Leitsatz (amtlich)
Die Unrichtigkeit eines Bescheides über die Bewilligung von wiederaufgelebter Witwenversorgung (BVG § 44 Abs 2) steht nicht schon dann "außer Zweifel" (KOVVfG § 41 Abs 1), wenn sich spätere Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Witwe "ohne verständigen Grund" auf Unterhaltsansprüche aus der neuen Ehe verzichtet hatte (BVG § 44 Abs 5 S 3), wenn aber nicht gewiß ist, ob ihr in einem Zivilprozeß Unterhalt zugesprochen worden wäre.
Normenkette
KOVVfG § 41 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1960-06-27; BVG § 44 Abs. 2 Fassung: 1974-11-12, Abs. 5 S. 3 Fassung: 1973-12-18; EheG § 60 Fassung: 1946-02-20, § 72 Fassung: 1946-02-20
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 15.07.1976; Aktenzeichen L 7 V 113/72) |
SG Detmold (Entscheidung vom 12.05.1972; Aktenzeichen S 7 V 41/72) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juli 1976 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12. Mai 1972 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungs- und im Revisionsverfahren.
Tatbestand
Die Klägerin war in erster Ehe mit einem im 2. Weltkrieg vermißten und für tot erklärten Berufsoffizier und in zweiter Ehe mit Rechtsanwalt Dr. von W (v.W.) verheiratet. Die zweite Ehe, aus der zwei 1951 und 1952 geborene Kinder stammen, wurde durch Landgerichts(LG)-Urteil vom 13. Juli 1956 aus beiderseitigem Verschulden der Parteien geschieden. Am 9. Juli 1956 schlossen die Ehegatten vor dem LG für den Fall der Scheidung einen Vergleich, der u.a. den Unterhalt wie folgt regelte: Der Ehemann zahlt monatlich 500,- DM Unterhalt für seine beiden Kinder und seine Ehefrau; 150,- DM entfallen auf die Ehefrau. Ihr Unterhaltsanspruch erlischt bei ihrer Wiederverheiratung sowie bei Erträgen von mindestens 700,- DM monatlich aus ihrem Vermögen in der sowjetischen Besatzungszone und aus zu erbendem Vermögen. Die Parteien verzichteten auf ihre Rechte aus § 323 Zivilprozeßordnung (ZPO); für den Ehemann blieb der Fall ausgenommen, daß er infolge krankheitsbedingten Verdienstausfalles ohne Gefährdung seines eigenen Unterhalts seine Unterhaltspflichten nicht erfüllen könne. - Aufgrund eines Antrages, dem das Scheidungsurteil ohne einen Hinweis auf den Vergleich beigefügt war, bewilligte das Versorgungsamt der Klägerin ab 1. August 1956 Witwenbeihilfe nach § 44 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Höhe von zwei Dritteln der Witwenrente (Bescheid vom 19. Februar 1957). Auf eine schriftliche Anfrage teilte die Klägerin dem Versorgungsamt unter dem 12. Oktober 1960 mit, sie habe keinen Unterhaltsanspruch gegen v.W. infolge der Auflösung ihrer zweiten Ehe erworben. Eine Rückfrage beantwortete sie durch Schreiben vom 21. November 1960 dahin, daß sie sich aus eigenem Einkommen unterhalten könne und deshalb durch die Scheidung keinen Unterhaltsanspruch erworben habe, den sie geltend machen könnte; die Führung eines Prozesses, den sie verlieren werde, könne ihr nicht zugemutet werden. Die Witwenbeihilfe wurde ihr weiterhin gezahlt und ab 1. Juni 1960 Witwenrente bewilligt (Bescheide vom 19. und 20. September 1961).
Durch einen zweiten Antrag auf Schadensausgleich vom Mai 1967 veranlaßt, zog das Versorgungsamt im selben Monat die die Klägerin betreffende Akte des Landesamtes für Besoldung und Versorgung (früher: Wehrmachtsversorgungsstelle) des Landes Nordrhein-Westfalen bei; dadurch erlangte es Kenntnis von folgendem: Als die Klägerin bei dieser Behörde im Februar 1958 erneut Witwengeld nach dem Gesetz (G) zu Art. 131 Grundgesetz (GG) beantragte, wies sie das Amt auf ihren Unterhaltsanspruch gegen v.W. hin, reichte nach mehrfacher Aufforderung im September 1959 eine Ablichtung des Vergleiches ein, stellte einen Unterhaltsanspruch für die Zeit ab 1. September 1957 wegen eigener Einkünfte in Abrede und legte im Mai 1961 einen notariellen Vertrag vom 26. Januar 1961 vor. Nach diesem waren die Eheleute v.W. bei Abschluß des gerichtlichen Vergleichs davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht in der Lage sein werde, ihren Unterhalt durch eine Berufstätigkeit zu verdienen. Wider Erwarten habe die Klägerin schon einen Monat nach der Scheidung mit einer Erwerbstätigkeit begonnen und verdiene damit ihren Lebensunterhalt. Wegen der veränderten Sach- und Rechtslage wurde die Unterhaltsvereinbarung aufgehoben. Der Klägerin wurde für die Zukunft kein Unterhalt zugestanden. Die ab 9. Juli 1956 in Höhe von 150,- DM monatlich erhaltenen Beträge sollte sie zurückzahlen. Die Klägerin verpflichtete sich, zukünftig keinen Unterhalt zu verlangen, solange aufgrund ihrer Vermögens- und Erwerbsverhältnisse eine Bedürftigkeit nicht eingetreten ist (§ 60 Ehegesetz - EheG -). Die Parteien waren sich darüber einig, daß ein Unterhaltsbedarf nicht vorliege, solange die Klägerin ein Einkommen von monatlich insgesamt 250,- DM habe. Im übrigen blieb der Vergleich in Kraft, insbesondere auch die Vereinbarung hinsichtlich des § 323 ZPO. - Die Klägerin war von August 1956 bis gegen Ende 1965 als Leiterin einer Filiale eines Eheanbahnungsinstituts tätig. Sie hatte nach ihren Angaben gegenüber der Besoldungsstelle vom August 1960 und März 1961 monatliche Erwerbseinkünfte von 100,- DM. Im August 1961 erhielt sie rückwirkend ab 1. September 1957 Witwengeld nach dem G zu Art. 131 GG; ein Unterhaltsanspruch aus der aufgelösten Ehe wurde nicht angerechnet.
Das Versorgungsamt änderte den Bescheid vom 19. Februar 1957 nach allgemeinem Verwaltungsrecht, die Bescheide vom 19. und 20. September 1961 nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) ab, stellte die Witwenbeihilfe und -rente rückwirkend auf null DM fest, stellte die Zahlung ab 1. Juni 1968 ein und forderte nach § 47 KOV-VfG die für die Zeit vom 1. August 1960 bis 31. Juli 1968 in Höhe von insgesamt 11.300,- DM erbrachten Leistungen zurück (Bescheid vom 24. Juli 1968). Die Nichtanrechnung des aus der zweiten Ehe erworbenen Unterhaltsanspruches bezeichnete das Versorgungsamt als zweifelsfrei unrichtig; der Verzicht auf den durch Vergleich erworbenen Anspruch sei versorgungsrechtlich unwirksam; die Klägerin habe spätestens seit dem Schreiben des Versorgungsamtes vom 15. Juli 1960 beim Empfang der Versorgungsbezüge gewußt, daß ihr diese nicht zuständen. - Dem Widerspruch half das Landesversorgungsamt insoweit ab, als auch die in der Zeit vom 1. August 1960 bis 31. Oktober 1960 in Höhe von 300,- DM erbrachten Leistungen nicht zurückgefordert wurden (Bescheid vom 23. Mai 1959).
Das Sozialgericht (SG) vernahm den Rechtsanwalt R, der die Klägerin bei Abschluß des Unterhaltsvergleichs vertreten und später beraten hatte, als Zeugen, außerdem nach Zurückverweisung der Sache durch das Landessozialgericht (LSG) den geschiedenen Ehemann der Klägerin. Es gab der Klage statt (Urteil vom 12. Mai 1972). Das LSG hörte den geschiedenen Ehemann ergänzend schriftlich, holte Auskünfte über das Einkommen der Klägerin ein und wies die Klage ab (Urteil vom 15. Juli 1976): Die Bescheide über die Bewilligung der Witwenrente ohne Anrechnung von Unterhaltsleistungen seien als zweifelsfrei unrichtig gemäß § 41 KOV-VfG zu berichtigen, der Bescheid über die Witwenbeihilfe nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts. Ab 1956 sei eine Witwenbeihilfe durch einen höheren Unterhaltsanspruch und die höheren Unterhaltszahlungen ausgeschlossen gewesen. Auf die Witwenrente hätte ab 1. Juni 1960 der Unterhaltsanspruch ungeachtet des Verzichts im Vertrag vom 26. Januar 1961 angerechnet werden müssen; denn die Klägerin habe nicht aus einem verständigen Grund auf ihren Unterhalt verzichtet. Ob ein solcher Grund bestanden habe, sei nach objektiven Maßstäben unter Beachtung der Belange der Allgemeinheit und des Zweckes dieser subsidiären Witwenversorgung zu beurteilen. Dafür genüge nicht, daß der Klägerin ein erneuter Prozeß mit ihrem geschiedenen Ehemann, den dieser gegenüber einer Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel hätte führen können, "zuwider" gewesen wäre. Ebensowenig sei ein verständiger Grund deshalb anzuerkennen, weil Rechtsanwalt R der Klägerin davon abgeraten habe, es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen. Der Rechtsanwalt habe nicht aufgrund eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klägerin im strengen Sinn anwaltlich beraten, sondern spontan auf eine Frage geantwortet und in der Erkenntnis, daß die Klientin keine sonderliche Neigung zur Prozeßführung habe, dem Sinn nach gesagt, ein Rechtsstreit werde für sie nicht ohne Risiko sein. Selbst die Beratung durch einen Rechtsanwalt sei nicht immer als verständiger Grund zu werten. Nach der objektiven Rechtslage, die maßgebend sei, hätte die Klägerin kein unzumutbares Risiko auf sich genommen, falls sie sich von ihrem geschiedenen Ehemann hätte verklagen lassen. Einer der genau bestimmten Fälle, in denen nach dem Prozeßvergleich der an sich zeitlich unbefristete Unterhaltsanspruch hätte fortfallen sollen, sei nicht eingetreten. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wäre schwerlich nachzuweisen gewesen. Aber selbst in einem solchen Fall der rechtlichen Änderung wäre das Rechtsgeschäft nicht unwirksam geworden; vielmehr hätte der Vergleichsinhalt nach Treu und Glauben den veränderten Umständen angepaßt werden müssen. Angesichts der Vermögensertragshöhe von 700,- DM monatlich hätten nur Einkünfte erheblichen Umfanges zu einem Fortfall des Unterhaltsanspruches geführt. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die keine exakten Beträge hätten feststellen lassen, seien die Einkünfte der Klägerin stets nur geringfügig gewesen und hätten selbst bei einer Höhe von 300,- DM bis 400,- DM monatlich ganz erheblich unter der bezeichneten Grenze gelegen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. November 1974 (BVerfGE 38, 187 = SozR 3100 § 44 Nr. 2) über die Nichtigkeit der Verschuldensklausel in § 44 Abs. 2 BVG habe diese Rechtslage nicht geändert, zumal das Gericht die Wirksamkeit des Abs. 5 bejaht habe. Die Rechtsfolge, die das Bundessozialgericht (BSG) daraus für Fälle der Verwirkung eines Unterhaltsanspruches (§ 66 EheG) abgeleitet habe (BSGE 40, 260 = SozR 3100 § 44 Nr. 5 = BVBl 1976, 70), beschränke sich auf die nachträgliche Entziehung des Unterhaltsanspruches durch Richterspruch. Die zu Unrecht gezahlten Leistungen hätten nach § 47 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a KOV-VfG jedenfalls deshalb zurückgefordert werden können, weil die Klägerin beim Empfang ab November 1960 gewußt habe, daß ihr die Bezüge nicht oder nicht in der gewährten Höhe zuständen. Vor allem durch die Rückfrage vom 25. Oktober 1960 sei der Klägerin die versorgungsrechtliche Bedeutung des Unterhaltsanspruches eindrucksvoll zur Kenntnis gebracht worden. Zweifel an der nachteiligen Auswirkung auf die Versorgungsleistungen hätte sie demnach bei ihrer Intelligenz und Gewandtheit nicht haben können. Dies werde durch ihr Antwortschreiben vom 21. November 1960 bestätigt. Schließlich sei das Recht zur Rückforderung nicht verwirkt. Insbesondere habe sich der Beklagte nicht in Widerspruch zu vorausgegangenem Verhalten gesetzt.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 44 Abs. 5 BVG. Mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG vom 12. November 1974 müsse jeder Grund als verständig angesehen werden, der vom Standpunkt der Klägerin aus für einen Verzicht auf Unterhaltsansprüche gesprochen habe. Nicht verständig wäre ein Verzicht, falls die Klägerin bei Abschluß des Vertrages vom 26. Januar 1961 einen Anspruch manipuliert hätte. Davon könne keine Rede sein. Das LSG habe nicht geprüft, ob der Klägerin 1957 und 1960 überhaupt ein Unterhaltsanspruch zugestanden habe. Einen solchen habe sie infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage 1960 gegenüber dem Versorgungsamt wahrheitsgemäß verneint. Zur Unterhaltszahlung aufgrund des Vergleiches wäre es nicht gekommen, wenn der Ehemann 1957 gewußt hätte, daß die Klägerin sich bereits um eine Erwerbstätigkeit bemühte. Ein Unterhaltsanspruch sei nicht lebenslänglich vereinbart worden; vielmehr hätte der Unterhalt für die Kinder zwangsläufig steigen und dementsprechend der Anteil für die Klägerin laufend sinken und schließlich ganz entfallen sollen, damit die Kinder, wie vorgesehen, hätten studieren können. Das LSG hätte außer dem Arbeitsverdienst der Klägerin ihre Versorgung nach dem G zu Art. 131 GG berücksichtigen müssen, die sie erst nachträglich infolge einer beim Vergleichsabschluß noch nicht voraussehbaren Gesetzesänderung beziehe. Auch diese Entwicklung habe zum Fortfall des Unterhaltsanspruchs geführt, wenn dieser überhaupt entstanden sei. Abgesehen davon habe sich die Klägerin beim Abschluß des zweiten Vertrages auf den Rat ihres Rechtsanwalts verlassen können und daher 1961 die Vereinbarung aus einem objektiv verständigen Grund getroffen. Schließlich müsse sich das Versorgungsamt bei der Entscheidung über einen subsidiären Anspruch derjenigen des Landesamtes für Besoldung und Versorgung anschließen, wonach die Klägerin sich keinen Unterhaltsanspruch anrechnen zu lassen brauche.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er tritt der Auffassung des LSG bei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das LSG hat bei seinen - an sich vielleicht vertretbaren - Darlegungen zur Anrechnung von Unterhaltsansprüchen aus der neuen Ehe und zum Begriff des Verzichts "ohne verständigen Grund" (§ 44 Abs. 5 BVG) außer acht gelassen, daß die angefochtenen Bescheide nicht eine erstmalige Bewilligung der wiederaufgelebten Witwenrente, sondern den Entzug dieser Leistung wegen zweifelsfreier Unrichtigkeit ihrer Bewilligung betreffen; es hat somit zu Unrecht der Berufung des Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen.
Die Entscheidungen vom 19. und 20. September 1961 über den Rechtsanspruch auf Witwenrente für die Zeit ab 1. Juni 1960 (§ 44 Abs. 2 BVG idF des 1. Neuordnungsgesetzes - NOG - vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453 -) durften nicht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KOV-VfG in der Fassung, die vor der Neugestaltung durch Art. 25 Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3091) galt, aufgehoben werden; denn sie waren im Zeitpunkt ihres Erlasses nicht außer Zweifel tatsächlich und rechtlich unrichtig. Bei dieser Entscheidung war allerdings die Versorgungsverwaltung nicht an diejenige des Besoldungsamtes gebunden; im Beamtenrecht ist nach anderen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden.
Rückschauend betrachtet ist die nach § 44 Abs. 2 BVG wiederaufgelebte Rente nicht zweifelsfrei durch den im gerichtlichen Vergleich zugestandenen Unterhaltsbetrag fortgefallen. Nach § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG war ein infolge der Scheidung der neuen Ehe erworbener Unterhaltsanspruch geltend zu machen (Halbsatz 1); die entsprechenden Leistungen waren auf die Witwenrente anzurechnen (Halbsatz 2). Zwar beruht auch eine Unterhaltsleistung aufgrund des § 60 EheG jedenfalls dann auf einem Unterhaltsanspruch, wenn sie durch einen gerichtlichen Vergleich (fraglich, ob es sich um einen Titel i.S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO handelt; Hoffmann/Stephan, Ehegesetz, 2. Aufl. 1968, § 72, Rdnr. 88) der Frau zugestanden worden ist (zu § 42 Abs. 1 Satz 1 BVG: BSGE 13, 166, 168 f = SozR Nr. 3 zu § 42 BVG). Die Klägerin hat aber nachträglich, und zwar vor Erlaß der genannten Bescheide, durch den notariellen Vertrag rückwirkend auf den Unterhalt verzichtet und die bereits erhaltenen Unterhaltsbeträge zurückgezahlt. Damit sollten sowohl der durch Vergleich zugestandene Unterhaltsanspruch als die erhaltenen Leistungen entfallen. Ungeachtet des Wortlautes des § 44 Abs. 5 BVG mag ein Verzicht auf den gesetzlichen oder vertraglich zugestandenen Unterhalt, obgleich der Vertrag eherechtlich wirksam ist (§ 72 EheG; vgl. dazu aber Hoffmann/Stephan, § 72, Rdnr. 45; Brühl/Göppinger/Mutschler, Unterhaltsrecht, 1. Teil, 3. Aufl. 1973, S. 927, 946 f, 954), grundsätzlich für das Versorgungsrecht unwirksam gewesen sein, so daß der Unterhalt hätte angerechnet werden müssen, den der Ehemann ohne den Verzicht zu leisten gehabt hätte, falls die Frau ihre Rechte geltend gemacht hätte (Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 BVG in der damals geltenden Fassung; BSG, BVBl 1966, 119 = KOV 1966, 228; zu der entsprechenden Vorschrift des § 1291 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 RVO: BSG SozR 2200 § 1291 Nrn. 8 und 10 m.w.N.). Gleichwohl hätte die Klägerin nicht zweifelsfrei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ohne den Verzicht überhaupt einen Unterhalt und zudem einen höheren Betrag als die Witwenrente von ihrem geschiedenen Ehemann zu beanspruchen gehabt und auch erhalten. Aufgrund der Feststellungen des LSG läßt sich nicht die entfernte Möglichkeit ausschließen, daß sie auch dann ohne Unterhalt geblieben wäre, wenn sie den Vertrag vom 26. Januar 1961 nicht abgeschlossen hätte oder wenn der darin erklärte Verzicht rechtlich nicht zu beachten wäre. Damit fehlt es an der notwendigen Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 41 KOV-VfG (BSG SozR 3900 § 41 Nr. 1 m.w.N.).
Da die Eheleute v.W. aus beiderseitigem Verschulden geschieden sind, hat die Klägerin nicht ohne weiteres kraft Gesetzes einen Unterhaltsanspruch gegen v.W. Vielmehr kann ihr, sofern sie sich nicht selbst unterhalten kann, nach § 60 EheG ein Unterhaltsbeitrag, u.U. zeitlich beschränkt, zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowie die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des geschiedenen Ehemannes, einer Frau, die etwa mit ihm eine neue Ehe eingegangen ist, der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten der Frau sowie der minderjährigen Kinder der Billigkeit entspricht. Da v.W. sich jedenfalls 1960/1961 gegen eine Erfüllung des Vergleiches wegen des Einkommens der Klägerin wehrte, muß damit gerechnet werden, daß er es, falls die Klägerin keinen Änderungsvertrag abgeschlossen, sondern auf Erfüllung des Vergleiches, notfalls durch Zwangsvollstreckung, bestanden hätte, zu einem Rechtsstreit hätte kommen lassen. Dessen Ausgang wäre aber ungewiß. Zwar war der Fall, daß die Klägerin eigenes Einkommen durch Arbeit oder durch ein Witwengeld nach dem G zu Art. 131 GG erwerben könnte, nicht als Grund für den Fortfall des vertraglichen Unterhaltsanspruchs vorgesehen, und eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO war - mit Ausnahme eines nicht eingetretenen Tatbestandes - ausgeschlossen. Ungeachtet dessen hätte die Klägerin in einem Prozeß ihren Anspruch aus dem Vergleich verlieren können. Grundsätzlich mögen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei Erstfeststellungen von Hinterbliebenenbezügen selbständig zu entscheiden haben, ob ein eherechtlicher Unterhaltsanspruch, der im Recht der Kriegsopferversorgung erheblich ist, besteht (für § 42 Abs. 1 Satz 1 BVG: BSGE 13, 170). Jedoch kommt es entgegen dem Berufungsurteil für die rechtliche Beurteilung in diesem Fall nicht darauf an, ob nach der Rechtsauffassung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die die angefochtenen Berichtigungsbescheide nach § 41 KOV-VfG prüfen, die Klägerin aufgrund des Vergleiches, den grundsätzlich auch das Revisionsgericht auszulegen hätte (BSG SozR 1500 § 163 Nr. 2; BGHZ 33, 20, 37; 47, 217, 220 f; 37, 233, 243; BAG Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen 1971, 129 mit Anmerkung von Beitzke; BAG AP Nr. 30 zu § 133 BGB mit Anmerkung von Kuchinke), einen Unterhalt ohne den Verzicht zu erwarten gehabt hätte. Vielmehr ist entscheidend, ob ihr das zuständige Zivilgericht in letzter Instanz zweifelsfrei einen Unterhaltsbetrag zuerkannt oder evtl. abweichend vom Prozeßvergleich nicht zugesprochen hätte. Möglicherweise hätte das zuständige Zivilgericht wegen des unerwarteten Einkommens der Klägerin aus zwei Quellen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen und evtl. unter Berücksichtigung der genannten Voraussetzungen des § 60 EheG der Klägerin den vertraglichen Unterhaltsbeitrag aberkannt (Hoffmann/Stephan, § 72, Rdnrn. 43, 44, 45; Brühl/Göppinger/Mutschler, S. 961, 963). Weder die vom zuständigen Gericht vertretene Rechtsaufassung noch das Ergebnis einer Beweisaufnahme über die Vergleichsvoraussetzungen sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute v.W. lassen sich mit Sicherheit voraussagen. Daß ein Gericht allein wegen der vom LSG festgestellten Höhe des Arbeitseinkommens, das die Klägerin erzielt haben soll, ohne Berücksichtigung ihrer Rente nach dem G zu Art. 131 GG das Fortbestehen des durch den Vergleich zugestandenen Unterhaltsbeitrages angenommen hätte, ist nicht zweifelsfrei. Auch bei Nichtbeachtung eines Verzichts ist nur der Unterhalt anzurechnen, den die geschiedene Frau und frühere Witwe tatsächlich aus der zweiten Ehe erhalten kann; dies ist im 2. Halbsatz des § 44 Abs. 5 BVG klargestellt, wenn die "Leistungen" aus dem Unterhaltsanspruch anzurechnen sind.
Die im Ergebnis gleiche Rechtslage wurde in § 44 Abs. 5 Satz 1 BVG idF des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) dadurch beschrieben, daß die bestimmten Ansprüche anzurechnen sind, soweit sie zu verwirklichen sind (dazu BSG SozR Nr. 16 zu § 44 BVG; BSGE 34, 103, 104 f = SozR Nr. 17 zu § 44 BVG). Nach den vorhergehenden Darlegungen ist es nicht zweifelsfrei, daß die Klägerin den ihr durch Vergleich zugestandenen Anspruch endgültig hätte "verwirklichen" können.
Für die Zeit ab 1. Januar 1964 war und ist nach § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG in der seit dem 2. NOG geltenden Fassung und nach Satz 3 in der seit dem 5. Anpassungsgesetz(AnpG)-KOV vom 18. Dezember 1973 (BGBl I 1909) geltenden Fassung der Betrag anzurechnen, den der Ehemann ohne einen Verzicht zu leisten hätte, falls die Witwe ohne verständigen Grund auf einen Anspruch i.S. des Satzes 1 verzichtet hat. Dies könnte auch schon vorher unter der Herrschaft des 1. NOG gegolten haben (BSGE 18, 263, 265 f = SozR Nr. 7 zu § 44 BVG). Das kann aber ebenso dahingestellt bleiben wie die vom LSG getroffenen Entscheidungen darüber, ob ein solcher Tatbestand gegeben war und ob neuerdings die eingeschränkte Voraussetzung des verständigen Grundes nicht mehr gilt oder ob sie anders als bisher auszulegen ist. Jedenfalls wäre der Ausgang eines zu erwartenden Zivilrechtsstreits, wie dargelegt, ungewiß, und dann wäre selbst bei Nichtbeachtung des Verzichts ein Unterhaltsanspruch aus dem Vergleich nicht zweifelsfrei gegeben.
Demnach war die Berichtigung für die Zeit ab 1. Juni 1960 rechtswidrig.
Durch den Bescheid vom 19. Februar 1957 wurde der Klägerin Witwenbeihilfe nach § 44 Abs. 4 BVG idF des 5. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl I 463), mithin keine Leistung aufgrund eines Rechtsanspruches, auf die § 41 KOV-VfG anzuwenden ist, sondern eine Kann-Leistung gewährt. Dieser Verwaltungsakt dürfte nur nach Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zurückgenommen werden, falls er unrichtig wäre (BSGE 21, 35, 37 f = SozR Nr. 23 zu § 41 VerwVG); dies betrifft die Leistungen bis zum 31. Mai 1960. Nach diesen Grundsätzen können begünstigende rechtswidrige Verwaltungsakte nur ausnahmsweise zurückgenommen werden, wenn das Interesse der Verwaltung an der Beseitigung der Entscheidung die berechtigten Interessen des Begünstigten an der Aufrechterhaltung überwiegt, die Rücknahme also nicht unzumutbar ist, dann aber regelmäßig auch nur mit Wirkung für die Zukunft (BSGE 10, 72, 76; 15, 252, 257; 21, 38 f; 30, 17, 20 = SozR Nr. 63 zu § 77 SGG). Jedenfalls soll die Rücknahme zulässig sein, wenn die Rechtswidrigkeit durch Umstände verursacht worden ist, die in den "Verantwortungsbereich" des Begünstigten fallen (BSGE 7, 51, 52). Dem entspricht die neuerdings für Verwaltungsbereiche außerhalb der Kriegsopferversorgung geltende Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Vw-VfG vom 25. Mai 1976 (BGBl I 1253). Diese Rechtsgrundsätze rechtfertigen im Falle der Klägerin die Rücknahme des Bescheides über die Witwenbeihilfe schon deshalb nicht, weil dieser Verwaltungsakt nicht eindeutig rechtswidrig war, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu § 41 KOV-VfG sinngemäß ergibt.
Da die Berichtigungen rechtswidrig sind, ist der gesamte Rückforderungsanspruch gegenstandslos, so daß die Revision der Klägerin Erfolg haben muß.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen