Leitsatz (amtlich)
Ein Hilfsarbeiter ist beim pflichtmäßigen Besuch einer Berufsschule grundsätzlich nicht auf Grund seines Beschäftigungsverhältnisses nach RVO § 537 Nr 1, sondern nach Nr 11 dieser Vorschrift Versichert. Die Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich aus dem Erlaß des RAM vom 1943-10-23 (AN 1943, 2 471), nach dem es auf den Sachkostenträger der Berufsschule ankommt; dem steht bei einem landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter RVO § 915 Abs 1 Buchst d nicht entgegen.
Normenkette
RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09, Nr. 11 Fassung: 1942-03-09, § 915 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1942-03-09; RAMErl 1943-10-23
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juli 1958 wird aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. Februar 1956 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der im Jahre 1938 geborene Kläger war nach seiner Entlassung aus der Volksschule bei dem Bauern E in F, Kreis W, als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter tätig. Er war verpflichtet, die landwirtschaftliche Berufsschule für den Landkreis in Ha. zu besuchen. Auf dem Weg zum Schulbesuch am 15. Dezember 1952 stürzte er mit dem Fahrrad und erlitt eine Fußquetschung.
Der beklagte Gemeinde-Unfallversicherungsverband lehnte den Entschädigungsanspruch mit der Begründung ab, daß der Kläger an einer Osteomyelitis gelitten habe, für deren Entstehung der Unfall nicht ursächlich gewesen sei.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg i. Br. ist die Badische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft beigeladen worden. Die beteiligten Versicherungsträger haben den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Osteomyelitis des Klägers und dem Unfall vom 15. Dezember 1952 anerkannt, streiten aber weiter über ihre Zuständigkeit zur Entschädigungsleistung. Die Beigeladene hat die Gewährung vorläufiger Fürsorge an den Kläger im Sinne des § 1735 der Reichsversicherungsordnung (RVO) übernommen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls eine vorläufige Rente bis zum 31. August 1954, zuletzt nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H., zu gewähren. Es ist der Ansicht, daß der Versicherungsschutz des Klägers aus § 537 Nr. 11 RVO herzuleiten und daher der Beklagte als Träger der Unfallversicherung für die gemeindlichen Träger der für den Landkreis W in H bestehenden landwirtschaftlichen Berufsschule entschädigungspflichtig sei.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 24. Juli 1958 die erstinstanzliche Entscheidung dahin geändert, daß an Stelle des Beklagten die Beigeladene die Entschädigung für den Arbeitsunfall zu gewähren habe. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Berufung sei zulässig, da unter den Beteiligten nur noch die Zuständigkeit des leistungspflichtigen Versicherungsträgers streitig sei (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Entschädigungspflichtig sei die Beigeladene. Ihre Zuständigkeit ergebe sich aus § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO. Der Kläger habe sich als Besucher der landwirtschaftlichen Berufsschule in beruflicher Ausbildung befunden und sei insoweit nach § 537 Nr. 11 RVO versichert gewesen; daran ändere nichts, daß er nur als Hilfsarbeiter in dem landwirtschaftlichen Unternehmen des Bauern E. tätig war. Aus § 537 Nr. 1 RVO könne der Versicherungsschutz für den Berufsschulbesuch nicht hergeleitet werden, weil dieser in der Regel nicht im Interesse des Beschäftigungsbetriebes liege. Deshalb seien die §§ 915 Abs. 1 Buchst. d und 537 Nr. 11 RVO geschaffen worden, nach denen der Versicherungsschutz für alle Berufsschulbesucher gewährleistet sei. Da sich der Kläger beim Besuch der landwirtschaftlichen Berufsschule in beruflicher Ausbildung befunden und daneben eine Tätigkeit in der Landwirtschaft ausgeübt habe, sei die Beigeladene nach § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO der zuständige Versicherungsträger. Nur wenn der Schulbesucher nicht zugleich ein Versicherter nach § 537 Nr. 1 in Verbindung mit § 915 Abs. 1 Buchst. a RVO sei, bestimme sich der Versicherungsträger nach dem Sachkostenträger der Schule. Das treffe hier nicht zu.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 22. August 1958 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 12. September 1958 Revision eingelegt und sie am 22. November 1958 innerhalb der bis dahin nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGG verlängerten Frist begründet. Sie rügt fehlerhafte Anwendung der §§ 915 Abs. 1 Buchst. d und 537 Nr. 11 RVO und macht geltend: Das LSG habe verkannt, daß der Kläger seiner Berufsschulpflicht genügt, dabei aber keine dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienende Fachausbildung genossen habe und daß § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO keine Zuständigkeitsregelung darstelle, vielmehr nur das Leistungsrecht regele. Die Zugehörigkeit der Berufsschulbesucher zu einem Träger der Unfallversicherung bestimme sich nach dem Sachkostenträger (Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 23.10.1943, veröffentlicht in AN 1943, 471). Das seien hier die Gemeinden, für die der Beklagte zuständig sei. Nur wenn das Tätigkeitsverhältnis einem der in § 915 Abs. 1 Buchst. a bis c RVO aufgezählten Unternehmen zuzurechnen sei, komme die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit in Betracht. § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO stelle auf ein solches Tätigkeitsverhältnis nicht ab, bezeichne nur die versicherte Personengruppe. Es habe eine versicherungsrechtliche Aufspaltung der Teilnehmer an unterrichtlichen Veranstaltungen vermieden werden sollen. Unter diesen Gesichtspunkten sei der Beklagte der für den Schulbesuch des Klägers zuständige Versicherungsträger.
Die Beigeladene beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er pflichtet den Ausführungen des Berufungsurteils bei und weist auf die in den entsprechenden Fällen bestehende Übung der gewerblichen Berufsgenossenschaften hin, die sich wegen des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Berufsschulbesuch und der hauptberuflichen Tätigkeit des Versicherten für zuständig hielten.
II
Die durch Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Revision der Beigeladenen ist zulässig. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß ein Beigeladener selbständig Revision einlegen kann (BSG 6, 161; 8, 293; 9, 114; 11, 264). Der Sachantrag der Revision hält sich im Rahmen der Anträge der übrigen Beteiligten (§ 75 Abs. 4 SGG), gibt jedenfalls dem Rechtsstreit nicht eine von dem Willen der Hauptparteien abweichende Richtung.
Der Senat hatte zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung des Beklagten zulässig ist (vgl. BSG 1, 230; 2, 227; 6, 253). Diese Frage hat das LSG im Ergebnis zu Recht bejaht. Die Berufung ist im Jahre 1956 eingelegt worden. Ihre Statthaftigkeit, auf die es allein ankommt, ist nach § 145 SGG in der Fassung vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 25. Juni 1958 (BGBl I 409) zu beurteilen (BSG 8, 135; SozR SGG § 143 Bl. Da 2 Nr. 3). Das SG hat dem Kläger zwar eine vorläufige Rente für einen abgelaufenen Zeitraum zuerkannt. Da der Kläger aber seinen Rentenanspruch zeitlich nicht begrenzt hatte, ist er mit seinem Klagbegehren insoweit abgewiesen worden. Das erstinstanzliche Urteil betraf somit nicht die Ausschlußgründe des § 145 Nr. 2 und 3 SGG. Es brauchte daher nicht geprüft zu werden, ob die Berufung, wie das LSG meint, schon deshalb statthaft war, weil es sich im instanziellen Verfahren nur noch um die Feststellung des leistungspflichtigen Versicherungsträgers handelte.
Die Revision ist begründet.
Streitig ist allein die Frage, welcher der beiden beteiligten Versicherungsträger den Kläger für die Folgen seines Unfalls zu entschädigen hat. Das LSG hält die Beigeladene auf Grund des § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO für entschädigungspflichtig, weil der Kläger neben dem nach § 537 Nr. 11 RVO versicherten Besuch der landwirtschaftlichen Berufsschule eine versicherte Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Unternehmen ausübte. Dieser Auffassung ist der erkennende Senat nicht beigetreten. Bei dem gegebenen Sachverhalt, der nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 163 SGG) dadurch gekennzeichnet ist, daß der Kläger unterwegs von seiner Arbeitsstätte zu der landwirtschaftlichen Berufsschule in H verunglückte, war zunächst zu prüfen, ob etwa der unfallbringende Weg des Klägers seiner versicherten Betriebstätigkeit zuzurechnen ist; denn in diesem Falle wäre die Zuständigkeit der Beigeladenen zur Entschädigungsleistung aus § 537 Nr. 1 in Verbindung mit § 915 Abs. 1 Buchst, a RVO herzuleiten. Dies ist jedoch zu verneinen. Der Umstand, daß der Kläger den Weg von seiner Arbeitsstätte aus angetreten hatte, rechtfertigt nicht die Annahme, daß es sich hierbei um einen nach § 543 RVO mit der versicherten Arbeitstätigkeit des Klägers im Zusammenhang stehenden und deshalb bei der Beigeladenen versicherten Weg handelte. Der Weg nach einer zweiten Arbeitsstätte (Ausbildungsstätte) beginnt versicherungsrechtlich in der Regel bereits mit dem Verlassen der ersten Arbeitsstätte, so daß nicht ein Weg von ihr im Sinne des § 543 RVO zurückgelegt wird (vgl. EuM 30, 3).
Der Besuch der Berufsschule stellte auch nicht eine unmittelbare Auswirkung des Arbeitsverhältnisses des Klägers dar, so daß auch nicht aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt die Zuständigkeit der Beigeladenen gemäß § 537 Nr. 1 RVO begründet wäre. Durch den Besuch der landwirtschaftlichen Berufsschule erfüllte der Kläger seine Berufsschulpflicht nach § 10 des Reichsschulpflichtgesetzes vom 6. Juli 1938 (RGBl I 799) in Verbindung mit dem Erlaß des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 29. Oktober 1937 (MinAmtsbl Deutsche Wissenschaft S. 500). Danach sind Berufsschulen sämtliche Schulen, die pflichtmäßig von gleichzeitig in der praktischen Ausbildung (in Lehr- und Anlernverhältnissen oder dergl.) oder in Arbeit befindlichen jungen Menschen sowie von erwerbslosen Jugendlichen besucht werden. Daß die landwirtschaftliche Berufsschule in H, die der Kläger besuchte, eine Schule im Sinne der angeführten gesetzlichen Vorschrift ist, wird von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen. Zweck der beruflichen Ausbildung in einer solchen Schule ist das Bestreben, den jungen Menschen das Rüstzeug für den künftigen Lebensberuf zu vermitteln. Der Umstand, daß der Kläger damals in dem landwirtschaftlichen Betrieb des Bauern E tätig war, bildete wohl den Anlaß für seine Zuweisung in diese Schule. Daraus folgt aber nicht, daß er sie im Interesse dieser dem Unternehmen E dienenden Tätigkeit besuchte, und zwar um so weniger, als er lediglich Hilfsarbeiter war. Der natürlichen Betrachtungsweise entspricht es vielmehr, das Arbeitsverhältnis und den Berufsschulbesuch des Klägers versicherungsrechtlich getrennt zu behandeln. Es sind jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die berufliche Ausbildung des Klägers in der Schule Ausfluß seiner beruflichen Tätigkeit war. Er war daher auf dem Weg zur landwirtschaftlichen Berufsschule in H nicht nach Nr. 1, sondern nach Nr. 11 des § 537 RVO versichert. Der Anwendung dieser Vorschrift, nach der es sich um die Ausbildung für eine der in den Nr. 1 bis 9 des § 537 RVO genannten Tätigkeiten handeln muß, steht nicht entgegen, daß zwischen dem Schulbesuch des Klägers und seinem Arbeitsverhältnis kein innerer unmittelbarer Zusammenhang bestand; denn der Kläger unterzog sich durch den Schulbesuch ohne Rücksicht auf sein Beschäftigungsverhältnis allgemein einer einschlägigen beruflichen Ausbildung im Sinne der Nr. 11 des § 537 RVO.
Da der Kläger als Besucher einer landwirtschaftlichen Berufsschule verunglückte, richtet sich sein Entschädigungsanspruch nach den Vorschriften der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Dies folgt aus § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO. Danach werden die Versicherten bei der beruflichen Ausbildung für landwirtschaftliche oder ähnliche Unternehmen oder Tätigkeiten von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung umfaßt. Das hat, wie offenbar auch das LSG nicht verkennt, jedoch nicht zur Folge, daß in den Anwendungsfällen des § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO ohne weiteres eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft der zuständige Versicherungsträger ist. Ihre Zuständigkeit ist nicht stets dann begründet, wenn der Berufsschulbesucher gleichzeitig in einem nach § 537 Nr. 1 RVO versicherten Beschäftigungsverhältnis steht. Jedenfalls ist die Frage nach dem zuständigen Versicherungsträger beim Besuch einer landwirtschaftlichen Berufsschule durch § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO nicht erschöpfend geregelt. Zwar kann diese Vorschrift nicht, wie die Revision meint, dahin verstanden werden, daß sich die Zuweisung der Versicherten bei der beruflichen Ausbildung zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung lediglich auf das Leistungsrecht beziehe, die Frage der Zuständigkeit des Versicherungsträgers hingegen überhaupt nicht berührt werde. Wie nach allgemeinen Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung die Zuständigkeit des Versicherungsträgers sich nach der Art der geschützten Tätigkeit richtet, so folgt auch in den Fällen des § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO aus der Zuordnung der Ausbildungstätigkeit zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung grundsätzlich die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Indessen ist der Revision darin beizupflichten daß der vom LSG vertretenen Auffassung, die Zuständigkeit der Beigeladenen lasse sich unmittelbar auf § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO stützen, der Erlaß des RAM vom 23. Oktober 1943 entgegensteht. Nach Nr. 3 dieses Erlasses bestimmt sich die Zugehörigkeit der nach § 537 Nr. 11 und damit auch nach § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO Versicherten zu einem Versicherungsträger nach dem Träger der unterrichtlichen Veranstaltung (Sachkostenträger). Der Erlaß ist, wie von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen ist, auf Grund der Ermächtigung des Art. 3 § 1 des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung (6. ÄndG) vom 9. März 1942 ( RGPl I 107) wirksam zustande gekommen. Danach konnte der RAM im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern u. a. zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Auf diese Ermächtigungsnorm hätte allerdings eine Rechtsverordnung, als die sich die hier in Betracht kommende Zuständigkeitsregelung ihrem Wesen nach darstellt, unter der Herrschaft des Grundgesetzes nicht mehr gestützt werden können. Die Wirksamkeit der Ermächtigungsnorm ist jedoch, wie das BSG wiederholt entschieden hat (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 28.2. 1962 - 2 RU 271/58 -, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSG 16, 227), nach den im Zeitpunkt ihrer Anwendung herrschend gewesenen staatsrechtlichen Auffassungen zu beurteilen. Die Wirksamkeit dieses Erlasses, der lediglich in den "Amtlichen Nachrichten für Reichsversicherung", einer Sonderausgabe des Reichsarbeitsblatts, veröffentlicht worden ist, wird durch diese Art der Verkündung im Ministerialblatt des zuständigen Reichsministers nicht in Frage gestellt; sie ist damals allgemeine Übung gewesen und, wie in BSG 6, 51 ff näher dargelegt ist, in Rechtsprechung und Rechtslehre überwiegend gebilligt worden (vgl. auch insoweit das angeführte Urteil des erkennenden Senats vom 28.2.1962; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II S. 420).
Hiernach war der RAM berechtigt, wirksam materielles Recht zu setzen und die Vorschriften der RVO im Rahmen des 6. ÄndG zu ergänzen. Von dieser auf Art. 3 § 1 des 6. ÄndG beruhenden Ermächtigung hat er durch den angeführten Erlaß vom 23. Oktober 1943 Gebrauch gemacht. Die zur Auslegung des § 537 Nr. 11 RVO getroffene Zuständigkeitsregelung stellt materielles Recht dar und ergänzt diese Vorschrift, die durch das 6. ÄndG neu geschaffen wurde. Für den ebenfalls durch das 6. ÄndG in die RVO aufgenommenen § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO, der die Handhabung des Versicherungsschutzes bei der Ausbildung für landwirtschaftliche und ähnliche Berufe unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 537 Nr. 11 RVO regelt, gilt das gleiche. Hiernach steht fest, daß sich auch in den Fällen des § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO der zuständige Versicherungsträger nach dem Sachkostenträger der unterrichtlichen Veranstaltung bestimmt. Die Beigeladene scheidet daher im vorliegenden Falle als entschädigungspflichtiger Versicherungsträger aus, weil der Träger der landwirtschaftlichen Berufsschule in Ha. ihr nicht zugehört und der Umstand, daß es sich bei dieser beruflichen Ausbildung um eine Angelegenheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt, nicht schlechthin die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften begründet. Insoweit ist § 915 Abs. 1 Buchst. d RVO durch den Ministerialerlaß in seiner Wirkung eingeengt.
Die Bestimmungen des Reichsversicherungsamts vom 19. Mai 1944 (AN 1944, 143), die auf Grund des Abs. 2 der Nr. 3 des Erlasses des RAM vom 23. Oktober 1943 ergangen sind, führen zu keinem anderen Ergebnis. Nach ihnen kommt eine berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit nur in Betracht, wenn der Träger der unterrichtlichen Veranstaltung Mitglied der entsprechenden Fach-Berufsgenossenschaft ist (vgl. hierzu auch Bayer. LSG Urt. v. 19.5.1961 in BG 62, 16). Das ist bei dem Träger der für den Kreis W eingerichteten Berufsschule nicht der Fall. Für sie sind Kostenträger die dem Beklagten angehörenden Gemeinden. Dies ist den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu entnehmen. Insoweit hat der Beklagte auch keine Einwendungen erhoben.
Der Beklagte ist somit verpflichtet, den Kläger für die Folgen seines Arbeitsunfalls vom 15. Dezember 1952 zu entschädigen.
Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen