Leitsatz (amtlich)
1. Werden wiederkehrende Leistungen, die als sonstiges Einkommen nach BVG § 33 Abs 2 auf die Ausgleichsrente anzurechnen sind, rückwirkend gewährt, so tritt die Änderung der Verhältnisse im Sinne des BVG § 62 mit dem Beginn des Zeitraumes ein, für den die wiederkehrenden Leistungen bestimmt sind.
2. Unter Zeitpunkt der Zahlung im Sinne des KOV-VfG § 47 Abs 2 ist der Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge an den Berechtigten zu verstehen (Abweichung BSG 1957-07-31 9 RV 372/54 = BSGE S, 269).
3. Wissen oder Wissenmüssen des Empfängers von Versorgungsleistungen, daß ihm die Versorgungsbezüge nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustehen (KOV-VfG § 47 Abs 2 ), muß im Zeitpunkt des Zahlungsempfangs vorhanden sein. Tritt dieses Wissen oder Wissenmüssen zu einem späteren Zeitpunkt ein, so wird der Empfänger nur bösgläubig bezüglich der Zahlungen, die er nach diesem Zeitpunkt erhält.
Leitsatz (redaktionell)
1. Lehnte die LVA den Antrag auf Invalidenrente ab und gewährte sie diese Rente erst auf Urteil des Oberversicherungsamtes hin, so würde mit der Unterstellung des Wissenmüssens im Zeitpunkt des Invalidenrentenantrages einen rechtsunkundigen Kläger (früherer Landwirtschaftsgehilfe) eine bessere Rechtskenntnis bezüglich der Invalidenrente zugemutet als dem Versicherungsträger. Der Kläger hat vielmehr in diesem Fall erst nach Bekanntgabe der Entscheidung des Oberversicherungsamtes gewußt oder wissen müssen, daß ihm die Versorgungsbezüge in der bisherigen Höhe nicht mehr zustanden.
2. KOV-VfG § 47 Abs 2 Buchst b idF des 1. NOG hat keine rückwirkende Kraft.
Normenkette
BVG § 62 Fassung: 1950-12-20, § 33 Abs. 2 Fassung: 1957-07-01; KOVVfG § 47 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1960-06-27
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 26. April 1957 und das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 20. Oktober 1954 werden aufgehoben. Der Bescheid des Versorgungsamts O vom 14. Oktober 1952 und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses O vom 29. September 1953 werden aufgehoben, soweit sie mehr als 315.- DM zurückfordern.
Im übrigen werden die Klage abgewiesen, die Berufung und die Revision zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger erhielt durch Umanerkennungsbescheid vom 24. April 1951 wegen Verlustes des rechten Beines Versorgungsgrund- und Ausgleichsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v.H. Er wurde darüber belehrt, daß jede Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Beginn und die Erhöhung eines Einkommens jeder Art unverzüglich anzuzeigen seien, und daß unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge zurückbezahlt werden müßten. Im Mai 1951 stellte der Kläger Antrag auf Invalidenrente. Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. November 1951 ab. Das Oberversicherungsamt (OVA.) sprach dem Kläger mit Urteil vom 20. März 1952 Invalidenrente von 90.- DM ab 1. Juni 1951 zu. Das Urteil wurde am 29. März 1952 abgesandt. Die LVA. zahlte am 9. August 1952 die Invalidenrente für die Zeit vom 1. Juni 1951 bis zum 31. August 1952, insgesamt 1.350.- DM nach.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1952 stellte das Versorgungsamt (VersorgA.) die Ausgleichsrente vom 1. Juni 1951 an neu fest, indem es die Invalidenrente von 90.- DM als Einkommen anrechnete. Es forderte den für die Zeit vom 1. Juni 1951 bis 30. November 1952 überzahlten Betrag von 854.20 DM zurück. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG.) änderte mit Urteil vom 20. Oktober 1954 die Bescheide des VersorgA. vom 14. Oktober 1952 und vom 28. Oktober 1953 und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 29. September 1953 dahin ab, daß der Kläger die Rente nur für die Zeit vom 1. September bis 30. November 1952 in Höhe von 135.- DM zurückzuzahlen habe. Das SG. nahm an, der Kläger habe erst vom Tag der Nachzahlung der Invalidenrente, dem 9. August 1952, an wissen müssen, daß ihm die Versorgungsbezüge in der bisherigen Höhe nicht mehr zustanden. Das Landessozialgericht (LSG.) hob mit Urteil vom 26. April 1957 das Urteil des SG. auf; es verurteilte den Beklagten, für Juni 1951 die Ausgleichsrente unter Außerachtlassung der Invalidenrente festzusetzen und wies im übrigen die Klage ab. Es ließ die Revision zu. Das LSG. führte aus, der Kläger habe zwar vom 1. Juni 1951 bis 9. August 1952 nicht gewußt, daß ihm die Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustünden, er hätte dies aber wissen müssen, seitdem er die Invalidenrente beantragt habe. Dazu genüge, daß aus der Belehrung über die Anzeigepflicht zu erkennen war, daß die zu erwartende Invalidenrente auf die Ausgleichsrente angerechnet werde.
Mit der Revision rügte der Kläger Verletzung des § 47 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG). Das LSG. habe zu Unrecht angenommen, er habe vom Antrag auf Invalidenrente an wissen müssen, daß ihm die Versorgungsbezüge im Zeitpunkt ihrer Zahlung nicht in der bisherigen Höhe zustanden. Dieser Antrag bewirke noch keine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Der Kläger hätte nicht schon zu diesem Zeitpunkt wissen müssen, daß von nun an die Versorgungsbezüge gekürzt würden. Ein dahingehender Erfahrungssatz bestehe nicht; es komme vielmehr auf die Verhältnisse im Einzelfall an.
Der Kläger beantragte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte und die beigeladene beantragten, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, und, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet ist, auch zulässig (§§ 164 und 166 SGG). Sie ist zum Teil auch sachlich begründet.
Streitig ist, ob der Beklagte mit Bescheid vom 14. Oktober 1952 die für die Zeit vom 1. Juni 1951 bis 30. November 1952 überzahlte Ausgleichsrente von 854.20 DM vom Kläger mit Recht zurückgefordert hat. Zutreffend hat das LSG § 47 Abs. 2 VerwVG in der Fassung vom 2. Mai 1955 (BGBl. I S. 202) als maßgebend angesehen; denn diese Bestimmung ist, obwohl sie erst vom 1. April 1955 an gilt, auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rückforderungsfälle anzuwenden (vgl. BSG. 3 S. 234, 5 S. 267, 6 S. 11, 11 S. 44; SozR. VerwVG § 47 Bl. Ca 2 Nr. 4). Auf die durch Art. II des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl. I S. 453) erfolgte Neufassung des § 47 Abs. 2 VerwVG kommt es hier nicht an. Soweit § 47 Abs. 2 VerwVG auf das Wissen oder Wissenmüssen des Versorgungsberechtigten abstellt, sind die Worte der ersten Gesetzesfassung "wenn der Empfänger wußte oder wissen mußte, daß ihm die Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht ... zustanden" lediglich dahin geändert worden, daß es nunmehr heißt "soweit der Empfänger der Versorgungsleistungen beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht ... zustand". Darin liegt keine sachliche Änderung des Gesetzes, vielmehr hat die Neufassung lediglich bisher bestehende Unklarheiten beseitigt. Entscheidend für das Wissen oder Wissenmüssen war nach der früheren und der jetzigen Fassung des Gesetzes der Zeitpunkt des Empfangs der einzelnen Versorgungsleistung.
Soweit § 47 Abs. 2 durch das Erste Neuordnungsgesetz allerdings dahin erweitert wurde, daß nunmehr die Rückforderung nicht nur zulässig ist, soweit sie wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist, sondern auch, soweit sie wegen der Höhe einer dem Empfänger von einem Träger der Sozialversicherung gewährten Nachzahlung vertretbar ist, so enthält das Gesetz insoweit einen neuen, der bisherigen Fassung unbekannten Tatbestand. Diese Neuregelung ist am 2. Juli 1960 in Kraft getreten (Art. IV § 4 Abs. 1, 2. Halbsatz des Ersten Neuordnungsgesetzes). Daß sie rückwirkend auch auf solche Rückforderungsansprüche anzuwenden wäre, die bereits vor dem 2. Juli 1960 von der Versorgungsverwaltung erhoben wurden, über die aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend entschieden war, ist weder ausdrücklich bestimmt noch ergibt es sich aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Hier sind nicht die Voraussetzungen erfüllt, die nach BSG. 3 S. 234 für die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 VerwVG in der vor dem Ersten Neuordnungsgesetz geltenden Fassung auf alle am Tage des Inkrafttretens dieser Vorschrift anhängigen Rückforderungsfälle maßgebend waren. Die Neufassung hat die Pflicht zur Rückerstattung auf weitere Fälle ausgedehnt; es ist insoweit der Empfänger zu Unrecht gezahlter Leistungen schlechter gestellt als bisher, das Recht der Versorgungsverwaltung, Rückforderungsansprüche geltend zu machen, ist entsprechend erweitert. Diese Regelung kann aber ohne ausdrückliche Gesetzesbestimmung nicht rückwirkend gelten.
Nach § 47 VerwVG setzt jede Rückforderung voraus, daß die Versorgungsverwaltung Leistungen zu Unrecht gewährt hat. Zu Unrecht ist eine Leistung empfangen, wenn weder eine Leistungspflicht des Leistungsträgers noch ein Anspruch des Empfängers auf die Leistung bestanden hat. Leistungen auf Grund eines bindenden Bescheids sind solange als zu Recht empfangen anzusehen, als der Bescheid, der ihre rechtliche Grundlage bildet, Rechtsbestand hat. Nach § 62 BVG werden die Versorgungsbezüge neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für ihre Feststellung maßgebend waren, eine wesentliche Änderung eintritt. Auf die Ausgleichsrente ist sonstiges Einkommen anzurechnen. Erhöht sich dieses Einkommen, so ist die Ausgleichsrente nach § 60 Abs. 2 Halbs. 2 BVG mit Ablauf des Monats zu kürzen, in dem die Voraussetzungen für den Bezug in der bisherigen Höhe weggefallen sind. Nach diesen Vorschriften konnte der Beklagte die Ausgleichsrente vom 1. Juli 1951 an neu feststellen, da die Invalidenrente rückwirkend gewährt wurde und der Kläger daher so zu behandeln war, als habe er sie schon vom 1. Juni 1951 an bezogen. Für die Rentenversicherung hat das Bundessozialgericht (BSG.) entschieden, daß maßgebender Zeitpunkt für den Wegfall der Versicherungspflicht bei Bezug einer Invalidenrente nicht der Zeitpunkt ihrer Zahlung ist, sondern der Beginn des Zeitraums für den diese Rente gezahlt wird (BSG. 1 S. 52). Dies muß auch für die Frage gelten, wann bei nachträglicher Bewilligung einer Rente der Sozialversicherung das sonstige, für die Höhe der Versorgungsbezüge maßgebende Einkommen des Klägers sich geändert hat. Der Kläger muß demnach so behandelt werden, als habe er schon vom 1. Juni 1951 an die Invalidenrente bezogen. Der Beklagte war daher nach §§ 62 Abs. 1, 60 Abs. 2 Satz 2 BVG berechtigt, die Versorgungsrente vom 1. Juli 1951 an neu festzustellen (BSG. 11 S. 44). Nach dem Neufeststellungsbescheid vom 14. Oktober 1952 war somit vom 1. Juli 1951 an die Ausgleichsrente insoweit zu Unrecht gewährt, als die Invalidenrente anzurechnen war.
Beruht die Überzahlung - wie hier - auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, so kommt es für die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Beträge nach § 47 Abs. 2 Halbs. 1 VerwVG a.F. darauf an, ob der Empfänger wußte oder wissen mußte, daß ihm die Versorgungsbezüge im Zeitpunkt ihrer Zahlung nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden.
Nicht zu entscheiden hatte der Senat über die Rückforderung der für Juni 1951 gezahlten Ausgleichsrente. Die Entscheidung des LSG., daß dem Kläger für den Monat Juni 1951 die Ausgleichsrente unter Außerachtlassung der nachgezahlten Invalidenrente festzusetzen ist, ist nicht angefochten. Sie ist daher rechtskräftig.
