Leitsatz (amtlich)

1. Ein in der Satzung der landwirtschaftlichen Krankenkasse gemäß KVLG § 65 für die Bildung von Beitragsklassen benutzter "anderer angemessener Maßstab" muß in ähnlicher Weise wie die gesetzlich genannten Maßstäbe des Einheitswertes (Wirtschaftswertes) und des Arbeitsbedarfs Aussagen über die unterschiedliche Ertragskraft der Unternehmen ermöglichen.

2. Der andere angemessene Maßstab kann sich an Durchschnittswerten, zB dem durchschnittlichen Hektarwert der Gemeinde, orientieren, wenn er für Korrekturen nach individuellen Werten - hier: nach dem individuellen Hektarwert - Raum läßt, sofern die Differenz der Werte ein bestimmtes Ausmaß - hier: bei dem von der landwirtschaftlichen Krankenkasse gebildeten "Flächenwert" eine Differenz von 20 vH - nicht überschreitet.

 

Normenkette

KVLG § 65 Fassung: 1972-08-10, § 65 Fassung: 1977-06-27, § 65 Fassung: 1980-07-09; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.04.1979; Aktenzeichen L 16 Kr 164/77)

SG Dortmund (Entscheidung vom 27.10.1977; Aktenzeichen S 8 Kr 13/77)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe von Beiträgen zur Krankenversicherung der Landwirte.

Der Kläger bewirtschaftet ein landwirtschaftliches Unternehmen, das zunächst 15 ha Fläche, ab Mai 1977 14,14 ha und ab November 1977 14,05 ha Fläche umfaßte. Seit November 1972 ist er aufgrund von § 2 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert. Sein monatlicher Beitrag war ab dem 1. Januar 1975 auf 171,-- DM festgesetzt. Die Beklagte hatte ihn gem § 56 ihrer damaligen Satzung (Satzung aF) in die Beitragsklasse 4 eingestuft, die Unternehmen mit "Flächenwerten" von 12.000,-- DM bis 17.999,-- DM (nach den Wertverhältnissen vor 1964) erfaßte. Flächenwert war nach § 55 Abs 1 der Satzung aF der Wert, der sich aus der Multiplikation der landwirtschaftlich genutzten Fläche mit dem durchschnittlichen Hektarsatz (Hektarwert) in der Gemeinde nach dem Stande vom 1. Oktober 1972 - bis zu einem Höchstsatz von 2.000,-- DM - ergab. Nach Abs 2 konnte er auf Antrag auf den tatsächlichen Einheitswert des Unternehmens berichtigt werden, wenn er um mehr als 20 vH von diesem abwich.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 1976 beantragte der Kläger, ihn aus diesem Grunde günstiger einzustufen. Die Beklagte lehnte das mit Bescheid vom 5. Dezember 1976 ab, weil für die 15 ha des Klägers bei einem tatsächlichen Hektarwert von 854,-- DM der tatsächliche Einheitswert 12.810,-- DM betrage und dieser nicht um mehr als 20 vH von dem mit einem durchschnittlichen Hektarwert von 922,-- DM errechneten Flächenwert von 13.830,-- DM abweiche (Abweichung von lediglich 7 bis 8 %).

Der Kläger legte Widerspruch ein, mit dem er die Beitragsbemessung nach dem Flächenwert überhaupt als rechtswidrig beanstandete. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Erklärung zurück, daß die Einstufung in die Beitragsklasse 4 rechtmäßig sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die daraufhin erhobene Klage wegen mangelnder Beschwer des Klägers abgewiesen. Auch seine Berufung, in der er ua auf den ab 1. November 1977 verringerten Flächenumfang seines Unternehmens hinwies, hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) erstreckte dabei die Nachprüfung auf die inzwischen für die Jahre 1978 und 1979 erteilten Beitragsbescheide (§ 96 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- ). Sie beruhten auf der ab 1. Januar 1978 geänderten Satzung, die nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964 die Beitragsklassen neu bestimmt und von bisher 8 auf 9 bzw 10 erweitert hatte; danach gehörte der Kläger ab Januar 1978 der neuen Beitragsklasse 3 mit einem Monatsbeitrag von 165,-- DM an. Nach der Auffassung des LSG sind die ergangenen Bescheide nicht zu beanstanden. Weder nach den alten noch nach den neuen Wertverhältnissen weiche der Flächenwert der Unternehmensflächen um mehr als 20 vH von dem tatsächlich festgestellten Einheitswert ab. Die Beitragsbemessung verstoße auch nicht gegen materielles Recht. Sowohl die Staffelung wie auch der Maßstab und die Höhe der Beiträge hielten sich im Rahmen des § 65 KVLG alter und neuer Fassung; ein Verstoß gegen Art 3, 20 des Grundgesetzes (GG) sei gleichfalls nicht erkennbar. Der Flächenwert sei neben dem Einheitswert und dem Arbeitsbedarf des Unternehmens ein "anderer angemessener Maßstab" iS des § 65 Abs 1 KVLG; er vermöge eine pauschale Aussage über den Ertragswert eines landwirtschaftlichen Besitzes zu geben. Der Flächenwert diene den Bedürfnissen der Verwaltung; er werde in der Regel den tatsächlichen Verhältnissen gerecht. Die bei einer Abweichung um 20 vH vorgesehene Berichtigung auf den tatsächlichen Einheitswert entspreche den Maßstäben des Bewertungsgesetzes.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt der Kläger (sinngemäß),

die Urteile der Vorinstanzen und die

Bescheide der Beklagten aufzuheben

und diese zu verurteilen, die Beiträge

zur Krankenversicherung der Landwirte

niedriger festzusetzen.

Er rügt einen Verstoß gegen § 65 KVLG sowie gegen Verfassungsrecht. Der Gesetzgeber habe in § 65 Abs 1 KVLG wohlbedacht den Flächenwert nicht als Alternative gewählt, weil er die individuelle Veranlagung des einzelnen gewollt habe. Die mit der Durchschnittsbildung verbundene Pauschalierung und Nivellierung benachteilige die Unternehmen mit geringem individuellen Hektarwert; sie verstoße gegen die Art 3 und 20 GG.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß der Beitrag zur Krankenversicherung der Landwirte für ihn niedriger festgesetzt wird.

Das Begehren des Klägers war zunächst auf § 55 Abs 2 der Satzung aF der Beklagten gestützt. Diese Bestimmung läßt auf Antrag eine Berichtigung des nach dem vorangehenden Abs 1 ermittelten Flächenwertes zu. Sie ist an die Voraussetzung geknüpft, daß dieser Wert um mehr als 20 vH von dem für das Unternehmen tatsächlich festgestellten und nachgewiesenen Einheitswert nach dem Stande vom 1. Oktober 1972 abweicht. Der Antrag ist jederzeit möglich; bereits bindend gewordene Beitragsbescheide stehen ihm nach der Satzung nicht entgegen. Nach § 55 Abs 2 Satz 2 erfolgt die Berichtigung allerdings erst mit dem 1. des Antragsmonats; das bedeutet, daß erst von diesem Zeitpunkt an die Beitragsberechnung und zugleich ein für das Jahr bereits erteilter Beitragsbescheid zu ändern wäre. Wird der Antrag abgelehnt, so steht für das Weiterverfolgen im Klagewege die verbundene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (nicht Leistungsklage, wie das LSG angenommen hat) zur Verfügung.

Nach dem Vorbringen des Klägers besteht kein Zweifel, daß er - jedenfalls im Revisionsverfahren - von der Beklagten keine Berichtigung iS des § 55 Abs 2 der Satzung aF mehr verlangt; hierfür wäre auch nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG zur Wertdifferenz des Flächenwertes zum tatsächlichen Hektarwert offensichtlich keine Grundlage gegeben. Das gilt ebenso für die ab 1. Januar 1978 gültige Nachfolgevorschrift des § 34 der neuen Satzung; denn auch nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964 verbleibt die Differenz zwischen dem nach § 34 Abs 1 ermittelten Flächenwert (durchschnittlicher Hektarwert der Gemeinde nun 970,-- DM) und dem beim Kläger finanzamtlich festgestellten Hektarwert (912,87 DM) weit unter 20 vH.

Die auf die Klage und nun die Revision des Klägers vorzunehmende Prüfung muß jedoch, wie schon das LSG angenommen hat, weiter reichen als das ursprüngliche Berichtigungsverlangen. Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren beanstandet, daß die Beitragsbemessung nach dem Flächenwert überhaupt rechtswidrig sei. Mit diesem erweiterten Vorbringen des Klägers hat sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid sachlich befaßt; dieser Bescheid macht die Beitragsleistung des Klägers insgesamt zu seinem Gegenstand, ohne sich auf die Bindungswirkung des Beitragsbescheides vom 24. Januar 1975 (mit dem der Beitrag ab Januar 1975 auf 171,-- DM festgesetzt worden ist) oder weiterer Beitragsbescheide zu berufen. Der Widerspruchsbescheid hat dem angefochtenen Verwaltungsakt damit zusätzlich hinsichtlich der Beitragsfestsetzung die Gestalt eines Zweitbescheides verliehen (vgl § 95 SGG); er wird von dem Kläger insoweit mit einer reinen Anfechtungsklage angefochten. Die bei dieser Anfechtungsklage streitige Zeit ist von den Vorinstanzen allerdings nicht klar abgegrenzt worden; aus dem Gesamtzusammenhang des Falles, insbesondere aus den Schreiben des Klägers vom 9. Oktober und 5. Dezember 1976, seiner Klageschrift und aus den Urteilsgründen des LSG ergibt sich jedoch, daß die Anfechtungsklage die Zeit ab Januar 1975 betrifft. Der zeitliche Umfang reicht bis in das Jahr 1979, weil auch die für die Jahre 1978 und 1979 erteilten Beitragsbescheide gem § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

Mit dieser Anfechtungsklage wendet sich der Kläger im Revisionsverfahren nur dagegen, daß die Beklagte ihre Beitragsberechnung auf den Flächenwert stützt; nach seiner Meinung müßte der tatsächliche Hektarwert der Unternehmensflächen maßgebend sein. Mit diesen Werten würde der Kläger zumindest für Teile der streitigen Zeit zwar in dieselben Beitragsklassen fallen; gleichwohl kann aber deswegen nicht seine Beschwer durch die Beitragsfestsetzung verneint werden, weil nicht feststeht, ob die Beklagte auf der Grundlage von tatsächlichen Hektarwerten ab dem 1. Januar 1975 die gleichen Beitragsklassen mit gleichen Beitragshöhen wie bisher rückwirkend bilden würde. Die bloße Möglichkeit einer Besserstellung reicht insoweit zur Annahme einer Beschwer aus, mag sie auch kaum wahrscheinlich sein.

In der Sache greifen die Einwände des Klägers gegen den Flächenwert als Bemessungsmaßstab nicht durch. Ein wesentlicher Teil der Einwände zielt im Grunde nicht gegen diesen Maßstab, sondern gegen die mit jeder Beitragsgestaltung verbundenen Durchschnittsbildungen. Das KVLG sieht zwar (weitgehend) einheitliche Leistungen, nicht aber einheitliche Beiträge vor. Die Beiträge sind vielmehr gem § 65 Abs 1 Satz 1 KVLG in der Satzung (§ 53 Abs 2 Nr 4 KVLG) nach Beitragsklassen festzusetzen. Die Satzung muß mindestens fünf und darf höchstens zehn von ihnen vorsehen (§ 65 Abs 1 Satz 3); der Beitrag der höchsten Beitragsklasse mußte dabei in der streitigen Zeit zunächst das Zweieinhalbfache und ab dem 1. Januar 1978 das Dreifache der niedrigsten Beitragsklasse betragen. Die Beitragsklassen waren gem § 65 Abs 1 Satz 2 KVLG für die versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem Einheitswert, dem Arbeitsbedarf oder einem anderen angemessenen Maßstab zu bestimmen.

Diese Vorschriften über die Beitragsgestaltung zwangen die Beklagte (ihre Vertreterversammlung) zu Gruppenbildungen unter ihren versicherungspflichtigen Mitgliedern, gleichgültig, nach welchem Maßstab sie verfuhr, stets mußten Unternehmen mit unterschiedlichem Einheitswert, unterschiedlichem Arbeitsbedarf oder sonst unterschiedlichen Werten in Gruppen zusammengefaßt werden. Auch wenn, wie der Kläger es will, die individuellen Hektarwerte als Maßstab für die Klassenbildung genommen würden, käme es zu "Pauschalierungen" und "Nivellierungen" von Unternehmen mit geringeren und solchen mit höheren Werten. Diese Erscheinung ist der Beitragsgestaltung nach dem KVLG immanent.

Gleichwohl wäre die Klassenbildung nach dem Flächenwert rechtswidrig, wenn dieser Maßstab kein "anderer angemessener Maßstab iS des § 65 KVLG wäre. Der dies verneinenden Ansicht des Klägers vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.

Der Begriff des angemessenen Maßstabes wird im KVLG nicht erläutert; für seine Klärung bieten auch, wie bereits das LSG dargelegt hat, die Entstehungsgeschichte des Gesetzes (BT-Drucks VI/3508 und zu Drucks VI/3508, zu § 57) und vergleichbare Vorschriften keine Hilfe. Der vom 10. Ausschuß des Bundestages eingefügte Zusatz sollte Sonderfällen Rechnung tragen (etwa im Gartenbau), ohne daß diese näher bestimmt wurden. § 65 Abs 1 Satz 2 KVLG wurde hierbei in Anlehnung an § 803 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) formuliert, wo aber ebenfalls eine Definition fehlt (zur Auslegung dieser Vorschrift vgl Bayerisches LSG, Breithaupt 1979, S 877).

Unter diesen Umständen muß der Begriff im wesentlichen aus dem Sinn und Zweck des § 65 KVLG und dem Gesamtzusammenhang, in dem er steht, bestimmt werden. Die unterschiedliche Beitragsgestaltung bei grundsätzlich gleichen Leistungen ist Ausdruck des in der Sozialversicherung geltenden Solidaritätsgrundsatzes. Danach werden die Beiträge nach der Leistungsfähigkeit der einzelnen unterschiedlich bemessen. § 65 KVLG stellt in diesem Zusammenhang erkennbar auf die unterschiedliche Ertragskraft der landwirtschaftlichen Unternehmen ab. Als Maßstab hierfür werden einerseits der Einheitswert (im 2. Agrarsozialen Ergänzungsgesetz vom 9. Juli 1980, BGBl I S 905 jetzt ersetzt durch den Wirtschaftswert) und andererseits der Arbeitsbedarf der Unternehmen im Gesetz ausdrücklich genannt. Soll ein anderer Maßstab verwendet werden, muß er darum, wie der erkennende Senat bereits in der Entscheidung vom 8. März 1977 (SozR 5420 § 65 Nr 1) ausgesprochen hat, im Vergleich mit diesen Maßstäben angemessen sein. Er muß also in ähnlicher Weise wie diese eine Aussage über die unterschiedliche Ertragskraft der Unternehmen erlauben. Nicht zu fordern ist dagegen, daß er den "gleichen" Aussagewert wie der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf hat, zumal beide Maßstäbe keine übereinstimmenden Ergebnisse gewährleisten.

Der von der Beklagten benutzte Maßstab des Flächenwertes ist dadurch gekennzeichnet, daß er sich an dem durchschnittlichen Hektarwert in den Gemeinden orientiert, aber individuelle Korrekturen gestattet. Diese Kombination wird vom Gesetz nicht untersagt. Der Gesetzgeber läßt im vergleichbaren Zusammenhang selbst mehrfach Durchschnittshektarwerte als Maßstab zu. So konnte schon nach den §§ 1 GAL, 65 KVLG in den in der streitigen Zeit geltenden Fassungen auf den durchschnittlichen Hektarsatz der Gemeinde zurückgegriffen werden, wenn der Einheitswert des Unternehmens sich nicht in der an sich vorgesehenen Weise bestimmen ließ. Daß diese Möglichkeit nur hilfsweise gegeben war, bedeutete entgegen der Meinung des Klägers keinen gesetzlichen Ausschluß der von der Beklagten vorgenommenen Ermittlungsmethode, die es nicht beim Durchschnittswert beläßt, vielmehr eine Korrektur vorbehält. Hinzuweisen ist ferner auf § 814 Nr 1 RVO, der in der Unfallversicherung die Heranziehung durchschnittlicher Ertragswerte gestattet. Besonders bedeutsam aber ist, daß das 2. Agrarsoziale Ergänzungsgesetz nun auch gesetzlich einen Flächenwert als Durchschnittswert sogar für die Feststellung der Existenzgrundlage als Voraussetzung für die Beitrags- und Versicherungspflichten nach dem GAL und dem KVLG eingeführt hat. Dieser Flächenwert wird durch Vervielfältigung der Flächengröße mit dem durchschnittlichen Hektarwert der landwirtschaftlichen Nutzungen in dem Gemeindeteil, in dem die Flächen gelegen sind, gewonnen (§ 1 Abs 6 GAL nF) und gilt in dieser Weise ohne jede individuelle Korrektur.

Es ist darum nicht zu beanstanden, daß die Beklagte (ihre Vertreterversammlung) als Ausgangspunkt des von ihr angewandten Maßstabes den durchschnittlichen Hektarwert in der Gemeinde für die in Frage kommende Nutzung gewählt hat. Dafür sprach insbesondere, daß dieser Maßstab, wie das LSG festgestellt hat, in den größten Teilen Westfalens keinen nennenswerten Abweichungen vom individuellen Hektarwert bringt und daher in der Regel den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird (so auch Noell, Die Krankenversicherung der Landwirte, 6. Aufl S 173); es lag somit nahe, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung generell von dem durchschnittlichen Hektarsatz in der Gemeinde auszugehen, weil die Beklagte es sich so ersparen konnte, in den zahlreichen Fällen der Bewirtschaftung sowohl von Eigenland als auch von Pachtland eigens die ihr nicht bekannten steuerlichen Werte des Pachtlandes festzustellen (vgl Noell, Die Altershilfe für Landwirte, 9. Aufl S 130).

Wie die Vertreterversammlung der Beklagten richtig erkannt hat, war jedoch bei diesem Ausgangspunkt eine Korrekturmöglichkeit für die Fälle vorzusehen, in denen die zunächst noch pauschale Aussage über die Ertragskraft des Unternehmens nicht mehr ein annähernd zutreffendes Bild der tatsächlichen Ertragskraft vermitteln konnte. Die Beklagte hat eine solche Korrektur erst bei einer Abweichung des Durchschnittswertes um mehr als 20 vH vom tatsächlichen Hektarwert ermöglicht und von einem Antrag des Unternehmers abhängig gemacht. Beides entsprach noch dem Gedanken der Verwaltungsvereinfachung; eine Spanne bis zu 20 % erscheint dabei zwar bedenklich weit, kann aber für den hier maßgebenden Zweck der Beitragsfestsetzung hingenommen werden. Sie rechtfertigt sich entgegen der Ansicht des LSG zwar nicht aus § 41 Abs 1 Nr 1 des Bewertungsgesetzes idF vom 26. September 1974 (BGBl I 2369), weil diese Vorschrift Zuschläge und Abschläge am Vergleichswert wegen besonderer wirtschaftlicher Ertragsbedingungen der Gegend (§ 38 Abs 2 Nr 2) betrifft. Die Vertreterversammlung der Beklagten durfte jedoch bedenken, daß der von ihr gewählte Flächenwert nur Bedeutung für die Bildung von Beitragsklassen hat, die ohnedies stets Gruppen zusammenfassen. Sie war also in der Lage, bei der Festsetzung der Beiträge für die Gruppen mitzuberücksichtigen, daß die tatsächlichen Hektarwerte der von jeder Gruppe erfaßten Unternehmen nicht völlig mit den der Gruppe zugeordneten Durchschnittshektarwerten übereinstimmen, vielmehr in Einzelfällen bis zu dem festgelegten Grade von 20 % davon abweichen können. Da indessen keine Feststellungen über eine nennenswerte Zahl von Abweichungen über 10 % hinaus getroffen sind - auch beim Kläger war die Abweichung geringer - und der Gesetzgeber im 2. Agrarsozialen Ergänzungsgesetz sogar nun die Feststellung der Existenzgrundlage anhand eines durchschnittlichen Flächenwertes erlaubt - zwar bezogen auf Gemeindeteile, aber ohne Korrektur -, hat die Vertreterversammlung in Wahrnehmung der ihr eingeräumten Satzungsautonomie den von ihr gebildeten Flächenwert trotz der erst bei einer Abweichung von über 20 % vom tatsächlichen Hektarwert eingreifenden Korrekturmöglichkeit als "anderen angemessenen Maßstab" iS des § 65 Abs 1 KVLG wählen dürfen. Ein Verstoß gegen diese Gesetzesbestimmung liegt daher nicht vor, zumal sich die Beitragsgestaltung auch im übrigen im Rahmen der durch § 65 KVLG der Autonomie gezogenen Grenzen hält.

Gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt der Maßstab "Flächenwerte" nicht. Dieser Wert ist aus den dargelegten Gründen gerechtfertigt und somit nicht willkürlich; der Kläger verkennt bei seiner Rüge, daß der Beitragsgestaltung im KVLG die Pauschalierung innewohnt. Bei einer notwendig typisierenden Regelung müssen gewisse Härten und Ungerechtigkeiten durch die Pauschalierung indessen hingenommen werden (BVerfGE 26, 265, 275). Verstößt die satzungsrechtliche Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz, dann ist aber auch für eine Verletzung des Art 20 Abs 1 GG kein Raum. Ein isolierter Verstoß hiergegen kann deshalb nicht vorliegen, weil das Sozialstaatsprinzip dem einzelnen gegen den Staat keinen Anspruch auf Regelung eines Lebenssachverhalts in einem für ihn günstigen Sinne gibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655039

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