingetreten und § 14 Abs. 1 WGSV gilt nur für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des WGSV (1. Februar 1971) eintreten (Art. 4 § 1 WGSV).

§ 4 Abs. 5 VerfolgtG und § 14 Abs. 1 Satz 2 WGSV können auf den Fall des Klägers auch nicht analog angewendet werden. Eine analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, daß im Gesetz eine Lücke besteht und daß der Tatbestand, auf den ein Gesetz analog angewendet werden soll, dem unmittelbar vom Gesetz geregelten Tatbestand in den wesentlichen Punkten rechtsähnlich ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Das VerfolgtG und das WGSV sind nicht lückenhaft, insoweit sie keine Entschädigung für freiwillig versicherte Verfolgte vorsehen. Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzen klar, daß der Gesetzgeber nur bei versicherungspflichtigen Beschäftigungen und Tätigkeiten eine Entschädigung gewähren will. Dies kommt in dem oben angeführten Wortlaut des § 4 Abs. 5 VerfolgtG und im WGSV durch die mehrfache ausdrückliche Anführung "rentenversicherungspflichtige" Beschäftigung und Tätigkeit zum Ausdruck. Damit ist eine analoge Anwendung auf den Fall des Klägers nicht möglich.

Der Kläger kann auch nicht wie ein Arbeitsloser behandelt werden (§ 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG). In der von ihm genannten Entscheidung (Breithaupt 1966, 496) geht das LSG davon aus, daß die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch einen aus Verfolgungsgründen aus dem öffentlichen Dienst Entlassenen in der Regel dem "Untertauchen" diente. Abgesehen davon, daß dieser Schluß nicht allgemein gezogen werden kann, kann beim Kläger keinesfalls eine "Arbeitslosigkeit" angenommen werden. Er hatte als Komplementär und Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft eine Tätigkeit aufgenommen, die tatsächlich Arbeit erforderte. Die Tätigkeit war fachlich mit seiner vorherigen Tätigkeit vergleichbar und hat ihm ein nicht nur nebensächliches Einkommen verschafft. Seine Lage ist nicht mit der eines Verfolgten zu vergleichen, der eine selbständige Tätigkeit etwa lediglich formell angemeldet hat, ohne daraus nennenswertes Einkommen zu erlangen.

Die Auslegung des § 32 Abs. 4 AVG durch das LSG ist ebenfalls gesetzmäßig.

"Kalenderjahr" ist das Jahr, das der Kalender ausweist; das ist die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Hingegen kann mit dem Begriff "Jahr" sowohl ein Zeitraum von 12 Monaten als auch ein "Kalenderjahr" gemeint sein. Die Auslegung des Begriffs "Kalenderjahr" in § 32 Abs. 4 AVG als ein vom 1. Januar bis zum 31. Dezember dauernder Zeitraum ergibt sich aus dem System und der Art der Rentenberechnung. Wesentlich für die Höhe der Rente ist die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage. Sie wird an der allgemeinen Bemessungsgrundlage gemessen (§ 32 Abs. 1 AVG). Dies ist nach Abs. 2 des § 32 AVG der durchschnittliche Bruttojahresarbeitsverdienst aller Versicherten der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung im Mittel des dreijährigen Zeitraums vor dem Kalenderjahr, das dem Eintritt des Versicherungsfalles vorausgegangen ist. In dieser Vorschrift kann unter Kalenderjahr nichts anderes als ein Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember verstanden werden; denn es wird nicht auf ein "Jahr" im Versicherungsleben eines einzelnen Versicherten, sondern auf alle Versicherten abgestellt.

In Abs. 3 des § 32 AVG, der Einzelheiten für die Berechnung der Rentenbemessungsgrundlage des jeweiligen Versicherten enthält, wird der Begriff Kalenderjahr im Zusammenhang mit einer Jahreszahl genannt: "Kalenderjahre ab 1956", "Kalenderjahr, in dem der Versicherungsfall eintritt". Schließlich zeigt auch § 33 AVG, daß "Kalenderjahr" der Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember ist: Die Bundesregierung bestimmt "... bis zum 31. Dezember jedes Jahres die allgemeine Bemessungsgrundlage ... für das folgende Kalenderjahr", "... die Werte für nach Beitragsklassen entrichteten Beiträge ... für das voraufgegangene Kalenderjahr".

Es ist nicht zu beanstanden, daß die Beitragszeit, die beim einzelnen Versicherten für die "ersten fünf Kalenderjahre" außer Betracht bleiben kann, je nach dem Zeitpunkt des Eintritts in die Versicherung verschieden lang sein kann. Die Nichtberücksichtigung dieser Beitragszeiten nach § 32 Abs. 4 Buchst. a AVG ist nicht eine Gegenleistung für entrichtete Beiträge, sondern nur eine besondere Vergünstigung für den Versicherten. Der Gesetzgeber konnte dabei zum Zweck der vereinfachten Feststellung der Rentenbemessungsgrundlage auf feste Zeiträume wie Kalenderjahre abstellen. Art. 3 Abs. 1, Art. 14 GG sind nicht verletzt.

Somit kann unter den "ersten fünf Kalenderjahren" i.S. von § 32 Abs. 4 AVG nur die Zeit bis zum 31. Dezember des fünften Kalenderjahres (hier 1925), gerechnet vom Beginn des Kalenderjahres, in dem der Versicherte in die Versicherung eingetreten ist (hier 1921), verstanden werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 52

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