Zwar hat der Senat im Urteil vom 31. Juli 1957 (BSG. 5 S. 267) entschieden, maßgebend für das Wissen oder Wissenmüssen im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG sei nicht der Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsleistung, sondern der Zeitpunkt der Zahlung, welche die Überzahlung der Versorgungsbezüge bewirkt habe. Er hat diese Rechtsauffassung indes bereits im Urteil vom 18. Dezember 1958 (BSG. 9 S. 47 (53)) aufgegeben. Zeitpunkt der Zahlung im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG ist danach der Zeitpunkt der Zahlung jeder einzelnen Versorgungsrente, die infolge veränderter Verhältnisse zu Unrecht bewirkt ist. Nicht in jedem Falle ist nämlich die auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhende Überzahlung der Versorgungsrente auf die "Zahlung" sonstigen, auf die Versorgungsbezüge anrechenbaren Einkommens zurückzuführen. Sie kann auch auf anderen Umständen beruhen, z.B. Änderung des Personenstandes, Zahl der zu berücksichtigenden Kinder u.a. Die Zahlung, an deren Zeitpunkt § 47 Abs. 2 VerwVG anknüpft, kann daher nur die - in jedem Fall feststellbare - Zahlung der Versorgungsbezüge sein. Der für das Wissen oder Wissenmüssen des Empfängers maßgebende Zeitpunkt darf auch nicht unterschiedlich darnach bestimmt werden, ob die Versorgungsrente wegen der Erhöhung anrechenbaren Einkommens oder wegen einer auf anderen Umständen beruhenden wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Unrecht gezahlt ist. Es muß einheitlich von dem Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge ausgegangen werden, zumal auch § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG auf den "Empfang der (Versorgungs-) Bezüge" abstellt (vgl. Schönleiter-Hennig, Komm. zum VerwVG § 47 Anm. 5; Tannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, VerwVG § 47, Erläuterung zu Abs. 2; Wagner in SGb. 1958 S. 45 zu IIa). Für diese Auslegung spricht im übrigen auch die Neufassung des § 47 Abs. 2 VerwVG durch das Erste Neuordnungsgesetz, die insoweit eine authentische Interpretation des geltenden Rechts enthält.
Im übrigen bezweckt § 47 VerwVG offensichtlich, den Grundsatz des insbesondere im bürgerlichen Recht geltenden Schutzes des guten Glaubens in bestimmten Fällen auch im Versorgungsrecht anzuwenden. Dieser Schutz wird aus Gründen der Rechtssicherheit, und um das Vertrauen des gutgläubigen Rechtsgenossen auf den Rechtsbestand zu schützen, gewährt. Wer im Zeitpunkt der Besitzübergabe, oder der Abtretung des Herausgabeanspruchs, oder des Besitzerwerbs gutgläubig ist, erwirbt nach §§ 932, 934 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Eigentum auch vom Nichteigentümer, später eintretender böser Glaube schadet nicht mehr. Im Versorgungsrecht bedeutet dies: Wer im Zeitpunkt des Empfangs der einzelnen Versorgungsbezüge nicht weiß oder nicht wenigstens wissen muß, daß ihm die gewährte Leistung infolge Änderung der Verhältnisse nicht mehr zusteht, braucht sie nicht zurückzuzahlen. Auch hier ist entscheidend der Zeitpunkt des Empfangs der Leistung, später eintretender böser Glaube beeinträchtigt nicht den gutgläubigen Empfang der bisherigen Leistungen.
Daran ändert auch § 71 a BVG nichts. Nach dieser Vorschrift kann die Versorgungsverwaltung einen Übergang der Ansprüche des Versorgungsberechtigten gegen einen Träger der Sozialversicherung auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung insoweit herbeiführen, als diese Ansprüche die Ausgleichsrente mindern. Diese Bestimmung betrifft nur den Ausgleich zwischen mehreren Leistungsträgern, nicht aber - wie § 47 Abs.2 VerwVG - das Verhältnis zwischen Versorgungsverwaltung und Versorgungsempfänger. Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) wird durch diese Auslegung des § 47 Abs.2 VerwVG nicht verletzt. Im Gegensatz zu dem Versorgungsberechtigten, der bereits Invalidenrente oder andere Bezüge erhielt, als ihm Versorgung bewilligt wurde, steht demjenigen, der erst später - wenn auch rückwirkend - Invalidenrente erhält, zunächst nur die Versorgungsleistung für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung. Er darf diese verbrauchen, ohne mit einer Rückforderung rechnen zu müssen, solange er nicht wissen muß, daß ihm die Versorgungsrente möglicherweise nicht oder nicht mehr im vollen Umfang zusteht.
Das Wissen oder Wissenmüssen des Versorgungsempfängers ist unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit, seines Bildungsgrades, seiner Einsicht und Einsichtsfähigkeit sowie aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BSG. 5 S. 269, 9 S. 47). Es ist nach subjektiven Merkmalen zu prüfen, ob er sich die ihm zumutbare Kenntnis bei Anwendung der von ihm zu fordernden Sorgfalt verschaffen mußte. Nur wenn die Un-Kenntnis um die Einkünfte und ihren Einfluß auf die Versorgungsbezüge in den Verantwortungsbereich des Versorgungsempfängers fällt, steht sie im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG dem Wissen gleich (BSG. 11 S. 44). Dafür ist allerdings nicht erforderlich, daß der Empfänger auch übersehen kann, wie sich die Erhöhung seines Einkommens im einzelnen auf die Höhe seiner Versorgungsbezüge auswirkt. Es genügt, wenn er erkennen kann, daß ihm Mittel zufließen, die als Einkommen anzusehen sind, und daß dessen Erhöhung die Minderung der Ausgleichsrente nach sich zieht.
In dieser Frage hält der Senat die "Rahmenerkenntnis" des Versorgungsempfängers, er habe auf Grund seines Antrags Invalidenrente zu erwarten und daher mit einer Änderung der Ausgleichsrente zu rechnen gehabt, nicht für ausreichend. Abgesehen davon, daß nicht der Antrag, sondern erst der Bezug erheblich ist, kann im Fall des Klägers daraus allein auf ein Wissenmüssen im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG nicht geschlossen werden. Dies gilt um so mehr, als der Kläger landwirtschaftlicher Gehilfe ist und die Invalidenrente zunächst vom Versicherungsträger selbst abgelehnt und erst auf Urteil des OVA. hin bewilligt worden ist. Erst nach dieser Entscheidung des OVA. wußte der Kläger und mußte er wissen, daß ihm die Invalidenrente nunmehr gewährt werden würde. Aus den Belehrungen des Beklagten war ihm bekannt, daß er jede Einkommenserhöhung anzuzeigen und unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge zurückzuerstatten habe. Daraus und aus der Berechnung der Ausgleichsrente im Bescheid mußte er schließen, daß sich die Invalidenrente auf die Versorgungsrente mindernd auswirken würde. Die Entscheidung des OVA. vom 20. März 1952 ist nach der Feststellung des LSG. am 29. März 1952 abgesandt worden. Nach § 135 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 1 Abs.1 Satz 3 der hier anwendbaren Postzustellungsverordnung vom 23. August 1943 (RGBl. I S. 527) ist die Zustellung am 4. Werktage nach der Aufgabe zur Post, d. i. am 2. April 1952 als bewirkt anzusehen. Daraus folgt, daß der Kläger jedenfalls nicht schon Ende März 1952, zur Zeit der Zahlung der Versorgungsbezüge für April, sondern erst Ende April, als die für Mai bestimmten Versorgungsbezüge gezahlt wurden, wußte oder wissen mußte, daß ihm die Versorgungsbezüge nunmehr nicht wie bisher zustanden. Nach § 47 Abs. 2 VerwVG ist daher der Rückforderungsanspruch nur für die in der Zeit vom 1. Mai 1952 bis 30. November 1952 zuvielgezahlte Ausgleichsrente in Höhe von 315.- DM begründet.
Die Rückforderung für die Zeit vor dem 1. Mai 1952 ist auch nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Empfängers nicht vertretbar. Nach den nicht angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG. bezieht der Kläger neben seiner Invalidenrente nur Versorgungsrente; er hat für eine Familie mit 5 Kindern zu sorgen und übt keinen Beruf mehr aus. Die monatliche Gesamtrente beträgt etwas mehr als 200.- DM. Unter diesen Umständen ist die Rückforderung auch nicht nach § 47 Abs. 2, letzter Halbsatz VerwVG a.F. vertretbar.
Das Urteil des LSG. und das Urteil des SG. waren daher aufzuheben. Die Bescheide des VersorgA. Oldenburg vom 14. Oktober 1952 und vom 28. Oktober 1953 und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 29. September 1953 waren dahin abzuändern, daß der Kläger dem Beklagten nicht mehr als 315.- DM zurückzuzahlen hat. Im übrigen war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen