Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentnerbeitrag
Leitsatz (redaktionell)
Die KK hat keinen Anspruch auf den KVdR-Beitrag (RVO § 381 Abs 2), wenn einem Versicherten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt bewilligt worden war und dessen Rentenantrag für die anschließende Zeit endgültig abgelehnt worden ist. Weil bei der nachträglichen Bewilligung der Rente für eine abgelaufene Zeit bereits mit ihrem Beginn auch ihr Wegfall bestimmt ist, fehlt es an dem in RVO § 312 Abs 2 S 1 vorausgesetzten "Entzug der Rente".
Normenkette
RVO § 381 Abs. 2 Fassung: 1956-06-12, § 312 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 9. Mai 1961 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Den Beigeladenen zu 1) bis 3) war von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Rente für einen abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bewilligt, im übrigen aber abgelehnt worden. Die Bescheide der beklagten LVA sind bindend geworden. Die Beigeladenen zu 1) und 3) gehörten zu dem in § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Personenkreis und waren bei der klagenden Ersatzkasse versichert.
Die klagende Ersatzkasse hält die beklagte LVA für verpflichtet, Beiträge für die Krankenversicherung der Beigeladenen zu 1) bis 3) auch für die Zeit vom Wegfall der Rentenzahlung bis zum Ablauf des Monats zu entrichten, in dem die Ablehnung des Rentenantrags endgültig geworden sei. Sie ist der Auffassung, aus § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO ergebe sich, daß die nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO eingetretene Krankenversicherung dieser Personen auch über den Zeitpunkt der Einstellung einer für die Vergangenheit bewilligten Rente hinaus bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits andauere, wie sie zur Zeit des Rentenbezugs bestanden habe. Die beklagte LVA sei daher nach § 381 Abs. 2 RVO verpflichtet, diese Leistungen auch während des sich anschließenden Schwebezustandes zu zahlen. Da die Beklagte die Zahlung dieser Beiträge unter Berufung darauf verweigert hat, daß eine analoge Anwendung des § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO auf diese Fälle nicht möglich sei, hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit dem Antrage,
die Beklagte zu verurteilen, Beiträge für die Krankenversicherung der Beigeladenen zu 1) bis 3) für die Zeit zwischen der Einstellung der Rentenzahlung und der Rechtskraft des Rentenbescheides zu gewähren.
Das SG hat die beklagte LVA antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 31. August 1960).
Gegen dieses Urteil hat die beklagte LVA Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 9. Mai 1961). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt:
Auszugehen sei davon, daß die Beigeladenen in der strittigen Zeit der Kasse nur als Formalmitglieder (§ 315 a RVO) angehört hätten, weil sie nicht die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente erfüllten. Nur für die Dauer der - rückwirkenden - Gewährung der Rente habe vorübergehend volle Mitgliedschaft bestanden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei auf die Beigeladenen § 312 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht anzuwenden. Diese Bestimmung betreffe die Versicherten, denen eine für unbestimmte Zeit bewilligte Rente gemäß § 1286 RVO aufgrund erneuter Sachprüfung durch Bescheid wieder entzogen werde.
Die Frage, wer die Beiträge zu zahlen habe, regele allein § 381 Abs. 2 und 3 RVO. Nach ihrem Sinn und Zweck sei diese Regelung dahin auszulegen, daß Formalmitglieder die Beiträge selbst entrichten müssten, dem Rentenversicherungsträger diese dagegen nur zur Last fielen, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Rentenbezug vorlägen. Da die Rentenberechtigung aber im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, sehe das Gesetz eine Regelung vor, welche eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen, also auch die Beitragsleistungen des § 1235 Nr. 5 RVO, ausschließe. Sie bestehe darin, daß der Antragsteller vom Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrags bis zur Bewilligung der Rente die Beiträge selbst zu zahlen habe. Werde der Antrag abgelehnt, so gelte zwar die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung des Rentenantrags endgültig geworden sei, als bestehend im Sinne einer sogenannten Formalmitgliedschaft. Formalmitglieder müßten aber, weil sie keinen Anspruch auf Rente haben, grundsätzlich die Krankenversicherungsbeiträge selbst tragen. Das gelte nicht nur für die Zeit vor Rentenbeginn, sondern auch in den vorliegenden Fällen der nachträglichen Gewährung einer Rente für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Die Beigeladenen hätten sich für berufsunfähig oder erwerbsunfähig gehalten und hätten deshalb eine Rente für unbestimmte Zeit beantragt, die von der Beklagten abgelehnt worden sei. Bis zum Ablauf der Zeit, in dem die Ablehnung des Rentenantrags endgültig geworden sei, seien sie folglich Formalmitglieder im Sinne des § 315 a RVO gewesen. Die Besonderheit ihres Falls liege allein darin, daß während des von ihnen geführten Rechtsstreits wegen des Ablehnungsbescheides nur vorübergehend die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente vorgelegen hätten. Nur während dieses Zeitabschnittes habe für die Beigeladenen eine echte Mitgliedschaft und eine Beitragspflicht der Beklagten bestanden. Vor und nach diesem Zeitabschnitt seien sie jedoch Formalmitglieder gewesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrage,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die beklagte LVA zu verurteilen, die Krankenversicherungsbeiträge für die Beigeladenen
a) Walter H, für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis 2. Mai 1960,
b) Carl R, für die Zeit vom 1. Juli 1957 bis 31. März 1960,
c) Peter Sk, geb. 13. Mai 1908, für die Zeit vom 28. Oktober 1958 bis 29. Januar 1960
an die Klägerin zu entrichten.
Die Klägerin rügt die Auffassung des LSG, daß § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO keine Anwendung finden könne. Durch die Rentenbewilligung sei eine Vollmitgliedschaft nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO begründet worden, und diese habe nach § 312 Abs. 2 RVO (und nicht nach § 315 a Abs. 2 RVO) erst mit der Rechtskraft des Rentenbescheides, mit dem neben der Bewilligung durch die zeitliche Begrenzung gleichzeitig die Beendigung der Rente ausgesprochen worden sei, geendet. § 381 Abs. 2 RVO mache die Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers nicht von der Rentenzahlung, sondern von der Versicherung nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO als solcher abhängig.
Auch durch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. August 1963 - 3 RK 35/61 - (BSG 19, 295) sei der vorliegende Streitfall noch nicht erledigt. Abgesehen davon, daß der Sachverhalt anders liege, habe es der Senat in dieser Entscheidung dahingestellt sein lassen, ob eine für eine bestimmte Zeit nachträglich bewilligte Rente als Zeitrente im Sinne des § 1276 Abs. 1 RVO anzusehen sei. Gerade dieser Frage komme jedoch im Hinblick auf § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO erhebliche Bedeutung zu. Die Klägerin sei der Auffassung, daß es sich bei einer solchen Leistung des Rentenversicherungsträgers nicht mehr um eine Zeitrente im Sinne des § 1276 Abs. 1 RVO handele. Die vom Gesetzgeber neu geschaffene Möglichkeit einer Rentengewährung auf Zeit dürfe nicht zu einer Umgehung der Vorschriften der Rentenentziehung führen. Die Anwendung dieser Vorschriften auf diese Fälle führe auch zur Anwendung des § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO. Abgesehen davon, daß der Versicherte einen rechtlichen Anspruch auf möglichst schnelle Entscheidung über seinen Rentenantrag habe, bedürfe er eines Schutzes für die Zeit, für die er erst nachträglich erfahre, daß ihm Rentenleistungen nicht bewilligt worden seien.
Die Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt. Sie hält das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Die Revision der klagenden Ersatzkasse ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG angenommen, daß die beklagte LVA zur Zahlung der Beiträge für die beigeladenen Versicherten während der strittigen Zeit nicht verpflichtet ist.
Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 29. August 1963 (BSG 19, 295) näher dargelegt hat, ist ein Rentner dann, wenn Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bewilligt und sein Rentenantrag für die anschließende Zeit endgültig abgelehnt worden ist, in der Krankenversicherung der Rentner Vollmitglied nur bis zum Ablauf der Zeit, für die Rente bewilligt worden ist. Dabei kann - entgegen der Auffassung der klagenden Ersatzkasse - offen bleiben, ob eine solche nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bewilligte Rente eine Zeitrente im Sinne des § 1276 Abs. 1 RVO ist (vgl. BSG aaO S. 297). Selbst wenn das der Fall wäre, käme hier § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO nicht zum Zuge, wonach ausnahmsweise trotz Wegfalls des Rentenbezugs die Vollmitgliedschaft in der Krankenversicherung bis zum "endgültigen Entzug der Rente" erhalten bleibt. Dieser Sachverhalt ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn Beginn und Wegfall der Rente - beides in der Vergangenheit liegend - in demselben Bescheid des Versicherungsträgers festgesetzt sind. In diesem Falle fehlt es an dem die ausnahmsweise Aufrechterhaltung der Vollmitgliedschaft allein rechtfertigenden Schutzbedürfnis des Rentners, dem eine Rente auf unbestimmte Dauer bewilligt wurde mit der Folge, daß dieser sich auf einen unbegrenzten Rentenbezug eingerichtet hat (vgl. BSG aaO S. 297). Mangels eines solchen in dem Sinne schutzwürdigen Besitzstandes, daß der Rentner ohne Sorge um die Beitragslast für seine weiterlaufende Krankenversicherung um den Fortbestand seines zweifelhaft gewordenen Rentenrechts notfalls einen Rechtsstreit führen kann, ist auch kein Raum für eine entsprechende Anwendung des § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO. Vielmehr ist ein Rentenantragsteller, der zwar einen Teilerfolg erstritten hat, dessen Rentenantrag aber im übrigen endgültig abgelehnt worden ist, nur für die Dauer des Rentenbezuges Vollmitglied und für die anschließende Zeit Formalversicherter (§ 315 a Abs. 2 RVO). Als solcher trägt er wie alle Rentenantragsteller das Risiko, für seine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner selbst aufkommen zu müssen (vgl. § 381 Abs. 3 Sätze 2 und 3 RVO), wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen des Rentenbezugs für diesen Zeitraum nicht vorgelegen haben.
Demnach mußte die Revision der klagenden Ersatzkasse zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen