Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

…, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger für die Zeiträume vom 1. April 1977 bis zum 24. Juni 1984, vom 7. Juli bis zum 3. September 1984 sowie am 1. und 2. Dezember 1984 Übergangsgeld zusteht. Die Beklagte zahlte dem Kläger in der Zeit vom 30. April 1975 bis zum 31. März 1977 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit. Seinen im März 1977 gestellten Antrag, diese Rente weiter zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Oktober 1977 ab.

Im Laufe des sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens gewährte die Beklagte als berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation vom 25. Juni bis zum 6. Juli 1984 eine Berufsfindung und Arbeitserprobung sowie vom 4. September bis zum 30. November 1984 eine Vorschulung (Bescheide vom 7. Mai und 22. August 1984). Übergangsgeld für beide Zeiträume wurde dem Kläger in den Bescheiden vom 13. August und vom 7. September 1984 bewilligt.

Daraufhin hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) seinen ursprünglichen Klageantrag, die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. April 1977 "Dauerrente" wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, geändert. Nunmehr hat er begehrt, ihm das sog vorgezogene Übergangsgeld zu zahlen. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Oktober 1984). Es hat den Kläger seit dem 1. April 1977 nicht als berufsunfähig iS des § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) angesehen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 15. November 1985). Seiner Auffassung nach ist die Klage unzulässig. Beim vorgezogenen Übergangsgeld handele es sich im Vergleich zum Rentenanspruch um einen inhaltlich anderen Anspruch, über den die Gerichte nicht ohne vorangegangenen Verwaltungsakt entscheiden könnten. Da ein diesbezüglicher, spezifischer Bescheid hier fehle, habe die Klage aus prozessualen Gründen abgewiesen werden müssen.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung der §§ 1246, 1241d, 124e RVO und der §§ 96, 99, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Kläger beantragt,das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Berlin vom 25. Oktober 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1977 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 7. Mai, 13. und 22. August sowie vom 7. September 1984 zu verurteilen, für die Zeit vom 1. April 1977 bis zum 24. Juni 1984, vom 7. Juli bis zum 3. September 1984 und vom 1. bis zum 2. Dezember 1984 Übergangsgeld zu bewilligen; sinngemäß beantragt er hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt ,die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Übergangsgeld stehe dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei der Weitergewährung einer Zeitrente über den Unfallzeitpunkt hinaus um eine einheitliche Rentengewährung handele.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision des Klägers ist insoweit begründet als der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden muß.

§ 1241d Abs 1 Satz 2 RVO regelt den Fall, daß bereits vor Beginn der Maßnahme zur Rehabilitation Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gestellt worden ist. Dann beginnt das Übergangsgeld mit dem Zeitpunkt, von dem an die Rente zu zahlen gewesen wäre. Während der Durchführung einer solchen Maßnahme besteht nach § 1241d Abs 2 Satz 1 RVO neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, es sei denn, die Rente ist bereits vor Beginn der Maßnahme bewilligt worden. Das gleiche gilt gemäß Satz 2 dieses Absatzes für einen Zeitraum, für den Übergangsgeld zu zahlen ist. Die Beklagte macht nun in ihrer Revisionserwiderung geltend, das begehrte Übergangsgeld könne der Kläger schon deshalb nicht beanspruchen, weil ihm bis Ende März 1977 Rente auf Zeit zugebilligt worden sei. Dieser Ansicht vermochte der erkennende Senat sich nicht anzuschließen. Unter der Bewilligung einer Rente versteht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach dem Wortlaut und Sprachgebrauch des Gesetzes die den Rentenanspruch Zuerkennende Entscheidung des Versicherungsträgers (vgl BSG in SozR 2200 § 1241d Nr 4). Zwar war dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit bis Ende März 1977 durch Bescheid vom 30. April 1975 bewilligt worden. Diese ist aber mit Ablauf des in jenem Verwaltungsakt bestimmten Zeitraumes weggefallen, ohne daß es eines Entziehungsbescheides bedurfte (§ 1276 Abs 2 Satz 1 RVO). Wie der 11. Senat des BSG am 12. August 1982 entschieden hat, ist bei der Zuerkennung einer Rente auf Zeit der Wille des Versicherungsträgers von vornherein nur auf die Gewährung von Rente für diese Zeit gerichtet. Infolgedessen fehlt es für die anschließende Zeit an jeder für den Versicherten positiven Regelung durch den Versicherungsträger (so SozR 2200 § 1276 Nr 7).

Der Kläger mußte sich folglich um eine Rentengewährung für die Zeit ab April 1977 bemühen, was er auch getan hat, indem er einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Für die Auffassung des Senats spricht ferner die Regelung des § 1276 Abs 3 RVO, wonach die Rente auf Zeit wiederholt gewährt werden kann. Das erfordert jedenfalls eine erneute Bewilligung. Ob bei nahtlosem Anschluß an die Zeitrente für die folgende Zeit die Rentenberechnung auf dem Versicherungsfall basiert, der die Rente auf Zeit ausgelöst hat, ist hier nicht von Bedeutung. Danach hat sich die Antwort auf die Frage, was unter einer Bewilligung der Rente iS des § 1241d Abs 2 RVO zu verstehen ist, nicht zu richten. Das Übergangsgeld tritt ausnahmsweise an die Stelle der an sich zu zahlenden Rente, damit grundsätzlich der Versicherte sich nicht vor der Maßnahme auf einen Rentenbezug einstellt, wodurch ein Erfolg der Rehabilitation in Frage gestellt werden könnte (so der erkennende Senat im Urteil vom 29. November 1984, SozR 2200 § 1241d Nr 8). Von diesem Zweck der gesetzlichen Regelung ist auch dann auszugehen, wenn eine Zeitrente gemäß § 1276 Abs 2 Satz 2 RVO weggefallen ist. Dann kann der Versicherte nicht ohne weiteres mit einer erneuten Bewilligung dieser Rente rechnen. Dem Kläger und den Vorinstanzen ist daher darin zuzustimmen, daß für die streitigen Zeiten nur ein Anspruch auf Übergangsgeld in Betracht kommt.

Das LSG hält insoweit die Klage nicht für zulässig, weil ein spezifischer Verwaltungsakt, in dem die Beklagte über das Übergangsgeld für die streitigen Zeiträume befunden habe, nicht ergangen sei. Wie zwischenzeitlich indes der 4a Senat des BSG in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 21. Juli 1987 - 4a RJ 71/86 - entschieden hat, ist es nicht notwendig, daß neben dem Rentenantrag ein Antrag auf Übergangsgeld gestellt wird und - falls der Rentenantrag abgelehnt wird - eine gesonderte Entscheidung der Verwaltung über die Gewährung von Übergangsgeld nach § 1241d Abs 1 Satz 2 RVO ergeht. In Fällen dieser Art sei mangels eines eindeutig entgegenstehenden Willens des Versicherten davon auszugehen, daß der formell auf Rentengewährung gerichtete Antrag das Begehren auf "vorgezogenes" Übergangsgeld umfasse. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat für den Fall an, daß die Bewilligung der Rente oder des Übergangsgeldes in den Zuständigkeitsbereich desselben Versicherungsträgers fällt. Soweit der Senat im Urteil vom 10. März 1982 - 5b RJ 160/80 - (insoweit in SozR 2200 § 1241d Nr 6 nicht abgedruckt) eine davon abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, wird an dieser nicht festgehalten.

Der Senat vertritt demnach nunmehr im Anschluß an die genannte Entscheidung des 4a Senats des BSG die Auffassung, daß der Versicherungsträger, von dem entweder Rente oder an deren Stelle ausnahmsweise nach § 1241d Abs 1 Satz 2 RVO vorgezogenes Übergangsgeld begehrt wird, über letzteres in dem Bescheid inzidenter mitentschieden hat, mit dem er die Rentengewährung abgelehnt hat. Das folgt aus der engen Verknüpfung des Anspruchs auf vorgezogenes Übergangsgeld mit dem Anspruch auf Versichertenrente. Vorgezogenes Übergangsgeld setzt voraus, daß den materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach eine Rente wegen einer Erwerbsminderung zu zahlen gewesen wäre (vgl BSG in SozR 2200 § 1241d Nr 5).

Mit dieser Rechtsauffassung weicht der Senat nicht von der Entscheidung des BSG vom 24. April 1980 - 1 RJ 2/79 - ab, auf die sich das LSG berufen hat. Offenbar geht auch der 4a Senat des BSG davon aus; denn er hat es im Urteil vom 21. Juli 1987 nicht für erforderlich gehalten, auf die Entscheidung des 1. Senats einzugehen. Diese hat einen Anspruch auf Übergangsgeld nach § 1241e RVO betroffen, von dem der 1. Senat ausgeführt hat, er habe insbesondere nichts mit dem ursprünglich geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu tun, was gerade im hier vorliegenden Fall des § 1241d RVO anders ist. Auch der erkennende Senat hat schon im Urteil vom 29. November 1984 (aaO) ausgeführt; in § 1241e RVO werde das sog Zwischenübergangsgeld nicht an einen an sich bestehenden Rentenanspruch geknüpft.

Das LSG wird daher zu prüfen haben, ob dem Kläger während der streitigen Zeiträume Übergangsgeld zusteht, was davon abhängt, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt waren.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518030

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge