Orientierungssatz
§ 7 des Hessischen Gesetzes über die Sozialversicherung der Insassen von Arbeits- und Internierungslagern (SVArbLG HE) vom 1948-04-09 (GVBl HE 1, 1948, 50) - Inkrafttreten des Gesetzes rückwirkend mit dem 1946-10-01 widerspricht nicht dem GG (GG Art 123 Abs 1).
Normenkette
GG Art. 123 Abs. 1; SVArbLG HE § 7
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. August 1960 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Juli 1956 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger wurde im Jahre 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht im Lager Ziegenhain interniert. Am 16. Dezember 1945 fiel ihm beim Tragen von Rundholz ein schweres Holzstück auf das linke Fersenbein, an dem kurze Zeit später eine Osteomyelitis auftrat.
Er beantragte in den Jahren 1949 und 1951, ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 16. Dezember 1945 Versorgung zu gewähren. Diese Anträge hatten zunächst keinen Erfolg. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1953 gewährte ihm das Versorgungsamt Darmstadt rückwirkend seit dem Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) am 1. Oktober 1950 Versorgungsbezüge nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H.
Im Jahre 1951 beantragte der Kläger bei dem beklagten Land, für die Folgen des Unfalles vom 16. Dezember 1945 Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Hessische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung lehnte durch Bescheid vom 24. Oktober 1955 den Entschädigungsanspruch mit der Begründung ab, für den Kläger habe zur Zeit des Unfalles kein Unfallversicherungsschutz bestanden, weil das Gesetz über die Sozialversicherung der Insassen von Arbeits- und Internierungslagern vom 9. April 1948 (GVBl für das Land Hessen 1948, 50) erst mit Wirkung vom 1. Oktober 1946 in Kraft getreten sei.
Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage hat der Kläger begehrt, "den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen, den Bescheid vom 24. Oktober 1955 aufzuheben und den Kläger für die Zeit vom 16. Dezember 1945 bis 1. Oktober 1950 wegen der Unfallfolgen zu entschädigen". Das Sozialgericht (SG) Darmstadt hat die Klage durch Urteil vom 6. Juli 1956 abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 9. August 1960 das Urteil des SG Darmstadt und den Bescheid vom 24. Oktober 1955 aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, "den Unfall des Klägers vom 16. Dezember 1945 als Arbeitsunfall zu entschädigen".
Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers könne allein das Hessische Gesetz vom 9. April 1948 über die Sozialversicherung der Insassen von Arbeits- und Internierungslagern sein. § 7 dieses Gesetzes, der bestimme, daß das Gesetz erst mit Wirkung vom 1. Oktober 1946 in Kraft trete, widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Zwar könne der Gesetzgeber einem Gesetz ohne weiteres rückwirkende Kraft mit entsprechender zeitlicher Begrenzung verleihen, er dürfe jedoch, wie auch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 5. April 1960 - Az.: 2 RU 203/56 - entschieden habe, nicht willkürlich handeln. Dies sei aber hier der Fall. Wenn schon die Länder Rechtsnachfolger der amerikanischen Besatzungsmacht hinsichtlich der Betreuung der Internierungslager geworden seien, hätten sie für die Lagerinsassen nur einheitliches Recht schaffen dürfen. Das folge schon einmal aus dem Gedanken der Rechtsnachfolge, weil am 1. Oktober 1946 sämtliche, auch die vor dem 1. Oktober 1946 inhaftierten Internierten übernommen worden seien, und ergäbe sich sodann aus der Tatsache, daß sich dieser Personenkreis aus den gleichen Gründen in Haft befunden hätte. Erfolgte somit die Inhaftierung aller Internierten zu dem gleichen Zweck und sollte für diesen Personenkreis ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz geschaffen werden, so werde hierfür der Übergang der Lager in deutsche Verwaltung belanglos. Die Länder Württemberg-Baden und Bayern hätten wegen der schon bei der Verabschiedung des Gesetzes vom 9. April 1948 im Länderrat geäußerten Bedenken durch die Durchführungsverordnungen (DVO) die dem Hessischen Gesetz vom 9. April 1948 entsprechenden Gesetze auch auf alle Unfälle in Internierungslagern vor dem 1. Oktober 1946 ausgedehnt. Es brauche nicht untersucht werden, ob die zeitlich begrenzte Rückwirkung des Gesetzes durch die DVO habe beseitigt werden können. Auch in Hessen wäre dies beseitigt worden, wenn nicht die Militärregierung Einspruch eingelegt hätte. Der nunmehrige Rechtszustand habe dazu geführt, daß innerhalb derselben Zone verschiedenes Recht vorhanden sei, und zwar gegen den ausdrücklich erklärten Willen der seinerzeitigen deutschen Regierungsstellen. Dieser Zustand zwinge dazu, § 7 des Gesetzes vom 9. April 1948, soweit er sich auf die Unfallversicherung beziehe, als rechtsunwirksam anzusehen. Vielmehr sei das Gesetz so auszulegen, wie es im übrigen Teil der amerikanischen Besatzungszone angewandt werde, d. h. bezüglich der Unfallversicherung ohne zeitliche Begrenzung. Demzufolge sei der Unfall des Klägers vom 16. Dezember 1945 als Arbeitsunfall anzusehen und die Beklagte zur Entschädigung dem Grunde nach zu verurteilen.
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.
Das Urteil ist dem beklagten Land am 20. August 1960 zugestellt worden. Das Land hat am 17. September 1960 Revision eingelegt und sie am 14. Oktober 1960 begründet.
Die Revision führt aus: § 7 des Gesetzes vom 9. April 1948 widerspreche nicht Art. 3 des Grundgesetzes (GG); denn als vorkonstitutionelles Recht habe es zur Zeit seiner Verkündung nicht gegen das GG verstoßen können. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vom 9. April 1948 sei auch nicht willkürlich, denn es fehle der gesetzlichen Regelung nicht jede rationale Begründung. Das Land Hessen sei hinsichtlich der Betreuung der Internierungslager nicht der Rechtsnachfolger der Besatzungsmacht, die zudem jeden Versicherungsschutz abgelehnt habe, weil der Aufenthalt in diesen Lagern aus Gründen der Sicherheit der Besatzungsmacht erfolgt sei. Gegen die DVO'en der Länder Württemberg-Baden und Bayern bestünden erhebliche Bedenken, da durch sie, soweit sie den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ermächtigenden Gesetze betreffen, materielles Recht geändert worden sei. Schließlich sei es bedenklich, daß das LSG eine Verpflichtung des Landes Hessen angenommen habe. Das Berufungsgericht hätte sich auch von seiner Rechtsaussicht ausgehend darauf beschränken müssen, § 7 des Gesetzes vom 9. April 1948 für verfassungswidrig und nichtig zu erklären. Es könne jedoch nicht anstelle des Gesetzgebers die ausgeschlossenen Personen in den Versicherungsschutz einbeziehen.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des LSG Darmstadt vom 9. August 1960 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Darmstadt vom 6. Juli 1956 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt weiter aus: Es sei nicht entscheidend, daß sich der Unfall schon vor Inkrafttreten des GG ereignet und die Besatzungsmacht das Gesetz vom 9. April 1948 mitbeeinflußt habe. Der Gesetzgeber habe jedenfalls heute die Möglichkeit, die gesetzlichen Vorschriften mit dem GG in Einklang zu bringen. Die Ansicht, das Land Hessen sei hinsichtlich der Betreuung von Internierungslagern nicht Rechtsnachfolger der Besatzungsmächte geworden, entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Diese hätten die Länder Württemberg-Baden und Bayern, nicht aber das Land Hessen berücksichtigt. Deshalb verstoße § 7 des Gesetzes vom 9. April 1948 gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei nichtig. Daraus folge, daß auch Unfälle entschädigt werden müßten, die sich vor dem 1. Oktober 1946 ereignet hätten.
Das Landesversorgungsamt Hessen, das auf Grund der Beiladung durch das LSG gleichfalls das beklagte Land vertritt, hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.
II
Die durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte auch Erfolg.
Für die Zulässigkeit der Berufung ist die Fassung des SGG vor dem am 1. Juli 1958 in Kraft getretenen Gesetz vom 25. Juni 1958 (BGBl I 409) maßgebend (vgl. BSG 8, 135), so daß es für den Ausschließungsgrund des § 145 Nr. 2 aF SGG darauf ankommt, ob das Urteil des SG "nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume" betrifft. Das ist jedoch nicht der Fall; denn die Klageabweisung betraf nicht nur den auf die Zeit vom 16. Dezember 1945 bis zum 1. Oktober 1950 begrenzten Leistungsantrag, sondern umfaßte auch den in die Zukunft gerichteten Feststellungsantrag des Klägers, "den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen". Ob für diesen Antrag ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen gewesen wäre, ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung (vgl. auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, I 250 K mit weiteren Nachweisen). Das LSG hat die Berufung mit Recht als zulässig angesehen.
Das LSG hat auch zutreffend die Rechtsauffassung des SG bestätigt, daß aus den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) kein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für das Unfallereignis vom 16. Dezember 1945 herzuleiten ist.
Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Ausführungen zu der Frage, in welchem Umfang auf die in Einrichtungen ("Unternehmen" im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung) der Besatzungsmacht Beschäftigten, das am Ort der Einrichtung geltende Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist. Denn der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung setzt voraus, daß die unfallbringende Tätigkeit auf Grund eines auf dem freien Austausch von Arbeit und Lohn beruhenden Arbeitsverhältnisses verrichtet wird (§ 537 Nr. 1 und Nr. 10 aF RVO, vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 6. April 1960, BSG 12, 71). Der Unfall hat sich bei einer Tätigkeit innerhalb des Lagers ereignet, in dem der Kläger von der Besatzungsmacht als Internierter festgehalten wurde, und der Kläger hat die Arbeitstätigkeit innerhalb des Lagers unter dem Zwang der von der Besatzungsmacht ausgehenden Anordnungen verrichtet. Auf derartige Tätigkeiten war das Dritte Buch der RVO in der im Zeitpunkt des Unfalls geltenden Fassung nicht anwendbar.
Durch § 540 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - UVNG - vom 30. April 1963 (BGBl I 241) sind allerdings auch die Personen unmittelbar in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Dritten Buch der RVO einbezogen worden, die während einer auf Grund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder auf Grund strafrichterlicher Anordnung wie ein nach § 539 Abs. 1 nF RVO Versicherter tätig werden. Diese Vorschrift ist auf den Unfall des Klägers jedoch schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nur für Unfälle nach dem Inkrafttreten des UVNG gilt. Für Unfälle, die sich vorher ereignet haben, hat die Erweiterung des unmittelbar nach den Vorschriften des Dritten Buches der RVO geschützten Personenkreises nur Bedeutung, wenn für die Folgen des Unfalls ein Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz betreffend die Unfallfürsorge für Gefangene vom 30. Juni 1900 (RGBl 536) entstanden war (vgl. Art. 4 §§ 1, 2 Abs. 1 und 2 UVNG). Dieses Gesetz war jedoch auf den Unfall vom 16. Dezember 1945 nicht anwendbar, weil die im Interesse der Sicherheit der Besatzungsmacht von dieser internierten Personen (vgl. zum völkerrechtlichen Begriff der Internierung zB BSG 14, 50 und das IV. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten - BGBl 1954 II 917 - Art. 78 ff) nicht zu den Gefangenen oder den diesen gleichgestellten Personen im Sinne des Gesetzes vom 30. Juni 1900 gehören, die auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung oder einer sonstigen richterlichen oder polizeilichen Maßnahme in ihrer Freiheit beschränkt waren.
Infolgedessen mußte geprüft werden, ob sich aus dem für die Internierten (Lagerinsassen) im Gebiet des Landes Hessen geltenden Gesetz vom 9. April 1948, auf das der Kläger seine Klage stützt, Entschädigungsansprüche ergeben.
Die Auslegung dieses Gesetzes durch das LSG kann im Revisionsverfahren nach § 162 Abs. 2 SGG nachgeprüft werden; denn dieses Gesetz, das formell nur für das Gebiet des Landes Hessen ergangen ist, stimmt mit den in den übrigen Ländern der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone ergangenen Gesetzen (Bayern: Gesetz vom 19. April 1948, GVBl 63; Bremen: Gesetz vom 20. Juli 1948, GVBl 145; Württemberg-Baden: Gesetz vom 19. März 1948, RegBl 57) inhaltlich überein und beruht ebenso wie diese Gesetze auf einem die Übereinstimmung bewußt und gewollt herbeiführenden Beschluß des Länderrats für die amerikanische Zone (vgl. hierzu zB BSG 13, 191 und 197). Es bedarf deshalb in diesem Zusammenhang keiner Prüfung, ob das Gesetz vom 9. April 1948 Bundesrecht geworden ist (vgl. Art. 125 GG).
Wie auch das LSG nicht verkannt hat, begründet das Gesetz vom 9. April 1948 seinem Wortlaut nach keine Entschädigungsansprüche für den Unfall des Klägers vom 16. Dezember 1945, da § 7 die Rückwirkung des Gesetzes auf Versicherungsfälle beschränkt, die sich nach dem 30. September 1946 ereignet haben.
Das LSG ist aber der Auffassung, daß diese Einschränkung der Rückwirkung mit dem GG nicht vereinbar sei. Einer solchen Prüfung auf die Vereinbarkeit mit dem GG steht es - entgegen der Auffassung der Revision - nicht entgegen, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes das GG für die Bundesrepublik Deutschland noch nicht verabschiedet war; denn das aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages stammende Recht gilt nicht weiter, soweit es dem GG widerspricht (vgl. Art. 123 GG).
Der erkennende Senat neigt zu der Auffassung, daß die auf Grund von Beschlüssen des Länderrats für die amerikanische Besatzungszone von den einzelnen Landesregierungen dieser Zone erlassenen Vorschriften nicht zum "Besatzungsrecht" gehören, das grundsätzlich der Prüfung auf eine Vereinbarkeit mit dem GG entzogen ist (vgl. zB BVerfG 15, 337, 346). Der Senat konnte diese Frage (vgl. hierzu BGH, LM Nr. 7 zu Art. 100 GG) jedoch unentschieden lassen. Vielmehr kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß das LSG über die Vereinbarkeit des - vorkonstitutionellen - Gesetzes vom 9. April 1948 mit dem GG in eigener Zuständigkeit (vgl. hierzu BVerfG 2, 136) entscheiden konnte. Denn eine solche Prüfung ergibt nach der Auffassung des erkennenden Senats, wie noch darzulegen ist, keinen Verstoß gegen das GG.
Das LSG ist der Auffassung, daß die Beschränkung des Versicherungsschutzes der gesetzlichen Unfallversicherung auf die seit dem 1. Oktober 1946 eingetretenen Unfälle und die dadurch bewirkte unterschiedliche Rechtsstellung der Internierten, die vor oder nach dem Stichtag verunglückt sind, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Das LSG hat dabei nicht verkannt, daß der Gesetzgeber - insbesondere in der Sozialversicherung - durch Art. 3 GG nicht gehindert ist, die Geltung einer neuen Regelung, die Ansprüche begründet oder sie günstiger gestaltet, durch einen Stichtag zu begrenzen. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, ein neues Gesetz rückwirkend auf alle Fälle zu erstrecken, die tatbestandsmäßig von ihm erfaßt werden; vielmehr läßt Art. 3 GG dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum, der grundsätzlich nicht von der Rechtsprechung ausgefüllt werden kann (vgl. zB das Urteil des erkennenden Senats vom 5. April 1960, Breithaupt 1960, 882 und BSG 14, 95, 97; 15, 1, 9). Dabei ist für das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen, daß sich grundsätzlich aus dem Zeitpunkt des Unfallereignisses als dem für den Versicherungsfall maßgebenden Ereignis ergibt, welches Recht auf den Versicherungsfall anzuwenden ist.
Die Beschränkung der Geltung des Gesetzes vom 9. April 1948 auf die Unfälle seit dem 1. Oktober 1946 würde nur dann gegen das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn für diese Grenzziehung schlechthin kein vernünftiger Grund ersichtlich wäre, so daß sie als "willkürlich" bezeichnet werden müßte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Der Stichtag vom 1. Oktober 1946 ist gewählt worden, weil im Laufe des Monat Oktober 1946 begonnen worden war, die Lager in den Ländern der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone in deutsche Verwaltung zu überführen. Nach der Auffassung des erkennenden Senats ist es als ein durchaus sachgerechter - und somit nicht willkürlicher - Grund anzuerkennen, daß das Land Hessen einen Versicherungsschutz nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung erst von dem Zeitpunkt an begründet hat, von dem an das Land entscheidenden Einfluß auf die Art und Weise des Arbeitseinsatzes und die Maßnahmen zur Unfallverhütung hatte.
Daß diese - wie dargelegt sachgerechte - Entschließung wie jeder Stichtag Härten zur Folge haben mußte, kann von den Gerichten im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ebensowenig berücksichtigt werden wie die Frage, ob eine weitergehende Rückwirkung zweckmäßiger oder "gerechter" gewesen wäre. Auch der Umstand, daß die Länder der amerikanischen Besatzungszone die Lager der Besatzungsmacht von dieser - mindestens als tatsächliche Nachfolger - übernommen haben, ist nicht geeignet, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten die Entschließungsfreiheit des hessischen Gesetzgebers hinsichtlich der Unfälle einzuschränken, die sich während der Zeit ereignet haben, als die Besatzungsmacht noch die alleinige Verfügungsgewalt und damit Verantwortung für die Lage hatte. Das LSG verkennt auch, daß der Zweck der Internierung im Laufe der Zeit insofern eine Wandlung durchgemacht hat, als ursprünglich die Sicherheit der Besatzungsmacht im Vordergrund stand und erst später der Gedanke der Wiedergutmachung mehr Gewicht gewann.
Ein Verstoß gegen das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich auch nicht daraus, daß der in den Gesetzen der Länder der amerikanischen Besatzungszone enthaltene Zeitpunkt des Inkrafttretens in anderen Ländern durch Durchführungsverordnungen weiter vorverlegt worden ist (Bayern: DVO vom 26. Februar 1949, GVBl 60; Bremen: DVO vom 5. August 1949, GVBl 209; Württemberg-Baden: DVO vom 5. Oktober 1948, RegBl. 152), während die Hessische DVO vom 9. Juni 1949 (GVBl 61), keine entsprechende Bestimmung enthält. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Gesetzgeber nur innerhalb seines eigenen Rechtssetzungsbereichs (vgl. zB BVerfG 10, 354, 371; 12, 139, 143; 16, 6, 24). Der nur im Bereich eines Landes zuständige Gesetzgeber ist durch dieses Gebot nicht verfassungsrechtlich gezwungen, das Landesrecht an das in einer Mehrheit der anderen Länder geltende Recht anzugleichen.
Da hiernach - entgegen der Auffassung des LSG - § 7 des Hessischen Gesetzes vom 9. April 1948 mit dem GG vereinbar ist, bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, daß die Gerichte, wenn sie eine Gesetzesvorschrift für verfassungswidrig halten, diese Vorschrift nicht anstelle des Gesetzgebers durch eine ihrer Meinung nach richtigere Vorschrift ersetzen dürfen (vgl. zB BVerfG 15, 46, 75, 76).
Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Frage verneint, ob dem Kläger für die Folgen des Unfalls vom 16. Dezember 1945 Entschädigungsansprüche nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Auf die - begründete - Revision des beklagten Landes war deshalb das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens ergeht auf Grund von § 193 SGG.
Fundstellen