Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Pflegezulage nach § 35 Abs 1 BVG. Abgrenzung der Pflegestufen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Abgrenzung der Pflegestufen I und II nach § 35 BVG sind die zeitlichen Grenzwerte nach § 15 Abs 3 SGB 11 als Orientierungswerte zu berücksichtigen.
2. Pflegezulage gemäß § 35 BVG nach Stufe II steht jedenfalls dem Beschädigten zu, dessen Bedarf an Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) einschließlich des Zeitaufwands für Anleitung, Übernahme und Bereitschaft und an Maßnahmen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation mindestens 4 Stunden beträgt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Mai 2004 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte dem Kläger erst ab 1. Februar 2001 Pflegezulage nach Stufe II zu gewähren hat.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Pflegezulage nach der Stufe II nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Mit Bescheid vom 08.04.1987 hatte der Beklagte bei dem ... 1919 geborenen Kläger zuletzt als Schädigungsfolgen anerkannt:
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1. |
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Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit verbildender Entartung und Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk und Stumpfneuralgien. Verheilter Bruch des linken Ellenbogens. Bewegungseinschränkung und verbildende Entartung im linken Schultergelenk sowie Schwäche des Arms. |
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2. |
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Chronische deformierende Veränderungen am rechten Hüft-, Knie- und Sprunggelenk sowie Fußwurzel mit Senk-Spreizfuß. Kunstgelenk in der rechten Hüfte (TEP). Postthrombotische Veneninsuffizienz nach Krampfaderoperation |
und zwar zu 1. hervorgerufen und zu 2. verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG. Der Kläger bezog deshalb Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 v. H. gem. § 30 Abs. 1 BVG sowie Schwerstbeschädigtenzulage gem. § 31 Abs. 5 BVG nach Stufe II.
Grundlage der Neufeststellung war das versorgungsärztliche (vä) Gutachten des Chirurgen Dr. R vom 18.02.1987, der darin die schädigungsbedingte MdE von seiten der linken Hüfte einschließlich Stumpf mit 90 bis 100 v. H., die MdE für die Schäden am rechten Bein mit 60 v. H. und die MdE für den Befund an der linken Schulter mit 30 v. H. einschätzte.
Nachdem sich der Kläger am 06.07.1996 bei einem Sturz in der Wohnung eine Schrägfraktur des medialen Grundgliedköpfchens der rechten Großzehe zugezogen hatte, beantragte er am 25.07.1996 die Gewährung einer Pflegezulage, weil er zur Zeit fast vollkommen gehunfähig sei. Nach Durchführung von Ermittlungen und Einholung von vä Stellungnahmen bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.03.1997 Pflegezulage nach der Stufe I für die Monate Juli und August 1996 sowie als Folgeleistungen die Hälfte der vollen Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag für diese beiden Monate.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, die Beschwerden nach Bruch des Großzehenendgliedes bestünden weiter, weil jetzt eine Falschgelenkbildung bestehe. Er könne den rechten Fuß, der nach einem doppelten Knöchelbruch erheblich deformiert sei, kaum mehr belasten. Auch habe er in beiden Schultergelenken heftige Schmerzen und ähnliche Beschwerden in beiden Handgelenken und im Ellenbogengelenk. Er könne sich nicht mehr bücken, nicht mehr aus einem tiefen Sessel aufstehen und müsse sich in Jacke, Mantel und dergleichen hineinhelfen lassen.
Der Beklagte zog von der Bayerischen Beamtenkrankenkasse die zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung erstatteten Gutachten von Dr. M vom 19.06.1996 und von Dr. F vom 04.11.1997 (erforderliche Grundpflege täglich 98 Minuten entsprechend der Pflegestufe I) bei. Hierbei wurden außer den anerkannten Schädigungsfolgen eine hochgradige Einschränkung der Sehkraft bei Makuladegeneration (Visus rechts 0,1 und links 0,2) sowie eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern und chronischer Herzinsuffizienz, eine chronisch venöse Insuffizienz und ein Ureterostoma nach Prostatektomie und Harnblasenentfernung wegen Karzinoms berücksichtigt. Ferner holte der Beklagte von dem Internisten Dr. H den Bericht vom 20.03.1998 ein und zog zahlreiche medizinischen Befundunterlagen bei. In seiner vä Stellungnahme vom 02.04.1998 führte Dr. G aus, die Brüche von 7/87 und 7/96 am rechten Fuß hätten offensichtlich zu keiner wesentlichen Verschlechterung der Funktion geführt. Dagegen lägen gravierende Nachschäden mit zum Teil progredientem Verlauf vor (Polyarthrose, Herzleistungsminderung, Ureterostoma, Seh- und Hörminderung, Nervenschaden rechte Hand). Nach den Kurberichten sei ab Juni 1997 eine zunehmende Immobilität eingetreten, sodass der Kläger häufig auf den Rollstuhl angewiesen sei. Schädigungsfolgen und Nichtschädigungsleiden würden hierfür ...