Orientierungssatz

Die Umrechnung der früher nach Wochen berechneten Ausfallzeiten (RVO § 1259) in Kalendermonate erfolgt in entsprechender Anwendung des RVO § 1250 Abs 2.

 

Normenkette

RVO § 1259 Fassung: 1957-02-23, § 1250 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 1961 und des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Juli 1959 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 1958 dahin abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des J B Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Juli 1957 bis zum 30. September 1962 zu gewähren und dabei eine Ausfallzeit von 48 Monaten zugrunde zu legen.

Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Rechtsvorgänger der Klägerin, dem am 15. September 1962 verstorbenen J B, wegen Erwerbsunfähigkeit zustehenden Rente, und zwar über die Anrechnung von Zeiten der Krankheit und Arbeitslosigkeit als Ausfallzeiten; die Beklagte hat gemäß Art. 2 § 14 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) eine Zeit von 36 Monaten zuzüglich 5 Monate wegen Krankheit im Jahre 1957 als Ausfallzeit angenommen. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, weitere 56 Monate als Ausfallzeiten anzurechnen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten die Anrechnung von Ausfallzeiten von insgesamt 68 Monaten ausgesprochen. Es hat dabei nicht nur die von der Beklagten anerkannten Zeiten, nämlich Krankheitszeiten vom 15. Januar bis 30. Juni 1957 und Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 1. Oktober 1927 bis zum 24. Mai 1928 und vom 25. November 1932 bis zum 30. November 1934, zugebilligt, sondern darüber hinaus auch die Zeit einer Arbeitslosigkeit vom 14. April 1931 bis zum 9. Juni 1932. Es hat ferner die Zeiten von Arbeitslosigkeit vom 20. Mai bis zum 21. August 1926, vom 31. Dezember 1926 bis zum 17. Juni 1927 und vom 21. Juni 1927 bis zum 30. September 1927 als Ausfallzeiten angesehen, weil vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187), d. h. vor dem 1. Oktober 1927, die damals bestehenden Arbeitsnachweisämter als deutsche Arbeitsämter im Sinne von § 1259 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen seien. Damit ergebe sich eine Gesamtausfallzeit von 68 Monaten. Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie trägt insbesondere vor, die kommunalen Arbeitsnachweisämter vor dem 1. Oktober 1927 könnten nicht als deutsche Arbeitsämter im Sinne des § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO angesehen werden. Diese Auffassung werde ausdrücklich durch den Gesetzgeber bestätigt, der in Art. 1 § 29 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) festgelegt habe, daß nur Zeiten der Arbeitslosigkeit nach dem 30. September 1927 vom Ablauf der 6. Woche an Ausfallzeiten seien.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 1961 und des SG Dortmund vom 20. Juli 1960 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Zulassung statthafte Revision ist zulässig und teilweise begründet.

Nach § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der hier in Betracht kommenden, vor dem Rentenversicherungs-Änderungsgesetz geltenden Fassung des ArVNG sind Ausfallzeiten u. a. solche Zeiten, "in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit oder Unfall bedingte länger als sechs Wochen andauernde Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden ist, wenn sie in den Versicherungskarten oder sonstigen Nachweisen bescheinigt sind". Nach den Feststellungen des LSG war der frühere Kläger in der Zeit vom 15. Januar bis zum 30. Juni 1957 krank. Hiervon kann nur die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. Juni 1957 als Ausfallzeit gerechnet werden, nicht aber auch die Zeit vorher, weil der Monat Januar 1957 schon als Beitragszeit gerechnet wird und nach § 1258 Abs. 1 RVO Versicherungszeiten und Ausfallzeiten, soweit sie auf dieselbe Zeit entfallen, nicht zusammengerechnet werden. Der genannte Zeitraum ergibt deshalb eine Ausfallzeit von fünf Monaten.

Weiter sind nach § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO Ausfallzeiten die Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine länger als sechs Wochen andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden ist, vom Ablauf der sechsten Woche an, wenn der bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldete Arbeitslose Arbeitslosengeld (Arbeitslosenunterstützung) oder Arbeitslosenhilfe (Krisenunterstützung, Arbeitslosenfürsorge) oder Unterstützung aus der öffentlichen Fürsorge oder Familienunterstützung bezogen hat. Wie der 11. Senat in seinem Urteil vom 1. Oktober 1964 (BSG 22, 17) ausgesprochen hat, hat es deutsche Arbeitsämter im Sinne von § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO vor dem 1. Oktober 1927, dem Inkrafttreten des AVAVG vom 16. Juli 1927, nicht gegeben. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Es kommen daher nicht Zeiten der Arbeitslosigkeit vor dem 1. Oktober 1927, sondern nur solche nach diesem Zeitpunkt als Ausfallzeiten in Betracht. Des weiteren werden diese Zeiten nicht in vollem Umfange, sondern nur vom Ablauf der sechsten Woche an berücksichtigt. Dies hat für den vorliegenden Fall folgende Auswirkungen: Die Arbeitslosigkeit vom 1. Oktober 1927 bis zum 24. Mai 1928 kann von der siebenten Woche an, d. h. vom 14. November 1927 an, berücksichtigt werden; dies ergibt 29 Wochen. Die Arbeitslosigkeit vom 14. April 1931 bis zum 9. Juni 1932 wird von der siebenten Woche an, d. h. vom 25. Mai 1931 an, als Ausfallzeit gezählt mit insgesamt 55. Wochen. Schließlich ergibt die Arbeitslosigkeit vom 25. November 1932 bis zum 30. November 1934 von der siebenten Woche an, d. h. vom 9. Januar 1933 an gerechnet, eine weitere Ausfallzeit von 100 Wochen, insgesamt also 184 Wochen.

§ 1259 RVO enthält nun - im Gegensatz zu § 1250 RVO für die Anrechnung der Versicherungszeiten - keine Vorschrift, wie die früher nach Wochen berechneten Ausfallzeiten in Kalendermonate umzurechnen sind, er enthält auch keine Verweisung auf § 1250 Abs. 2 RVO. Es besteht jedoch kein Anlaß, Ausfallzeiten in dieser Hinsicht anders als Versicherungszeiten zu berechnen. Vielmehr ist eine entsprechende Anwendung des § 1250 Abs. 2 RVO bei der Berechnung der Ausfallzeiten im Rahmen des § 1259 RVO geboten (ebenso Komm. zur RVO, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Aufl. § 1258 Anm. 3). Die 184 Wochen müssen daher durch 13 geteilt und sodann mit drei vervielfältigt werden. Dies ergibt 42 Monate, der Rest von drei Wochen noch einen weiteren Monat. Hinzu kommen noch die fünf Monate Krankheitszeit vom 1. Februar bis zum 20. Juni 1957, so daß sich eine Gesamtausfallzeit von 48 Monaten ergibt.

Die Urteile der Vorinstanzen und der Bescheid der Beklagten waren daher wie geschehen abzuändern und die weitergehende Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380292

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