Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Pflegezulage. außergewöhnliche Pflege. Stufe II. Pflegeumfang. Pflegebedarf. Zeitaufwand
Leitsatz (amtlich)
Außergewöhnlicher Pflege im versorgungsrechtlichen Sinne bedarf derjenige stets, bei dem der Zeitaufwand für berücksichtigungsfähige Hilfeleistungen wöchentlich im Tagesdurchschnitt dauernd mindestens vier Stunden beträgt.
Normenkette
BVG § 35 Abs. 1 S. 4 F: 2003-06-23, S. 1 F: 2003-06-23; SGB XI § 15
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. August 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Ausspruch dieses Urteils zur Hauptsache wie folgt neu gefasst wird:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Mai 2004 insoweit aufgehoben, als es die Gewährung von Pflegezulage nach Stufe II für die Zeit vor dem 1. Februar 2001 betrifft.
In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten – noch – darüber, ob der schwerkriegsbeschädigte Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis zum 31. März 2006 Anspruch auf erhöhte Pflegezulage (nach Stufe II) hat.
Bei dem 1919 geborenen Kläger sind nach dem insoweit maßgeblichen Bescheid vom 13. Juni 2000 als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH anerkannt: Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit verbildender Entartung und Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk und Stumpfneuralgien; verheilter Bruch des linken Ellenbogens; Bewegungseinschränkung und verbildende Entartung im linken Schultergelenk sowie Schwäche des Arms; verbildende Entartung und Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und Handgelenksveränderung; chronische deformierende Veränderungen am rechten Hüft-, Knie- und Sprunggelenk sowie Fußwurzel mit Senk-Spreizfuß; Kunstgelenk in der rechten Hüfte (TEP); postthrombotische Veneninsuffizienz nach Krampfaderoperation. Schädigungsunabhängig besteht bei dem Kläger eine hochgradige Einschränkung der Sehkraft bei Makuladegeneration (Visus rechts 0,1 und links 0,2) sowie eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern und chronischer Herzinsuffizienz, eine chronisch-venöse Insuffizienz und ein Ureterostoma nach Prostatektomie und Harnblasenentfernung wegen Karzinoms. Zur Grundrente eines Erwerbsunfähigen erhielt er Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III und Pflegezulage nach Stufe I. Die Zubilligung von Pflegezulage nach Stufe II lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 11. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1998 und Bescheid vom 13. Juni 2000).
Das Sozialgericht Mannheim (SG) hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 1. September 1999 Pflegezulage nach Stufe II zu gewähren (Urteil vom 13. Mai 2004). Das vom Beklagten angerufene Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat diese Entscheidung auf einen Leistungsbeginn am 1. Februar 2001 geändert und im Übrigen die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Die einzelnen – insgesamt sechs – Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) seien weder dort, noch in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (VV) zu dieser Norm oder in den “Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht” (AHP) exakt voneinander abgegrenzt. Deshalb sei auf das System der genau beschriebenen Pflegestufen nach § 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zurückzugreifen, wie es das Bundessozialgericht (BSG) bereits getan habe, um den Begriff der Hilflosigkeit als Voraussetzung für die “einfache” Pflegezulage nach Stufe I näher zu bestimmen. Die Voraussetzungen für eine Pflegezulage der Stufe II seien jedenfalls dann erfüllt, wenn der im Rahmen des § 35 BVG berücksichtigungsfähige Zeitaufwand für die Grundpflege iS des § 15 SGB XI (bezogen auf die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität), also ohne Berücksichtigung der hauswirtschaftlichen Versorgung, sowie für die nach 35 BVG einzubeziehenden Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation den Grenzwert von vier Stunden erreiche. Das sei hier ab 1. Februar 2001 der Fall (Urteil vom 29. August 2005).
Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend: Das LSG habe § 35 Abs 1 BVG verletzt. Nach dieser Vorschrift sei Maßstab für die Abgrenzung der Pflegezulage-Stufen nicht – wie vom LSG angenommen – allein der zeitliche Pflegeaufwand. Maßgebend seien die in der Vorschrift genannten Kriterien: Dauerndes Krankenlager oder dauernd notwendige außergewöhnliche Pflege als Zugangsvoraussetzung zu den Stufen II bis VI und zur Abgrenzung unter diesen die Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege. Die VV zu § 35 BVG (insbesondere deren Nr 10) gäben sowohl dem erfahrenen versorgungsärztlichen Gutachter als auch der Verwaltung Einstufungskriterien vor, die sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt hätten. Eines Rückgriffs auf das Pflegeversicherungsrecht bedürfe es deshalb aus praktischen Erwägungen nicht. Im vorliegenden Fall sei ein der Stufe II der Pflegezulage entsprechendes Hilfebedürfnis noch nicht festzustellen.
Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte ab 1. April 2006 Pflegezulage nach Stufe II gewährt (Neufeststellungsbescheid vom 14. August 2006).
Er beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 29. August 2005 insoweit aufzuheben, als die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Mannheim vom 13. Mai 2004 hinsichtlich der Gewährung von Pflegezulage nach Stufe II für die Zeit vor dem 1. April 2006 zurückgewiesen worden ist, und die Klage in diesem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und führt aus, die Pflegezulage sei auf Grund rechtlicher Wertung von Tatsachen zum Gesundheitszustand und zum Pflegebedarf abzustufen, nicht – wie der Beklagte meine – nach medizinischer Erfahrung des versorgungsärztlichen Dienstes.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe II bereits ab 1. Februar 2001, weil seine Gesundheitsstörungen von da an täglich mehr als 4 Stunden und damit dauernd “außergewöhnliche Pflege” erforderten.
Nach § 35 Abs 1 Satz 1 BVG (in der ab 1. Juli 2003 geltenden Fassung vom 24. Juni 2003, BGBl I 984) wird Beschädigten, die hilflos sind, weil sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe bedürfen, eine Pflegezulage von monatlich 262 € (Stufe I) gezahlt. Der dort geforderte Hilfebedarf liegt nach der Rechtsprechung des Senats in jedem Falle dann vor, wenn sein Umfang mindestens zwei Stunden täglich erreicht (BSGE 90, 185 = SozR 3-3100 § 35 Nr 12; SozR 4-3250 § 69 Nr 1). Die Schwelle zur nächsten Stufe der Pflegezulage überschreitet ein hilfloser Beschädigter nach § 35 Abs 1 Satz 4 BVG, wenn seine Gesundheitsstörungen so schwer sind, dass sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordern. Die Pflegezulage ist dann “je nach Lage des Falles oder Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 448, 635, 816, 1.060 oder 1.304 € (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen”. In den davor geltenden, für die Zeit ab 1. Februar 2001 einschlägigen Fassungen des § 35 BVG wurden entsprechend niedrigere Beträge für die einzelnen Stufen festgesetzt (vgl Gesetz vom 21. Juni 2000, BGBl I 916; Gesetz vom 26. Juni 2001, BGBl I 1344; Gesetz vom 24. Juni 2002, BGBl I 2229).
Ebenso wenig wie für den Begriff der Hilflosigkeit setzt das Gesetz eine zeitliche Grenze, von der an ein Pflegebedarf “außergewöhnlich” ist. Ein solcher Grenzwert lässt sich jedoch aus der Gesetzesgeschichte verbunden mit einem Blick auf die soziale Pflegeversicherung bestimmen.
Die Pflegezulage für Kriegsbeschädigte ist durch das Reichsversorgungsgesetz (RVG) vom 12. Mai 1920 (RGBl 989) eingeführt worden. Bereits § 31 RVG unterschied – wie noch heute das BVG – zwischen einfacher, bei Hilflosigkeit gewährter Leistung und – zweistufiger – “erhöhter” Pflegezulage. Letztere setzte eine so schwere Gesundheitsstörung des Geschädigten voraus, dass “dauerndes” Krankenlager und außergewöhnliche Pflege erforderlich waren. Nach dem Änderungsgesetz vom 22. Juni 1923 (RGBl I 513) genügte dann eine dieser zunächst kumulativ geforderten Voraussetzungen: dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege. Unter letzterer war nicht etwa eine besondere Pflegequalität zu verstehen. Erforderlich war, dass der Beschädigte infolge der Gesundheitsstörung in außergewöhnlichem Umfang fremder Hilfe bedurfte (RVGE 4, 92, Nr 33). Daran hat sich in der Folgezeit bis zur heute geltenden Fassung des § 35 Abs 1 Satz 4 BVG nichts geändert. Vermehrt hat sich dagegen die Zahl der Stufen “erhöhter” Pflegezulage auf zunächst drei (Gesetz vom 21. Dezember 1927, RGBl I 487), dann durch das BVG 1950 (BGBl I 791) auf vier und schließlich 1978 mit dem 10. Anpassungsgesetz – KOV (BGBl I 1217) auf fünf. Auch die Zuordnung zu einer dieser höheren Stufen der Pflegezulage richtet sich – und zwar seit dem KOV-Strukturgesetz 1990 (BGBl I 582) ausdrücklich – nach dem “Umfang der notwendigen Pflege”. Gegenüber der bis dahin geltenden Fassung “unter Berücksichtigung der für die Pflege erforderlichen Aufwendungen” sollte mit dem geänderten Wortlaut klargestellt werden, “dass Maßstab für die Zahlung der Pflegezulage nicht die tatsächlichen Aufwendungen sind, sondern der Umfang der im Einzelfall notwendigen Pflege” (BR-Drucks 463/89, S 37).
Der mithin sowohl für den Zugang zur Pflegezulage (Hilflosigkeit) als auch für den Aufstieg in eine höhere Stufe maßgebliche Pflegeumfang richtet sich nach der Zahl der Verrichtungen (bei der Kriegsbeschädigte Hilfe brauchen), dem wirtschaftlichen Wert der Hilfe und dem zeitlichen Aufwand. Nach Auffassung des Beklagten bestimmt den Pflegeumfang im Einzelfall der versorgungsärztliche Dienst, der sich dabei auf die VV zu § 35 BVG und seine in jahrzehntelanger Praxis gewonnenen Erfahrungen stütze. Damit hält der Beklagte an einer bereits durch Ausführungsbestimmungen zu § 31 RVG (vgl Handbuch der Reichsversorgung, Stand März 1943, Spalte 117 ff) begründeten versorgungsrechtlichen Tradition fest, die wegen offensichtlicher Mängel nur als Notlösung hingenommen werden konnte, solange es – mit dem Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach der 1994 eingeführten sozialen Pflegeversicherung – kein besseres System zur Einschätzung des Pflegebedarfs gab.
Aus § 35 BVG lässt sich unmittelbar nicht entnehmen, nach welchen Kriterien der “Umfang der notwendigen Pflege” zu bestimmen ist; ein Maßstab ist auch nicht aus den Sätzen 5 und 6 des Abs 1 abzuleiten. Blinde erhalten danach mindestens eine Pflegezulage nach Stufe III, erwerbsunfähige Hirnbeschädigte nach Stufe I. Bei diesen Setzungen handelt es sich nicht um beispielhafte Eckpunkte, aus denen sich ein allgemein gültiges Bewertungssystem für den Hilfebedarf Kriegsbeschädigter mit dort unbenannten Gesundheitsstörungen entwickeln ließe. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, ist § 35 Abs 1 Satz 5 BVG eine begünstigende Sondervorschrift für Blinde, deren Pflegezulage das Gesetz unabhängig vom tatsächlich bestehenden individuellen Pflegebedarf festsetzt (BSGE 87, 63 = SozR 3-3100 § 35 Nr 10). Dasselbe gilt für erwerbsunfähige Hirnbeschädigte (vgl BSGE 43, 107, 109 = SozR 2200 § 558 Nr 2; BVerfG SozR 3-3100 § 35 Nr 1; Verhandlungen des ≪26.≫ Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen des Deutschen Bundestages über das Bundesversorgungsgesetz, 1949, S 38 D bis 40 C und 139 C bis 140 B). Auch die VV zu § 35 BVG enthalten kein geschlossenes Beurteilungsgefüge, nach dem sich der Umfang notwendiger Pflege im Einzelfall sachgerecht abstufen ließe. In ihren Nr 5, 6, 8 (vgl zur Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmung BSGE 87, 63 = SozR 3-3100 § 35 Nr 10) und 12 beschreiben die VV lediglich bestimmte Körperschäden (vornehmlich Gliedmaßenamputationen) und ordnen diesen eine Stufe der Pflegezulage zu. Wie daraus der Pflegebedarf bei nicht benannten (insbesondere multiplen) Gesundheitsstörungen abzuleiten und eine Einordnung in das Stufensystem nachvollziehbar zu begründen sein soll, bleibt offen. Das zeigt exemplarisch der vorliegende Fall. Bei dem Kläger liegen vielfache, unterschiedlich ausgeprägte Gesundheitsstörungen an allen Extremitäten und weitere, auch innere Leiden vor. Weder die Begründung der angegriffenen Bescheide noch die Ausführungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren legen nachvollziehbar dar, weshalb der hilflose kriegsbeschädigte Kläger in der Zeit vor dem 1. April 2006 fremder Hilfe noch nicht in einem die beantragte Stufe II rechtfertigenden Umfang bedurft haben soll.
Auch ein Blick in die für die gesetzliche Rentenversicherung entwickelten Anhaltspunkte des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) zur Bemessung des Pflegegeldes bei Arbeitsunfällen (abgedruckt bei Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Stand Mai 2005, § 44 nach RdNr 29) hilft kaum weiter (vgl zur Parallele von Pflegegeld nach § 558 Reichsversicherungsordnung ≪jetzt: § 44 SGB VII≫ und Pflegezulage nach § 31 RVG ≪jetzt: § 35 BVG≫ bereits die Materialien zum RVG: Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung, Drucks 2663, S 41). Die Anhaltspunkte kategorisieren mögliche Gesundheitsschäden von I bis IV vor allem nach schwersten, erheblichen, mittleren und leichten Beeinträchtigungen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens und nennen 28 Einzeleinstufungen für bestimmte Verletzungsfolgen. Damit geben sie keinen Maßstab an, der uneingeschränkt geeignet wäre, Einstufungsentscheidungen auch bei nicht benannten Gesundheitsstörungen nachzuvollziehen und zu überprüfen.
Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung (vgl § 15 ff SGB XI und das daraus entwickelte, seit langer Zeit angewendete und bewährte System zur Quantifizierung des Pflegebedarfs hält es der Senat – ebenso wie das LSG – für sachgerecht, den “Umfang der notwendigen Pflege” in erster Linie an dem täglichen Zeitaufwand (vgl dazu § 15 Abs 3 SGB XI: “wöchentlich im Tagesdurchschnitt”) für die notwendigen Betreuungsleistungen zu messen. Er wendet damit seine Rechtsprechung zum Begriff der Hilflosigkeit (BSGE 90, 185 = SozR 3-3100 § 35 Nr 12; SozR 4-3250 § 69 Nr 1) auch auf die Abgrenzung zwischen den Stufen I und II der Pflegezulage an und sieht die Schwelle zu letzterer bei einem täglichen Zeitaufwand von vier Stunden überschritten. Für diese Grenze spricht zum einen der Vergleich mit § 15 SGB XI (vgl zur Begründung im Einzelnen: BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 1 RdNr 10) und zum anderen der in Stufe II nahezu verdoppelte Betrag der Pflegezulage nach Stufe I.
Um den individuellen Verhältnissen des Beschädigten hinreichend Rechnung tragen zu können, erscheint es geboten, nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen, vielmehr kommt auch den weiteren Umständen der Hilfeleistung insbesondere ihrem wirtschaftlichen Wert Bedeutung zu. Dieser Wert wird wesentlich durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Verrichtungen mitbestimmt, bei denen fremde Hilfe erforderlich ist. Denn eine Hilfsperson kann regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte, nicht jedoch für einzelne Handreichungen herangezogen bzw beschäftigt werden. Dieser Umstand rechtfertigt es, die Voraussetzungen für erhöhte Pflegezulage bereits bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen drei und vier Stunden dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen bzw ungünstiger zeitlicher Verteilung der Hilfeleistungen) besonders hoch ist (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 1 RdNr 12).
An diesen Kriterien gemessen hat der Kläger bereits ab 1. Februar 2001 Anspruch auf Pflegezulage der Stufe II. Nach den vom Beklagten nicht angegriffenen und damit gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für den Senat bindenden Feststellungen des LSG braucht der Kläger allein für zahlreiche notwendige Verrichtungen der Körperpflege (149 Minuten), der Ernährung (39 Minuten) und der Mobilität (24 Minuten) täglich 212 Minuten fremde Hilfe. Die am Grenzwert von vier Stunden noch fehlenden 28 Minuten sind hier für Hilfe zur Kommunikation, zu geistigen Anregungen und psychischer Erholung – insbesondere durch die Begleitung bei täglichen Spazierfahrten mit dem Rollstuhl – erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1685694 |
FEVS 2007, 433 |