Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach Nichtigerklärung des RVO § 368a Abs 1 S 1 durch die Entscheidungen des BVerfG vom 1960-03-23 und 1961-02-08 (BVerfGE 11, 30 und BVerfGE 12, 144) ist RVO § 368a Abs 2, wonach die Zulassung für einen oder mehrere Orte oder für Ortsteile erfolgt (Kassenarztsitz), weiterhin anzuwenden.
2. Die Zulassung zur Kassenpraxis darf nicht rückwirkend ausgesprochen werden.
Normenkette
RVO § 368a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1955-08-17, Abs. 2 Fassung: 1955-08-17, Abs. 4 Fassung: 1955-08-17
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. August 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Festsetzung eines begrenzten Kassenzahnarztsitzes und den Zeitpunkt der Zulassung des Klägers als Kassenzahnarzt.
Der Kläger, der sich nach seiner Niederlassung in Dortmund (15. Oktober 1954) mehrfach vergeblich um die Zulassung als Kassenzahnarzt beworben hatte, beantragte unter Berufung auf das "Kassenarzturteil" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. März 1960 (BVerfG 11, 30) seine Zulassung als Kassenzahnarzt. Diesen Antrag lehnte der Zulassungsausschuß für Zahnärzte für den Zulassungsbezirk Arnsberg I durch Beschluß vom 11. April 1960 ab, weil das Urteil des BVerfG nur für Ärzte gelte. Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch den beklagten Berufungsausschuß (Beschluß vom 4. Juni 1960) erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund - S 7 Ka 19/60 - und zugleich Verfassungsbeschwerde. Während des noch vor dem SG schwebenden Verfahrens erklärte das BVerfG den § 368 a Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch Entscheidung vom 8. Februar 1961 auch insoweit für nichtig, als er sich auf Zahnärzte beziehe, und hob die Beschlüsse der Zulassungsinstanzen vom 11. April 1960 und 4. Juni 1960 auf (BVerfG 12, 144). Darauf ließ der Zulassungsausschuß mit Beschluß vom 22. Februar 1961 den Kläger zu und bestimmte als Kassenzahnarztsitz: "Dortmund, begrenzt durch Mallinkrodtstraße , Uhlandstraße, Kurfürstenstraße-Bahnlinie-Westfalia-Straße". In dem damals noch anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren - S 7 Ka 19/60 - erklärte der Kläger in der Sitzung vom 10. März 1961, seine Klage habe sich insoweit erledigt, als er die Aufhebung der ablehnenden Bescheide vom 11. April 1960 und 4. Juni 1960 beantragt habe; ferner beantragte er, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger als Kassenzahnarzt am Ort seiner Niederlassung in Dortmund zu den RVO-Kassen zuzulassen. Mit Urteil vom 10. März 1960 wies das SG die Klage ab. Es ging davon aus, daß der Zulassungsbescheid vom 22. Februar 1961 nicht Gegenstand des bei ihm anhängigen Rechtsstreits geworden sei. Die Voraussetzungen des § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) lägen nicht vor, weil der ursprünglich angefochtene ablehnende Bescheid schon vom BVerfG aufgehoben sei und daher nicht mehr durch einen nachfolgenden Bescheid habe geändert werden können. Das SG hielt die Klage, soweit sie aufrechterhalten wurde, wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig; denn der Zulassungsausschuß habe über den Verpflichtungsantrag im Sinne des Klägers entschieden. Fühle sich der Kläger noch beschwert, so müsse er das im Verwaltungsverfahren geltend machen.
Der Kläger focht das Urteil des SG vom 10. März 1961 nicht an, sondern erhob gegen den Beschluß des Zulassungsausschusses vom 22. Februar 1961 beim beklagten Berufungsausschuß mit Schreiben vom 13. März 1961 - eingegangen beim beklagten Berufungsausschuß am 20. März 1961 - Widerspruch mit dem Antrag, ihn als Kassenzahnarzt mit einem Kassenzahnarztsitz, dessen Gebiet sich mindestens auf die gesamte Innenstadt der kreisfreien Stadtgemeinde Dortmund erstreckt, mit Wirkung vom 11. April 1960 zuzulassen. Der beklagte Berufungsausschuß wies den Widerspruch durch Beschluß vom 12. April 1961, der den Gegenstand des jetzt anhängigen Verfahrens bildet, zurück: Der Widerspruch sei unzulässig, weil der Kläger nicht beschwert sei, denn er könne Versicherte aus der gesamten Bundesrepublik behandeln und habe im Falle der Verlegung des Kassenarztsitzes einen Anspruch darauf, am Ort seiner neuen Niederlassung zugelassen zu werden. Ebenso fehle hinsichtlich des Antrags auf Rückdatierung das Rechtsschutzinteresse, weil der Kläger nicht rückwirkend Versicherte behandeln könne. Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sei die Rückdatierung unwesentlich. - Gegen diese Entscheidung des Berufungsausschusses erhob der Kläger Klage beim SG Dortmund mit der Begründung, die Zuweisung eines begrenzten Kassenarztsitzes sei unzulässig, weil durch das Urteil des BVerfG auch § 368 a Abs. 2 RVO aufgehoben sei, wenn dies auch im Urteilstenor nicht ausdrücklich ausgesprochen werde. Wegen Nichtigkeit dieser Vorschrift könne der Kassenarztsitz - wie im Bescheid des Zulassungsausschusses ausgesprochen - nicht mehr festgelegt werden. Aber selbst wenn diese Vorschrift noch wirksam sei, müsse als "Ort" im Sinne des § 368 a Abs. 2 RVO immer das ganze geschlossene und zusammenhängende bebaute Gebiet und als "Ortsteil" ein in sich geschlossener Teil eines Ortes angesehen werden. Zu der von ihm erstrebten Rückwirkung der Zulassung auf den 11. April 1960 brachte der Kläger vor, es könne nicht darauf ankommen, ob eine rückwirkende Festlegung der Zulassung nur deklaratorische Bedeutung habe. Entscheidend sei, daß das Urteil des BVerfG vom 8. Februar 1961 keine rechtsgestaltende Wirkung gehabt habe.
Das SG wies durch Urteil vom 19. Januar 1962 die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ab: Es sei davon auszugehen, daß § 368 a Abs. 2 RVO noch gelte. Die Bedeutung des Kassenarztsitzes habe sich zwar gewandelt. Er sei aber noch insofern rechtlich bedeutsam, als der Kassenarzt verpflichtet sei, seine kassenärztliche Tätigkeit im Bezirk des Kassenarztsitzes auszuüben; mit dem Wegzug vom Kassenarztsitz ende auch die Zulassung; der Kassenarztsitz beeinflusse ferner die Wahl des Wohnortes, nach ihm bestimmten sich weiter die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) und die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Diese Funktionen dienten nicht der Beschränkung der Zulassung, sondern zum Teil der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, zum Teil der inneren Ordnung der KZV. - Der Beklagte habe es ferner mit Recht abgelehnt, die Zulassung rückwirkend auszusprechen, weil der Kläger auch insoweit kein rechtliches Interesse dargetan habe.
Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Klägers zurück und ließ die Revision zu (Urteil vom 28. August 1962). Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Gegen die Zulässigkeit der Klage bestünden keine Bedenken. Da der Kläger den Antrag auf Festsetzung des erweiterten Kassenarztsitzes und auf Rückdatierung der Zulassung erst in der Widerspruchsschrift vom 13. März 1961 habe stellen können, habe erst der beklagte Berufungsausschuß darüber befinden können. Aus Gründen der Prozeßökonomie bestehe in solchen Fällen nicht die Notwendigkeit eines weiteren Widerspruchs. - Der Klage stehe auch die Rechtskraft des klagabweisenden Urteils des SG vom 10. März 1961 nicht entgegen, sie sei jedoch unbegründet. Die Vorschriften über den Kassenarztsitz in § 368 a Abs. 2 RVO und in der Zulassungsordnung für Zahnärzte (ZO-Zahnärzte) würden von der Nichtigkeit des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO nicht erfaßt. Allerdings habe der Begriff Kassenarztsitz, wie schon das SG dargelegt habe, inhaltlich insofern eine Änderung erfahren, als er nicht mehr der Beschränkung der Zulassung diene. Aber die Bedeutung des Kassenarztsitzes für die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit (§ 14 ZO-Zahnärzte, § 368 a Abs. 7 RVO) und als Anknüpfungspunkt für die Mitgliedschaft bei der KZV (§ 368 a Abs. 4 RVO) bliebe erhalten. Diese Vorschriften beträfen die Berufsausübung und seien daher auch mit Art. 12 des Grundgesetzes (GG) vereinbar. - Der Kläger wolle nach seiner Erklärung in der Berufungsverhandlung gar nicht mehr so sehr den Fortbestand jener Vorschriften über den Kassenarztsitz in Abrede stellen, als vielmehr eine Ausweitung des räumlichen Bereichs seines Kassenarztsitzes erreichen. Da die Bestimmung der Grenzen des Kassenarztsitzes weder im Gesetz noch in der ZO-Zahnärzte geregelt werde, liege sie im pflichtgemäßen Ermessen der Zulassungsinstanzen. Diese seien freilich insofern gebunden, als der Ort der Niederlassung des Kassenarztes in dem "zugewiesenen" Bereich liegen müsse. Bei der Entscheidung, welchen räumlichen Bezirk der Kassenarztsitz umfassen solle, seien die Zulassungsinstanzen frei, solange nicht berechtigte Interessen des Arztes verletzt würden. Daß der Kassenarztsitz nach der Entscheidung des BVerfG vom 8. Februar 1961 nicht mehr die Aufgabe habe, eine gleichmäßige Verteilung der Zahnärzte auf die Wohngebiete der Versicherten zu gewährleisten, spreche zwar dafür, die Bezirke künftig größer zu bemessen als bisher. Diese Frage betreffe aber die Zweckmäßigkeit der Entscheidung der Zulassungsinstanzen und unterliege daher nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 SGG der Nachprüfung der Gerichte. Es bestehe kein Anhalt dafür, daß der beklagte Berufungsausschuß bei Abgrenzung des Kassenarztsitzes sein Ermessen mißbraucht und berechtigte Interessen des Klägers verletzt habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, daß der beklagte Berufungsausschuß es abgelehnt habe, den Zeitpunkt der Zulassung rückwirkend auf den Tag festzusetzen, zu dem diese hätte erfolgen müssen, wenn damals schon die Nichtigkeit des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO vom BVerfG festgestellt gewesen wäre. Die vom Kläger zur Begründung seines Interesses an rückwirkender Zulassung noch vorgetragene Erwägung, der Tag der Zulassung könne für die Altersversorgung von Bedeutung sein, greife schon deshalb nicht durch, weil die Altersversorgung für Zahnärzte im Land Nordrhein-Westfalen an die Mitgliedschaft zur Zahnärztekammer, nicht aber an die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung anknüpfe.
Der Kläger hat Revision eingelegt mit dem Antrag,
1.) unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beschluß des Zulassungsausschusses Arnsberg vom 22. Februar 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 12. April 1961 insoweit aufzuheben, als seine Zulassung durch den angefochtenen Beschluß auf einen angegebenen begrenzten Bezirk nicht mit Rückwirkung vom 11. April 1961 ausgesprochen ist,
2.) den Beklagten zu verpflichten, den Kläger als Kassenzahnarzt mit einem Kassenzahnarztsitz, dessen Gebiet sich auf die gesamte Innenstadt der kreisfreien Stadtgemeinde Dortmund erstreckt, mit Wirkung vom 11. April 1960 zu den RVO-Kassen zuzulassen.
Die Revision rügt Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG und des § 368 a Abs. 2 RVO, soweit dieser noch fortgelten sollte.
Das angefochtene Urteil verletze auch die §§ 95 und 79 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG), des § 368 b Abs. 1 Satz 1 RVO und des § 19 ZO-Zahnärzte sowie die allgemeinen Grundsätze über die Bestimmung eines Zeitpunktes über die Zulassung als Kassenzahnarzt. Durch die Aufhebung der Bescheide des Zulassungsausschusses vom 11. April 1960 und des Berufungsausschusses vom 4. Juni 1960 habe das BVerfG zum Ausdruck gebracht, daß die Zulassungsinstanzen nicht erst vom Zeitpunkt seines Urteils vom 28. Februar 1961 an verpflichtet gewesen seien, die Zulassung ohne die Beschränkung durch die Verhältniszahl zu handhaben. Die Zulassungsinstanzen seien verpflichtet, über einen Zulassungsantrag so früh wie möglich zu entscheiden und müßten daher bei nachträglich verfassungsgerichtlich festgestellter unrichtiger Abweisung ihre aufgehobene Entscheidung so korrigieren, wie sie richtigerweise hätte getroffen werden müssen. - Hinsichtlich der vom Berufungsgericht erörterten Altersversorgung komme es nicht nur auf das derzeitige Altersversorgungswerk an, weil niemand übersehen könne, ob durch eine Änderung oder Ergänzung der jetzigen Altersversorgung der Zeitpunkt der Zulassung für die Altersversorgung von Bedeutung sein könne.
Der beklagte Berufungsausschuß und der beigeladene Landesverband der Ortskrankenkassen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Der Klage steht, wie das LSG zutreffend angenommen hat, das in dem Vorprozeß ergangene Urteil des SG vom 10. März 1961 nicht entgegen, denn Gegenstand jenes Rechtsstreits war - wie sich aus den Gründen des Urteils ergibt - allein der die Zulassung ablehnende ursprüngliche Bescheid vom 11. April 1960 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1960 und nicht der Zulassungsbescheid vom 22. Februar 1961, gegen den der Kläger erst nach Erlaß des Urteils vom 10. März 1961 rechtzeitig Widerspruch und Klage erhoben hat. Der jetzigen Klage ist auch ein ordnungsmäßiges Widerspruchsverfahren vorausgegangen (§ 368 b Abs. 4 und Abs. 7 RVO).
Soweit der Kläger die Erweiterung des Kassenarztsitzes auf den Bereich der Innenstadt Dortmund erstrebt, hängt die Entscheidung davon ab, ob § 368 a Abs. 2 RVO noch gilt und welche Bedeutung gegebenenfalls dem Begriff Kassenarztsitz im Sinne dieser Vorschrift zukommt. Die Auffassung des Klägers, die Zuweisung eines Kassenarztsitzes sei überhaupt unzulässig, weil durch das Kassenarzturteil des BVerfG auch § 368 a Abs. 2 RVO als verfassungswidrig aufgehoben sei, ist rechtsirrig. Das BVerfG hatte sich in seinem Urteil vom 23. März 1960 (BVerfG 11, 30) entgegen den weitergehenden Anträgen der Beschwerdeführer darauf beschränkt, allein § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) für nichtig zu erklären, soweit er sich auf Ärzte bezieht. Diese Vorschrift wurde wegen Verletzung der Grundrechte der niedergelassenen Ärzte aus Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt, "insoweit sie die Verhältniszahl festlegt und sich damit als das rechtliche Instrument erweist, mittels dessen zulassungsfähigen Ärzten die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung verwehrt wird". Durch Beschluß vom 8. Februar 1961 (BVerfG 12, 144) hat das BVerfG weiterhin ausgesprochen, daß § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO, auch soweit er sich auf Zahnärzte bezieht, mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar und daher nichtig ist. In den Gründen dieser Entscheidung ist ausgeführt, daß für ihre unmittelbare Auswirkung auf andere Bestimmungen der RVO und der ZO-Zahnärzte das im Urteil vom 23. März 1960 Ausgeführte entsprechend gelte. Danach ist davon auszugehen, daß alle Vorschriften, die dem Vollzug des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO in seiner verfassungswidrigen Funktion als Mittel der Zulassung von Ärzten und Zahnärzten dienen (z. B. § 368 c Abs. 2 Nr. 11 RVO), durch die Entscheidungen des BVerfG gegenstandslos geworden sind, während ihre Weitergeltung im übrigen von den Entscheidungen des BVerfG nicht berührt wird. Deshalb ist jede Begrenzung der Zahl zuzulassender Ärzte (Zahnärzte) durch eine Verhältniszahl als Höchstzahl, d. h. eine zahlenmäßige Begrenzung der Kassenarztsitze, als verfassungswidrig anzusehen . Daraus folgt aber nicht, daß die Vorschriften über den Kassenarztsitz von Ärzten und Zahnärzten jede Bedeutung verloren haben und daß § 368 a Abs. 2 RVO, wonach die Zulassung für einen oder mehrere Orte oder für Ortsteile erfolgt, in vollem Umfang nicht mehr anwendbar ist (vgl. Paetzold in DOK 1960, 184; Leven in KrV 1960, 119; Matzke in KrV 1960, 124).
Die Errichtung von Kassenarztsitzen (Kassenzahnarztsitzen) stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verhältniszahl.
Das ergibt sich für Zahnärzte aus § 13 Abs. 2 ZO-Zahnärzte, wonach - entsprechend der durch § 368 a Abs. 1 RVO festgelegten Verhältniszahl - in der Regel im Zulassungsbezirk für je neunhundert Kassenmitglieder ein Kassenzahnarztsitz zu errichten war. Insoweit war die Errichtung von Kassenzahnarztsitzen ein Mittel der Zulassungsbeschränkung und diente damit dem Vollzug des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO. Deshalb ist die Errichtung von Kassenzahnarztsitzen als Voraussetzung für die Zulassung eines Zahnarztes zur Kassenpraxis durch die Entscheidungen des BVerfG gegenstandslos geworden. Der Kassenarztsitz hat aber noch weitere Funktionen. Der Kassenzahnarzt muß am "Kassenzahnarztsitz" - d. h. in dem räumlichen Bereich, für den der Sitz nach § 14 Abs. 1 ZO-Zahnärzte errichtet ist - Sprechstunden halten und seine Wohnung so wählen, daß er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Kassenzahnarztsitz zur Verfügung steht (§ 14 Abs. 2 ZO-Zahnärzte). Der Kassenzahnarztsitz bestimmt ferner die Zuständigkeit der KZV, der der Kassenzahnarzt als ordentliches Mitglied angehört (§ 368 k Abs. 4 RVO), gegen die er seinen Honoraranspruch geltend zu machen hat (§ 368 f Abs. 1 RVO), die gehalten ist, die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten zu überwachen und die ihm gegenüber die Befugnis hat, wegen Verletzung kassenzahnärztlicher Pflichten disziplinare Maßnahmen zu treffen (§ 368 n Abs. 1 Satz 3, § 368 m Abs. 4 RVO). Weiter endet mit dem Wegzug des Zahnarztes "aus dem Bezirk des ihm zugewiesenen Kassenarztsitzes" auch die Zulassung (§ 368 a Abs. 7 RVO). Schließlich ist in Angelegenheiten des Kassenarztrechts, wenn es sich um Fragen der Zulassung handelt, das SG zuständig, in dessen Bezirk die "Kassenarztstelle" - das ist der Kassenarztsitz - liegt (§ 57 a SGG). Es wird auch weiterhin geboten sein, das Verhältnis der Zahl der Kassenmitglieder zur Zahl der zugelassenen Kassenzahnärzte zu ermitteln (§ 12 ZO-Zahnärzte), um einen Überblick über die kassenzahnärztliche Versorgung in den Zulassungsbezirken zu gewinnen. Im Interesse der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung liegt es ferner, daß die Zulassungsausschüsse über die in ihrem Zulassungsbezirk praktizierenden Kassenzahnärzte und den Ort ihrer Niederlassung genau unterrichtet sind, damit sie Zahnärzten, die die Zulassung erstreben, die Anregung geben können, sich in Orten oder Ortsteilen, in denen die kassenzahnärztliche Versorgung nicht hinreichend gesichert ist, niederzulassen und dort ihre Zulassung zur Kassenpraxis zu beantragen. Der Kassenarztsitz hat danach, auch wenn er nicht mehr als Mittel einer zahlenmäßigen Zulassungsbeschränkung dient, für die kassenärztliche (kassenzahnärztliche) Versorgung weiterhin Bedeutung (vgl. auch Beschl. des BVerfG vom 23. Juli 1963, betr. die Beteiligung leitender Krankenhausärzte an der kassenärztlichen Versorgung, zu IV 1, abgedr. in SGb 1963, Sonderheft Sept. S. 22 = ÄM 1963, 1703).
Aus dem Recht auf freie Niederlassung ergibt sich, daß die Zulassungsinstanzen bei der Bestimmung des Kassenzahnarztsitzes grundsätzlich an den Antrag des die Zulassung erstrebenden Zahnarztes gebunden sind. Der Kassenzahnarztsitz eines die Zulassung beantragenden Zahnarztes bestimmt sich deshalb nach dem von ihm frei gewählten Ort oder Ortsteil seiner Niederlassung. Der Bezirk des Kassenarztsitzes (vgl. § 14 ZO-Zahnärzte, auch § 368 a Abs. 7 RVO) ist so abzugrenzen, daß er die Niederlassung des Kassenarztes - nicht notwendig auch seine Wohnung - umfaßt. Im übrigen ist es dem pflichtgemäßen Ermessen der Zulassungsinstanzen überlassen, die Grenzen des Kassenarztsitzes sachgemäß zu bestimmen. Im Hinblick auf die oben dargelegten Ordnungsfunktionen scheint es notwendig, daß der Kassenarztsitz innerhalb des Zulassungsbezirkes (§ 368 b Abs. 1 RVO) auf einen oder mehrere Orte oder auf Ortsteile (§ 368 a Abs. 2 RVO) begrenzt wird. - Die Auffassung der Revision, unter "Ortsteil" im Sinne dieser Vorschrift könnten bei einer Großstadt nur die Verwaltungsbezirke verstanden werden, ist nicht gerechtfertigt, vielmehr kann es durchaus geboten sein, die Kassenarztsitze innerhalb einer Großstadt aus organisatorischen Gründen nach anderen Gesichtspunkten zu begrenzen. Da es dem Zahnarzt, der die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt, freisteht, den Ort seiner Niederlassung zu wählen und dort seine Zulassung zur Kassenzahnarztpraxis zu beantragen, erscheint es allerdings nicht sinnvoll, den Kassenzahnarztsitz auf ein räumlich sehr enges Gebiet zu beschränken. Die Abgrenzung des Kassenarztsitzes liegt jedoch im Ermessen der Zulassungsinstanzen, das - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - von den Gerichten nur daraufhin nachzuprüfen ist, ob die rechtlichen Grenzen pflichtgemäßen Ermessens eingehalten sind (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Zulassungsinstanzen haben zwar den Bezirk des Kassenzahnarztsitzes des Klägers verhältnismäßig eng begrenzt, nämlich auf einen Teil der Innenstadt Dortmunds. Dadurch ist jedoch die Behandlungsbefugnis des Klägers nicht eingeschränkt worden. Er hat auch jederzeit die Möglichkeit, sich an einem anderen Ort oder Ortsteil innerhalb oder außerhalb des Zulassungsbezirks der beklagten KZV niederzulassen und dort seine Zulassung zu beantragen. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß die Zulassungsinstanzen sich bei der Bestimmung des räumlichen Bereichs des Kassenarztsitzes noch im Rahmen des ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens gehalten haben. Die Anfechtungsklage und der Antrag des Klägers, die Grenzen des Kassenarztsitzes zu erweitern, sind somit nicht begründet.
Auch der Antrag des Klägers, ihn von einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt an zuzulassen, ist nicht gerechtfertigt. Das Recht, an der kassenzahnärztlichen Versorgung teilzunehmen, beginnt erst mit der Zulassung (§ 368 a Abs. 4 RVO). Erst durch die Zulassung erhält der Bewerber die Rechtsstellung als Kassenzahnarzt und wird ordentliches Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen KZV. Erst auf Grund der Zulassung ist er berechtigt und verpflichtet, die ihn in Anspruch nehmenden Kassenpatienten zu Lasten der zuständigen Krankenkasse zu behandeln. Die Zulassung zur Kassenpraxis stellt somit einen konstitutiven Verwaltungsakt dar, der nach der gesetzlichen Ordnung der kassenärztlichen Versorgung nicht rückwirkend ausgesprochen werden kann. - Im übrigen hat das BVerfG erst durch seinen Beschluß vom 8. Februar 1961 die Vorschrift des § 368 a Abs. 1 Satz 1 RVO, auch soweit sie sich auf Zahnärzte bezieht, für nichtig erklärt und die auf dieser Vorschrift beruhenden ablehnenden Beschlüsse der Zulassungsinstanzen vom 11. April 1960 und vom 4. Juni 1960 aufgehoben, weil sie das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Da die Rechtslage hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der zahlenmäßigen Beschränkung der Zulassung von Zahnärzten - auch nach Auffassung des BVerfG, wie sich aus seinem Urteil vom 23. März 1960 (BVerfG 11, 30) und seinem Beschluß vom 8. Februar 1961 (BVerfG 12, 144) ergibt - bis zum Erlaß dieses Beschlusses zweifelhaft war, sind die Zulassungsinstanzen vor der Nichtigkeitserklärung des § 368 a Abs. 1 RVO, auch soweit er sich auf Zahnärzte bezieht, jedenfalls nicht verpflichtet gewesen, dem Antrag des Klägers auf Zulassung ohne ein vorangegangenes Ausschreibungsverfahren zu entsprechen (vgl. zur Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Verwaltung gegenüber verfassungswidrigen Gesetzen Bachof in Arch. f. öffentl. Recht Bd. 48 der Neuen Folge S. 1 ff, insbesondere S. 19 ff, 23 ff und 46 f). Der Zulassungsausschuß handelte daher nicht rechtswidrig, wenn er den Kläger erst nach Erlaß des Beschlusses des BVerfG vom 8. Februar 1961, nämlich durch Beschluß des Zulassungsausschusses vom 22. Februar 1961, als Kassenzahnarzt zugelassen hat.
Die Revision ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen