Leitsatz (amtlich)
War eine Frau zweifelsfrei nicht mit dem Mann verheiratet, nach dem sie Witwenversorgung bezieht, so ist eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides (KOVVfG § 41) nicht deshalb ausgeschlossen, weil die "Berechtigte" möglicherweise, aber nicht erwiesenermaßen mit einem anderen Mann, der an Schädigungsfolgen verstorben ist, verheiratet war.
Normenkette
KOVVfG § 41 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1960-06-27, § 47 Abs. 3 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Fassung: 1975-06-09; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; BVG § 44 Abs. 2 Fassung: 1966-12-28; ZPO § 418 Fassung: 1950-09-12, § 432 Fassung: 1950-09-12; PersStdG §§ 1-2, 5, 9-11, 13, 41, 60, 63, 66
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 20.05.1976; Aktenzeichen L 2 V 78/74) |
SG Kiel (Entscheidung vom 08.04.1974; Aktenzeichen S 3 V 25/69) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Mai 1976 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin beantragte 1948 für sich und ihre zwei Kinder Hinterbliebenenversorgung nach der Sozialversicherungsdirektive Nr 27 mit folgenden Angaben: Sie habe am 20. April 1939 den am 10. Mai 1909 in Preußisch-Holland geborenen Gärtner Walter G (W.G.) geheiratet. Dieser sei am 28. November 1941 bei Leningrad gefallen. Bis Dezember 1944 habe sie Versorgungsrente vom Versorgungsamt M erhalten. W.G. sei der Vater ihrer 1938 geborenen Tochter und ihres 1942 geborenen Sohnes. Sie hätten den Familiennamen "P" bei der Wiederverheiratung der Klägerin erhalten.- Nach einer vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes Rosengart, Kreis Marienburg, verheiratete sich die Klägerin, in der Urkunde als "Katharina F" bezeichnet, am 22. April 1943 mit Walter Erich B. Diese Ehe wurde 1949 geschieden. Die Klägerin erhielt auf einen Antrag vom Mai 1956 Witwenbeihilfe in Höhe von zwei Dritteln der Witwenrente nach W.G. ab April 1956 (Bescheid vom 28. Januar 1957), ab 1. Juni 1960 die wiederaufgelebte Witwenrente (Bescheid vom 7. November 1960).
Im Juli 1964 erfuhr das Versorgungsamt, daß der Standesbeamte in Neumünster erhebliche Bedenken habe, ob die Klägerin in erster Ehe mit W.G. verheiratet gewesen sei. Für die Anlegung eines Familienbuches hatte die Klägerin eidesstattlich versichert, sie habe mit dem am 10. Mai 1909 in Witebsk/Ukraine geborenen Walter G am 20. April 1939 in Stalle, Kreis Marienburg, die Ehe geschlossen. Dieser W.G. ist mit Todeszeitpunkt des 31. Dezember 1945 für tot erklärt worden. Als den Vater ihrer Tochter gab die Klägerin den am 10. Mai 1910 in Preußisch-Holland geborenen W.G. an. Dieser ist nach einer standesamtlichen Beurkundung am 18. November 1941 gefallen; sein Familienstand wurde als nicht verheiratet bezeichnet. Nach einer Auskunft der Polnischen Militärmission ist im Heiratsregister des Standesamtes Stalle für 1939 eine Eheschließung G nicht eingetragen. Zwei Brüder der Klägerin konnten sich nicht an W.G. als Ehemann der Klägerin erinnern.
Die Versorgung der Klägerin wurde zu Ende März 1965 eingestellt (Bescheid vom 11. März 1965). Die Klägerin behauptete darauf, sie sei ab 1939 mit Kurt R (R.) verheiratet gewesen, von dem sie sich aber wieder habe trennen können, nachdem er wegen Fahnenflucht verurteilt worden sei. W.G., den 1941 gefallenen Erzeuger ihrer Tochter, habe sie anfangs nicht heiraten können, wohl später. Vor dem Amtsgericht Neumünster ergänzte sie, sie habe 1940 den am 10. Mai 1909 in Witebsk geborenen Berufssoldaten W.G. geheiratet. Das Versorgungsamt hob durch Bescheid vom 19. Oktober 1967 nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) die Bescheide vom 28. Januar 1957, 18. März 1957, 29, Juli 1957, 7. November 1960, 30. August 1961, 24. September 1962 und 24. Juni 1964 mit der Begründung auf, die Ehe mit W.G. habe nicht bestanden, auch nicht nach der Scheidung der Ehe mit R. Durch Bescheid vom 20. Oktober 1967 forderte das Versorgungsamt die Versorgungsleistungen in Höhe von 18.710,39 DM zurück. Im Vorverfahren behauptete die Klägerin, ihre zweite Ehe mit dem am 28. November 1941 gefallenen W.G. habe sie im April 1941 geschlossen. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 31. Januar 1969). Das Sozialgericht (SG) hob die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin über den 31. März 1965 hinaus Witwenversorgung zu gewähren (Urteil vom 8. April 1974). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Mai 1976): Die Rentenbewilligungsbescheide seien nach § 41 KOV-VfG zu Recht aufgehoben worden; denn sie seien im Zeitpunkt ihres Erlasses ohne Zweifel tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen. Die Klägerin sei zweifelsfrei nicht in erster Ehe mit dem am 10. Mai 1909 in Preußisch-Holland geborenen W.G. verheiratet gewesen, daher nicht 1941 seine Witwe geworden und infolgedessen nicht zum Bezug der wiederaufgelebten Witwenbezüge berechtigt. Nach den vorhandenen Urkunden, die die Vermutung der Echtheit und der Richtigkeit ihres Inhaltes enthielten, sei dieser W.G. bei seinem Tod nicht verheiratet gewesen. Nachdem die Klägerin durch die Erklärung ihres Bruders Peter der Unrichtigkeit ihrer Behauptung, 1939 W.G. geheiratet zu haben, überführt worden sei, habe sie eingeräumt, in diesem Jahr mit R. die Ehe geschlossen zu haben. Seitdem verlege sie die Verheiratung mit W.G. auf 1941 und nenne eine andere Person als Ehegatten. Damit gebe sie zu, nicht mit dem W.G., nach dem sie Versorgung beantragt und erhalten habe, verheiratet gewesen zu sein. Eine zweifelsfreie Unrichtigkeit der Bewilligungsbescheide sei entgegen der Ansicht des SG nicht dann ausgeschlossen, wenn der Kriegstod irgendeines Mannes, mit dem die Klägerin verheiratet gewesen sein könnte, nicht zu widerlegen sei. Die Möglichkeit einer Versorgung nach einem 1909 in Witebsk geborenen Berufssoldaten W.G. ziehe nicht die Unrechtmäßigkeit einer solchen nach dem 1910 in Preußisch-Holland geborenen W.G. in Zweifel. Die Namen seien dabei nicht erheblich. Der Rückerstattungsanspruch sei nach § 47 Abs 3 KOV-VfG begründet, weil die Klägerin Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen habe. Sie habe immer erst unter dem Druck von Ermittlungsergebnissen ihre vorigen Angaben als unrichtig bezeichnet. Der Rückforderungsanspruch sei nicht etwa deshalb noch in der Schwebe, weil sich eine Versorgung nach einem W.G. aus W ergeben könne.
Die Klägerin rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 47 KOV-VfG. Es bestehe die Möglichkeit eines anderweitigen Versorgungsanspruches. Deshalb hätte nicht über die Rückzahlungspflicht entschieden werden dürfen. Wenn das LSG den Inhalt der vorhandenen Urkunden als richtig behandele, solange nicht das Gegenteil nachgewiesen sei, berücksichtige es nicht die Qualität der Urkunden. Die Urkunde über die dritte Heirat der Klägerin sei insoweit nicht richtig, als sie ihren früheren Familienstand als ledig wiedergebe. Die Auskünfte aus Polen seien wegen der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse nicht als vollwertig anzusehen. Das Berufungsgericht hätte nicht die für die Klägerin positiv ausgefallenen Zeugenaussagen übergehen dürfen. Es habe auch die Beweisschwierigkeiten der Klägerin nicht genügend berücksichtigt. Zeugen hätten etwas über W.G. als Ehemann der Klägerin bekundet. Deshalb habe das Oberlandesgericht (OLG) im Personenstandsverfahren den Beschluß des Landgerichts (LG) aufgehoben. Das LSG habe nicht erkennbar die Akte 3 T 261/68 des LG Kiel und die Akte 2 W 60/71 des OLG Schleswig beigezogen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er schließt sich der Begründung des Berufungsurteils an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Das LSG hat die Klage gegen den Berichtigungsbescheid und gegen den Rückforderungsbescheid im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Obgleich das Berufungsurteil nur in einzelnen Teilen ausdrücklich beanstandet wird, ist es in vollem Umfang nachzuprüfen; denn die Revision ist uneingeschränkt zugelassen und eingelegt worden.
Nach § 41 KOV-VfG sind ausschließlich Verwaltungsakte über einen Rechtsanspruch aufzuheben, hier über einen Anspruch auf wiederaufgelebte Witwenrente (§ 44 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG - idF des 1. Neuordnungsgesetzes - NOG - vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453 -) mit Wirkung ab 1. Juni 1960. Das erstreckt sich entgegen der Ansicht des LSG nicht auf die Bescheide über die Witwenbeihilfe bis zum 30. Mai 1960, die eine Kannleistung war (§ 44 Abs. 5 BVG idF des 5. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 - BGBl I 463 -); sie können bloß nach Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zurückgenommen werden (BSGE 21, 35, 37 f = SozR Nr 23 zu § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VerwVG -). Ein Versorgungsbescheid ist nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KOV-VfG in der hier maßgebenden Fassung bis zur Neugestaltung durch Art 25 Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3091) nur dann zuungunsten des Empfängers zu berichtigen, wenn er im Zeitpunkt seines Erlasses außer Zweifel tatsächlich und rechtlich unrichtig war. Das traf für die der Klägerin erteilten Bescheide über die wiederaufgelebte Witwenrente zu.
Als Voraussetzung für die Witwenversorgung ab 1. Juni 1960 hätte die Klägerin vor ihrer Ehe mit B., die durch Scheidung aufgelöst ist (§ 41 Ehegesetz - EheG - 1946 vom 20. Februar 1946 - ABlKR 77), einen Anspruch auf Witwenrente haben müssen, der nach § 44 Abs 2 BVG wiederaufleben konnte. Die Klägerin müßte dafür die Witwe eines Mannes, der an kriegsbedingten Schädigungsfolgen verstorben ist, müßte mithin mit diesem bis zu seinem Tod verheiratet gewesen sein (§ 4 Abs 1, § 104 Abs 1 Satz 2, Abs 2 und 3, § 105 Abs 3 und 4 Wehrmachts-Fürsorge- und -Versorgungsgesetz vom 26. August 1938 - RGBl I 1077 - entsprechend § 1 Abs 1 bis 3, Abs 5, § 38 Abs 1 BVG). Das ist im Bescheid vom 7. November 1960 zweifelsfrei zu Unrecht vorausgesetzt worden.
Außer Zweifel war die Klägerin nicht mit dem W.G. verheiratet, der nachweislich 1941 gefallen ist und mit dem nach ihren ursprünglichen Angaben ihre erste Ehe bestanden haben soll. Dies hat das LSG verbindlich festgestellt (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Dagegen richtet die Revision keine Verfahrensrügen. Die Witwenrente ist der Klägerin aber unter dieser tatsächlichen Voraussetzung gewährt worden, und das macht die Verwaltungsakte über die wiederaufgelebte Witwenrente zweifelsfrei rechtlich unrichtig.
Die gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheide über die Witwenrente enthalten zwar nicht die zweifelsfrei unrichtige Feststellung, der am 10. Mai 1909 in Preußisch-Holland geborene W.G. sei als ihr am 20. April 1939 angetrauter Ehemann 1941 infolge einer kriegsbedingten Schädigung verstorben. Im Bescheid vom 7. November 1960 ist aber mit dem Bezug auf die frühere Versorgung (Witwenbeihilfe), die bloß nach dem 1. NOG auf die Rente kraft Rechtsanspruches umgestellt und anders berechnet wurde (Art IV § 1 Abs 1 und 4), die früher als Voraussetzung der Witwenbeihilfe getroffene Feststellung über den schädigungsbedingten Tod des Ehemannes auch der Witwenrente zugrunde gelegt worden. Im Bescheid vom 28. Januar 1957 war jene Feststellung über den schädigungsbedingten Tod des Ehemannes enthalten, und in sie wurden, soweit sie tatsächlicher Art waren, durch den Hinweis auf den Antrag vom 22. Mai 1956 die bezeichneten Personalien des Verstorbenen sowie das Datum der Eheschließung einbezogen, die die Klägerin damals angegeben hatte (§§ 7, 12 Abs 1 Satz 2, §§ 13 und 15 KOV-VfG).
Zweifelhaft ist jene Grundlage der Rentenbewilligung nicht etwa deshalb, weil die Klägerin später mit einem anderen aus Witebsk stammenden Mann namens W.G. bis zu seinem Kriegstod verheiratet gewesen sein soll, bevor sie die Ehe mit B. einging. Außer Zweifel unrichtig in diesem Sinn ist eine tatsächliche Feststellung oder eine rechtliche Bewertung in einem Verwaltungsakt dann, wenn jede, auch entfernte Möglichkeit, daß ein Versorgungstatbestand doch besteht, ausgeschlossen ist (BSG SozR 3900 § 41 Nr 1 mwN). Nach dieser Formel, die allein den erforderlichen Grad der Gewißheit beschreibt, steht im vorliegenden Fall die Möglichkeit einer Ehe mit einem anderen gefallenen Mann vor der Verheiratung mit B. - ein Tatbestand, den das LSG offengelassen hat - nur scheinbar einer Berichtigung entgegen. Der Bereich der Tatsachen, die iS des § 41 Abs 1 Satz 1 KOV-VfG rechtserheblich sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles; in diesem Sachverhalt darf nicht die konkrete Möglichkeit enthalten sein, die den Anspruch doch rechtfertigt (BSGE 6, 106, 110; 6, 113, 114; BSG SozR Nr 30 zu § 41 VerwVG). Tatsachen, die kumulativ neben der rechtlichen Bewertung (BSGE 8, 198, 200 ff; SozR Nr 19 zu § 41 VerwVG) zweifelsfrei unrichtig sein müssen und die auch nicht möglicherweise zutreffen dürfen, um eine Rücknahme zu erlauben, werden in erster Linie durch den Umfang der Rechtsverbindlichkeit (§ 77 SGG, § 44 KOV-VfG) begrenzt, die durch eine Berichtigung beseitigt würde. Obgleich in den Versorgungsbescheiden primär über eine bestimmte Versorgungsleistung als gesetzliche Rechtsfolge (§ 1 Abs 1 und 5, § 9 BVG) rechtsverbindlich entschieden wird, erstreckt sich die Bindung außerdem auf den zugrunde gelegten Lebenssachverhalt (BSGE 27, 22, 23 f = SozR Nr 59 zu § 77 SGG; für Gerichtsurteile: Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 9. Aufl, 1977, Einleitung II, 7; § 322, Anm 5). Auch im Falle einer nachträglichen Änderung ist entsprechend deren Ausmaß ua im Vergleich mit den tatsächlichen Verhältnissen, die für die rechtsverbindliche Entscheidung "maßgebend gewesen sind", der Anspruch nach § 62 BVG neu festzustellen (zB BSGE 13, 320 = SozR Nr 10 zu § 62 BVG; SozR Nr 25 zu § 148 SGG; BSGE 19, 15 = SozR Nr 21 zu § 62 BVG). Eine erst 1940 oder 1941 geschlossene Ehe mit dem aus Witebsk stammenden W.G. wurde nicht als Voraussetzung der Witwenrentenbescheide angenommen.
Wieweit über die tatsächliche Grundlage eines rechtsverbindlichen Verwaltungsaktes hinaus weitere mögliche Tatumstände, die mit dem vorausgesetzten Sachverhalt zusammenhängen, eine Berichtigung ausschließen, hat das BSG bisher noch nicht abschließend entschieden. Nach bereits ergangenen Urteilen darf die Zuerkennung einer Beschädigtenversorgung (§ 1 Abs 1 bis 3, § 30 BVG) nicht völlig zurückgenommen werden, wenn die Möglichkeit, daß eine als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung durch schädigende Einwirkungen zwar nicht entstanden, aber verschlimmert worden ist, nicht ausgeschlossen werden kann (BSG SozR Nr 12 zu § 41 VerwVG; BSGE 18, 260, 262 f = SozR Nr 20 zu § 41 VerwVG; Bundesversorgungsblatt 1962, 89) oder wenn ein falsch diagnostizierter und anerkannter Leidenszustand möglicherweise tatsächlich besteht (BSGE 16, 253, 255 f = SozR Nr 16 zu § 41 VerwVG) oder wenn die Möglichkeit, eine Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als noch vertretbar anzusehen, nicht ausscheidet (BSGE 13, 227, 229 f = SozR Nr 10 zu § 41 VerwVG). In allen diesen Fällen handelt es sich um die Versorgung für denselben Beschädigten.
Die für eine Witwenversorgung anspruchsbegründende Feststellung, daß der Tod des Ehemannes eine Schädigungsfolge ist, darf nach vorliegenden Urteilen nicht zurückgenommen werden, falls derselbe Ehemann mindestens möglicherweise bei einem anderen Geschehensablauf, als angenommen worden war, auch infolge einer kriegsbedingten Schädigung verstorben ist (BSGE 13, 232, 235 = SozR Nr 11 zu § 41 VerwVG; zu Art 30 Abs 4 KBLG: BSGE 6, 288, 291 f). In diesen Fällen wird ebenfalls der rechtserhebliche Tatbestandsbereich durch eine Personenidentität begrenzt, dh das zweifelsfrei "unrichtige" und das möglicherweise "richtige" Geschehen müssen denselben Ehemann betroffen haben. Das folgt zwingend aus der Natur der Witwenversorgung. Die Witwe hat nur ein abgeleitetes Recht aus einem Schädigungstatbestand, der in der Person ihres Ehemannes entstanden war (Urteil des erkennenden Senats vom 4. Mai 1977 - 9 RV 58/76 -). Diese Tatbestandsschicht ist auch für die wiederaufgelebte Witwenversorgung (§ 44 Abs 2 BVG) rechtlich maßgebend, zu der dann noch die Auflösung der neuen Ehe treten muß. Dieser Anspruch knüpft vor allem an den schon früher wirksam gewordenen Versorgungsfall an: an die Auflösung einer Ehe durch den Kriegstod des Ehemannes (BVerfGE 38, 187, 198, 200 f = SozR 3100 § 44 Nr 2), dh der Ehe mit einem bestimmten Mann. Auf den Tod einer bestimmten Person, mit der die Versorgungsberechtigte verheiratet war, muß ihr Anspruch auch speziell im Hinblick auf einen Schadensausgleich (§ 40 a BVG) zurückzuführen sein. Diese besondere Hinterbliebenenleistung ist von dem Einkommen abhängig, das der Ehemann ohne die Schädigung in seinem entsprechend den Lebensverhältnissen sowie seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten voraussichtlich erreichten Beruf erzielt hätte. Allgemein darf die Witwe bezüglich der Berichtigungsmöglichkeit nicht besser gestellt werden als der Beschädigte selbst. Dann kann bei einer zweifelsfreien Unrichtigkeit des den Versorgungsbescheiden zugrunde gelegten Sachverhaltes auch gegenüber der Witwe die Rücknahme nur durch die Möglichkeit einer anderen, ebenfalls anspruchsbegründenden Sachlage, die dieselbe beschädigte Person, hier den bestimmten Ehemann, betrifft, ausgeschlossen werden. Anderenfalls wäre praktisch eine Berichtigung gerade den Witwen gegenüber schlechthin ausgeschlossen; um lebenslang einen Versorgungsanspruch zu behalten, brauchte die "Berechtigte" nur einen beliebigen, nach allgemeiner Erfahrung nicht unmöglichen Versorgungsfall auszudenken und zu behaupten, irgendein - näher zu bezeichnender - Mann sei mit ihr verheiratet gewesen und an Schädigungsfolgen verstorben.
Aus diesen Gründen durften auch die über die Witwenbeihilfe vor Juni 1960 erlassenen Bescheide zurückgenommen werden. Das war nach allgemeinem Verwaltungsrecht deshalb zulässig, weil das Interesse der Verwaltung an ihrer Beseitigung ein berechtigtes Interesse der Begünstigten an der Aufrechterhaltung überwiegt, die Rücknahme daher nicht unzumutbar ist, insbesondere, weil die Rechtswidrigkeit durch Umstände verursacht worden ist, die in den Verantwortungsbereich der begünstigten Witwe fallen (BSGE 7, 41, 52; 10, 72, 76; 15, 252, 257; 21, 38 f; 30, 17, 20 = SozR Nr 63 zu § 77 SGG; neuerdings für Verwaltungsgebiete außerhalb der Kriegsopferversorgung: § 48 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 VwVfG vom 25. Mai 1976 - BGBl I 1253). Die letztgenannte Voraussetzung folgt aus der Entscheidung zu § 47 KOV-VfG.
Nach dieser Vorschrift ebenso wie nach allgemeinem Verwaltungsrecht ist auch der Rückforderungsanspruch begründet. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG zu § 47 Abs 3 Satz 2 Buchst a, 1. Alternative KOV-VfG Tatsachen, die für die Gewährung der Versorgung von wesentlicher Bedeutung waren, einerseits wissentlich falsch angegeben (Ehe mit W.G. aus Preußisch-Holland, der 1941 gefallen ist), andererseits wissentlich verschwiegen (Ehe mit R. von 1939 bis 1942). Dies wird von der Revision nicht angegriffen.
Das Geltendmachen der Rückerstattungsschuld, die der Beklagte noch durch einen weiteren Bescheid erlassen kann (§ 47 Abs 4 KOV-VfG), ist nicht etwa schon jetzt deshalb als unzulässige Rechtsausübung zu werten, weil die Klägerin nunmehr behauptet, mit einem aus Witebsk stammenden, ebenfalls gefallenen W.G. verheiratet gewesen zu sein. Ob allgemein ein anderer Versorgungsanspruch - nach einem anderen Mann - diese Rechtswirkung auszulösen vermag, obgleich er möglicherweise erst von einem späteren Antrag ab begründet ist (§ 1 Abs 5, § 61 BVG), braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls müßten dafür mittels präsenter Beweismittel die Tatbestandsvoraussetzungen eines anderen Versorgungsfalles erwiesen sein, dh die Eheschließung mit einem anderen Mann und der wahrscheinlich durch eine kriegsbedingte Schädigung verursachte Tod vor einer neuen Ehe. An einem solchen Nachweis fehlt es hier. Die bloße Möglichkeit des nachträglich behaupteten Sachverhaltes, von der das LSG ausgegangen ist, genügt nicht, um die Rückforderung auszuschließen. Aus dem Beweismaterial läßt sich sogar folgern, daß eine Ehe mit einem aus Witebsk stammenden W.G. vor der Verheiratung mit B. nicht bestand, zumal dh dieser W.G. mit dem Todeszeitpunkt des 31. Dezember 1945 für tot erklärt worden ist, die Klägerin aber schon 1943 die Ehe mit B. geschlossen hatte.
Die Feststellung im Bescheid vom 19. Oktober 1967, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid, die Klägerin sei zwischen ihren Ehen mit R. und mit B. nicht mit W.G. verheiratet gewesen, ist im Gerichtsverfahren nicht allein unter dem dargelegten rechtlichen Gesichtspunkt, sondern auch wegen einer möglichen Wirkung für einen anderen Versorgungsanspruch zu überprüfen. Falls die Verwaltungsentscheidungen durch eine Klageabweisung bestätigt werden, könnten sie mit jener Feststellung einem Erfolg in einem neuen Verwaltungsverfahren, in dem eine wiederaufgelebte Witwenversorgung nach dem aus Witebsk stammenden W.G. begehrt wird, entgegenstehen.
Das LSG hat nicht abschließend darüber entschieden und dementsprechend keine vollständigen Feststellungen, die nach § 163 SGG verbindlich sind, getroffen. Gleichwohl kann das Revisionsgericht aufgrund der verfügbaren öffentlichen Urkunden, zu denen sich die Beteiligten in der Tatsacheninstanz äußern konnten, entscheiden, ohne die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverweisen zu müssen (Peter Gottwald, Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz, 1975, S. 55 f, 180 f, 183, 184, 338 f, 341: zur Verwertung nachträglich errichteter Urkunden: BSGE 18, 186 = SozR Nr 6 zu § 179 SGG).
Nach dem Inhalt der Urkunde über die Eheschließung mit B. war die Klägerin nicht unmittelbar vorher mit W.G. verheiratet. Entgegen der Behauptung der Revision wird die Klägerin in der Urkunde nicht als ledig bezeichnet. Wohl wird darin allein ihr Geburtsname F aufgeführt. Die Klägerin hätte aber gemäß §§ 63 und 65 EheG vom 6. Juli 1938 (RGBl I 807) nach Auflösung einer Ehe mit W.G. durch dessen Kriegstod nicht ihren Mädchennamen annehmen können (Palandt/Lauterbach, BGB, 5. Aufl 1942, § 1355, Anm 1). Falls sie infolge Verheiratung einen anderen Familiennamen als F führte, hätte dieser eingetragen werden müssen (§ 11 der 1. Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes - 1. AusfVO - vom 19. Mai/27. Juli 1938 - RGBl 533, 923). Indes erklärte sich der Geburtsname nach der zuletzt vorausgegangenen Scheidung der Ehe mit R. zwanglos. Diese Ehe ist vom LSG verbindlich festgestellt und wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Ihr Vorbringen über die Gründe, aus denen sie sich von R. scheiden ließ, macht verständlich, daß sie - abweichend von § 62 EheG - anschließend nach den genannten Vorschriften ihren Geburtsnamen wieder annahm. Der Standesamtsvermerk, daß diese Ehe am 3. Februar 1942 durch das Gericht in Elbing geschieden wurde, ist als nach § 163 SGG mit festgestellt anzusehen. Die Scheidung als solche behauptet selbst die Klägerin. Das Scheidungsdatum schließt es aus, daß die Klägerin mit einem 1941 gefallenen W.G. bis zu dessen Tod verheiratet war. Mit diesem Mann will selbst die Klägerin nicht verheiratet gewesen sein. Ebenso wie die Eheschließungsurkunde ist der Vermerk des Standesbeamten über die Scheidung (§ 12 Nr 2 Personenstandsgesetz - PStG - vom 3. November 1937 - RGBl I 1146 - / 27. Juli 1938 - RGBl I 923 -) eine öffentliche Urkunde (BSGE 18, 188 f). Die Originalurkunde ist die Eintragung der Eheschließung im Familienbuch (§§ 1, 2 Abs 1, §§ 9 bis 11) und des Scheidungsvermerkes. Hier liegen naturgemäß nur Abschriften oder sonstige Mitteilungen über den Inhalt vor (§ 118 SGG, §§ 432, 435 Zivilprozeßordnung - ZPO -). Die Abschrift der Urkunde über die Eheschließung mit B. ist bereits auf ihre Echtheit geprüft worden (§§ 441 f ZPO). Die Echtheit der Beurkundungen selbst kann nicht mehr nach § 437 Abs 2 ZPO kontrolliert werden, weil die zuständig gewesenen deutschen Standesbeamten nicht mehr amtieren. Für ausländische Urkunden wie die Mitteilung über die Eheschließung mit R. gelten gleiche Rechtsgrundsätze (§ 438 ZPO; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl 1972, Vorbem I, 5 vor § 415 ZPO). Die standesamtliche Beurkundung ist eine solche im Sinne des § 415 Abs 1 ZPO über die vor einer Urkundsperson abgegebene Erklärung (Stein/Jonas/Schumann/Leipold, § 415, Anm I, 1, b; II, 1). Hier gilt die materielle Beweiskraft nach dem Inhalt des Eheschließungsvorganges nicht allein für die Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen (§ 15, 17 ff EheG), sondern erstreckt sich auch auf die Identität der Personen (Stein/Jonas/Schumann/Leipold, § 415, Anm II, 2); das folgt aus dem Eheschließungsrecht. Sonst ergibt sich diese Beweiskraft aus § 418 ZPO (Stein/Jonas/Schumann/Leipold, § 418, Anm I und II, 1; vgl. § 60 PStG). Die Beweiskraft erstreckt sich auch auf die Personenstandsurkunden, die aufgrund der Eintragung in den Büchern ausgestellt werden, einschließlich der Abschriften (§§ 63, 66 PStG). Das umfaßt hier ebenfalls den Vermerk über die Scheidung, der nach Personenstandsrecht der Beurkundung beizufügen ist.
Was die Klägerin - in Übereinstimmung mit dem SG - an dem Vermerk beanstandet, greift nicht durch. Die Rüge, die Auskünfte aus Polen seien "angesichts der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse nicht als vollwertig anzusehen", ist als Verfahrensrüge nicht genügend substantiiert. Der Vermerk mit Datierung ist nach allgemeiner Erfahrung bedenkenfrei. Er enthält sogar ein übliches Aktenzeichen (mit dem Buchstaben "R" für Ehesachen vor dem Landgericht).
Der polnische Ausdruck "powiatowy" bezeichnet ein "Kreisgericht"; er erklärt sich zwanglos dadurch, daß es in Polen kein Gericht gibt, dessen räumlicher Zuständigkeitsbereich den deutschen Landgerichtsbezirken entspricht (Korkisch in: Werner Markert - Hg. -, Osteuropa-Handbuch-Polen, 1959, S. 327, 352). Der Ausdruck "orzeczienie" bedeutet "Spruch" oder "Entscheidung", schließt mithin auch ein Urteil ein. Die Klägerin hat keine weiteren geeigneten Beweismittel zur Entkräftung der Beweiskraft benannt. Die Ehe R., deren Scheidung und die Wiederaufnahme des Familiennamens Falk hätte der Standesbeamte bei der Eheschließung B./F. durch die entsprechende Eintragung über die Geburt und die Eheschließung der Klägerin im Familienbuch (§ 13 Nr 1 PStG, §§ 48 und 58 der 1. AusfVO) erfahren können und müssen, falls sie in Deutschland beurkundet gewesen wären (§ 5 PStG), ebenso eine Eheschließung mit W.G., falls sie stattgefunden hätte. Da die Klägerin angeblich in Rußland geboren ist, könnte ihre Geburt bei dem Standesamt I in Berlin beurkundet gewesen sein (§ 41 PStG, § 73 der 1. AusfVO). Anderenfalls hätte aber der Standesbeamte erfahrungsgemäß gerade wegen der Beurkundung in Rußland genau nach dem Ehehindernis einer bestehenden Ehe und nach dem rechtsgültigen Namen der Frau geforscht (§ 5 PStG, §§ 17 und 19 Abs 4 der 1. AusfVO). Daß die Klägerin schon vor der Scheidung eine neue Ehe geschlossen habe, ist nach der damaligen Rechtslage nicht anzunehmen. Eine Eheschließung war vor der Auflösung der Ehe mit R. durch rechtskräftiges Scheidungsurteil (§§ 34, 46 Satz 1 und 2 EheG, § 705 ZPO) verboten (§ 8 EheG; vgl. auch §§ 24, 27 und 28). Außerdem sollte die Frau nicht vor Ablauf von 10 Monaten nach der Scheidung erneut heiraten (§ 11 EheG).
Die Zeugenaussagen über eine Ehe mit G oder G kann das Revisionsgericht nicht würdigen. Dies ist auch nicht dem LSG aufzugeben; denn die darauf gerichtete Verfahrensrüge ist nicht hinreichend substantiiert. Der im Personenstandsverfahren ergangene Beschluß des LG vom 29. Dezember 1972, auf den sich die Revision bezieht, den allerdings das Berufungsgericht trotz Erwähnung der zuständigen Akte nicht gewürdigt hat, steht dem zuvor gewonnenen Ergebnis nicht entgegen. Wenn das LG eine Ehe mit W.G. zwischen den Ehen mit R. und mit B. nicht ausgeschlossen hat, so löst dies keine Tatbestands- oder Feststellungswirkung für den andersartigen rechtlichen Zusammenhang aus, um den es hier geht. Im übrigen hat das LG gerade nicht die Eheschließung mit W.G. als erwiesen angesehen, was für den Tatbestand einer unzulässigen Rechtsausübung erforderlich wäre. Die Todeserklärung des in Witebsk geborenen W.G. mit dem 31. Dezember 1945 als Todeszeitpunkt hat nur eine begrenzte Wirkung für andere Verfahren (BSGE 12, 147, 150 ff = SozR Nr 4 zu § 1260 RVO aF); sie beweist nicht unwiderlegbar, daß diese Person am 31. Dezember 1945 infolge von Kriegseinwirkungen verstorben ist und mit der Klägerin verheiratet war, und schon gar nicht, daß die Ehe zwischen der Klägerin und diesem W.G. vor der Verheiratung mit B. (1943) durch kriegsbedingten Tod aufgelöst wurde. Ein Bezug von Witwenleistungen bis 1944 ist nicht urkundlich bewiesen.
Die Rückzahlungspflicht ist schließlich nicht wegen eines Verwirkungstatbestandes, dh infolge Zeitablaufes und zusätzlicher Umstände, auf eine Zeit von 3 oder 4 Jahren vor dem Erlaß des Rückforderungsbescheides beschränkt (BSG SozR 3900 § 41 Nr 1). Bis die Verwaltung 1964 erfuhr, was im Personenstandsverfahren ermittelt worden war, hatte allein die Klägerin durch unredliches Verhalten die unrichtigen Entscheidungen verursacht. Alsdann hat die Verwaltung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, eigene Ermittlungen betrieben und in angemessener Zeit den Berichtigungs- und den Rückforderungsbescheid erlassen, mithin bei der Klägerin auch nicht vorübergehend das Vertrauen erweckt, sie werde die zu Unrecht erhaltenen Versorgungsbezüge nicht zurückzahlen müssen.
Die Revision der Klägerin muß nach alledem als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen