Leitsatz (redaktionell)
1. Überschritt ein später Verunglückter bei seinem Alkoholverzehr mit Kunden das Maß des Vertretbaren nicht, so braucht der Unfall infolge Ermüdung am Steuer nicht in jedem Fall zur Versagung des Unfallversicherungsschutzes zu führen.
2. Hat das LSG sein Urteil ausschlaggebend auf polizeiliche Vernehmungen gestützt, die mit anderen Zeugenerklärungen in Widerspruch stehen, so ist die Unterlassung eigener Beweiserhebung durch das LSG ein wesentlicher Verfahrensmangel.
Normenkette
RVO § 542 Abs. 1 Fassung: 1942-03-09; SGG § 150 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 13. September 1955 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Kläger sind die Hinterbliebenen des bei der Landmaschinenfirma ... beschäftigt gewesenen Reisevertreters Kurt …. Dieser unternahm am 25. Juli 1952 mit dem Kraftwagen des Unternehmens eine Geschäftsfahrt. Im Verlauf seiner Kundenbesuche wurde er gegen 18,30 Uhr mit dem Landwirt … in S… über die Lieferung von landwirtschaftlichen Geräten handelseinig und lud diesen darauf zu einem Glas Bier ein. Beide fuhren hierzu nach dem benachbarten. Dorf F…, wo sie in dem Lebensmittelgeschäft der Eheleute … einige Bewohner der umliegenden Ortschaften, meist ebenfalls Landwirte, trafen andere Einwohner aus der Nachbarschaft kamen im Laufe des Abends hinzu. … verbrachte die Abend- und Nachtstunden bis gegen 2,00 Uhr in dieser Gesellschaft und nahm auf der Heimfahrt den letzten noch anwesenden Gast, den Jungbauern … bis zu dessen Wohnort B… mit. Bei der anschließenden Weiterfahrt prallte der Kraftwagen auf der Bundesstraße zwischen D… und U… nach Passieren einer Rechtskurve gegen einen rechts von der Straße stehenden Baum. … wurde am 26. Juli 1952, gegen 3,00 Uhr, schwer verletzt im zertrümmerten Wagen aufgefunden. Bis zum Eintreffen eines Arztes war er bereits gestorben, eine Blutprobe wurde deshalb nicht entnommen. Nach den Angaben in der polizeilichen Unfallanzeige roch der Verstorbene nicht nach Alkohol, technische Mängel am Fahrzeug wurden nicht festgestellt.
Wenige Tage nach dem Unfall vernahm die Polizei alle Personen, die während, der fraglichen Nacht im Hause der Eheleute … geweilt hatten. Auf Grund dieser Ermittlungen wurde ein Strafverfahren gegen die Eheleute … wegen widerrechtlichen Ausschanks alkoholischer Getränke eingeleitet. Der Arbeitgeber des Verunglückten übersandte der Beklagten im Nachgang zur Unfallanzeige eidesstattliche Versicherungen der Landwirte … und … sowie des Jungbauern … vom 28. bzw. 27. August 1952. Auf Veranlassung der Beklagten wurden schließlich am 21. Oktober 1952 diese drei sowie die Zeugen … und … durch das durch das Versicherungsamt (VA.) des Kreises L… eidlich, außerdem drei weitere Zeugen uneidlich vernommen. Mit Bescheid vom 25. Februar 1953 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenentschädigung an die Kläger ab mit der Begründung, der Verunglückte habe am 25. Juli 1952 spätestens gegen 22,30 Uhr seine geschäftlichen Besprechungen beendet und sich in den folgenden vier Stunden bis zur Abfahrt ausschließlich im eigenwirtschaftlichen Interesse bei …aufgehalten. Dadurch sei der Zusammenhang mit der Beschäftigung im Betrieb gelöst worden, außerdem aber sei der Verunglückte bei Antritt der Heimfahrt durch Übermüdung fahruntüchtig gewesene.
Auf die Berufung der Kläger hat das. Sozialgericht (SG.) Lüneburg am. 20. Mai 1954 die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenrente verurteilt. Es nahm an, die. geschäftlichen Besprechungen hätten sich über den von der Beklagten, unterstellten Zeitpunkt hinaus bis nach Mitternacht ausgedehnt. Der Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit sei nicht in solchem Maße unterbrochen worden, daß der anschließende Heimweg nicht mehr als Fortsetzung der Betriebsreise anzusehen gewesen wäre. Fahruntüchtigkeit des Verunglückten sei allein nach dem Unfallhergang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Diese Entscheidung ist auf die Berufung der Beklagten durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG.) Celle vom 13. September 1955 aufgehoben worden. Das LSG. rechtfertigte die Abweisung der Klage vor allem damit, daß … sich mit einer gegen 1,00 Uhr unternommenen "Spazierfahrt" die. der Zeuge … bei seiner polizeilichen Vernehmung erwähnt hattet, endgültig von seiner beruflichen Arbeit gelöst habe. Ferner sei diese Lösung auch dadurch eingetreten, daß der Verunglückte bei. Antritt des Heimweges fahruntüchtig gewesen sei. Seine Fahruntüchtigkeit habe sowohl auf Übermüdung, die das LSG. aus dem Unfallhergang folgerte, als auch auf Alkoholeinwirkung beruht, für deren Vorliegen insbesondere die Aussage des Zeugen … spreche. - Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 9. November 1955 zugestellte Urteil haben die Kläger am 2. Dezember 1955 Revision eingelegt und diese am 10. Dezember 1955 begründete. Die Kläger rügen Verletzungen der §§ 128, 136 Abs. 1 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des § 542 der Reichsversicherungsordnung (RVO): das LSG. habe die gebotene nochmalige Zeugenvernehmung unterlassen und die Tatsachen nicht erschöpfend gewürdigt; die im Urteilstatbestand wiedergegebenen Feststellungen seien daher unzulänglich. Bei der Annahme einer Lösung vom Betrieb habe das LSG. die Gepflogenheiten im Verkehr eines Reisevertreters mit seiner Landkundschaft nicht genügend berücksichtigt. Schließlich meinen die Kläger - unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Mai 1956. (Sozialrecht § 542 RVO, Bl. Aa 2 Nr. 3) - das LSG. habe verkannt, daß selbst eine durch Blutprobe nachgewiesene Fahruntüchtigkeit nur dann zum Verlust des Versicherungsschutzes führe, wenn der Kraftfahrer aus unternehmensfremden Gründen sich in diesen Zustand versetzt habe.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache. an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Evtl.: die Beklagte zu verurteilen, den Klägern vom Todestage des Versicherten an Hinterbliebenenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht sind die tatsächlichen Feststellungen des LSG. ausreichend und deshalb einer Nachprüfung im Revisionsverfahren entzogen. Den Unterhaltungen, die G… während seines nächtlichen Aufenthalts führte, habe das LSG. zutreffend und in Übereinstimmung mit BSG. 1 S.258 einen geschäftlichen Charakter abgesprochen.
Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG) und daher zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Die gerügte Verletzung des §.136 Abs. 1 Nr. 5 SGG liegt allerdings nach Ansicht des Senats nicht vor. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß sich aus der Darstellung des Tatbestands im angefochtenen Urteil ein Bild. von den Geschehnissen in den letzten acht Stunden vor dem Unfallereignis kaum gewinnen läßt Denn insoweit gibt der Vorderrichter durch Aufzählung mannigfacher Zeugenaussagen lediglich eine Art Aktenauszug. Zu der in RGZ. Bd. 71 S. 131 hieraus gezogenen Konsequenz sah sich der Senat indessen nicht veranlaßt, weil aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils immerhin noch verständlich wird, was das LSG. als tatsächlich festgestellt angesehen hat.
Die zur Rechtfertigung dieses Revisionsangriffs substantiiert vorgetragenen Tatsachen weisen aber eindeutig auf die Verletzung des §103 Satz 1 SGG; daß diese Rechtsnorm in der Revisionsbegründung nicht ausdrücklich bezeichnet worden ist, ist unerheblich (BSG. 1 S. 227). Die hiernach dem Senat vorliegende Rüge, das LSG habe seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts nicht in ausreichendem Umfang genügt, trifft zu.
Die Entscheidung des Vorderrichters ist darauf gestützt, daß die dem Versicherungsschutz unterliegende geschäftliche Tätigkeit spätestens durch eine gegen 1,00 Uhr unternommene. Spazierfahrt beendet worden sei; außerdem sei eine Lösung von der beruflichen Arbeit dadurch eingetreten, daß … den Heimweg infolge Alkoholgenusses und Müdigkeit in fahruntüchtigem Zustand angetreten habe. Um zu diesen Feststellungen zu gelangen, hatte aber der Vorderrichter eine umfassendere Beweisaufnahme durch eigene. Zeugenvernehmungen durchführen müssen.
Wenn er sich stattdessen mit den in den Akten der Beklagten enthaltenen Niederschriften von außergerichtlich erfolgten Zeugenaussagen begnügte, so trug er damit den von den Klägern mit Recht hervorgehobenen erheblichen Abweichungen - namentlich zwischen den vor der Polizei gemachten Aussagen einerseits und den Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen sowie den Aussägen vor dem VA. andererseits - nicht genügend Rechnung. Zumal bei den Zeugen … … … von denen je drei Äußerungen vorliegen, sind solche Abweichungen ganz offenkundig. Besonders bei … dessen Bekundungen überdies noch deshalb besonders wichtig erscheinen, weil er der letzte war, auffallender Widerspruch hervor zwischen seinen Angaben vor der-;. Polizei, wo er vorwiegend ein Zechgelage geschildert und die fragliche ''Spazierfahrt'' erwähnt hat, seinen Aussagen vor dem VA., wo diese Dinge schon erheblich hinter geschäftlichen Besprechungen zurücktreten und schließlich seiner "eidesstattlichen Versicherung" vom 27. August 1952, die im angefochtenen Urteil - im Unterschied zu den entsprechenden. Erklärungen der Zeugen … und … - überhaupt nicht erwähnt wird. Es kommt hier nicht darauf an, ob in dieser Urkunde eine Versicherung an Eides Statt im Sinne des § 156 des Strafgesetzbuches (StGB) oder - mangels Zuständigkeit der Beklagten zur Abnahme einer solchen Versicherung - nur eine einfache privatschriftliche Erklärung zu erblicken ist (Vgl. hierzu Martens in DOK 1956 S. 337 ff. mit weiteren Nachweisen). Auch der: fragwürdige Beweiswert, der solchen Erklärungen an sich meist zukommt (Martens a.a.O.), braucht in diesem Zusammenhang nicht näher erörtert zu werden. Wesentlich ist vielmehr im vorliegenden Falle der Inhalt der Urkunde als solcher im Vergleich mit den anderen Aussagen des Zeugen … Der Zeuge erwähnt in dieser, zwei Monate vor der Vernehmung durch das VA. abgegebenen Erklärung sehr eingehende Kaufverhandlungen, die sich "entsprechend in die Länge gezogen" haben sollen. Dies, verbunden mit der Bemerkung des Zeugen, "dann" habe ihn … auf seinem Nachhauseweg mitgenommen, mußte den Tatrichter dazu drängen den Zeugen persönlich zu hören und ihn unter Vorhalt seiner voneinander abweichenden außergerichtlich festgestellten Erklärungen zu einer genauen, zusammenhängenden Schilderung der Vorgänge zu veranlassen (§ 396 ZPO). Aus der Sachdarstellung in der Urkunde vom 27. August. 1952 ergibt sich in der für die Entscheidung wesentlichen Frage, ob … überhaupt nennenswerte Zeit vor der Abfahrt um 2,30 Uhr seine geschäftlichen Verhandlungen beendet hatte, kein, genügend klares Bild. Die Notwendigkeit der eigenen Beweiserhebung durch den Tatrichter war. mithin nach: Läge des Falles so zwingend, daß die Frage, ob auch formell der von der Revision gesondert gerügte Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gegeben ist, dahingestellt bleiben, kann (vgl. BGH., Urteil vom 29. Januar 1955 in NJW. 1955 S. 671; BVerwG. Urteil vom 4. November 1955 in NJW. 1956 S. 236).
Wenn das LSG. bei seiner Würdigung der ihm vorliegenden außergerichtlichen Beweisergebnisse - ungeachtet der dargelegten, weitere Sachaufklärung erheischenden Unklarheiten - sich ausschließlich auf die den Klägern ungünstigen polizeilichen Vernehmungen stützen wollte, so hätte es wenigstens deren Beweiswert im Vergleich zu den entgegenstehenden sonstigen Zeugenaussagen abwägen müssen (BSG. 1 S. 254 ff, hier S. 257). Daß das angefochtene Urteil eine solche Abwägung nicht erkennen läßt, bedeutet, wie die Revision zutreffend gerügt hat, eine Überschreitung der Grenzen des Rechts, über das Gesamtergebnis des Verfahrens nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 128 Abs. 1. Satz 1 SGG). Der. Vorderrichter hat insbesondere außer Acht gelassen, daß es der Polizei wesentlich darauf ankam zu ermitteln, ob sich die Eheleute … wegen unerlaubten Alkoholausschanks strafbar gemacht hatten. Wie es meistens in derartigen Fällen zu geschehen pflegt, ist dabei offenbar auf Umstände, die für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Vorgänge bedeutsam sein konnten, nur wenig Wert gelegt worden. Angaben hierzu finden sich in polizeilichen. Verkehrsunfallakten sehr oft nur zufällig und nebenbei, weil diese Ermittlungen ganz anderen Zwecken dienen.
Die vorstehend dargelegten Verfahrensmängel haben weiterhin zur Folge, daß auch die Frage, ob … bei Antritt der Heimfahrt fahruntüchtig war, nicht hinreichend geklärt ist. Das LSG. nimmt Fahruntüchtigkeit infolge von Übermüdung an. Sie soll sich aus dem Unfallhergang ergeben, ferner soll dafür die durch Zeugenangaben belegte Alkoholeinwirkung sprechen. Der Unfallhergang mag nun zwar ein nicht unbeachtliches Indiz sein, indessen wäre es verfehlt, dieses Indiz für sich allein, ohne Berücksichtigung der sonstigen Beweisergebnisse, zur Grundlage der Beurteilung zu machen. Hinsichtlich der Zeugenaussagen über den angeblichen Alkoholgenuß des … ist auf die oben angegebenen Widersprüche zwischen den einzelnen Vernehmungen hinzuweisen. Die Kläger tragen in diesem Zusammenhang mit Recht vor, daß das LSG. sich mit der Aussage der Ehefrau … auseinandersetzen musste, nach der … scharfe Getränke weggeschüttet haben soll; dies erschien um so mehr geboten, als nach der Behauptung der Kläger der Zeuge … das gleiche bekunden kann.
Bereits durch die Verfahrensrügen der Kläger wird demnach den Feststellungen des Vorderrichters zu den Fragen einer etwaigen "Lösung vom Betrieb" und einer Fahruntüchtigkeit des Verunglückten die Grundlage entzogen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß bei erschöpfender Sachaufklärung und Beweiswürdigung der Vorderrichter in beiden Fragen zu anderen Ergebnissen gelangt wäre.
Auch die Rüge einer Verletzung des § 542 RVO ist bis zu einem gewissen Grade berechtigt. Das angefochtene Urteil berücksichtigt nicht genügend, daß die äußere Form eines geselligen Zusammenseins dem geschäftlichen Charakter der bei diesem Zusammensein gepflogenen Verhandlungen keinen Abtrag zu tun braucht. Dieser, bereits in der Entscheidung des Reichsversicherungsamts (RVA) vom 13. Mai 1930 (Breith. 1930 S. 561 = BG. 1930 S. 351) zum Ausdruck gekommene Gedanke ist vom SG. Im vorliegenden Falle mit weithin zutreffenden, Rechtserwägungen auf die besonderen Berufsverhältnisse des Verunglückten angewendet worden. Die Bezugnahme der Beklagten auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. Oktober 1955 (BSG. 1 S. 258) trifft nicht zu. Denn im Gegensatz zu dem damals entschiedenen Fall wie auch etwa zu dem Urteil des Bayerischen Landesversicherungsamts (LVAmts) - ZfS. 1953 S. 220 - ist nach dem schlüssigen Vortrag der Kläger in der hier vorliegenden Sache eine unmittelbare Verbindung der von … ausgeübten Kundenwerbung zu bestimmten Geschäftsabschlüssen gegeben. Er war in: seinem Beruf als Reisevertreter, wenn er mit seinem Bestreben, Geschäfte abzuschließen, Erfolg haben wollte, dar auf angewiesen, sich den im Verlauf -des abendlichen Zusammenseins vorgebrachten Wünschen seiner Kunden anzubequemen. Wenn er deshalb seine Kunden bewirtete und auch selbst ein wenig mit ihnen getrunken haben mag, so war sein Verhalten der Situation durchaus nicht unangemessen. Der Sachverhalt kann insoweit nicht mit dem vom LSG. Celle im Urteil vom 30. August 1955 (Breith. 1956 S. 599 = WzS. 1956 S. 149) entschiedenen Fall in Parallele gesetzt werden.
Selbstverständlich ist mit Sperling (BG. 1956 S. 118, Fußnote 17) eine sorgfältige Klärung des Einzelfalles zu fordern, denn in dem Streben nach Erlangung des Versicherungsschutzes dürfte nur allzuoft ein privates Trinkgelage als geschäftliche Besprechung deklariert werden. Die Bekundungen der Zeugen … … und … erscheinen jedoch geeignet, hier diesen Verdacht zu widerlegen. Es bedarf nur noch einer. genaueren Klärung, ob sich die. Kundenwerbung über die ganze Zeit bis zur Heimfahrt erstreckte oder ob sie etwa doch schon vorher abgebrochen wurde. In dieser. Hinsicht ist allerdings zu berücksichtigen, daß Kaufverhandlungen, die sich, wie hier, in zwanglos geselligem Rahmen abspielen, wohl kaum abrupt beendet werden dürften, sondern nur in allmählichem Übergang das geschäftliche Gepräge einbüßen.
Wenn sich durch die noch vom Vorderrichter vorzunehmende Beweisaufnahme ein genaueres Bild über den Verlauf der. Gespräche Alkoholgenuß und Zustand des … ergeben hat, wird die Frage zu beantworten sein, ob etwa eine - mangels objektiver. Anhaltspunkte in Form der Blutalkoholbestimmung - aus Indizien herzuleitende Fahruntüchtigkeit des Verunglückten den Versicherungsschutz beeinträchtigt. Hierzu ist der Senat - im notwendigen Umkehrschluß aus seinen Urteilen vom 30. Mai 1956 und 24. Oktober 1956 (Sozialrecht § 542 RVO Bl. Aa 2 Nr. 3,.Aa 3 Nr. 5) - der Auffassung, daß der Versicherungsschutz jedenfalls nicht deshalb Verneint werden darf, weil der Verunglückte aus Unternehmens bedingten Gründen müde geworden war und leicht unter Alkohol stand. Denn in jenen Entscheidungen war es darauf abgestellt worden, daß sich der. Kraftfahrer durch Unternehmens fremde Tätigkeit in den Zustand der Fahruntüchtigkeit versetzt hatte. Der Vorderrichter wird allerdings zu prüfen haben, ob etwa der Verunglückte bei seinem Alkohol verzehr das Maß des Vertretbaren überschritten hat (vgl. Demiani in Betriebsberater 1951 S. 732). Da die Abgrenzung insoweit wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhängt, die im vorliegenden Falle gerade noch der näheren Aufklärung bedürfen, glaubt der Senat sich auf diesen allgemeinen Hinweis beschränken zu sollen.
Die unzureichenden Tatsachenfeststellungen verhindern eine Entscheidung des Senats in der Sache selbst. Das angefochtene Urteil war daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§170 Abs. 2 SGG).
Dem Vorderrichter wird es obliegen, nunmehr die bislang versäumte eingehende Beweisaufnahme durchzuführen; dabei erscheint dem Senat die Vernehmung der Zeugen … Frau … sowie deren Tochter besonders wichtig. Der Senat verkennt nicht, daß erneute Zeugenvernehmungen nach so langer Zeit gewisse Schwierigkeiten bieten werden, jedoch hat der Vorderrichter Gelegenheit den Zeugen ihre früheren Aussagen unter Hinweis auf alle Abweichungen als Gedächtnisstütze vorzuhalten Besonderen Wert wird der Vorderrichter auf eine eindeutige Festlegung des von ihm ermittelten Tatbestandes legen müssen. Es. erscheint im übrigen geboten, auch den Unfallhergang im Hinblick auf seine angebliche Beweiskraft für die Fahruntüchtigkeit des Verunglückten nochmals zu überprüfen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen