Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatbestandsmerkmale der angewendeten Gesetze
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der angewendeten Rechtsnorm gefunden werden, dürfen nicht allein mit den Worten des Gesetzes "festgestellt" oder mit gleichbedeutenden Worten umschrieben werden.
2. Gibt ein Urteil den Sachverhalt nur undeutlich an, fehlt es insbesondere an der Feststellung von Tatsachen, die unter das Gesetz subsumiert werden können, so muß - auch wenn insoweit keine Rüge erhoben worden ist - bei einer zugelassenen Revision das Urteil aufgehoben werden.
3. Die Zulassung einer Revision, die nur zur Überprüfung tatsächlicher Fragen erfolgt, ist gesetzwidrig und bindet das BSG nicht.
Orientierungssatz
Zur Frage der Versicherungspflicht eines Bankgeschäftsstellenleiters.
Normenkette
AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; SGG § 128 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Januar 1960 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Klägerin, die Oldenburgische Landesbank AG, unterhält in ihrem Geschäftsbereich an verschiedenen Orten Filialen und an einigen Orten sog. Agenturen, die später in Geschäftsstellen umbenannt worden sind.
Durch Vertrag vom 9. Februar 1954 hat sie ua ihre Geschäftsstelle in Damme dem Beigeladenen Heinrich B übertragen. Nach den schriftlich getroffenen Vereinbarungen sollte es sich um einen Agenturvertrag handeln und der Beigeladene als Agent die Vermittlung von Bankgeschäften übernehmen und dabei selbständiger Kaufmann sein und nicht als Angestellter in den Dienst der Klägerin treten.
Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hielt die Tätigkeiten der Leiter der Agenturen ihres Geschäftsbereiches für versicherungspflichtig, da jene Angestellte der Klägerin seien. Das Gesamtbild ihrer Tätigkeit entspreche derjenigen eines persönlich abhängigen Angestellten. Durch Bescheid vom 28. September 1956 forderte die Beklagte demgemäß ua für den Beigeladenen B insgesamt 1.134,98 DM Sozialversicherungsbeiträge nach, und zwar für die Zeiten vom 1. Januar 1950 bis 31. Dezember 1951 sowie vom 1. Januar 1953 bis 31. Januar 1954 zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung, und vom 1. Februar 1954 bis 31. August 1956 zur Kranken-, Angestellten- und Arbeitslosenversicherung. Für das Jahr 1952 sah sie ihn wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze als versicherungsfrei an. Der wegen der Nachforderung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos.
Nachdem die Klägerin Klage erhoben hatte, änderte die Beklagte den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Beigeladenen B dahin ab, daß sie Beiträge auch für die Jahre 1955 und 1956 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht mehr forderte.
Durch Urteil vom 26. Juli 1957 hob das Sozialgericht (SG) Oldenburg die angefochtenen Bescheide hinsichtlich des Beigeladenen B weiter noch insoweit auf, als Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vor dem 1. Dezember 1953 verlangt wurden. Es sah ihn zwar-ebenso wie die inzwischen am Verfahren nicht mehr beteiligten übrigen beigeladenen "Agenten"-als versicherungspflichtig beschäftigten Angestellten der Klägerin an. Die Beiträge für die Zeit vor dem 1. Dezember 1953 waren jedoch nach Ansicht des SG verjährt.
Mit ihrer Berufung vertrat die Klägerin weiter die Auffassung, die Inhaber ihrer Agenturen, die jetzt Geschäftsstellen hießen, seien versicherungsfrei, da sie selbständige Handelsvertreter seien. Das Bankgeschäft gehöre zu den Grundhandelsgewerben (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Es könne daher auch von Handelsvertretern ausgeübt werden. Den Vertragsparteien sei es freigestellt, wie sie ihre rechtlichen Beziehungen regelten. Die Inhaber ihrer Agenturen hätten niemals die Absicht gehabt, Arbeitnehmer der Klägerin zu werden, sie fühlten sich vielmehr als selbständige Kaufleute. Sie sähen ihre Aufgabe nicht darin, festgesetzte Dienststunden abzuleisten, sondern unter Ausnutzung ihrer persönlichen Beziehungen Bankgeschäfte in möglichst großem Umfang zu vermitteln. Allen drei zunächst am Verfahren beteiligten Agenten sei gemeinsam, daß sie ihre Arbeitszeit frei bestimmen könnten und in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht an Weisungen gebunden seien. Sie könnten überdies noch für weitere Unternehmer aus anderen Branchen tätig sein. Sie dürften lediglich nicht Bankgeschäfte für andere Kreditinstitute erledigen, entsprechende Verbote seien aber gerade für Handelsvertreter typisch. Nach den §§ 84, 86 HGB gehöre es zu deren Aufgaben, die Interessen ihres Unternehmers wahrzunehmen, mithin diesem keine Konkurrenz zu machen, für die Ausbreitung des Unternehmens zu sorgen und alles zu vermeiden, was das Ansehen und den Ruf des Auftraggebers schädigen könnte. Dazu rechne auch das vereinbarte Verbot, sich von Dritten Vorteile versprechen zu lassen. Die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 90 HGB) und zur Erteilung von Auskünften (§ 86 Abs. 2 HGB) sei ebenso dem Handelsvertreter eigen wie die Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung. Das Recht der Klägerin zur Revision ergebe sich aus den Besonderheiten des Bankgeschäftes. Die Aufnahme dieses Rechts in den Vertrag sei überhaupt nur deshalb erforderlich gewesen, weil es zwar gegenüber einem Angestellten, nicht aber gegenüber einem Handelsvertreter selbstverständlich sei. Für ihre Tätigkeit erhielten die Agenten Provision und kein Gehalt. Bei einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bilde die Zahlung von Provisionen die Ausnahme. Ihnen werde auch weder Urlaub gewährt noch erhielten sie, wie es sonst im Bankgewerbe für Angestellte üblich sei, drei halbe Monatsgehälter. Bei Abwesenheit des Geschäftsstellenleiters würden die Kunden von Familienangehörigen oder vor eigenen Angestellten der Agenturen abgefertigt. Nur in Ausnahmefällen helfe die übergeordnete Filiale aus. Die Betriebsmittel seien nur zum Teil von der Klägerin gestellt. Firmenschild und Rufnummer des Fernsprechers mit dem Namen der Oldenburgischen Landesbank AG seien keine Merkmale für die Unselbständigkeit. Es sei eine weit verbreitete Übung, daß zB Vertreter von Markenartikeln mit der Firma des Unternehmers firmieren. Die beigeladenen Agenten würden zur Einkommensteuer herangezogen.
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) seien sie damit als selbständige Unternehmer anzusehen. Die besonderen Verhältnisse bei den einzelnen Geschäftsstellenleitern sprächen ebenfalls gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. So sei zB der Beigeladene B Eigentümer einer Gastwirtschaft, die er verpachtet habe. Sein regelmäßiger Verdienst als "Agent" überschreite zudem 9.000,- DM, da hierbei nicht zu berücksichtigen sei, daß er die von ihm angestellte und beschäftigte Schreibkraft bezahle.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 26. Januar 1960 das angefochtene Urteil sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. September 1956 und 16. November 1956 hinsichtlich des Beigeladenen B sowie der übrigen beigeladen gewesenen Geschäftsstellenleiter in vollem Umfang aufgehoben. Es hält die Inhaber der Geschäftsstellen der Klägerin auf Grund der geschlossenen Verträge für Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB und somit für selbständige Gewerbetreibende. Zur Begründung erörtert es eingehend die materielle Rechtslage unter Heranziehung der maßgebenden Rechtsprechung und des Schrifttums sowie die Gesichtspunkte, nach denen die Frage zu entscheiden ist, wann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt und wann jemand selbständiger Handelsvertreter ist. Sodann führt es aus, daß der Inhalt der abgeschlossenen Verträge das Bestehen von Vertreterverhältnissen ergebe. Schließlich legt es dar, daß auch die tatsächlichen Verhältnisse keine andere Beurteilung rechtfertigten als die Annahme, daß die "Agenten" selbständige Kaufleute seien.
Gegen das Urteil des LSG, in welchem die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen worden war, hat sie beklagte AOK dieses Rechtsmittel hinsichtlich des Beigeladenen B. eingelegt mit dem Antrage,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 26. Januar 1960 abzuändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 26. Juli 1957 zurückzuweisen, soweit sie den Beigeladenen B. betrifft.
Nunmehr bestehe nur noch Streit darüber, ob der Beigeladene B. für die Zeit vom 1. Dezember 1953 bis zum 31. Dezember 1954 versicherungspflichtig war. Die der Entscheidung des LSG zugrunde gelegten Feststellungen deckten sich nicht mit dem tatsächlichen Sachverhalt. Das LSG habe keinen Beweis erhoben und auch die zum Zwecke der Sachaufklärung gegebene Anregung im Schriftsatz vom 30. September 1959, eine Ortsbesichtigung vorzunehmen, unberücksichtigt gelassen; es hätte sich deshalb an das Ergebnis der vor dem SG durchgeführten Beweisaufnahme vom 27. Juli 1957 halten müssen. Bei zutreffender Beweiswürdigung wäre es zu anderen Feststellungen gekommen. Der Beigeladene B sei seit Kriegsende Geschäftsstellenleiter der Oldenburgischen Landesbank in Damme. Vorher sei er Angestellter der Klägerin in deren Zweigstelle am selben Ort gewesen. Es habe sich an seiner Tätigkeit und seinen Aufgaben nichts dadurch geändert, daß er im Vertrag vom 9. Februar 1954 als Agent bezeichnet worden sei. Seine Angaben vor dem SG ergäben eindeutig das Bild eines in persönlicher Abhängigkeit stehenden Angestellten. Ein Unterschied zwischen seiner früheren Beschäftigung bei der Klägerin und seiner späteren bestehe nur in Äußerlichkeiten wie ua der Bezeichnung des vereinbarten Entgelts als Provision. Es sei schlechthin undenkbar, von einem selbständigen Vertreter zu sprechen, wenn dieser, wie im vorliegenden Fall, eine Geschäftsstelle der Klägerin verwalte, und diese nicht nur die Miete für die Räume bezahle, sondern die gesamte Einrichtung einschließlich der Öfen usw zur Verfügung stelle und auch die Unkosten für die Heizung, das Telefon und für etwa notwendig werdende Reparaturen trage. Der Beigeladene sei auch nicht der Arbeitgeber der in der Geschäftsstelle noch tätigen Angestellten S., da diese den Tariflohn der Bankangestellten erhalte. Dementsprechend sei sie nicht vom Beigeladenen B sondern von der Klägerin als Arbeitgeberin bei der AOK angemeldet worden. Dazu komme, daß der Betrieb des Beigeladenen nach dem äußeren Erscheinungsbild und dem verwendeten Briefkopf eine Geschäftsstelle der Klägerin war. Das LSG hätte sich angesichts dieser unstreitigen Tatsachen gedrängt fühlen müssen, weitere Beweise zur vollen Aufklärung des Sachverhalts zu erheben. Eine Ortsbesichtigung hätte ergeben, daß die angebliche Agentur eine voll ausgebaute Zweigstelle der Klägerin sei, die von einem Handelsvertreter gar nicht geleitet werden könne. Die Klägerin sei schon aus Konkurrenzgründen und auch ganz allgemein darauf angewiesen, ihre Bankkunden in Damme laufend und ausreichend zu betreuen. Dementsprechend sei die Geschäftsstelle stets von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr außer Mittwoch und Sonnabend nachmittags geöffnet gewesen und hätte dem Publikum zu diesen Zeiten uneingeschränkt zur Abwicklung von Bankgeschäften zur Verfügung gestanden; während dieser Zeit hätte der Beigeladene B ständig anwesend sein müssen. Unter Würdigung aller dieser Umstände lasse sich nur seine persönliche Abhängigkeit feststellen; von einer im wesentlichen frei gestalteten Tätigkeit könne bei ihm keine Rede sein.
Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die beigeladene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb) haben sich den Ausführungen und Anträgen der beklagten AOK angeschlossen.
Die Revisionsbeklagte, die klagende Oldenburgische Landesbank AG, beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, der Beigeladene B sei nach den zutreffenden Ausführungen des LSG ebenso wie die übrigen fünfzig mit ihr in Geschäftsverbindung stehenden Inhaber derartiger Agenturen selbständiger Handelsvertreter. Die beiderseitigen Beziehungen seien ausschließlich durch den Vertrag vom 9. Februar 1954 geregelt. Danach bestehe kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis. In der deutschen Rechtsordnung gelte noch immer der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der es den Beteiligten, soweit nicht ein ausdrückliches gesetzliches Verbot entgegenstehe, gestatte, ihre Rechtsbeziehungen so zu gestalten, wie sie es für sich als am vorteilhaftesten ansähen. Sie, die Klägerin, könne somit selbst dann nicht gehindert werden, ihre Interessen durch freie Handelsvertreter wahrnehmen zu lassen, wenn dies geschehe, um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einzusparen. Das LSG gehe zu Recht davon aus, daß die Bankgeschäfte Handelsgeschäfte im Sinne des § 1 HGB seien, die von einem Handelsvertreter wahrgenommen werden könnten. Für die rechtliche Beurteilung der Stellung des Beigeladenen B komme es daher entscheidend auf den Willen der Vertragsparteien an. Es stehe aber jedem Unternehmer frei, ob er mit Angestellten oder Vertretern arbeiten wolle; ebenso stehe es jedem Beauftragten frei, ob er sich an einen Unternehmer als Angestellter binden wolle oder ob er die Stellung eines freien und selbständigen Handelsvertreters vorziehe. Nur dies könne der Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung sein. Unerheblich sei daher, ob der Beigeladene B früher einmal Angestellter der Oldenburgischen Landesbank gewesen sei, und ob diese früher ihre Geschäftsstelle in Damme mit eigenen Angestellten betrieben habe. Ebenso wie ein früherer selbständiger Handelsvertreter jederzeit in ein Angestelltenverhältnis eintreten könne, könne umgekehrt das Angestelltenverhältnis jederzeit durch Vereinbarung beendet und auf eine neue Grundlage gestellt werden. Dies sei durch den Vertrag vom 9. Februar 1954 geschehen.
Die erhobene Rüge der mangelnden Sachaufklärung sei unbegründet. Weder die Gebrauchsüberlassung von Einrichtungsgegenständen noch die Erstattung gewisser Unkosten schließe die Selbständigkeit aus, ebensowenig ließen die Firmenbezeichnung und die verwendeten Formulare auf eine abhängige, unselbständige Tätigkeit des Beigeladenen B schließen. Dieser sei auch der Arbeitgeber der von ihm eingestellten Hilfskraft.
Zu Unrecht schließe die Beklagte aus der Einhaltung von Kassenstunden auf eine feste Arbeitszeit des Beigeladenen B Es komme nicht darauf an, welche Kassenstunden dieser dem Publikum bekanntgebe, sondern darauf, ob er ihr, der Klägerin, gegenüber für seine Person an eine feste Arbeitszeit gebunden sei. Hieran aber fehle es nach dem Vertrage vom 9. Februar 1954. Danach könne der Beigeladene B im Einklang mit den zutreffenden und für die Revisionsinstanz bindenden Feststellungen des LSG seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten. Zusammenfassend lasse sich daher nur sagen, daß ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beigeladenen B und der Oldenburgischen Landesbank nicht bestehe.
Der Beigeladene B hat keine Anträge gestellt.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist im wesentlichen begründet und mußte zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen.
Die Revisionsklägerin rügt zunächst Verletzung des § 103 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat. Es kann zweifelhaft sein, ob diese Rüge in einer der Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG entsprechenden Form erhoben worden ist. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, da das angefochtene Urteil bereits aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten werden kann (BSG, SozR § 162 SGG Bl. Da 36 Nr. 122). Es läßt insbesondere nicht hinreichend deutlich erkennen, was das LSG in tatsächlicher Hinsicht als festgestellt erachtet hat; die wenigen deutlichen Feststellungen des LSG rechtfertigen nicht seine Auffassung, der Beigeladene B. sei selbständig gewesen. - Zwar enthält das angefochtene Urteil eingehende und längere Ausführungen über die Rechtslage, d. h. darüber, wonach die Frage zu entscheiden ist, ob jemand selbständiger Gewerbetreibender oder abhängiger Arbeitnehmer ist. Sie stimmen zudem mit der herrschenden Lehre sowie der Rechtsprechung des Senats im wesentlichen überein (vgl. insbesondere BSG 13, 130 sowie die Besprechungen hierzu von Trinkhaus in Sgb 1961, 249 und von Lublasser, ebenda S. 426). Danach ist allgemein wesentliches Merkmal eines Arbeitsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber bei der Arbeitsleistung (BAG 13, 303, 307). Sie zeigt sich vor allem darin, daß der Arbeitnehmer in den Betrieb seines Unternehmers eingeordnet ist und bei der Ausführung der Arbeit dessen Weisungen zu folgen hat. Für das hier in Betracht kommende Recht des Handelsvertreters bestimmt zudem in diesem Sinne § 84 Abs. 1 HGB i. d. F. des hier bereits maßgebenden Gesetzes zur Änderung des HGB vom 6. August 1953 (BGBl I 771) ausdrücklich, daß selbständiger Handelsvertreter ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Richtig hat das LSG in diesem Zusammenhang auch erkannt, daß die von den Beteiligten für eine bestimmte Tätigkeit gewählte vertragliche Regelung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht schlechthin maßgebend ist. Unerheblich ist deshalb, wie die Beteiligten die für die Frage der Sozialversicherungspflicht maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse beurteilt sehen wollen, vielmehr sind ausschlaggebend die wahren tatsächlichen Verhältnisse, wie sie in ihrer konkreten Erscheinung geartet sind und wie sie sich tatsächlich abgewickelt haben (vgl. ua BAG, AP § 611 BGB "Abhängigkeit" Nr. 3).
Alle hierzu vom LSG angestellten Erwägungen und Ausführungen stellen jedoch für sich allein keine ausreichende Begründung für die Ablehnung einer abhängigen Beschäftigung dar. Die Wiederholung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und der dazu in der Rechtsprechung und im Schrifttum entwickelten Grundsätze kann eine auf die tatsächlichen Verhältnisse näher eingehende Begründung für die im konkreten Einzelfall zu treffende Entscheidung nicht ersetzen. Das LSG beschränkt sich überwiegend darauf, das Vorliegen der Kriterien "festzustellen", die für die Unterscheidung von Handelsvertretern einerseits und Angestellten andererseits nach der Rechtsprechung wesentlich sind. Ein solches Vorgehen genügt nicht den Erfordernissen des § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach in dem Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend waren. Die Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der angewendeten Rechtsnormen gefunden werden, dürfen nicht allein mit den Worten des Gesetzes "festgestellt" oder mit gleichbedeutenden Worten umschrieben werden. Vielmehr müssen die Tatbestandsmerkmale der angewendeten Gesetze in einzelne, greifbare, konkrete Tatsachen aufgelöst werden. Dies ist erforderlich, weil das Revisionsgericht in der Lage sein muß, die Subsumtion der Tatsachen auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen. Jede Nachprüfung von Rechtsfragen setzt voraus, daß das angefochtene Urteil eindeutige Feststellungen tatsächlicher Art enthält (§ 163 Halbs. 1 SGG). Gibt das Urteil den Sachverhalt nur undeutlich an, fehlt es insbesondere an der Feststellung von Tatsachen, die unter das Gesetz subsumiert werden können, so muß - auch wenn insoweit keine Rüge erhoben worden ist - bei einer zugelassenen Revision das Urteil aufgehoben werden (SozR § 163 SGG Bl. Da 2 Nr. 6), weil die wenigen Feststellungen nicht den Schluß auf die angenommenen Rechtsfelgen - hier Selbständigkeit des Beigeladenen - rechtfertigen.
Allerdings läßt sich nicht allgemein festlegen, wie genau die Angaben für eine ausreichende Begründung sein müssen. Dies richtet sich vielmehr jeweils nach den Umständen des einzelnen Falles und der Bedeutung bestimmter Tatbestandsmerkmale für die rechtliche Beurteilung. Eine nähere Begründung mag im allgemeinen insbesondere dann entbehrlich sein, wenn eine gegenteilige Annahme ersichtlich ausscheidet. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Rechtsstreit. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil reichen nicht aus, um die rechtliche Beurteilung zu rechtfertigen, daß der Beigeladene B selbständiger Handelsvertreter ist.
So geht das LSG zunächst davon aus, die "Agenten" der Beklagten seien ständig damit betraut, für diese Bankgeschäfte zu vermitteln, und zwar Grundhandelsgeschäfte im Sinne des § 1 HGB. Es sagt jedoch weder, was es unter Bankgeschäften versteht, noch stellt es fest, welche Art von Bankgeschäften die Agenten im allgemeinen für die Beklagte vermittelt haben. Sollten hierunter zB auch Ein- und Auszahlungen im normalen Tagesverkehr zu Gunsten und zu Lasten von Konten der Girokunden der Klägerin gehören, so wäre es immerhin unüblich, derartige "Bankgeschäfte" des täglichen Lebens durch selbständige Vertreter "vermitteln" zu lassen, und es wäre bedenklich, darin eine Tätigkeit zu sehen, die vom Geschäftsstellenleiter im wesentlichen frei gestaltet werden könnte. Gerade dahingehende Behauptungen hatte die Beklagte aber in ihrem vom LSG in Bezug genommenen Schriftsatz vom 20. Januar 1958 aufgestellt. Dort hatte sie vorgetragen, die Geschäftsstelle in Damme sei zu den bei allen Kreditinstituten üblichen Zeiten ständig geöffnet gewesen. Es sei überhaupt nicht denkbar, daß ein Kunde während der ortsüblichen Dienstzeit die Geschäftsstelle des Beigeladenen B geschlossen vorgefunden habe und deshalb nicht die Möglichkeit erhalten hätte, Einzahlungen auf sein Konto oder Abhebungen von seinem Konto vorzunehmen. Sollten dagegen die Agenten der Geschäftsstellen der Oldenburgischen Landesbank sich auf die Vermittlung von Krediten und Hypotheken, Sparverträgen usw, die Eröffnung von laufenden Konten, Devisengeschäfte und andere ähnliche, größere Bankgeschäfte beschränkt haben, so wäre allerdings nicht einzusehen, warum die Klägerin sich hierbei nicht zur Förderung ihrer Geschäftsbeziehungen selbständiger Vermittler bedienen sollte. Insoweit könnte man alsdann auch mit Recht davon sprechen, daß die Agenten dabei "unter Ausnutzung ihrer persönlichen Beziehungen" Bankgeschäfte vermitteln. Indes ist hierzu dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen.
Weiter sagt das LSG, die Agenten erhielten nur Provision, woraus es maßgeblich auf deren Selbständigkeit schließt. Es fehlen aber Angaben darüber, für welche Geschäfte sie Provision bezogen haben und in welcher Höhe. Ohne Feststellungen und Ausführungen hierüber läßt sich jedoch wiederum nicht entscheiden, ob die Tatsache der Provisionszahlung für oder gegen ein selbständiges Vertreterverhältnis spricht, ob es sich insbesondere um eine reine, von äußeren Umständen abhängige, in der Höhe von dem einzelnen "Agenten" kaum beeinflußbare Umsatzprovision handelt oder um eine solche, die maßgeblich von der persönlichen Tätigkeit des Agenten abhängt, zB vom Erfolg einzelner, erfolgreich vermittelter Großgeschäfte.
Entscheidenden Wert legt das LSG sodann darauf, daß die Arbeitszeit dem Beigeladenen B nicht vorgeschrieben sei, er diese mithin selbst bestimmen könne, auch wenn in seiner Geschäftsstelle die sonst übliche Geschäftszeit innegehalten würde. Diese Ausführungen mögen durchaus zutreffend sein, sie sind aber ebenfalls nicht ausreichend durch Tatsachen belegt, und abgesehen hiervon auch ohnedies nicht geeignet, die bedeutungsvolle Rolle für die Entscheidung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag oder nicht, zu spielen, die ihr das LSG ersichtlich zugemessen hat. Es stellt selbst fest, daß in der Geschäftsstelle des Beigeladenen B noch ständig eine Angestellte beschäftigt war. Daher wären Ausführungen darüber angebracht gewesen, ob der Beigeladene etwa vorwiegend im Außendienst (Besuch von Kunden zu Werbungszwecken) oder im Innendienst (Schalterverkehr) tätig war, und ob etwa der Innendienst im wesentlichen von der Angestellten versehen wurde. Hatte der Beigeladene vorwiegend Innendienst zu verrichten, dann wäre es allerdings ein entscheidendes Argument für seine Selbständigkeit gewesen, wenn er wirklich nicht an Dienststunden gebunden war. War er dagegen vorwiegend Vermittler im Außendienst, so ergibt sich aus der Natur einer solchen Tätigkeit, daß er nicht streng an Dienststunden gebunden sein konnte, so daß die fehlende Bindung an solche es nicht ausschloß, daß er nur Angestellter im Außendienst war. Hatte er dagegen praktisch den normalen Publikumsverkehr und Schalterdienst einer jeden Bankfiliale vereinbarungsgemäß zu "vermitteln", so kann die "Feststellung" schwerlich richtig sein, daß er an Dienststunden nicht gebunden war, da er, wenn er nicht anwesend war, die Bankkunden nicht bedienen konnte.
Weiter führt das LSG ua aus, dem Beigeladenen B. seien von der Klägerin eine Reihe von Gegenständen zum Gebrauch überlassen worden, die er zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes benötigte, auch würden ihm zum Teil die damit zusammenhängenden Unkosten ersetzt; es handele sich dabei ua um die Überlassung von Schreibmaschinen und Geldschränken, ferner um Erstattung von Porto- und Fernsprechgebühren sowie "Aufwendungen für Miete und Gehalt für Angestellte"; seine Selbständigkeit werde jedoch davon nicht berührt. Hier ist ebenfalls nicht zu erkennen, wie das LSG zu der "Feststellung" kommen konnte, daß die Angestellte in der Agentur in Damme die Arbeitnehmerin des Beigeladenen B war, und daß ihm das an diese gezahlte Gehalt ebenso wie die Miete "erstattet" worden sind, was in der Tat ein starkes Anzeichen für Selbständigkeit gewesen wäre. Die vom Beigeladenen am 27. Juni 1957 vor dem SG Oldenburg gemachten Angaben sind in diesem Zusammenhang nicht gewürdigt, ja überhaupt nicht einmal erwähnt.
Dort hatte er ausgesagt, die Miete würde von der Zweigstelle Lohne direkt an den Vermieter gezahlt, und das Gehalt für die Angestellte werde zunächst ihm überwiesen, und er zahle es alsdann nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge aus. Desgleichen ist auch auf das Vorbringen der beklagten AOK im Verfahren vor dem SG nicht eingegangen worden, wonach sie ua behauptet hatte, die Arbeitgeberin der Angestellten S. sei die Klägerin, die jene auch zur Sozialversicherung angemeldet habe und stets als Bankangestellte bezeichnet und bezahlt habe. Sind diese Behauptungen richtig, so konnte die angebliche Arbeitgeberstellung des Beigeladenen B nicht als Argument für seine Selbständigkeit benutzt werden.
Vor allem aber hatte die Beklagte noch vorgebracht - und zwar mit Recht, vgl. BSG 13, 130, 132 -, entscheidend müßten in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse sein; diese aber ergäben, daß die Geschäftsstelle in Damme für diesen kleinen Ort nichts anderes sei als die sonstigen Filialen für größere Ortschaften, und zur Klärung dieser Frage hatte sie, die Beklagte, vorgeschlagen, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes notfalls an Ort und Stelle Beweis zu erheben. Dazu hatte sie nach dem vom LSG in Bezug genommenen Schriftsatz vom 20. Januar 1958 noch behauptet, die Geschäftsstelle in Damme, einem Ort von 9.400 Einwohnern, sei genau so eine Bankfiliale wie die übrigen dortigen Zweigstellen der Landessparkasse zu Oldenburg und der Spar- und Darlehenskasse eGmbH in Damme, die ebenfalls ausschließlich mit Angestellten besetzt seien. Hiermit hat sich das LSG nicht auseinandergesetzt.
Somit fehlt es an einer ausreichenden und erschöpfenden Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts und an genügenden tatsächlichen Feststellungen, die allein den Senat in die Lage versetzen würden, das angefochtene Urteil auf seine sachlich-rechtliche Richtigkeit hin nachzuprüfen. Es hätte vor allem aufgeklärt werden müssen, ob der Beigeladene zu bestimmten Dienststunden eine überwiegend verwaltende Tätigkeit zu verrichten hatte und damit tatsächlich die Stellung eines Angestellten einnahm, oder ob die Beteiligten bei der Begründung ihres Vertragsverhältnisses wirklich an eine überwiegend werbende Tätigkeit gedacht hatten. Nur bei solchen Feststellungen war eine rechtlich einwandfreie Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts möglich. Überwog die verwaltende Tätigkeit die Werbetätigkeit, war sie insbesondere den ganzen Tag über zu verrichten, so würde dies ein starkes Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sein; die Agentur in Damme wäre alsdann eine in den Betrieb der Klägerin fest eingebaute Filiale mit einem angestellten Filialleiter, dem Beigeladenen B - Daher mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden. Eine Entscheidung in der Sache selbst war dem Senat nicht möglich, da es an ausreichenden Feststellungen fehlt.
Bei der erneuten Verhandlung wird das LSG, nachdem es die erforderlichen Ermittlungen angestellt und die notwendigen Feststellungen getroffen hat, weiter zu prüfen haben, ob im Sinne tatrichterlicher Würdigung festzustellen ist, daß bestimmte Merkmale derart überwiegen, um daraus auf die Selbständigkeit oder die persönliche Abhängigkeit des Beauftragten schließen zu können (vgl. RVA, EuM 35, 113; BFH, BStBl 1959 III 427; RAG, ARS 27, 7 und 29, 65; BAG 13, 303 ff; Trinkhaus aaO S. 45, 46; Ordemann, BB 1963, 498). Da die Revisionsgerichte nach § 163 SGG an die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen gebunden sind, mithin zur Klärung selbst zweifelhafter tatsächlicher Fragen nicht befugt sind, wäre eine Zulassung der Revision, die nur zu diesem Zweck erfolgt, gesetzwidrig; sie bindet das Bundessozialgericht nicht (BSG 10, 240).
Schließlich wird das LSG bei seiner Entscheidung auch noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen